Vielseitiges Echtkondensator-Vokalmikrofon für Anspruchsvolle
Noch ein Mikrofon? Tatsächlich sollte man meinen, dass der Mikrofonmarkt längst übersättigt sei. Eigentlich sollte doch für jeden Anwendungszweck und für jede Stimme ein passendes Mikrofon verfügbar sein. Und doch kommen zu den teils schon seit Jahrzehnten am Markt befindlichen Kandidaten von allen Herstellern ständig Neuentwicklungen hinzu. In diesem Test widmen wir uns einem Mikrofon, das gar nicht so viele Geschwister hat. Die Rede ist vom Austrian Audio OC707 True Condenser Vokalmikrofon.
Inhaltsverzeichnis
Austrian Audio
Der noch junge Hersteller Austrian Audio dürfte in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen feiern, denn eröffnet wurde die Firma im Juli 2017. Die Mitarbeiter als Neulinge zu bezeichnen, wäre falsch, denn hervorgegangen sind Austrian Audio aus der ehemaligen AKG-Niederlassung in Wien. 22 ehemalige Mitarbeiter von AKG bringen seitdem ihre reichhaltige Erfahrung in der Konstruktion von Schallwandlern in die neue Firma mit ein. Zwar ist das Produktportfolio des noch jungen Herstellers nicht sonderlich groß, doch das, was bislang geschaffen wurde, durchaus einen näheren Blick wert.
Austrian Audio OC707
Das Austrian Audio OC707 Kondensatormikrofon ist sehr nah verwandt mit dem Austrian Audio CC8 Kleinmembran-Kondensatormikrofon. In beiden Mikrofonen arbeitet die gleiche Kapsel, nämlich die OCC7 Kondensatorkapsel. Während das Austrian Audio CC8 sich für die Instrumentenabnahme empfiehlt, ist das Austrian Audio OC707 nun klar für die Hand eines Sängers oder einer Sängerin gedacht. Dennoch schließt das natürlich die Verwendung als Instrumentalmikrofon nicht aus!
Austrian Audio OC707: Von außen betrachtet
Rein äußerlich betrachtet sieht das Austrian Audio OC707 dem bereits hier getesteten OD505 sehr ähnlich. Beide nutzen die Austrian Audio „Open Acoustics“ Technologie, bei der Schallwellen die Kapsel (in der Theorie) von allen Seiten erreichen können. Durch reduzierte Kontaktflächen zwischen der Kapsel und dem Mikrofonschaft sollen zudem Körperschall und Reflexionen unterbunden werden, die ihrerseits die Klangqualität beeinflussen. Auch auf das Rückkopplungsverhalten soll die einzigartige Konstruktion der Mikrofone einen positiven Einfluss haben. Soweit die Werbung. Eines steht fest: So wie die rote Farbe von Nord Keyboards diese zu einem Hingucker gemacht hat, ist auch das Austrian Audio Design einzigartig und man erkennt die Produkte sofort.
Geliefert wird das Mikrofon in einem schönen und gut ausgepolsterten Koffer. Dem Mikrofon liegt eine Klemme bei, leider fehlt ein passender Windschutz.
Betrachten wir den Rest des Mikrofons, fällt das Low Cut Filter bei 120 Hz (2. Ordnung) auf. Der Schalter dafür ist versenkt an der Rückseite des Mikrofons angebracht, sodass er nicht versehentlich im laufenden Betrieb verstellt werden kann. Für das Umlegen des Schalters wird ganz im Gegenteil sogar ein kleiner Schraubendreher, Kugelschreiber oder ein sonstiger spitzer Gegenstand benötigt. Hier ist dann trotz gleicher Kapsel auch ein Unterschied zum schmaleren Verwandten CC8 zu finden, welches über zwei Filtereckfrequenzen bei 60 Hz und 120 Hz (2. Ordnung) verfügt. Das ist aber kein Nachteil für das OCC7, da dieses ja in erster Linie für Gesang gedacht ist und für Sprache/Gesang 120 Hz gut gewählt sind. Außerdem ist es heutzutage jederzeit möglich, am Digitalpult steilflankig bei einer beliebigen Frequenz zu filtern, sollte das doch einmal nötig sein. In diesem Fall stellt man das Low-Cut-Filter einfach aus und erledigt den Rest am Pult.
Die Verarbeitung ist wie schon beim OD505 äußerst solide. Vermutlich würde das Mikrofon auch einen Sturz aus großer Höhe oder das Überfahren mit einem Auto schadlos überstehen. Die robuste Verarbeitung hat aber auch einen Preis: Das Gewicht ist mit 340 g ohne Kabel nicht gerade gering. Dennoch liegt das Mikrofon gut in der Hand.
Austrian Audio OC707: Von innen betrachtet
Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, das Austrian Audio OC707 einmal aufzuschrauben und mir die OCC7 Kondensatorkapsel aus der Nähe zu betrachten. Diese lässt sich nämlich (sofern man später Alternativen anbietet) auswechseln.
Die OCC7 Kapsel ist in eine Fassung geschraubt und wird von einem Gummiring zusätzlich umschlossen. Dieser verschließt interessanterweise die untersten seitlichen Schalleintrittsöffnungen.
Ob das Absicht ist, um die Richtcharakteristik anzupassen, kann ich nicht sagen. Normalerweise sorgen seitliche Öffnungen an der Kapsel für einen laufzeitverzögerten Zugang des Schalls auf die Membran, wodurch durch Anhebungen und Auslöschungen nicht nur der Frequenzgang der Kapsel, sondern in besonderem Maße die Richtcharakteristik beeinflusst wird. In jedem Fall scheint dieser Verschluss absichtlich zu erfolgen. Gerne hätte ich ein Austrian Audio CC8 mal aufgeschraubt gesehen, um zu vergleichen. Leider hat mir kein Testautor den Gefallen getan, ein Bild zu veröffentlichen.
OCC7-Kapsel
Die OCC7-Kapsel wird in Österreich handgefertigt und abgestimmt. Sie hat dabei ein berühmtes Vorbild, die AKG CK1-Kapsel, die dem AKG C 451 Kondensatormikrofon zu Ruhm und Ehre verholfen und es über Jahrzehnte zu einem viel verkauften Mikrofon (in diversen Revisionen) gemacht hat. Die CK1-Kapsel war für ihren sehr linearen Frequenzgang beliebt und besaß einen ab 6 kHz einsetzenden Höhen-Boost, der sein Maximum zwischen 10 und 12 kHz erreichte. Dieser machte das AKG C 451 mit CK1-Kapsel so beliebt bei Instrumenten wie Becken, Streichern, aber auch für die Flügel-Abnahme. Eine alternative Version war die CK1S-Kapsel, bei der der Boost schon ab 2 kHz zu verzeichnen war. Hier seht ihr den offiziell von AKG veröffentlichten Frequenzschrieb zur CK1-Kapsel sowie das Polar Pattern-Diagramm:
Eine Sache vorweg: Austrian Audio bewirbt hier keine Kopie, sondern sagt, dass man sich von der CK1-Kapsel hat inspirieren lassen. Vergleichen wir den Frequenzgang eines OC707 mit dem einer OCC7-Kapsel, zeigen sich dann auch deutliche Unterschiede:
Der Boost beginnt bereits bei 1 kHz, steigt dann bis 2 kHz an, wo sich zunächst ein Plateau bildet. Ab circa 2,6 kHz geht es dann steil aufwärts mit einem Maximum bei 4 kHz. Darüber hinaus fällt die Kurve wieder bis 6 kHz steil ab. Einen erneuten Boost gibt es dann oberhalb von 10 kHz mit einem Maximum bei ungefähr 12 kHz. Dieser Boost fällt aber geringer aus als der zuvor genannte. Die Tendenz des Frequenzgangs geht also eher in Richtung CK1S als CK1, doch selbst beim CK1S ist die Höhenanhebung nicht so extrem wie bei der OCC7-Kapsel. Der Frequenzgang der CK1-Kapsel reicht zudem in den Tiefen bis 20 Hz hinunter im Gegensatz zu 70 Hz bei der OCC7-Kapsel. Recht ähnlich sind sich hingegen die sonstigen technischen Daten:
AKG C 451B mit CK1-Kapsel
- Equivalenter Rauschpegel: 18 dB(A)
- Empfindlichkeit: 9 mV/Pa
- Richtcharakteristik: Niere
- Max. SPL: 155 dB
OCC7
- Equivalenter Rauschpegel: 19 dB (A)
- Empfindlichkeit: 10 mV/Pa
- Richtcharakteristik: Niere
- Max. SPL: 150 dB
Herausragend ist der bei beiden Kapseln für ein Kondensatormikrofon herausragend hohe Schalldruck, den das Mikrofon verträgt. Nun wird selbst der lauteste Metal-Shouter diese Schalldrücke nicht erreichen, doch nichts verbietet die Anwendung des Austrian Audio OC707 an einer Snare oder vor einer Trompete.
Erreicht wird all das übrigens durch eine goldbedampfte Membran aus 3 Mikrometer starkem Polyethylennaphthalat, das als sehr robustes Material gilt. Austrian Audio attestieren auf ihrer Website dem verwendeten Filtergewebe eine konstante und sehr breitbandige Auslöschung für eine über weite Bereiche stabile Nierencharakteristik.
Praxis
Ich habe mit dem Mikrofon einige Sprachaufnahmen in unterschiedlichen Sprechabständen durchgeführt und dabei einen Teil des Werbetextes von der Austrian Audio Website vorgelesen. Alle Aufnahmen sind unbearbeitet und auch die Lautstärke wurde nicht angeglichen, sodass man gut den Pegelverlust oder -gewinn bei verschiedenen Sprechabständen beurteilen kann. Auch auf das Entzerren der Aufnahmen wurde verzichtet.
Interessant ist, dass der grundsätzliche Klangcharakter des Austrian Audio OC707 dem OD505 sehr ähnelt. Das Mikrofon hat einen ausgeprägten Nahbesprechungseffekt und liefert viel Bass. Für meine Stimme und vermutlich die meisten Männerstimmen ist deshalb das 120 Hz Low-Cut-Filter Pflicht. Selbst bei etwas größeren Sprechabständen kommt es noch zu deutlichen Überhöhungen. Man sollte also sehr kontrolliert sprechen oder singen oder gleich das Low-Cut-Filter einschalten oder die Filter des Mischpults bemühen. Ansonsten leistet sich das Mikrofon allerdings keine Schwächen und die Stimme klingt schön präsent. Die entsprechenden Anhebungen im Frequenzgang schieben die Stimme weit nach vorne, was gerade bei lauten Bands hilfreich ist. Normalerweise würde der Techniker hier die entsprechenden Frequenzen mit dem Mischpult-EQ boosten. Beim Austrian Audio OC707 entfällt das, weil der Frequenzgang eben schon von der Kapsel her entsprechend angepasst ist.
Aufgrund des massiven Bassschubs und des hohen Schalldrucks, den das Mikrofon verträgt, kann ich mir auch eine Anwendung innerhalb einer Bass Drum oder vor einem Bass-Verstärker sehr gut vorstellen.
Leider fehlen die Angaben zu Handgeräuschen.
Hallo Markus,
Herzlichen Dank für den interessanten Artikel. Für mich war Austrian Audio noch eine unbekannte Marke, jetzt aber nicht mehr! :-)
Viele Grüße, Garfield.