Fast wie ein Supersportwagen
Wenn es bei Endstufen ähnlich wie ein Sportwagen ein Leistungsgewicht gäbe, läge die Behringer NX1000D mit ihren 1.000 W bei 3,5 kg (!) auf jeden Fall bei den Supersportwagen. Solche Leistungsangaben findet man sonst nur bei Elektronikartikeln der Discounter. Gucken wir doch mal, ob diese Endstufe nur ein Showcar ist oder auch mit inneren Werten überzeugen kann.
Wenn man das Gehäuse (oder die Verpackung) das erste Mal in den Händen hält, kommt einem das Ganze schon mulmig vor. Sein ganzes Leben schleppt man sich mit Equipment den Rücken krumm, immer mit dem Gedanken im Kopf, dass das so sein muss, weil Gutes nun mal schwer ist. Vinyl DJs wissen, was ich meine. Und dann kommt plötzlich das MP3-Format und alles wird klein und kompakt, DJs legen mit USB-Sticks auf und kaum einen stört es. Ungefähr parallel dazu (MPEG-1 gibt es ja auch schon seit 1992), begann man sich stärker mit Class-D Verstärkern zu beschäftigen. Gab es anfangs noch starke Probleme mit dem Rauschverhalten, wurde das Rauschen kurzerhand außerhalb des Hörbereiches von 15 – 20.000 Hz verschoben. So erfolgt in der Signalkette auch immer eine Filterung mit Hochpass- und Lowpass-Filtern, um das Rauschen in den Griff zu bekommen. Dafür erhält man dann einen Wirkungsgrad, von dem konventionelle Class-AB-Verstärker nur träumen können. Während Class-AB, also die Verstärkung mittels Transistoren, ca. 50 % der zugeführten Energie nicht in Ausgangsleistung umsetzt, sind es bei einem modernen Class-D Verstärker nur 10 %. Da die meiste umgesetzte Energie nicht in Wärme umgewandelt wird, kann der Class-D Verstärker auf umfangreiche Kühlkörper, große Kühlgebläse und so weiter verzichten. Das hilft, das Gehäuse klein zu halten (und damit das Gewicht niedrig). Ein weiterer Aspekt sind die Möglichkeiten beim Netzteil – während bei herkömmlichen Endstufen ein großer Ringkerntrafo ein Qualitätsmerkmal darstellt, reicht bei den Class-D Endstufen ein (im Vergleich winziges) Schaltnetzteil. Dafür hatte Class-D ein weiteres Manko: den recht niedrigen Dämpfungsfaktor. Der machte sich speziell in der Basswiedergabe bemerkbar, da die großen Schwingspulen beim Ausschwingen auch den größten Strom erzeugen. Behringer hat dafür das SmartSense Loudspeaker impedance compensation System entwickelt, das laut Hersteller dafür sorgt, den Dämpfungsfaktor immer automatisch an die jeweiligen Lautsprecher anzupassen. Wir werden sehen, ob das so hinhaut.
Erster Eindruck
Natürlich muss man sich fragen, was man für unter 200 Euro erwarten kann. Die Endstufe wird als “ultraleicht” vermarktet und das ist sie auch. Auffällig kurz ist sie auch, was das Ganze (entsprechende Umhüllung vorausgesetzt) noch transportabler macht. Bei dem Gewicht wäre ein “normales” Flightcase fast schon lächerlich, da das Case dann mehr wiegt als die Endstufe. Aber es gibt ja auch die leichten Kunststoffcases. Die Endstufe ist 2 HE hoch und kann mittels Rackmount-“Ohren” direkt eingeschraubt werden. Zum Behringer NX1000D gibt es noch eine Bedienungsanleitung und ein Kaltgerätekabel. Die Beschreibung ist leider recht verwirrend, es werden sieben Produkte in einem Heftchen aufgeführt, die teilweise andere Features und Einstellungen haben. Da den für die NX1000D relevanten Teil zu finden, grenzt fast an Detektivarbeit. Vielleicht macht man sich einmal die Fleißarbeit und markiert sich die relevanten Stellen, wenn man sich mit der Bedienungsanleitung weiter beschäftigen möchte.
Die beiden Eingänge sind mit Combobuchsen aufgeführt, fassen also sowohl XLR- als auch 6,3 mm Klinkenstecker. Als Ausgänge stehen Speakon-Buchsen zur Verfügung, diese sind komplett verkabelt (also alle vier Kanäle). Das Gehäuse ist recht dünn, was man unter der Prämisse “ultraleicht” seien zu wollen aber durchgehen lassen kann. Auf jeden Fall klappert nichts, wirkt instabil oder ähnliches.
Es gibt anscheinend auch eine Steuerungssoftware (NX Series Edit PC V1.0), die man versteckt auf der Herstellerseite zum Download findet. Komplett ohne Beschreibung, Screenshots oder ähnlichem. Für die Ansteuerung ist anscheinend die USB-Buchse auf der Rückseite vorhanden. Leider scheint es die Software nur für den PC zu geben – daher konnte ich sie nicht testen.
Inbetriebnahme
Also einmal schnell XLR-, Speakon- und Kaltgerätekabel rein für den ersten Testlauf. Nach dem Anschalten fällt zunächst das Display auf, das orange leuchtet. Dann springt der Lüfter an. Und bläst einem bei der Bedienung schön ins Gesicht. Hmm. Ich weiß ja, dass auch QSC und einige andere Hersteller Endstufen bauen, die back-to-front belüften. Auch wenn das insofern Mist ist, wenn andere Endstufen front-to-back sind (die meisten) und daher die warme Luft hinter den Endstufen ist. Wenn man die Behringer mit anderen Endstufen laufen lässt, sollte man (im heißen Sommer) gucken, dass man sich nicht einen hin-und-her Austausch von warmer Luft baut, indem man die Endstufen übereinander stackt. Der Lüfter ist auf jeden Fall ziemlich laut (was gerade bei einer Class-D Endstufe im Leerlauf keinen Sinn macht).
DSP (Digital Sound Processing)
Die Behringer NX1000D Endstufe hat einen DSP eingebaut. Dafür steht das “D” im Namen, es gibt auch eine günstigere Version ohne “D”. Ich war doch sehr erstaunt, wie viele Möglichkeiten das DSP bietet – bei einer Endstufe unter 200 Euro. Im Grunde genommen ist fast ein Behringer 2496 mit eingebaut. Natürlich fehlen ein paar Knöpfe und Anzeigen, aber die Möglichkeiten sind doch sehr ähnlich. So kann nicht nur ein Limiter mit regelbarem Attack und Release gesetzt werden, sondern auch bis zu sieben EQ-Punkte, die mit sechs verschiedenen EQ-Filtern versehen werden können. Und das kanalspezifisch! Das ist schon beeindruckend. Über einen Dynamic-EQ beeinflusst man einen gewissen Frequenzbereich in Abhängigkeit vom Lautstärkepegel. Das heißt, man kann bestimmte Frequenzen ab einem eingestellten Pegel absenken oder verstärken. Falls also die Höhen eines Tops ab einem bestimmten Lautstärkepegel zu schrill werden, kann über einen DEQ eingegriffen werden, ohne bei geringer Lautstärke den Sound anzupassen. Über ein Crossover-Filter kann das Ausgangssignal für Subs und Tops aufgeteilt werden und auch hier können sehr viele Feineinstellungen vorgenommen werden. Das Signal kann bis zu 300 ms verzögert (Delay) werden und auch eine Phasenumkehr ist mit an Bord. Bemerkenswert ist, dass es bei der Umstellung zwischen den Parametern zu keinen Soundaussetzern kommt. Dadurch kann auch im laufenden Betrieb noch die eine oder andere Feineinstellung vorgenommen werden. Sehr schön! Gut gefällt mir auch die Einstellung der Limiters – durch Drehen des Drehreglers an der Front kann der Regelbereich des Limiters angepasst werden. Bis hin zu -36 db. Durch die Limit-LED an der Front erkennt man immer, wenn der Limiter eingreift. Wenn der Limiter nicht zu früh gefordert wird, ist er ziemlich unauffällig, bei früherem Eingreifen wird eine deutliche Anhebung der Lautstärke bei eigentlich leiseren Passagen wahrnehmbar. Aber alles im normalen Bereich gängiger Limiter.
Generell werden die Funktionen über den Push-Drehregler und zwei Hoch/Runter-Tasten an- und ausgewählt. Das funktioniert nach kurzer Eingewöhnungszeit sehr intuitiv.
Sound der Behringer NX1000D
Fangen wir erst einmal mit einem Fullrange-Lautsprecher an. In meinem Fall ein EV SX-300. Bei dem nehme ich immer gerne eine Absenkung bei 4 kHz vor, da dort der Hochtöner ein bisschen schrill wird. Also über den EQ eine Absenkung bei 4 kHz mit der Einstellung PEQ vorgenommen. Die Absenkung wird grafisch direkt im Display angezeigt und kann so auch direkt mit den anderen Einstellungen verglichen werden. Auch der Kurvenverlauf kann sehr filigran eingestellt werden.
Da ich nur einen LS angeschlossen habe, kann der entweder über die gebrückte Endstufe laufen oder ich kann das Eingangssignal über den DSP in der Endstufe zusammenführen und dann als Monosignal auf die beiden Ausgänge schalten. Ein erhöhtes Grundrauschen, wie bei früheren Class-D Endstufen manchmal vorhanden, ist nicht auszumachen. Der Sound klingt soweit gut. Nicht zu klinisch, aber auch nicht zu verwaschen warm. Ok, die Instrumente werden nicht allzu klar herausgestellt, aber nach Hi-Fi Maßstäben sollte man diese Endstufe nicht beurteilen. Nachdem der NX1000D aber unzählige Möglichkeiten bietet, mehrere LS anzuschließen, widmen wir uns einmal diesem Thema. Die Speakon-Anschlüsse bieten die Möglichkeit, mit einem 4-poligen Stecker Tief- und Hochtonsignal parallel zu übertragen (1+, 1-, 2+, 2-). Beim Durchschleifen durch den Tieftöner kann man dann über ein 2-poliges Kabel nur noch das Hochtonsignal (2+, 2-) übertragen. Und alles kann über den DSP gesteuert werden. Eine weitere Möglichkeit ist es, Kanal A der Endstufe für den Tieftöner und Kanal B für den Hochtöner zu verwenden (oder andersrum). So schließe ich einmal ein EV RX 215 (Doppel 15 Zöller) an Kanal A und den SX 300 an Kanal B an und steuere den Crossover über den DSP. Der Tiefbass ist da, muss jedoch durch eine Anhebung ein bisschen unterstützt werden. Auch den Test mit einem Eigenbau 18-Zoll Horn besteht der NX1000D, der Sound ist unanstrengend und solide. Und der Bass ist da, egal ob mit dem Doppel-15er, dem 18er oder beiden. Das spricht für das SmartSense System. Allerdings fällt auf, dass die maximale Leistung doch nicht ausreicht, um Sub und Top an einer Endstufe in hoher Lautstärke zu betreiben. Da braucht es dann doch etwas mehr als die 2x 300 Watt bei 4 Ohm. Aber in angemessener Lautstärke oder mit mehreren Fullrange-Lautsprechern (bei dann 2x 500 W/2 Ohm) kann man die kleinste Endstufe der NX-Serie schon nutzen, um Musik an die LS zu bringen. Wenn man Subwoofer mit ins Spiel bringt, würde ich schon die stärkeren Endstufen der Serie mit 3.000 bzw. 6.000 W wählen.
Jetzt wollte ich natürlich wissen, wie der Sound im Vergleich zu meinen “Eisenschweinen”, namentlich Tapco J-1400, ist. Die bringen pro Endstufe 22 kg auf die Waage, sind also im Vergleich zum Sportwagen eher die Kategorie SUV. Bringen dafür auch 50 % mehr Leistung, aber das ist für den Vergleich eher nebensächlich. Die Einstellungen des DSP habe ich in meinen Behringer 2496 übernommen, damit der Vergleich fairer wird. Zuallererst fällt schon mal auf, dass die Lüftergeräusche beim Tapco wesentlich leiser sind. Hier wird der Lüfter auch last- bzw. temperaturabhängig gesteuert, sodass nicht von Anfang an die höchste Drehzahl gefahren wird. Im direkten Vergleich schwächelt der Behringer dann doch im Sound ein wenig. Die unteren Mitten wirken schwammig, die einzelnen Instrumente sind nicht mehr so klar wahrnehmbar, sondern vermengen sich zu einem Sound. Aber die Tapcos spielen (bzw. spielten) auch preismäßig in einer anderen Liga und wenn man sich wieder das Preis-Leistungs-Verhältnis vor Augen führt, sind die Abstriche im Sound zu verschmerzen. Wer mehr Hi-Fi-Qualität möchte, muss auch tiefer in die Taschen greifen.
Innere Werte
Noch einmal ein kurzer Blick ins Innere. Durch das Schaltnetzteil entfällt der große Trafo. In der Mitte sind die Transistoren zu sehen, die am stärksten gekühlt werden müssen. Diese sind mit Blechkühlkörpern versehen und mit einem ziemlich zusammengeschustert wirkendem Kühlkanal versehen, der die angesaugte Luft auf sie leitet. Der wirkt nicht sehr vertrauenerweckend und ist oben mit Doppelklebeband am Kühler befestigt.
Interessanter Test, und besonders interessant zu sehen wie es innen drin aussieht!
„DSP“ heisst aber nicht Digital Sound Processing, sondern Digital Signal Processing. :)
@Green Dino Hi Green Dino, danke Dir. Zum Thema DSP gibt es verschiedene Ansichten: https://www.itwissen.info/DSP-digital-sound-processor.html
; )
Man kann es, glaub ich, so oder so übersetzen…
Lieben Gruß
Alex
Mich wuerde mal interessieren wie es denn klanglich verglichen mit der fast schon historischen LAB serie aussieht, die man ja sehr guenstig an jeder ecke bekommen kann.
@nativeVS Hallo NativeVS,
die spielen preislich natürlich in einer anderen Liga. Das wäre natürlich trotzdem interessant, aber vermutlich gegenüber dem Behringer nicht ganz fair…
LG
Alex
Mit Verlaub: Für jeden Elektroniker ist die Verarbeitung laut der Fotos ein Horrorszenario. Das halte ich für ein echtes Sicherheitsrisiko. Das geht gar nicht.
Sehr schöner Test, Danke. Behringer Geräte zu testen ist nicht leicht. Man ist geneigt immer alles unter dem Eindruck des Preises zu bewerten und dann sind Leistung und Ausstattung immer top. Ich finde Du hast die Kurve zwischen „Preiswürdigkeit“ und „Value for Money“ gut beschrieben.
@Jörg Hoffmann Danke First!
Ich finde auch, dass man es in Relation setzen muss. Porsche mit Fiat zu vergleichen wird weder dem einen noch anderen gerecht…
Hi Alexander,
sehr schöne Zusammenfassung im Eingangsabschnitt zu Vor-/Nachteilen Class AB (und H) und Class D!
Mein Tipp: So eine „günstige“ Endstufe richtet sich doch vorwiegend an Nachwuchsmusiker. Die stehen noch voll im Saft, da sollte das Leichtgewichts-Argument nicht so sehr ins „Gewicht“ fallen. Also lieber für das Geld ein gut erhaltenes Eisenschwein holen, da hat man mehr und länger davon.
Grüße Armin
Hallo Alexander,
nix für Ungut……
Aber bei den genannten Minuspunkten halte ich ein „Sehr gut“ als Testfazit für nicht gerechtfertigt.
Grüße
Onkel Sigi
@Onkel Sigi Hallo Sigi,
kein Problem. Ich versuche immer das in Relation zum Preis zu sehen.
Eine Endstufe zu dem Preis mit DSP und diesem Funktionsumfang und dann noch perfekter Verarbeitung und perfektem Sound wäre natürlich noch besser – aber eben auch utopisch. Das was sie leistet, zu dem Funktionsumfang und diesem Preis ist schon „sehr gut“. Wer auf den Faktor „Soundqualität“ setzt, muss dann eben etwas mehr Geld ausgeben, und findet dann eine andere, noch bessere Endstufe.
Lieben Gruß