Der neueste Golden Age Mikrofon-Streich
Inhaltsverzeichnis
Das originale ELA M 251E ist einer der ganz großen Klassiker, der in den späten 50ern aus einer Kollaboration führender Mikrofonfirmen entstand. Auf der Basis des Neumann U 47 lies Telefunken das ELA M 251E von AKG mit der legendären C12 Kapsel fertigen. In den Folgejahren etablierte sich dieses Mikrofon als Standard in vielen Tonstudios.
Mit dem Aufkommen der Transistormikrofone, die leichter zu warten waren, verschwand leider ein Großteil dieses tollen Röhrenmikros. Der überlebende Rest wird heute zu horrenden Preisen gehandelt.
Es wundert also nicht, dass der Klassiker gerne geklont wird. Das wohl überzeugendste Modell liefert die im Jahr 2000 neu gegründete Telefunken Elektroakustik in den USA. Da werden dann für das Telefunken ELA M 251E knapp 12.000 Euro fällig.
Natürlich versuchen sich auch andere Hersteller an dem Klassiker. So fertigt Peluso schon seit Längerem mit dem 22 251 ihre Version, die mit 1.900,- Euro recht günstig ausfällt. Deutlich billiger kommt das WA-251 von Warm Audio, dem ich im Test 3 Sterne vergeben habe. Bei knapp über 800,- Euro liegt der Preisbrecher.
Auch Golden Age Project hat in der Premier Line einen Vertreter. Das GA-251 wird inzwischen in der MKII gefertigt, liegt preislich auf Höhe des Peluso und konnte unseren Autor Vincent voll überzeugen.
So überrascht es, dass Mastermind Bo Medin das Thema nochmals ganz neu angeht. Heraus gekommen ist das Golden Age Premier ELA M 251E, das sich mit dem dreifachen Preis deutlich oberhalb des GA-251 MKII positioniert. Wir dürfen gespannt sein.
Lieferumfang des Golden Age Premier ELA M 251E
Geliefert wird ein großes Paket, das einen weiteren, schwarzen Karton enthält. Darin befindet sich ein Transportkoffer, der mit 60 x 38 x 15 cm ebenfalls recht raumgreifend angelegt ist. Farblich passend zum Mikro ist er mit einem hellgrünen Stoff bezogen, die Seiten sind mit Kunstleder-Applikationen geschützt. Die Kofferschlösser benötigen einen 3-Zahlen-Code.
Im Innern findet sich das Netzteil, das als klassisches Tischgerät ausgelegt ist. Es ist aus dickem Stahlblech gefertigt. Die eine Seite beherbergt die 7-polige Eingangsbuchse und den XLR-Ausgang, beides mit guten Neutrik-Buchsen. Auf der anderen Seite findet sich der Kippschalter mit roter Betriebsleuchte, das Typenschild mit Seriennummer, Netzanschluss, Sicherung und Spannungsumschalter. Vier Gummifüße schaffen auf der Unterseite Rutschfestigkeit. Das ist alles im Retro-Stil gehalten, da passt die Hammerschlaglackierung sehr gut dazu.
Das Mikrofon selbst ist in einer hübschen, mit Samt ausgeschlagenen Holzbox untergebracht und wird zusätzlich durch einen Kunststoffbeutel geschützt. Der Korpus ist in klassischem Mintgrün lackiert, die zweilagigen Einsprechgitter sind vorne verchromt und hinten schwarz mattiert. Unter dem Chromring mit der Typenbezeichnung sitzt der Umschalter für die drei angebotenen Richtcharakteristiken Niere, Acht und Kugel. Darunter sitzt das GA-Emblem. Die Seriennummer ist auf der Rückseite, direkt unter dem Chromring, zu finden.
Farblich passend ist der massive 7-polige Anschlussstecker gehalten, der mit einer stabilen Schraubverbindung gesichert wird. Das Kabel ist mit ca. 5 m ausreichend lang und von guter, nicht zu flexibler Qualität. Zum Schutz des Steckers ist er in einem kleinen Jutebeutel untergebracht. An der Unterseite ist ein Stativgewinde eingebaut, so kann das Mikro auch direkt ohne Spinne aufgehängt werden.
Ebenfalls im passenden Mintgrün ist die Spinne lackiert. Auch hier wurde das klassische Format gewählt, mit den zwar traditionellen, aber nicht immer praktischen Klappverschlüssen.
Ein Netzkabel ist natürlich auch dabei, was fehlt ist eine Bedienungsanleitung. Hier sollte GA nochmals nachlegen.
Das ELA M 251E ist wirklich ohne Fehl und Tadel verarbeitet und macht durch seinen detailgenauen Aufbau schon allein durch Anfassen Spaß.
Nicht ganz so perfekt sieht es beim Zubehör aus. Das Netzteil hätte etwas sauberer lackiert sein können, es fehlen leider die 5/8“ zu 3/8“ Reduziergewinde und dem Koffer hätten ein paar Füße gut getan. So steht er etwas kippelig auf den Scharnieren.
Kleinigkeiten, die ein wenig den guten Eindruck trüben. Aber Golden Age ist ein Unternehmen der kurzen Wege, hier kommuniziert der Chef noch selbst. Bo hat mir auf Anfrage geantwortet, dass beim nächsten Produktionszyklus ein Auge auf diese von mir angesprochenen Punkte geworfen wird.
Technische Daten zum Golden Age Premier ELA M 251E
Da keine Anleitung beiliegt, bin ich hier auf die Angaben auf der Website angewiesen. Hier ist zu erfahren, dass die drei Richtcharakteristiken Niere, Kugel und Acht angeboten werden. Aufgeführt ist mit K251D auch die Modellbezeichnung der speziell angefertigten Kapsel und mit EH6072A die verbaute Röhre. Eine Angabe über den verbauten Übertrager suche ich vergeblich. Auch hier hilft schnell eine Anfrage beim Hersteller weiter. Der Übertrager wird speziell für das ELA M 251E in China gefertigt. Möglichst nahe an den Originalsound zu kommen, war Bo dabei wichtiger, als werbewirksam ein Standardprodukt eines Premiumherstellers zu benutzen.
Der Frequenzgang liegt bei den üblichen 20 Hz bis 20 kHz, die Empfindlichkeit beträgt -34,5 dBV. Der Rauschabstand wird mit -83 dBV, A-gewichtet angegeben. Die harmonische Verzerrung ist kleiner 0,3 %. Mit einem max. SPL von 136 dB ist das Mikro auch für laute Signale gerüstet. Die Ausgangsimpedanz liegt bei 200 Ohm.
Der Durchmesser des Korpus beträgt 52 mm, die Länge liegt bei 220 mm. Mit dem Anschlussstecker kommen nochmals 120 mm dazu. Das Gewicht beträgt 580 g, nur für das Mikrofon selbst.
Ein Frequenzgang ist nicht zu finden, aber wer kauft schon ein 6.000 Euro Mikro nur wegen eines hübschen Diagramms?
Das ELA M 251E in der Tonstudiopraxis
Kommen wir nun endlich zum interessanten Teil. Wie klingt das neue Golden Age ELA M 251E? Als Röhrenmikro sollte ihm zunächst eine Aufwärmphase gegönnt werden. Zeit genug, um mit meinem AKG C 414 B-ULS einen Vergleichskandidaten an den Start zu bringen. Als Preamp wähle ich meinen absolut neutralen Millennia HV-3C, gewandelt wird mit dem RME ADI-8DS. Beginnen wir mit beiden Mikrofonen in der Nierencharakteristik mit ca. 40 cm Abstand.
Holla, da setzt das ELA M 251E gleich eine ordentliche Duftmarke. Groß, dreidimensional, warm, mit schönen, offenen Höhen, so erklingt das Röhrenmikro. Über den gesamten Frequenzgang klingt das Mikro ausgeglichen, wie aus einem Guss. Das AKG klingt dagegen recht bescheiden, eng und dumpf. Ein deutlicher Klassenunterschied.
Auch nah besprochen bleibt dieser Eindruck so erhalten. Hierfür wird natürlich ein Poppfilter verwendet.
Der Nahbesprecheffekt ist bei beiden Mikros recht gering. Evtl. kann das AKG hier sogar die bessere Wahl sein, da es etwas intimer abbildet.
Probieren wir nun die Achter-Charakteristik. Hier trennt sich oft die Spreu vom Weizen, da viele Mikros in dieser Charakteristik etwas unnatürlich klingen.
Nicht so beim ELA M 251E. Hier bleibt der natürliche Klang, der durch das gesamte Frequenzspektrum anbietet, erhalten. Gegenüber der Niere treten die Höhen etwas weniger in Erscheinung, der Sound wird weniger direkt. Das kann bei Nahbesprechung ein Quäntchen Intimität bringen.
Seitliche Nebengeräusche werden sehr wirkungsvoll unterdrückt. Hier ist der Unterschied beim AKG geringer, das Golden Age arbeitet also mit einer breiteren Niere. Insgesamt hat auch hier das ELA M 251E deutlich die Nase vorn, der Abstand zum C 414 ist aber etwas geringer geworden.
Als dritte Richtcharakteristik bietet das Golden Age die Kugel an. Die ist auch beim AKG vorhanden, also ist auch hier wieder ein direkter Vergleich möglich. Für die folgende Aufnahme habe ich mich ca. 170 cm von den Mikros entfernt platziert.
Hier nehmen beide Mikros systembedingt viel Raum mit auf. Da das ELA M 251E mehr Höhen liefert, wirkt es auch dieses Mal offener und geht mehr in die Tiefe. So bietet sich das Golden Age als hervorragendes Ambient-Mikrofon an, das detailliert einen gesamten Klangkörper natürlich abbilden kann. Das C 414 kann das auch, wirkt allerdings etwas weniger spritzig. Beiden Mikros gelingt es aber sehr gut, sich auf die Klangquelle zu fokusieren.
Da wir bisher vorwiegend mit Stimme gearbeitet haben, möchte ich nun noch eine Aufnahme mit akustischer Gitarre machen. Dafür werden die Mikros wieder in die Acht geschaltet.
Das Röhrenmikros klingt hier voller und dynamischer mit einer sauberen Artikulation. Das AKG reagiert etwas träger, bringt dafür aber die Bässe prägnanter zur Geltung. Trotzdem ist auch hier das Golden Age wieder die bessere Wahl. Das Instrument wird direkt und plastisch abgebildet, gerade die Höhen werden wieder sehr weich und differenziert dargestellt.
Das ELA M 251E – Endbetrachtung
Bevor ich nun zum Fazit komme, möchte ich noch ein paar Gedanken sortieren.
Zunächst, wieso entwickelt Golden Age Premier ein Mikro wie das ELA M 251E, wenn es doch mit dem GA-251 schon ein gutklingendes Derivat im Sortiment hat, das zudem deutlich günstiger ist und sich sicher nicht schlecht verkauft? Hier kann man Mastermind Bo Medin sicher als Überzeugungstäter bezeichnen, der immer versucht, ein noch besseres Produkt zu gestalten. Das zeigen ja auch seine inzwischen beinahe unzählbaren Versionen zum Pre-73 Vorverstärker. Und wenn das gewünschte Ergebnis eben nicht günstiger zu erreichen ist, dann muss es wohl eben so sein.
Punkt 2: Klingt das ELA M 251E wie das Original? Das lässt sich schwer beantworten, ohne ein gut gewartetes Exemplar zum Direktvergleich zu haben. Das Golden Age erfüllt jedenfalls alle Ansprüche, die sich an den Klassiker stellen. Viel dichter dran dürften Telefunken mit ihrem ELA M 251E sicher auch nicht sein.
Punkt 3: Wer braucht dieses Mikrofon? Mit „brauchen“ ist das immer so eine Sache, aber im Grunde jeder, der auf den klassischen alten Röhrensound steht und es sich leisten kann. Ich kann es leider nicht, mein Favorit war da bisher das Soyuz 017 Tube. Das liegt inzwischen aber auch bei 4.600,- Euro und bietet nur die Nierencharakteristik. Da ist das Golden Age Premier ELA M 251E deutlich flexibler und rückt deshalb auf der Liste der unerfüllten Wünsche ganz nach oben.
Speziell hier „+ macht schon optisch viel her“ muss ich schmunzelnd 😉 an dieses Interview mit dem ehemaligen Schoeps-Entwicklungsleiter Jörg Wuttke denken.
“KÜNSTLER WOLLEN ERNSTGENOMMEN WERDEN – DIESER EINDRUCK IST MIT KLEINEN MIKROFONEN MANCHMAL SCHWIERIG ZU VERMITTELN.”
https://www.soundandrecording.de/stories/interview-mit-dem-ehemaligen-schoeps-entwicklungsleiter-joerg-wuttke/
Ob es der „Großmembran Röhrensound“ sein soll, ist neben all den technischen Argumenten (die im Interview behandelt werden) auch eine Philosophie und Geschmacksfrage.
Sehr schöner und unterhaltsamer Test. 👍
@TomH Herr Wuttke hat in einem Vortrag mal verraten das viele Studios direkt neben dem »BlingBling Mikrofon« ein Schoeps mitlaufen lassen.
@Franz Walsch Nun ja, dass Herr Wuttke das behauptet, ist nicht verwunderlich. Ob es auch stimmt, ist eine ganz andere Frage. Ich kann beisteuern, Gesangsaufnahmen mit einem Schoeps gemacht zu haben und fand es tatsächlich „rein optisch“ irgendwie uninspirierend. Seltsamerweise lösen die dicken Tuben emotional immer etwas anderes aus.
Aber: die Aufnahme war hervorragend. Daher muss man sich schlichtweg von der Optik lösen. Ob man mit einem 6000 Euro Mikro glücklich wird, ist u.a. eine Frage der eigenen (Retro-)Philosophie, des Geldbeutels und natürlich auch des Geschmacks. Danke für den Testbericht, der las sich richtig gut und unterhaltsam.
@Marco Korda Die Psyche von Konsumenten ist gut erforscht. So gibt es die ARD Sendereihe »Marktcheck«, die schon viele Tricks der Hersteller und des Marketings aufgeklärt hat. Dort gab es auch einen Test von Marken-Shirts gegen no name und, nicht ganz überraschend, hat auch hier die Marke für eine falsche Annahme gesorgt.
Die Sportler hatten angenommen mit der Markenware schneller zu laufen!
Im Audiobereich gibt es genug Vodoo-Beispiele von Audio- oder Stromkabeln im vierstelligen Bereich, die den Klang verbessern.
Das Pearlman TM-250 ist auch eine sehr feine Alternative preislich zwischen Golden Age und Peluso.
Klanglich was ganz Besonderes, aber optisch dem Golden Age unterlegen ;-)
Sehr schöner Test und gute Klangbeispiele – vielen Dank. Ich frage mich, ob ich bei einem Mikrofonbudget von immerhin 6.000 Euro auf so einen „kleinen“ Hersteller setzen würde, oder doch ganz instinktiv bei den großen Marken landen würde – auch als Investitionsschutz.
Viele Grüße, Jörg