Eineiige Zwillinge?
Wenn es um ein günstiges Röhrenmikrofon geht, fällt eigentlich unweigerlich der Name Avantone Pro. Die amerikanische Firma hat es inzwischen geschafft, sich im unteren Preissegment als Quasi-Standard zu etablieren. Zeit also, zwei Mikrofone des Unternehmens mal auf Herz und Nieren zu überprüfen.
CV-12 vs. CV-12 BLA
Das CV-12 Mikro erscheint doch tatsächlich im Doppelpack. Neben dem bekannten CV-12 ist noch das ganz neue Modell CV-12 BLA im Lieferkarton des deutschen Vertriebs Audiowerk enthalten. Die drei Buchstaben machen stutzig, Klarheit schafft das aufgebrachte Emblem mit dem Löwenkopf. Hinter dem CV-12 BLA steckt die uns bekannte Firma Black Lion Audio, deren Produkte auch hier bei AMAZONA.de schon des Öfteren besprochen wurden.
Was vielleicht nicht alle Leser wissen, Black Lion Audio begann 2006 in Chicago mit der Verbesserung von bestehendem Audiogear und machte sich damit schnell einen Namen. Erst später wurden aufgrund der gewonnenen Erfahrung eigene Produkte entwickelt.
Nun hat sich Black Lion also im Auftrag von Avantone an eine Neuinterpretation des beliebten Mikrofons gemacht – Modifikation ab Werk, sozusagen.
Auffallendster Unterschied zwischen den beiden Exemplaren ist zunächst die Umverpackung. Während das Standard-Modell im üblichen Aluminiumkoffer geliefert wird, ist das BLA in ein edleres Behältnis, nicht unähnlich einem halbierten Gitarrenkoffer gepackt. Schwarzes Krokoleder-Imitat, weißes Zierpiping, Stahlecken und Samtpolsterung versprühen einen Hauch von Luxus.
Beide Mikrofone sind in einer Holzschatulle sicher untergebracht, hier gibt es keine Unterschiede.
Die ergeben sich aber bei der mitgelieferten Spinne. Während das ursprüngliche CV-12 mit einem klassischen Modell, bestehend aus Innen- und Außenteil und verbunden mit Gummiringen, ausgestattet ist, zeigt sich die speziell von Black Lion Audio neu gestaltete Spinne als moderne Interpretation aus Stahlbolzen, Metallteilen und Lagerungen mit Gummipuffern.
Beim Netzteil fällt zunächst die Farbe auf. Im Original ist das Blechgehäuse rot lackiert, die BLA Modifikation kommt im dezenten Schwarz. Nicht von außen ersichtlich ist modifizierte innere Aufbau, der für eine stabilere Spannungsversorgung und ein rauschärmeres Signal sorgen soll. Die sonstige Ausstattung ist gleich geblieben, es werden über ein Poti die drei Richtcharakteristiken Kugel, Niere und Acht geboten, zusätzlich sind je drei Zwischenstellungen möglich, was die Anzahl der Patterns auf 9 erhöht. Rückseitig lässt sich die Spannungsversorgung von 230 auf 115 Volt umstellen.
Das mitgelieferte 7-polige XLR-Spezialkabel ist mit ca. 10 m Länge sehr ausreichend bemessen und bei beiden Versionen identisch.
Auch die beiden Mikros sind, bis auf das BLA Logo, optisch gleich. Der Nickelkorpus mit metallic-roter Lackierung und das verchromte Einsprechgitter sind ebenso geblieben wie der Low-Cut bei 80 Hz, 6 dB/Oktave und der -10 dB PAD-Schalter. Im Inneren hat sich aber einiges getan. Wichtigste Neuerung ist sicher die neue 34 mm Kapsel im CK12 Style, die die bisherige K67 Kapsel mit 32 mm Durchmesser ersetzt. Aber auch am internen Platinenaufbau wurde modifiziert, um dem CV-12 BLA einen gleichmäßigeren Frequenzgang zu verpassen.
Geblieben ist 6072A Röhre, die von Electro-Harmonix produziert wird. Hier hat Black Lion offensichtlich keinen Handlungsbedarf feststellen können. Das dürfte auch der Grund sein, dass beiden Exemplaren keine Alternativröhren mehr beiliegen, obwohl die dafür vorgesehenen Ablagefächer in beiden Koffern noch vorhanden sind.
CV-12 Spezifikationen und Daten
Diesen Punkt können wir in einem Rutsch abhandeln: Außer im neuen Kapseldesign und dem verbesserten Netzteil sind alle Werte gleich geblieben.
Der Frequenzgang wird mit den üblichen 20 Hz – 20 kHz angegeben, die Ausgangsimpedanz beträgt <= 250 Ohm. Der max. SPL liegt bei 136 dB und kann mit der PAD-Funktion noch um 10 dB erhöht werden. Das Eigenrauschen ist kleiner 17 dB, der Rauschabstand beträgt 78 dB. Die Empfindlichkeit liegt bei -35 dB.
Die Schaltung arbeitet mit einem Ausgangstransformator, die Röhre ist eine 6072A, die gewechselt werden kann. Am Mikro sind PAD und Low-Cut-Filter schaltbar. Das Netzteil bietet den Umschalter der 9 Patterns und eine Spannungsumschaltung.
Die Maße des CV-12 betragen 237 mm Länge und 46 mm Durchmesser. Es kommt auf ein Gewicht von ca. 800 g.
Die Verarbeitung
Niemand erwartet hier sicher eine Materialanmutung auf Neumann Niveau. Trotzdem kann man dem CV-12 in diesem Punkt eine wirklich ordentliche Performance bescheinigen. Die Lackierung ist sauber aufgetragen, die Chromteile schauen gut aus. Das zweilagige Einsprechgitter sitzt gerade, das ist bei günstigen Mikros nicht immer der Fall. Die Schalter am CV-12 laufen mit dem nötigen Widerstand und jedes Mikrofon wird mit eingeprägter Seriennummer geliefert.
Das Kabel ist sicher nicht allerhöchste Qualitätsstufe, speziell die Stecker wirken schon etwas „günstig“. Das setzt sich auch an den Buchsen des Netzteils fort, hier haben Stecker und Buchse deutlich Spiel. Der Pattern-Umschalter schaltet ohne Knackgeräusche, das Gehäuse des Netzteils ist sauber gefertigt und besteht aus stabilem Stahlblech.
Bei der Spinne liegt optisch natürlich das neue BLA-Modell vorn. Das Standardmodell ist ein typisches Fernost-Produkt und recht rustikal ausgeführt. Die Feststellschrauben laufen recht schwergängig, halten aber sowohl Mikro als auch Neigungswinkel gut fest. Wie bei vielen günstigeren Spinnen sitzt das Gelenk für die Neigung etwas seitlich schief, so dass auch das Mikro schief hängt. Das tut der Funktion keinen Abbruch, sieht aber unschön aus.
Die Praxis
Nun, wie wir alle wissen, nicht das Aussehen zählt, sondern die inneren Werte. Also stelle ich die beiden Mikrofone auf ein Tellerstativ und klopfe mit dem Fuß auf den Teller und mit der Hand an den Ständer. Überraschung, die Spinne des CV-12 absorbiert die Schläge um Längen besser als das Designermodell von BLA. Hier hat sich der Entwicklungsaufwand offensichtlich nicht gelohnt.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Koffer, hier finde ich das alte Modell besser. Beim neuen Krokoleder-Imitat-Koffer ist der Ausschnitt für die Holzschatulle viel zu groß geschnitten, da hat sich jemand um 10 mm in der Tiefe und 20 mm in der Breite vermessen. Das schöne Behältnis wackelt also ein wenig darin herum. In den beiden Punkten hat sich die Modifikation leider nicht gelohnt.
Nun geht es aber an den Höreindruck. Zuerst möchte ich wissen, ob das neu aufgebaute Netzteil hier einen Nutzen bringt. Nun, hier liegen beide Mikrofone gleichauf, was den Rauschpegel betrifft. Das CK-12 Rauschen klingt aber etwas heller, was auf die alte Kapsel mit deutlichem Höhen-Boost zurückzuführen ist. Zum Vergleich tausche ich die Mikros an den Netzteilen, das Ergebnis bleibt gleich. Hier entscheide ich mich dann doch, die beiden Gehäuse mal zu öffnen. Tatsächlich sind hier kleine Unterschiede in der Platinenbestückung festzustellen, von einem komplett neu aufgebauten Netzteil zu sprechen, geht aber doch etwas zu weit.
Kommen wir zur tonalen Beurteilung, zunächst mit der Nierencharakteristik. Hier zeigt das CV-12 BLA gleich, dass sich die Modifikation gelohnt hat. Während das Standard CV-12 die Höhen zu plakativ betont und auch etwas flach klingt, kann das Black Lion Audio Modell den aufgeräumteren und plastischeren Klang bieten, der sich zudem weiter vorn festsetzt. Auch die Auflösung kriegt das BLA einen Ticken besser hin. Zudem ist das Signal, trotz gleicher technischer Werte, beim CV-12 BLA ca. 2 dB lauter.
Diese Unterschiede bleiben auch in der Achtercharakteristik erhalten, die ich mit der Akustikgitarre überprüfe. Das Signal wird schön räumlich. Über die Zwischenstufen lässt sich der Raumanteil steuern, wobei die drei Zwischenschritte nur wenig Klangunterschiede bieten.
Mit der Kugel gerät das Signal recht neutral und natürlich, verliert aber auch die tieferen Soundanteile. Die Kugel ist eher für Raummikrofonierung nutzbar, hier sind auch deutlichere Unterschiede bei den Zwischenstufen zu vernehmen, sodass damit gut Klangformung betrieben werden kann.
CV-12 vs. CV-12 BLA – der Endstand
Die Frage stellt sich nun: Lohnt sich der erhebliche finanzielle Mehraufwand für das modifizierte Mikrofon? Immerhin sind für das teurere Modell gleich 300,- Euro mehr fällig.
Wenn es um das Zubehör geht, ist die Antwort ein klares Nein. Die neue Spinne macht zwar optisch mehr her und ist deutlich besser verarbeitet, bei der Unterdrückung von Nebengeräuschen liegt aber die klassische Spinne eindeutig vorne. Hier wäre es allerdings schön, wenn sich die rustikale und auch etwas unsaubere Fertigung verbessern ließe.
Das neue Netzteil hat zwar tatsächlich eine Modifikation erhalten, in meiner Arbeitsumgebung kann ich da aber keinen Benefit feststellen. Es ist aber durchaus möglich, dass sich an anderer Stelle mit unsauberem Strom die Modifikation bezahlt macht.
Der Kroko-Imitat-Koffer ist eine ungewöhnliche Lösung, die die Blicke auf sich zieht. Das wird aber leider durch erhöhten Platzbedarf und den nicht passenden Ausschnitt wieder zunichte gemacht.
Bleibt also das Mikrofon selbst. Hier ist eine ganz klare Soundverbesserung zu vermelden. Das BLA klingt stimmiger, direkter, erwachsener. Es reiht sich einfach eine halbe bis eine ganze Klasse höher ein. Welcher Anteil der modifizierten Elektronik und der neuen Kapsel zugesprochen werden kann, lässt sich nicht klar sagen. Ich würde aber für den größten Teil auf das neue Kapseldesign tippen.
Während das klassische CV-12 in seiner Preisregion als Röhrenmikrofon, gerade auch mit umschaltbarer Charakteristik, so ziemlich allein auf weiter Flur zu finden ist, muss sich das CV-12 BLA durch den Mehrpreis schon einiger Konkurrenz stellen. Hier gilt es zu vergleichen.
Es ist gerade ein paar Wochen her, dass ich mein CV-12 bei Advanced Audio Europe mit der Apex 460 Mod in ein CM12 verwandeln ließ. Hat inkl. Porto etwa € 330,- gekostet. Mein Eindruck danach: weltklasse! Mindestens 2 Klassen besser als vorher. Unfassbare Verbesserung bei Linearität und Auflösung. DER Klang!!!!! Rauschen wird auch etwas besser. Ich bin unfassbar überrascht.
Interessant, kannte ich noch nicht.
Heisst das, die bauen ihr CM12 sowieso auf Basis des Avantones?
@Armin Bauer Es ist eher so, dass Avantone und Advanced Audio ihre C12-inspirierten Mikrofone auf Basis des Apex 460 Mikros aufbauen. Das Avantone CV-12 ist demnach bereits eine Modifikation des Apex 460, soll aber nicht meilenweit entfernt vom Klang des Apex sein, während Advanced Audio eben versuchen, sich dem Klang der ganz großen Vintage-Mics zu nähern, indem sie eigene Kapseln produzieren und noch einmal mehr in der Elektronik der Mics ändern. Die verschiedenen Farben und Labels auf den Bodies sind wahrscheinlich einfach custom editions für denjenigen der in China entsprechend bestellt. Mit Advanced Audio werden wohl mittlerweile mehr große Produktionen in Film und Charts bewerkstelligt, als man das so vermuten könnte. Die Klangbeispiele, die sich im Netz für die Nachbauten von C12 über 414 EBS und U47 finden sind jedenfalls so beeindruckend wie die Referenzen aus der Branche. (Von Leuten mit den Originalen) Hat was von Behringer für Mics nur eben in Handarbeit.
Vielleicht noch ein Wort zu meiner Mod: Durch diese verändert sich mehr als nur der Klang. Beim CV-12 von Avantone hatte ich die besten Ergebnisse bei Abständen um die 20-30 cm für Vocals mit entsprechender Nacharbeit, wie Peaks mit dem linear EQ rausziehen, top End um die 12kHZ boosten, komprimieren. Nach der Mod liegt der optimale Abstand zwischen 30 und 40 cm. Peaks gibt´s nicht mehr. Top End passt meist schon.
@Waveinhead Super, danke für die ausführliche Aufklärung.
Wieder was dazu gelernt.
Gerne.