Vintage Effekt und Klanggenerator
Bei Erica Synths gibt es keine technologischen Berührungsängste. Traditionelle Schaltungen, ICs, Röhren und DSPs gehen bei den Modulen, Synthesizern und Effektgeräten aus Lettland Hand in Hand. So auch beim Black Spring Reverb, das einen elektromechanischen Federhall mit DSP-Effekten kombiniert und damit überraschende Ergebnisse liefert.
Erica Synths hat mehrere Modulserien im Programm. Die Fusion-Serie mit extravaganten Röhrenschaltungen, die ultra-kompakte Pico-Serie für kleine und portable Cases und die Black-Serie mit einer inzwischen recht groß gewordenen Auswahl an Arbeitstieren, sprich, allem was ein Modularsystem so braucht.
Das Black Spring Reverb gehört zu Letzterer. Ein Reverb kann man als „Brot & Butter“-Effekt verbuchen, aber der Federhall ist dann doch wieder eine Sonderkategorie. Und obendrein haben es die Entwickler geschafft, in diesen Vintage-Effekt neue Ideen einzubauen.
Einen Federhall in einem Synthesizer einzusetzen ist keine neue Idee. Prominente Beispiele sind der ARP 2600 und der davon inspirierte MacBeth M5. Auch erweiterte Effektgeräte, die den Federhall mit anderen Funktionen wie Filter oder VCA kombinieren, sind nicht unbekannt, man denke nur an Vermona Retroverb oder Knas Moisturizer. Ebenso gibt es in der Eurorack-Welt schon seit einiger Zeit verschieden Module, die mit einer Hallfeder arbeiten.
Spring Reverb – was ist das?
Dieser Abschnitt nur für diejenigen, die diesen Dinosaurier unter den Effekten noch nie zu sehen bekamen, sondern höchstens ein Spring-Preset von einem Plugin kennen. Die anderen können gleich zum nächsten Abschnitt springen.
Der Federhall war einer der ersten Versuche, einen natürlichen Nachhall mit technischen Mitteln nachzubilden. Das ganze Konzept basiert auf einem elektromechanischen Prinzip. Ein Set aus Spiralfedern, meist drei oder vier, wird durch ein Signal von einer Audioquelle in Schwingung versetzt. Dieses Schwingen wird am anderen Ende der Feder wieder abgenommen. Da die labile Natur einer Spiralfeder eben recht träge agiert, kommt es zu einem Nachschwingen, was wiederum den Eindruck eines Nachhalls erzeugt.
Das ganze System ist natürlich ziemlich empfindlich und Erschütterungen können zu einem Zusammenschlagen der einzelnen Federn führen. Dieser „Peng“ wurde Musikern aber auch gern absichtlich herbeigeführt, indem das Hallgerät oder der Verstärker mal kurzerhand geschüttelt wurde.
Der Federhall war lange Zeit DER Standardeffekt für Gitarristen, da ab Mitte der 60er-Jahre viele Amps über eine eingebaute Hallspirale verfügten. Der spezielle Klang wurde zur anerkannten Ästhetik. Aber auch beim Dub wurde der Effekt stilprägend. Ganze Drumsets wurden damit verhallt und das manuelle Anstoßen der Hallfedern kam als rhythmischer Sound gezielt zum Einsatz.
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Erica Synths Black Spring Reverb – Hardware
Das Black Spring Reverb ist ein 12 TE breites Modul, an dessen Platine eine kleine Hallfeder von der Firma Belton angeschlossen wird. Wo man die Hallfeder, die aus drei einzelnen Spiralfedern besteht, in Case anbringt, bleibt dem Anwender selbst überlassen, ein Monatge-Set gehört zum Lieferumfang. Da die Anschlusskabel etwas Spielraum lassen, kann man die Platzierung den Gegebenheiten anpassen. Idealerweise so weit wie möglich weg vom Netzteil, da die mitgelieferte Hallfeder kein abschirmendes Gehäuse besitzt und gegenüber Einstreuungen im wahrsten Sinne des Wortes empfänglich ist. Dazu später mehr.
Bei einem Federhall gibt es außer dem Signalpegel und -mix naturgemäß nicht viel zu regeln. Doch das Black Spring Reverb bietet hier auch ein regelbares Feedback. Das ist für ein Reverb ungewöhnlich, doch sorgt dieses Funktion für klanggestalterische Möglichkeiten. Denn zum einen lässt sich im Feedback-Weg ein DSP-Effekt aktivieren, der über sieben Algorithmen und einen spannungssteuerbaren Parameter verfügt und zum anderen kann zusätzlich ein externes Modul eingeschleift werden.
Und als Bonus gibt es noch die Option, einen externen Halltank an das Modul anzuschließen. Großformatige Tanks, wie sie in Gitarrenverstärkern oder auch in 19“-Effekten eingesetzt wurden, werden auch heute noch von verschiedenen Firmen separat angeboten. Da hier Cinch-Buchsen die seit Jahrzehnten verwendete Anschlussnorm sind, sind auch Buchsen am Modul in diesem Format ausgeführt. Mit einem Schaltern kann man dann wählen, ob die mitgelieferte kleine Hallfeder oder der externe, große Tank oder beide parallel genutzt werden. Für den Test hatte ich leider keinen externen Halltank zur Verfügung, mein letztes Spring Reverb habe ich schon vor Jahren abgegeben.
Der eigentliche Hall
Die kleine Belton-Hallfeder klingt, wie man es erwartet. Der Hall ist natürlich unnatürlich, aber rund, mit einer Note von Metall. Weil tiefe Frequenzen die Spirale stärker anregen und aufgrund des ungebremsten Nachschwingens wird der Klang bei kontinuierlich eintreffendem Signal sehr dicht und „sustainstiftend“, wie man es in Gitarristenkreisen zu formulieren pflegt.
Die richtige Platzierung der Hallfeder hat mir Probleme bereitet. Ich konnte in meinem System bzw. Umgebung keinen Ort ausmachen, an dem es keine Geräusche durch Einstreuengen gab. Das mag an meiner Arbeitsumgebung liegen, denn in YouTube-Videos habe ich Demos gehört, die absolut frei von Nebengeräuschen waren.
Allerdings hielt es sich im Rahmen. Wenn der Hall aktiv und auf typische 20 % bis 30 % im Dry/Wet-Mix war, ließ sich das Geräusch kaum mehr wahrnehmen. In Signalpausen und bei perkussivem Material konnte man eher wahrnehmen. Dafür habe ich einen VCA hinter den Ausgang gepatcht, der von einer Hüllkurve gesteuert wurde. Das sorgt nicht nur für Ruhe, sondern hatte auch den nützlichen Nebeneffekt, die Hallzeit verkürzen zu können, was ja bei einem Federhall konzeptbedingt sonst nicht möglich ist.
Der erweiterte Hall
Dreht man das Feedback auf, kommt ab einem gewissen Punkt das bekannte Rückkopplungspfeifen. Bleibt man kurz darunter, wird das Hallsignal kräftiger und leicht gefärbt. An diesem Punkt kommt der DSP-Effekt ins Spiel, der das Signal nochmals bearbeitet. Dafür gibt es Ringmodulation, Delay, Rate und drei Pitch-Shifter zur Auswahl sowie einen ominösen Algorithmus namens Springhausen. Bei jedem Algorithmus lässt sich ein Parameter verändern, der, wie das Feedback an sich auch, via Steuerspannung moduliert werden kann. Um diese Effekte besser wahrzunehmen, empfiehlt sich an dieser Stelle ein höherer Wet-Anteil.
Wer bei den DSP-Algorithmen nicht das Gewünschte findet oder diesen klanglich erweitern will, kann ein externes Modul über Send/Return in den Feedback-Weg nehmen. Hier bietet sich zum Beispiel ein Multimode-Filter an, um einen bestimmten Teil des kompakten Signals herauszuarbeiten. Mir hat mein Frequency-Shifter an diesem Punkt Freude gemacht, besonders auch, als es an die nächste Anwendung ging:
Hall als Klanggenerator
Mit Feedback allein kann das Black Spring Reverb schon einen eigenen Ton produzieren, auch wenn der natürlich nicht sehr aufregend ist. Schaltet man an diesem Punkt die DSP-Effekte dazu, erzeugt das Modul kleine Klangkunstwerke. Man fragt sich, wo die dunklen Drones und atmosphärischen Klangwolken herkommen, wenn der Input-Schalter doch deaktiviert ist? Zwei Handgriffe und schon verändert sich das Klanggeschehen. Das ist definitiv der Teil, der mir am Black Spring Reverb den meisten Spaß bereitet. Und der ominöse Algorithmus Springhausen sorgt sogar für kleine tonale Ereignisse, über die sich wieder mein Frequency-Shifter sehr gefreut hat. Klassische EM konnte das auch nicht besser ;-)
Sicherlich lässt sich in vielen Mußestunden noch deutlich mehr aus dem Black Spring Reverb herausholen, das eigentlich nur zwei Faustregeln hat: 1. achte auf den Feedback-Level und 2. moduliere den FBK-Parameter. Den Rest erledigt die Lust am Experimentieren.
Das Black Spring Reverb bietet wohl eine Menge Möglichkeiten, aber bei meinem Doepfer A-199, das mit 119,-€ weniger als die Hälfte des Ericas kostete, kann ich das Feedback und das Wet-Signal auch bearbeiten. Allerdings muss ich hier leider auf CV-Ins verzichten; mein einziger Minus-Punkt…
Nachtrag: Das A-199 gibt es anscheinend nur noch als Vintage Edition für 139,-€…