Krach, Boom, Bang
Cinematic Percussion Plugin für Windows und Apple
2011 veröffentlichte Heavyocity zusammen mit Native Instruments die cineastische Drum-Library DAMAGE. In vielen Film- und Fernsehproduktionen ist diese auch heutzutage nach wie vor zu hören. 9 Jahre später legt Heavyocity nach und veröffentlicht DAMAGE 2. Dabei handelt es sich nicht um ein Upgrade der Original-Library, sondern um ein von Grund auf neu erstelltes Produkt, das verspricht noch größer, gewaltiger und besser als der Vorgänger zu sein. 60 GB schwer ist DAMAGE 2 und umfasst sage und schreibe 40.000 Samples. Aufgenommen wurde ein ganzes Arsenal an Drums und perkussiven Instrumenten. Unter den 1600 aufgenommenen Klangquellen finden sich diverse Trommeln, Taikos, Bassdrums, Snare Ensembles, ethnische Percussions sowie ungewöhnliche Klangerzeuger. Mit von der Partie zum Beispiel auch Gegenstände, die von der Mülldeponie ins Skywalker Sound Studio gekarrt wurden, um diese aufzunehmen. Wie das klingt, finden wir in diesem Test heraus.
DAMAGE 2 Drums & Percussion Performances
Das Interface wurde generalüberholt und erinnert von der Gestaltung der Bedienelemente an die jüngsten Heavyocity Librarys wie NOVO, FORZO oder VENTO. Lediglich der rostige Hintergrund schlägt eine Brücke zum Vorgänger.
In DAMAGE 2 wurde die Menüstruktur komplett überdacht. Während DAMAGE 1 zwei Hauptsektionen und viele Unterordner bereithielt, ist DAMAGE 2 in drei Kategorien unterteilt:
- Ensemble Designer
- Kit Designer
- Loop Designer
Alle drei Kategorien bedienen einen unterschiedlichen Workflow und basieren auf den Anwendungsfall getrimmte Soundengines.
Ensemble Designer
Der Ensemble Designer richtet sich vom Workflow an Filmkomponisten. Hier kann man Ensemble-Presets laden oder sich via Drag & Drop ganz einfach selbst Ensembles zusammenstellen. Was mir direkt beim Öffnen des Ensemble Designers gefällt, ist die repräsentative Darstellung der Soundstage. Jedes Instrument hat eine räumliche Verortung, die man nach Belieben verändern kann. So kann man innerhalb dieser Darstellung das Panorama und gleichzeitig die räumliche Tiefenwirkung festlegen. Möchte man alle Drum-Instrumente räumlich näher beisammen verorten, so hat man über einen Schieberegler an der rechten Seite einen Shortcut dazu. Insgesamt stehen drei voneinander getrennte Sound-Stages zur Verfügung, die jeweils einer Oktave auf der Tastatur zugeordnet sind und zumindest bei den Presets jeweils eine Instrumentengruppe repräsentieren.

Im Ensemble Designer von DAMAGE 2 öffnet sich initial die STAGE-Ansicht, auf der man die einzelnen Instrumente räumlich verorten kann
Hin- und herschalten kann man pro Sound Stage zwischen DRUM- und MIX-Parametern. Während man im DRUM-Menü die tonalen Attribute der Instrumente verändern kann, beinhaltet das MIX-Fenster Einstellungen, die sich auf die gesamte Instrumentensektion beziehen, wie HALL, ROOM oder auch der LFE-Anteil.
Im Ensemble Designer lassen sich im sogenannten SOURCE-Menü auch eigene Ensembles erstellen. Das geht ganz einfach über Drag & Drop. Alle Instrumente sind nach Kategorien sortiert und man hat die Wahl, ob man ganze Bänke auf eine Oktave ziehen oder lieber einzelne Drum-Instrumente direkt einer Taste zuweisen möchte. Durch Klick auf den AUTO-Button werden alle ausgewählten Instrumente beim Anklicken in der Browser-Ansicht kurz angespielt.

Im Source Menü kann man sich selbst Drum- und Percussion-Ensembles zusammenbauen, indem man Instrumente aus dem Browser-Menü den gewünschten Keyboardtasten zuweist
Unter Settings kann man Einstellungen für jedes einzelne Instrument vornehmen. So gibt es eine Taste, um Round-Robin-Samples an- und auszuschalten. Deaktivieren ist zum Beispiel bei Popproduktionen sinnvoll, wenn man möchte, dass die Bassdrum oder Snare immer gleich klingt. Bei Filmmusik würde ich Round-Robin nicht deaktivieren, weil gerade die Vielzahl der Round-Robin-Samples die Authentizität und Lebendigkeit von Damage 2 auszeichnen.
Des Weiteren kann man Einstellungen zur Velocity vornehmen. Unten links gibt es die Möglichkeit, die Lautstärke einzustellen, das Instrument zu stimmen, Attack und Decay zu bestimmen oder High- und Lowpass-Filter zu bedienen.
Mächtig ist die Performance-Sektion, da hier verschiedene Spielweisen jedem Instrument hinterlegt sind. Ob Crescendo, Swell, Flam, Roll oder Repeat – was einer Art Arpeggiator gleicht – hat man hier viele Automationsmöglichkeiten, die dabei helfen, schnell die gewünschte Spielweise einzustellen, ohne dass man alles selbst über MIDI programmieren oder genau so wie man es haben möchte live einspielen muss.
Die MASTERFX-Sektion enthält umfangreiche Effekte und natürlich den von Heavyocity bekannten Punish-Knob, eine Mischung aus Kompressor, Saturation und Distortion. Dieser kommt in Damage 2 sogar noch mit drei Modes um die Ecke: Gently now, Hurt me plenty und Nightmare. Die Namen sind Programm und im Nightmare-Mode kann man die Instrumente richtig böse verzerren. Spätestens hier sollte allen klar werden, warum die Library DAMAGE 2 heißt.
Alle Effekte lassen sich an- und ausschalten und durch Klick auf einen der Effekte öffnen sich darunter die zugehörigen Parameter. Interessant ist dabei, dass man die Effekte in der seriellen Anordnung zusätzlich frei verschieben kann. Soundtüftler kommen also voll auf ihre Kosten.

Bei einer hybriden Drum-Library wie DAMAGE 2 dürfen die üppigen für Heavyocity typischen Effekte natürlich nicht fehlen, allen voran der übergreifende PUNISH-Knob
Der Sound von Heavyocity Damage 2
Klangtechnisch schließt DAMAGE 2 nahtlos an den Vorgänger an. Die Samples überzeugen durch höchste Detailtreue. Die Anzahl der Round-Robins und die in unterschiedlichster Anschlagsstärke aufgenommenen Instrumente führen zu einem realistischen und beeindruckenden Klangergebnis. So als säße man mittendrin. Von zurückhaltend sanft, bis hin zu brachial druckvoll. Zudem gibt es auch eine ganze Menge an Sound-Design Sounds und Klängen obendrauf, die den Einsatzbereich von DAMAGE 2 erweitern. Aber hört selbst:
Kit Designer
Der Kit Designer soll sich gezielt an Produzenten und Live-Musiker richten. Kompatibel ist diese Ansicht deshalb auch mit Maschine oder MPC-Controllern. DAMAGE 2 kommt mit über 50+ Kit-Presets daher, aber natürlich kann man sich eine Instrumentenauswahl auch selbst zusammenstellen. 16 Pads stehen hierbei zur Verfügung, denen man jeweils ein Instrument zuweisen kann. Klickt man auf ein Pad, öffnen sich im SETTINGS-Menü die dazugehörigen Parameter. Im Gegensatz zum Ensemble Designer ist die Effektsektion anders aufgebaut und generell wirkt im Kit Designer alles kompakter, was auf die Anforderungen bei Live-Auftritten schließen lässt, alles auf einen Blick im Auge zu behalten.

Mit dem Kit Designer lassen sich eigene Kits erstellen und mit Controllern wie Maschine oder MPC ansteuern
Die mitgelieferten Kits sind sehr unterschiedlich und unterstreichen mal wieder die Bandbreite von DAMAGE 2. Nicht nur Filmmusik und Sound-Design ist damit möglich, sondern auch die nächste Rock-, Pop- oder sogar Hip-Hop-Produktion:
Loop Designer
860 Loops hat Heavyocity in DAMAGE 2 gepackt. Der Loop Designer bietet alle notwendigen Tools, diese kreativ einzusetzen. So findet man neben der MASTERFX-Sektion hier auch noch eine zusätzliche SENDFX-Sektion. Der Loop Designer ist sowieso ganz auf Effekte ausgelegt. Zusätzlich zur Belegung der Keyboard-Tastatur mit den Instrumenten befindet sich hier nämlich auch noch ein Stutter-Effekt, den man durch Bedienen der entsprechenden Taste auslösen kann. Wie auf der Abbildung ersichtlich, sind die Tasten ab F0 dem Stutter-Effekt vorbehalten. Anschließend daran folgt eine Oktave, die ähnlich einem Macro-Controller durch einen Tastendruck gleich mehrere Loops auf einmal triggert und als DESIGNER KEYS bezeichnet wird. Ab C2 schließen sich einzelne Loops an, wobei jeder Taste ein Loop zugewiesen ist. Ab C5 gibt es zusätzliche Transitions, mit denen sich das abrupte Ende mancher Loops unhörbar veredeln lässt. Details wie diese sind es, die zeigen, dass sich Heavyocity viele Gedanken gemacht hat und Damage 2 ein durchdachtes Profi-Werkzeug ist.
Ist ein Loop ausgewählt, so werden die möglichen Einstellparameter direkt unterhalb der Wellenform angezeigt. Der Startpunkt kann für jeden Loop individuell eingestellt werden, genauso wie die Lautstärke, das Panorama, die Tonhöhe, die Geschwindigkeit und der SEND-Effektanteil.
In der SENDFX-Sektion kann man aus zwei Effektkategorien bis zu vier Effekte auswählen, Timbral (klangfarbliche Effekte) und Spatial (räumliche Effekte). Durch Drag & Drop in das mittlere Feld kann man die Reihenfolge der Effekte nach Belieben anordnen. Zusätzlich lässt sich mit DRIVE, TONE LO, TONE HI und dem Output-Level, der übergreifende Klang und die Intensität feinjustieren. Oberhalb der aufgereihten Effekte findet sich noch ein FX-Modulator, mit dem sich die SENDFX-Sektion modulieren lässt.
Die Loops sind wie bereits in DAMAGE 1 durch die Bank weg hochwertig und geben dank der Vielzahl an Bearbeitungsmöglichkeiten trotzdem die Freiheit, etwas ganz eigenes daraus zu kreieren.
Ich spielte die erste Version immer mal gernean. Faszinierend – alleine gespielt. In einen Song hat sie aber nie gepasst. Jetzt bin ich kein Filmmusiker, dort geht das vielleicht besser. Aber für ein konventionelles Stück war mir immer schon zu viel drin. 400 ist aber auch eine Ansage. Zu viel, um es auszuprobieren.
Im EBM und vielleicht auch Industrial Bereich waren die Drumkits der ersten Library gefühlt zu einer Art Standard geworden. Klar, den zahlreichen Besitzern von NI Komplete war Damage ja auch ohne zusätzliche Investition verfügbar.
Bin gespannt ob der Klang der neuen Library genauso über Jahre hinweg den EBM Sound mitprägen wird. 400 Flocken ist wirklich viel für jemanden, der nicht – wie im Filmbereich – über das große Budget verfügt.
Ich frage mich, welche Konsumenten von Fiilmmusik solch ein zimmersches Geballere noch flasht? Sobald ich in Trailern sowas höre, kann ich mir ziemlich sicher sein, dass der Film Schrott ist. Würde ich Filmmusik machen wollen, dann mit Sicherheit nicht mit solchen, über das Ziel hinausschießenden, martialischen Hau Drauf Loops. Ist vergleichbar mit 79 Cent Ketchup in Kombi mit einem Schuss Maggi, welche auf das Gourmetmahl gekippt werden.
Das ist sowas von wahr!
Ich finde auch, dass mit Mad Max : Fury Road der Höhe- und Endpunkt dieser Art der Instrumentierung erreicht worden ist.
Ganz deiner Meinung. Weniger ist mehr. Leider scheinen die Konsumenten auf das ewig Gleiche so konditioniert zu sein, dass mittlerweile der Einheitsbrei und nichts anderes mehr gefragt ist. Das ist traurig.
Da freue ich mich immer über jeden Independent-Film mit Non-Hollywood-Sound. Oder gar über Movies wo die Musik so hintergründig ist, dass man sich fragt, ob überhaupt welche dabei war. Dann war sie richtig gut!
..immer das Gleiche….
Also wenn ich mir hier die meisten Kommentare anschaue frage ich mich worum es hier eigendlich geht? Um den oft überladenen Einsatz von Percussion Sounds in Trailern/Filmen oder um die Quallität eines neues Software Instruments?
Mir gefallen zugeballerte überladene seelenlose Scores auch nicht.
Nur ist das nicht die „Schuld“ von Heavyocity sondern die der Komponisten
Damage 2 ist ein absolut geniales Tool für Rock Musik, Industrial, Soundtracks, Sounddesign usw und aktuell Beispiellos.
@musicjunk Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Auf der einen Seite gebe ich Dir Recht: Der Test soll »Damage 2« demonstrieren. Was der Musiker dann mit den Sounds und den Möglichkeiten des PlugIns macht, das sei jedem selber überlassen. Und wenn man die Möglichkeit hat, Filmmusik zu komponieren und ein Kunde will nun man das »Geballere« haben … so what?
Auf der anderen Seite denke ich mir, dass weder »Heavyocity« sich die Mühe gemacht hätte, so eine Kollektion zu bauen, noch »Native Instruments«, diese ins Programm aufzunehmen, wenn es nicht einen Markt dafür gäbe. Und das bedeutet natürlich zwangsweise, dass die Gleichförmigkeit befeuert wird.
In dem Zusammenhang möchte ich auf das PlugIn »Orbis« von Spitfire Audio hinweisen, auf das ich über den YouTube-Kanal von Christian Henson aufmerksam geworden bin (der bei Spitfire Audio die Hände mit im Spiel hat, geiler YouTube-Kanal übrigens). DAS sind meiner bescheidenen Meinung nach mal ungewöhnliche Percussion-Samples, und diese Bibliothek steht als eine der ganz wenigen auf meiner »Haben Wollen«-Liste … eben weil sie ungewöhnlich ist.
@Flowwater Ich habe Orbis schon länger, aber wirklich in meinen Kompositionen einsetzen konnte ich es kaum. Es ist auch keine Percussions-Bibliothek. Damage 2 nutze ich erst kurz, aber ich empfehle eher Spitfires Hammer. Die ist spartanischer und für mein Empfinden sensibler. Auch hat es mehr Tiefgang.
Dennoch ist Damage 2 ein sehr gutes Produkt, wenn man sich hiermit intensiver beschäftigt.
@Michael Bereckis »Spitfire Hammer« … OK … danke für den Tipp. Werde ich mir mal ansehen. 🙂
Nachtrag
OK, ich habe jetzt mal (ganz kurz) hinein gehört … aber ich fürchte, zu meiner Art von Musik passt »Orbis« doch deutlich besser. Mir schwebt für meine Musik nämlich eher »Ambient«, »Dub-Ambient« und »IDM« vor (zumindest ist das die Idee, da bin ich aber noch nicht angelangt). Da erscheint mir »Orbis« doch deutlich geeigneter.
@musicjunk Stimme Dir zu!
Der einzige Vorwurf, den man Heavyocity machen könnte – wenn man denn wollte – lautet, dass sie es einem bzw. jedem zu einfach machen epische, martialische Soundtracks auf die Schnelle hinzukleistern. Natürlich ist das etwas überspitzt formuliert, zu einem Score gehört selbstverständlich noch ein bisschen mehr dazu …