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Test: Artiphon ORBA 2 Synthesizer und MIDI-Controller

Kompaktstudio mit Synthesizer

7. Dezember 2022

Im Frühjahr 2021 hatte Kollege Goldschmitz den Artiphon ORBA nicht nur auf seiner Handfläche, sondern auch auf dem Prüfstand . Und war am Ende davon eher mäßig angetan: Ihm fehlten sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten und ein Mehrwert. Das Gesamtpaket würde ja stimmen, doch hapere es an der Ausführung, der Bedienbarkeit und an der Möglichkeit, eigene Sounds aufzunehmen. Am Ende stand die Note „Befriedigend“. Wobei er aber einräumte, eventuell ja auch nicht zur Zielgruppe zu gehören. Nun also ist der Nachfolger erschienen, der Artiphon ORBA 2. Rund 50 Euro teurer als der Vorgänger, aber mit einigen neuen Funktionen und Features. Ob die nun ausreichen, um unsere Benotung anzuheben (und den um einen Drittel höheren Preis zu rechtfertigen), das finden wir jetzt mal raus.

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Intermezzo: Über Artiphon

Artiphon wurde 2011 von Mike Butera in Nashville gegründet – Musiker, Soziologe, mit einem Ph.D. (Doctor of Philosophy) in Sound Studies. Sein Anliegen: das Musikinstrument als intelligentes, vernetztes Gerät neu zu erfinden, um die alltägliche Kreativität durch Technologie zu ergänzen. Auf seiner Website schreibt er dazu: „Damit Millionen neuer Menschen mit dem Musizieren beginnen konnten, musste die Barriere zwischen Musiker und Nicht-Musiker fallen. Also begann das Startup aus Nashville mit der Entwicklung hochgradig intuitiver, intelligenter Instrumente, physisch und virtuell, die von jedem sofort gespielt werden konnten.“ Sein Erstling – ein sehr ungewöhnlicher MIDI-Controller namens „Instrument 1“ – brach 2015 auf Kickstarter Finanzierungsrekorde und landete auf der Liste der besten Erfindungen des Magazins TIME und auch der erste ORBA nahm die Kickstarter-Hürde mit Bravour. Nebenher entwickelte da Unternehmen auch musikalische (und ebenfalls recht ungewöhnliche) Apps wie Scan Band oder ORBAcam, die auf recht kreative Weise auf unterhaltsame, leicht zugängliche Art mehr Musik in den Alltag bringen sollen.

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Artiphon Orba 2: Was ist das eigentlich?

Der Orba ist Looper/Sequencer, MIDI-Controller (via USB oder Bluetooth-MIDI) und Synthesizer in einem handlichen Gerät. Der Synthesizer wiederum besteht aus vier Engines (Drums, Bass, Chord und Lead). Mit der Sequencer-Funktion lassen sich im Overdub-Modus mehrspurige eigene Kreationen einspielen. Der ORBA 2 lässt sich sowohl über die acht berührungssensitiven Tasten spielen als auch über Bewegungen des Gerätes an sich. Wie zum Beispiel die Controller einiger Spielkonsolen verfügt der Artiphon ORBA 2 über diverse Bewegungs- und Neigungssensoren. So kann ich beispielsweise durch Reiben auf einem Pad ein Vibrato auslösen, füge einem Akkord durch Vergrößerung der Auflagefläche des Fingers weitere Töne hinzu, kann durch Kippen des ORBA 2 (Tilt) einen Modwheel-Effekt erzeugen oder durch Bewegungen im Raum Sounds und Effekte modulieren – die Möglichkeiten sind da recht vielfältig. Jeder dieser neun „Gesten“ ist dann auch (fest) eine MIDI-Message zugeordnet. Der AD/DA-Wandler arbeitet mit 24 Bit Auflösung, der 1250 mAh Li-Po Akku soll für vier Stunden reichen, was – je nach Beanspruchung und Tätigkeit am Gerät – so ungefähr hinkommen könnte.

Einer dieser drei Gegenstände ist kein Haushaltsgegenstand

Artiphon Orba 2 ausgepackt

Der Artiphon ORBA 2 kommt in einem würfelförmigen, unscheinbaren Karton mit ca. 11 cm Kantenlänge. ORBA 2 steht auf der einen Seite, eine großformatige Warnung bezüglich brennbaren Batterien auf der anderen, ergänzt durch „Designed in Nashville, Manufactured in China“. Auf den beiden restlichen Seiten jeweils ein tassenförmiges Gefäß in Scherenschnitt-Ansicht, das alles mögliche sein könnte. Würde man den Karton bei Ikea ins Regal zu den Eieruhren stellen, würde er vermutlich nicht weiter auffallen.

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Im Karton dann ein weiterer Karton, der aber schwarzweiß und bunt bedruckt mit Abbildungen des Artiphon ORBA 2, dem Versprechen „Play any sound in the palm of your hand“ und „How will you play“, gefolgt von den vielen Möglichkeiten des ORBA 2: Tap, Press, Vibrato, Radiate, Spin, Bump, Move, Shake und Tilt. Klingt vielversprechend, da scheine ich ja eine Menge Möglichkeiten zu haben, die kleine Handheld-Musikproduktionsstätte zu bearbeiten.

Im Inneren ruht – gut geschützt durch zwei Schaumstoff-Einlagen – der Artiphon ORBA 2. Dazu gibt es noch ein USB-Kabel (multipel geknickt, USB-A auf USB-C, ca. 90 cm lang), ein winziger Quickstart-Guide, der mehr andeutet als erklärt und den Hinweis „Learn more at start.artiphon.com“. Dort finde ich das gesuchte Manual (PDF, englisch, leider ohne Inhaltsverzeichnis), einen wirklich witzig gemachten, siebenteiligen Videokurs, noch mehr Quickstart (dieses Mal aber richtig – „Easy as 1,2,3. All killer, no filler: just enough to make some noise”) und einen Link zur Orba App für PC, Mac, Android und iOS. Übrigens alles auch ohne Registrierung zu erreichen, danke dafür.

Links die 1, rechts die 2

Kompaktstudio ORBA 1 vs. ORBA 2

Wer nun bereits schon den Vorgänger hat, fragt sich sicherlich: Was sind die Unterschiede? Was kann der ORBA 2, was meiner nicht kann? Muss ich den Einser jetzt verkaufen und mir den Zweier zulegen?

Auf den ersten Blick hat sich rein äußerlich kaum etwas geändert. Auch der ORBA 2 sieht noch immer aus wie eine mattschwarze Eieruhr: Eine Halbkugel, etwa acht Zentimeter im Durchmesser, fünf Zentimeter hoch und 160 Gramm schwer. Mit anderen Worten: Passt immer noch bequem in eine Handfläche, da hat sich nichts geändert. An den Seiten drei kleine Lautsprecher, im (gummierten) Boden befindet sich ein weiterer. Auf der Oberseite – kreisförmig angeordnet – acht kleine Pads (aus hartem Kunststoff, nicht diese weichen Gummidinger), beschriftet mit „1 Drums“, „2 Bass“, „3 Chord“, „4 Lead“, „5 Play/Pause“, „6 Rec“, „7 BPM“ und „8 Oct“ und je einer farbigen LED für diverse Statusanzeigen, in der Mitte ein zentraler Button mit einem großen A, dem Logo von Artiphon. Auch hier gibt es also keine Änderungen. Damit man aber nicht durcheinanderkommt, prangt an der Seite nun der Schriftzug „ORBA 2 By Artiphon“, außerdem ist das mittige A nicht mehr fett gedruckt.

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Artiphon Orba 2
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An der Seite finden sich noch ein Powerbutton (jetzt ohne Bluetooth-Logo an der Seite), eine Volume-Wippe, der USB-Anschluss und eine Miniklinkenbuchse (Headphone/Aux Out) für Kopfhörer oder ein kleines aktives Speakersystem. Kennen wir alles schon vom Vorgänger, also müssen die Unterschiede im Inneren verborgen sein. Und tatsächlich finden sich da doch einige recht bedeutsame Unterschiede (die wir uns im Praxistest dann mal näher anschauen). Und zwar:

  • Automatische Quantisierung: Zwar nicht groß regelbar, da hier ausschließlich 16tel angeboten werden (neben den Modi „as recorded“ und „Orba Groove“), aber das ist schon mal um einiges besser als beim Vorgänger – da nämlich fehlte die Quantisierung komplett.
  • Preset Effects: Im ORBA 2 lassen sich nun in der App auch die Effekte Reverb und Delay in den Loops auf die Spuren mischen und das Volume anteilmäßig regeln
  • Sample: Ja, die Bitten der Nutzer des ORBA 1 wurden erhört – endlich kann man auch eigene Sounds aufnehmen und in ORBA-spielbare Instrumente umwandeln. Zwar nicht direkt mit dem ORBA 2, sondern über den Umweg über die App, aber immerhin. Kleiner Haken: Im Drum Mode werden Samples nicht unterstützt, man kann sich also keine eigenen Drums basteln. Was ja irgendwie schade ist.
  • Vergrößerter Loop/Song-Speicher: Beim ORBA 1 lag die Grenze bei 16 Takten (bzw. bei 2-30 Sekunden), der ORBA 2 packt jetzt 128 Takte mit bis zu fünf Minuten Länge.

Besonders das Sampling eigener Sounds ist ein Feature, das den ORBA deutlich gegenüber seinem Vorgänger aufwertet. Sofern das in der Praxis nun auch tatsächlich funktioniert – was ich gleich natürlich testen werde.

Ein Blick auf einige Drum-Sets in der App

Die Artiphon ORBA App

Die gibt es – wie bereits erwähnt – kostenlos für PC, Mac, Android und iOS. Und ja: Man kann auch ein wenig ohne App auf dem Artiphon ORBA 2 herumklimpern und -spielen. Was aber a) deutlich umständlicher ist („To adjust the volume for Drum, Bass, Chord, and Lead parts hold the A button + the instrument mode pad you wish to adjust while simultaneously pressing Orba’s volume controls up or down.“) und b) schnell langweilig wird, weil man nur über die App neue Sounds in den ORBA 2 laden oder gar eigene Samples aufnehmen sowie Loops/Songs dauerhaft speichern oder neue Firmware aufspielen kann. Die Verbindung zum App-gebenden Gerät wird entweder über Bluetooth oder per USB aufgebaut – wobei letzteres bei bewegungsintensiver Darbietung ja nun eigentlich ausscheidet.

Im Test hatte ich die App für Android im Einsatz, die größtenteils gut funktionierte, aber etwas fummelig ist. Was daran liegt, dass die Schaltflächen so groß sind, dass man sie beim Scrollen ständig auslöst. Probleme gab es zudem hin und wieder, wenn der Artiphon ORBA 2 sich ins Auto-Off verabschiedete. Schaltet man den dann nämlich wieder ein und verbindet ihn neu mit der App, behauptet die App – trotz erfolgreichem Verbindungsaufbau – bisweilen standhaft „no device connected“. Da half dann nur ein Neustart der App. Verbuche ich unter Kinderkrankheiten.

Will man neue Firmware installieren, ist wiederum die USB-Verbindung zum PC oder Mac Pflicht. Per Smartphone und Bluetooth ist das nicht möglich. Und auch eigene Samples lassen sich nur per USB auf den ORBA 2 übertragen, angeblich, um deren Qualität zu bewahren. Heißt, dass ich für das Smartphone dann ein USB-C auf USB-C-Kabel benötige, das natürlich nicht mitgeliefert wird. Heißt auch: Wer auf der Bühne oder sonst wo live den ORBA 2 als MIDI-Steuergerät oder gar als Instrument  nutzt und dabei den wirbelnden Willi macht, muss zum Nachladen ans Kabel. Was dann irgendwie etwas uncool wirkt.

Sampling funktioniert leichter mit der App

„Arbeiten“ mit der Artiphon ORBA App

Vorweg: All die nachfolgend aufgeführten (eher organisatorischen) Aufgaben lassen sich natürlich auch direkt am ORBA 2 erledigen. Und die Entwickler haben auch versucht, den Aufwand dafür mit den ultra-empfindlichen Sensortasten und der meist sinnigen LED-Beleuchtung so einfach wie möglich zu halten. Trotzdem ist das – besonders bei Tastenkombinationen – meist doch umständlicher als mit der App. Wer kann, der sollte also diese Bereiche auf die App auslagern und mit dem Artiphon ORBA 2 dann das Musikalische erledigen. Und wer jetzt sagt: „Aber dann muss ich ja dauernd wechseln“ – das muss man eh, denn das Beladen mit neuen Sounds oder das Speichern von mehr als dem aktuellen Songs geht eben nur mit der App. „Vorweg“ – Ende.

Die App ist unterteilt in vier Bereiche. Da haben wir die „Songs“ mit den kompletten thematischen Soundsets für alle vier Spuren, schön mit kleinen bunten Bildchen und mehr oder weniger passenden Bezeichnungen wie Grapefruit, Ohm oder Minimax. Mit einem Song hat das allerdings wenig zu tun, eher mit „Material für einen Song“. Vermute ich mal, weil dieses Kapitel im Manual (ohne Inhaltsverzeichnis) ausgespart wurde.

In den „Presets“ gibt es die Sounds nach Instrument geordnet, so dass ich mir hier zum Beispiel den Bass aus der „Grapefruit“, die Drums aus „Cartridge“, Akkorde aus der „Bossa Guitar“ und die Leadstimme aus dem „Clavi Wonder“ pflücken und neu zusammenstellen kann.

Die „Play“-Sektion ist der Sequencer-Part der ORBA-App. Hier stelle ich Tonart und Tempo ein (eintappen geht auch), wähle die Quantisierung, kann das Track-Volume regeln und Reverb oder Delay, beides wie schon gesagt aber nicht regelbar, da gibt es nur ja oder nein. Anschließend drücke ich da auf den Record-Button (hier oder am Gerät) und nehme eine Spur nach der anderen im Overdub-Verfahren auf. Gefällt mir die Aufnahme nicht, kann ich den letzten Take/die letzte Spur wieder löschen – wobei dann aber nicht nur der letzte Overdub eines Tracks, sondern der gesamte Track gelöscht wird. Dabei lassen sich pro Instrument auch mehrere Spuren nach- und übereinander aufzeichnen, was besonders bei den Drums ja ganz praktisch ist. Die Quantisierung muss unbedingt vor dem Einspielen eingestellt werden, nachträgliches Quantisieren scheint nicht vorgesehen zu sein. Beim Abspielen gibt es dann auf der App schöne farbige Effekte im Rhythmus der Musik, eine kleine nette Spielerei. Den fertigen Song kann ich mit Song Title, Interpret, Beschreibung und Tags in der App speichern.

Der vierte Bereich gehört dem Sampling. Da der Artiphon ORBA 2 keinen Line-In oder gar ein Mikro besitzt, kann man das ebenfalls nur mit der App machen. Dazu nutzt man entweder das Mikrofon des Smartphones oder eines, das am PC/Mac angemeldet ist. Wie das genau funktioniert, schauen wir uns im übernächsten Abschnitt an.

Artiphon Orba 2

Musikmachen kann man damit überall

Spielen und Komponieren auf dem Artiphon ORBA 2

Der Artiphon ORBA 2 bietet ja nun einiges an Möglichkeiten, um durch Gesten, Bewegen oder Änderungen des Anschlags den Ton zu verändern. Das ist zum Teil dann auch Instrumenten bzw. Sample-spezifisch. Schlage ich beim Drumsound von außen an das Gehäuse, ertönt ein Clapsound – ziemlich cool. Halte ich (ebenfalls im Drum-Mode) Pad 8 und schüttle den ORBA 2, gibt’s einen Shaker. Rotieren, Kippen und Bewegen lösen hier und Modulationen aus, Fingerbewegungen auf dem Pad, eine unterschiedlich große Auflagefläche oder Reiben verändern den Klang ebenfalls – mal mehr, mal weniger. Nicht immer gibt es dann aber auch tatsächlich den Effekt, den man haben wollte, der ORBA 2 duldet keine Unsauberkeiten und halben Sachen, sondern will präzise Angaben, was zu tun ist.

Eine deutliche Einschränkung der Kreativität ist durch die limitierte Zahl der Pads gegeben. Acht Pads, wo doch schon eine Oktave 12 Töne hat: Da werden eben „Durchgangstöne“ weggelassen und die Akkorde auf eine überschaubare Zahl zusammengestrichen. So hat man dann bei den Lead-Sounds (bis auf eine Ausnahme) in C-Dur nur die Töne der pentatonischen Tonleiter zur Verfügung, die zwei Töne über die Oktave hinausreichen. Das ist sicherlich schön für Anfänger (weil man da kaum einen falschen Ton treffen kann), aber für einigermaßen gestandene Musiker doch arg einschränkend, wenn die meisten Halbtonschritte (und einige Ganztonschritte) fehlen. Beim Bass gibt es immerhin eine durchgehende Tonleiter, allerdings eben zusätzliche Halbtonschritte. Und auch bei den Akkorden schließlich muss man nehmen, was da ist – und das ist nicht viel. In der Tonart C bedeutet das: C-Dur, D-Moll, E-Moll. F-Dur, G-Dur, A-Moll, G/B und wieder C-Dur (dann eine Oktave höher). Etwas mehr Varianz bekommt man in die Geschichte, wenn man zwei oder noch mehr Pads gleichzeitig betätigt (denn auch das geht bei einigen wenigen Sounds), um Akkorde zu mischen. Oder mit den Leadsounds eigene Akkorde anschlägt, ebenfalls mit mehreren Pads. Ist nicht ganz einfach, geht aber.

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Auch an anderen Ecken muss man mit Einschränkungen leben: Die Quantisierung ist festgelegt auf 16tel-Noten, was nur funktioniert, wenn man wirklich nah am Grid bleibt. Komme ich mal eine Achtel zu spät, kann die Quantisierung die Note eben auch mal in die falsche Richtung schieben, ohne dass ich da etwas ändern kann – außer den Track noch einmal aufnehmen. Auch die beiden Effekte sind fix, irgendwelche Parameter gibt es nicht. Und auch eine einfach erreichbare Mute/Solo-Funktionen für Spuren fehlt, das geht nur über den Umweg, das Trackvolume einzeln herunterzudrehen.

Etwas ungewohnt beim Loopen/Overdubbing ist, dass der Track (nach Stop) nicht von vorn beginnt, oder gar mit einem Vorzähler, sondern einfach da weitermacht, wo man aufgehört hat. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber schon ok. Außerdem ist der zuerst eingespielte Track der Zollstock, nach dessen Länge sich dann alle Overdubs zu richten haben. Heißt: Wenn ich zu Beginn eine simple zweitaktige Drumloop eingespielt habe, kann ich dann anschließend nicht 128 Takte Bass und Akkorde einspielen (ManuaL: „Note: the song length will always be as long as the first loop you’ve recorded.“). Auch fehlt eine Copy/Paste-Funktion, um eben diese einfache Drumloop einfach auf die möglichen 128 Takte auszuweiten – das muss alles von Hand eingetappt werden, auch wenn es am 128 identische Takte sind. Viel Spaß dann, wenn die Quantisierung dann in Takt 67 eine Achtel verschoben ist und man deshalb alles neu aufnehmen muss.

Was dagegen dabei gut gefällt: Der Artiphon ORBA 2 schneidet mir die Loops automatisch sauber und löscht automatisch die leeren Zählzeiten zu Beginn und am Ende raus. Was auch dringend notwendig ist, da ich ja weder einen Einzähler einstellen, noch die Loop nachher irgendwie editieren kann.

Das Spielen auf den kleinen Pads hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Sie sind sehr empfindlich bei Berührungen und lösen zuverlässig aus. Der Nachteil: Sie sind sehr empfindlich bei Berührungen und lösen zuverlässig auch. Auch dann, wenn man die recht kleinen Pads nicht genau trifft (was vor allem Menschen mit großen Händen öfter mal passieren dürfte) und auf dem Nachbarpad landet. Oder aus Versehen an der Seite anstößt. Oder einen ungewollt einen Effekt auslöst, was schnell mal passiert, da man den ORBA 2 ja nun in der Hand hält und dauern irgendwie in Berührung damit ist.

Artiphon Orba 2

Sampeln mit dem Artiphon ORBA 2

Auch hier haben sich die Entwickler wirklich Mühe gegeben, die Sache möglichst anfängerfreundlich zu gestalten. Die Sampling-Funktion scheint mit einem recht hoch angesetzten Schwellwert zu laufen, der dafür sorgt, dass das aufgenommene Sample auch ohne Editierung von Hand (die ohnehin nicht möglich ist) recht sauber ohne Pause zu Beginn startet. Die ORBA-App macht aus einem Einzelton dann entweder ein „spielbares“ Instrument, indem es aus dem Einzelton eine pentatonische Tonleiter macht, oder sie bastelt daraus die eben aufgeführten Akkorde. Ich muss das aufgenommene Sample auch erst nach der Aufnahme einem Bereich – also Bass, Akkord oder Lead – zuordnen; die Drums-Spur ist aber vom Sampling ausgenommen.

Was ich da aufnehme, ist egal – menschliche Stimme, Sätze, ein Instrument, Einzeltöne oder Akkorde, alles ist möglich. Was aber wiederum nicht möglich ist, sich jetzt acht eigene Akkorde für einen Song basteln und dann einzelnen Pads zuordnen. Es gilt: One Sample fits all, ein Sample wird also jeweils komplett auf alle Pads gelegt. Da haben die Entwickler wieder ein Kreativitäts-Plus verschenkt. Am Platzmangel kann das nicht gelegen haben, denn der ORBA 2 schluckt bis zu 2 GB an Eigenaufnahmen in seinem internen Speicher.

Alternativ zum Sampling lassen sich auch Sounds direkt als Datei in den ORBA 2 laden. Man kann sich da also schön an schon vorhandenem Material bedienen, etwa von Sampling-Bibliotheken oder anderen musikalischen Fertiggerichten. „Cool, dann kann ich mir ja auch ein paar fette Riffs auf die Pads knallen und abrocken.“ Nein. Bzw.: Jein. Theoretisch geht das schon, sich ein Gitarrenriff oder ein voreingespieltes Solo auf die Leadsektion zu schreiben. Nur liegt das zum einen nach dem Sampeln erst einmal in einer Mickymaus-Tonart vor, weil der ORBA 2 alles Gesampelte – warum auch immer – nicht im Original belässt, sondern tonal nach oben schiebt. Gut, das lässt sich dann über die Oktav-Funktion wieder nach unten holen. Wesentlich schwerer wiegt aber, dass das Riff/Solo zwar über die Pads verteilt wird, es dabei aber kein Time-Stretching gibt – es wird einfach hochtransponiert und dadurch immer schneller. Heißt: Ja, man hat am Ende ein Riff im richtigen Tempo, der Rest ist unbrauchbar.

Artiphon Orba 2

Der Synthesizer-Sound des Orba 2

Die mitgelieferten Sounds klingen ganz ordentlich, ohne jetzt aber klanglich direkt Bäume auszureißen, dazu sind sie dann doch etwas zu komprimiert. Trotzdem zeigen sie aber ein recht breite Spektrum, zudem sind die Sounds größtenteils auch ganz für die Gestensteuerung optimiert. Die kleinen eingebauten 3 W Speaker sind naturgemäß etwas „quäkig“, aber an die Anlage angeschlossen kann sich das schon hören lassen. Wobei es dann natürlich wiederum die Gestensteuerung arg beeinträchtig, wenn der ORBA 2 an der Kabel-Leine liegt. Neben vielen Synthiesounds aus den 80ern und 90ern finden sich auch einige Orchesterklänge und auch recht ausgefallen Drumkits. Gegenüber dem Vorgänger wurde allerdings ordentlich noch etwas draufgelegt: Kam der noch auf gerade mal zehn Sounds pro Kategorie, so glänzt der ORBA 2 jetzt gerade aktuell mit 36 Drumsets, 46 Bässen, 58 Chords und 56 Leads, wobei aber auch immer wieder mal neue per Update hinzukommen. Das Angebot an Sounds ist also inzwischen ausreichend groß, diese Lücke hat Artiphon also geschlossen. Für GarageBand, Ableton Live und Logic Pro gibt es überdies Templates mit einigen für ORBA 2 fertig konfektionierte Factory Sounds zum Download.

Hier mal ein paar Klangbeispiele. Zuerst eine Loop, die ich mit den Factorysounds in fünf Minuten gebastelt hatte:

Und hier mal ein Spur-für-Spur-Aufbau einer Loop

Und schließlich einige der Onboard-Sounds, nach Tracks getrennt. Erst ein paar Drums:

Dann zwei Bässe:

Einige Akkordklänge:

Und einige Leads:

Und dann ist da ja auch noch MIDI

Bei all dem sollte man nicht vergessen, dass der ORBA 2 ja auch als recht exotischer MIDI-Controller (Modes: MPE, Single, Per Part) eingesetzt werden kann, der vor allem natürlich im Live-Betrieb einiges hermacht. Das geht dann auch deshalb, weil der ORBA 2 MIDI nicht nur die über USB-C, sondern auch über Bluetooth LE nutzen kann – entgegen den Angaben im Handbuch (wo nur iOS, Android und Mac aufgeführt sind) auch unter Windows. So eine Filtersteuerung durch das Schwenken einer „Eieruhr“ sieht schon recht cool aus, aber auch eine Transportsteuerung der DAW zu Hause ist selbstverständlich möglich – auch wenn es da sicherlich komfortablere, aber dafür weniger beeindruckende Möglichkeiten gibt.

Auf der Artiphon-Homepage finden sich einige Presets, die bei der Einrichtung hilfreich sind. Außerdem wird dort auch ein Patch direkt für Max4Live und eine Anpassung an Ableton Live angeboten. Mit den jeweiligen Mapping-Funktionen können aber auch andere DAWs angepasst werden oder anderweitige MIDI-Performances auf die Beine gestellt werden, auf die man mit einem normalen Controller gar nicht kommen würde..

Das liefert einerseits einen echten Mehrwert dieses Mini-Produktions-Studios und auch einige schöne Möglichkeiten an der DAW oder Live, hat andererseits aber – wie das Spielen auf dem ORBA 2 auch – mit den recht kleinen und sehr empfindlichen Tasten zu kämpfen. So ist das im Bereich der MIDI-Steuerung zwar eine tolle und fast schon spektakuläre Ergänzung im Setup, aber weniger die heimische One-and-Only-MIDI-Controller-Basis.

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Fazit

Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Aufgrund der stark limitierten Möglichkeiten lässt sich mit dem ORBA 2 nicht wirklich Musik machen. Schön, um eine Weile damit herumzuspielen – was zweifelsohne wirklich Spaß macht – und ihn als ungewöhnlichen MIDI-Controller zu nutzen, aber viel mehr ist da nicht. Ende.

Nun war aber Artiphon damals angetreten, um die „Barriere zwischen Musikern und Nicht-Musikern einzureißen“ und „hochgradig intuitive Instrumente zu entwickeln, die sofort von jedem gespielt werden können“. Und es gibt sicherlich auch Menschen, die bisher keinen Zugang zu DAW, Mischpult und Plug-ins hatten, Spaß daran haben, mit nur einem kompakten Gerät und mit Hilfe der App zu kleineren hörbaren Ergebnissen zu kommen und dankbar für die angesprochenen Limitierungen auf pentatonische Tonleitern und einige wenige passende Akkorde. Für die die Ergebnisse, die der Artiphon ORBA 2 produziert, dann eben durchaus „Musik“ ist.

Trotzdem muss sich Artiphon den Vorwurf gefallen lassen, dass aber genau für diese Zielgruppe (wenn sie es denn sein sollte) die Bedienung eventuell doch etwas zu kompliziert ist und sich Erfolgserlebnisse eher schleppend einstellen. Womit Artiphon dann irgendwie zwischen den Stühlen sitzt: Für Musiker bietet der Artiphon ORBA 2 zu wenig (keine Einzelbelegung der Pads, begrenztes Ton- und Akkordangebot, fixe 16tel Quantisierung, keine Loop-Editierung), für Laien ist der ORBA 2 nicht intuitiv genug.

Deshalb: Wer einen ungewöhnlichen, zusätzlichen MIDI-Controller sucht und Freude daran hat, unterwegs – jetzt auch mit eigenen Sounds – ein wenig an kleinen Loops zu basteln oder ein wenig zu trommeln, der sollte sich den ORBA 2 einfach mal näher ohne Vorbehalte anschauen. Der Spaßfaktor ist gerade zu Beginn wirklich enorm. Wer hier aber ein komplettes Instrument samt Sequencer vermutet, dürfte angesichts der vielen Einschränkungen zu Recht enttäuscht sein. Wenn es Artiphon jedoch schafft, in der Version 3 die unten angeführten Minuspunkte zu beheben, könnte das noch was werden mit uns.

Plus

  • immer noch ein höchst originelles Konzept
  • ausdrucksstarke Gestensteuerung
  • (simple) Sampling-Funktion
  • integrierter 4-Spur-Sequencer
  • einfache Song-Erstellung durch Overdub-Looping
  • umfassende und ausgefallene MIDI-Control-Möglichkeiten (inkl. MPE)
  • interner Sequencer auf 128 Takte erweitert
  • inzwischen recht umfangreicher interner Soundpool
  • gute Integration in Ableton Live
  • gerade anfänglich hoher Spaßfaktor
  • recht bequeme Steuerung über die App

Minus

  • Pads nicht einzeln belegbar
  • kein eigenes Sampling für die Drumspur
  • Quantisierung fix auf Sechzehntel
  • Akkorde nicht editierbar
  • Leads fast immer nur pentatonisch
  • keine eigenen Skalen definierbar
  • Loop-Länge richtet sich nach dem ersten Loop
  • Loops nicht editierbar
  • manche Features funktionieren nur kabelgebunden
  • Soundwechsel nur über die App
  • Pad-Steuerung manchmal etwas ungenau
  • Manual ohne Inhaltsverzeichnis

Preis

  • 159,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    paolostylo

    Das Konzept erschliesst sich mir irgendwie nicht…
    Als ich aber dann noch las, dass auch eine App im Spiel ist, die man auch braucht, um erweiterte Funktionen zu bekommen, die am Gerät nicht ausführbar sind, habe ich nur gedacht:
    Warum nicht ALLES im Smartphone? Wozu brauche ich dieses Stück Hardware?
    Wegen der Tasten? Die Hab‘ ich auf dem Smartscreen auch. Wegen der Power? Die meisten Phones haben heute genügend Rechenleistung. Auch die ganzen Bewegungs- und Beschleunigungssensoren sind drin und und und und….
    Sorry, aber meines Erachtens könnte das eine sehr gut programmierte App ALLEIN bewerkstelligen.
    Dazu käme, dass das Ganze dann wohl um einiges billiger wäre. Und auch nachhaltiger….😉

  2. Profilbild
    [P]-HEAD (S.Bernhardt) RED

    So unterschiedlich sind die Meinungen: Ich mein, man kann immerhin froh sein, das es Leute gibt, die andere Konzepte ausprobieren. Insofern ist das nur zu begrüßen, das solche Produkte das Licht der Welt erblicken. DIe Hardware ist das eine, die Software das andere. Es ist unheimlich aufwendig und teuer solche Software zu entwickeln, und hier alle Hürden nehmen zu wollen. Vor allem auch auf Dauer. Das ist die größte Aufgabe bei solch einem Konzept. Man mag daher so manche Ungereimtheit in der Softwarebedienung verzeihen. So sehe ich das zumindest. Dem Gerät selbst werde ich mal eine Chance geben.

  3. Profilbild
    BouncyHunter

    Ich schließe mich dem Autor an,ich hatte das Teil kurz da und habe es zurück schicken lassen.Nach der anfänglich „kindlichen“ Freude über ein neues spassiges Spielzeug gab es die endgültige Ernüchterung beim Versuch eigene Samples zu laden.Das schlug zu ca. 80 Prozent immer fehl mit APP-Absturz.Dazu stellt sich mir noch die Frage nach der Langlebigkeit.Das Teil wirkt ja doch recht fragil,ich hatte auch schon beim Vorgänger auf Gebrauchtbörsen geschaut und war überrascht wieviele Orbas als defekt eingestellt wurden.

    • Profilbild
      Bernd-Michael Land AHU

      @BouncyHunter Ja, der Anteil an defekten Geräten in den Gebrauchtbörsen ist schon auffallend hoch. Ich liebe ja solche Gimmicks, aber das hat mich bisher vom Kauf abgehalten.

  4. Profilbild
    SynthNerd AHU

    Den ORBA brauche ich so wenig, wie ein Tamagotchi.
    Ich wette, die meisten Käufer legen das Teil nach wenigen Wochen der Nutzung in den Schrank und lassen es dort liegen. Irgendwann finden sie es wieder und stellen es bei ebay ein.
    Sollte ich mich irren, lasst es mich wissen…

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