Spanischer Leckerbissen in britischem Buffet!
Ob Rupert Neve in seiner Hochphase jemals daran gedacht hat, dass seine Produkte eines Tages zu den meist kopierten Audiobausteinen aller Zeiten werden? Zweifelsohne ist der mittlerweile 94-jährige Elektroingenieur einer DER großen Namen, vielleicht sogar der größte Name der gesamten Musikelektronik, dessen Klassiker seit Jahrzehnten so ziemlich auf allen Produktionen zu hören sind, die musikalisch und kommerziell einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Auch der vom spanischen Hersteller Heritage Audio zum Test vorliegende Heritage Audio HA-81A Elite Channelstrip macht keinerlei Hehl daraus, dass es sich um eine Mix-Kopie der 1073 (Preamp) und 1081 (EQ) Module aus dem Hause AMS Neve handelt. Mal sehen, ob das deutlich günstigere Produkt der Erwartungshaltung standhalten kann.
Der Aufbau des Heritage Audio HA-81A Elite: „Was gut aussieht, klingt auch gut.. Würde diese gerne einmal aus der Hüfte geschossene, nicht ganz ernst zunehmende Behauptung stimmen, könnten sich die Entwickler des Heritage Audio HA-81A Elite entspannt zurücklehnen. Das Produkt hinterlässt in seiner massiven Stahlblechausführung einen sehr guten ersten Eindruck, was von einem Gewicht von knapp 3 kg auch haptisch unterstützt wird. Das Gehäuse an sich ist leicht zugänglich, um einen Blick in das Innere des Gehäuses zu werfen, lässt sich die obere Platte sehr leicht mit sechs Schrauben abnehmen.
Sollte man unter Umständen am Prinzip der Kopie gezweifelt haben, ein Blick auf das Front-Layout belehrt einen umgehend eines Besseren. Die optische Kombination aus dem roten 12-fach gerasterten Gain-Regler, den grau-silbernen/blau-silbernen Doppelpotentiometern, den weißen Druckknöpfen und das Ganze auf mittelgrauem Hintergrund könnte man auch 1:1 im aktuellen AMS Neve Katalog so abdrucken, ohne dass es jemandem auf den ersten Blick auffallen würde.
Die inneren Regler der fünf Doppelpotentiometer laufen angenehm schwergängig, während die äußeren Rasterringe bedingt durch ihre Bauart etwas Spiel haben, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt. Interessant ist die elegante Aufteilung, mit der die fünf Doppelachser insgesamt 2 Bandpass, 2 Shelving (bzw. Peak) und je einen Low- und Highpass auf der Frontseite unterbringen. Insgesamt 11 Druckknöpfe regeln die weiteren Aktionen, wobei nur der Netzschalter und die wahlweise zu schaltende Phantomspeisung eine Kontroll-LED ihr Eigen nennen. Da die weißen Druckschalter jedoch einen sehr tiefen Regelweg haben, kann man den Status auch sehr gut ohne LED erkennen.
Im Prinzip kann der Heritage Audio HA-81A Elite alle Signale verarbeiten, seien es Mikrofon-, Line- oder unsymmetrische Instrumentensignale. Hierfür gibt es eine XLR-Buchse für den Mikrofonbereich, ebenso eine XLR-Buchse für Line-Signale und eine Klinkenbuchse auf der Vorderseite des Gehäuses, wobei der Klinkeneingang die Mikrofonbuchse überbrückt. Warum allerdings der Line-Eingang nicht zumindest als Kombibuchse zwecks Aufnahme von TRS-Steckern ausgeführt wurde, die im Line-Betrieb sehr häufig verwendet werden, erschließt sich mir nicht wirklich.
Zur weiteren Signalverarbeitung bieten vier Druckschalter einige Optionen an. Zum einen gibt es einen PAD-Schalter, der das Signal um 20 dB absenkt, des Weitern hat man die Wahl der Eingangsimpedanz des Mikrofoneingangs zwischen 1.200 und 300 Ohm, das bekanntlich den Klang eines Mikrofons entscheidend beeinflusst. Natürlich noch Phantomspeisung und einen Wahlschalter für die Eingänge. Eine Besonderheit bietet der Gain-Schalter, der das Signal in 5 dB Schritten von 30 bis auf 80 dB hochfährt und dabei zwischen 50 und 55 dB eine OFF-Position anbietet, in der der Preamp abgeschaltet wird.
Interessant ist das Konzept des 4-bandigen Equalizers am Heritage Audio HA-81A Elite. Die beiden Grenzbänder sind als Shelving-Charakter ausgebildet und haben einen Frequenzgang von 3,3 – 15 kHz bzw. 33 – 330 Hz. Beide können jedoch auch per Druckschalter auf Bandpass-Charakteristik umgeschaltet werden. Die beiden inneren Bänder (220 – 1200 Hz und 1,5 – 8,2 kHz) können dagegen mit einem Druckschalter in ihrer Güte zu einem höheren Q-Faktor umgeschaltet werden. Zum Abschluss gibt es am rechts außen liegenden Doppelpoti noch eine Hochpass/Tiefpass-Variation, wobei das Hochpass-Filter eine fünfstufige Absenkung zwischen 27 und 270 Hz ermöglicht, während das Tiefpass-Filter sich zwischen 3,9 und 15 kHz bewegt. In der Mittelstellung sind beide Filter deaktiviert.
Der finale Output-Regler ermöglicht nun noch einmal eine Absenkung des bearbeiteten Signals, was sich als sehr sinnvoll herausstellt, insbesondere, wenn man den Preamp leicht in die Sättigung fahren möchte. Abschließend kann man mittels dreier Druckknöpfe den EQ komplett aus dem Signalweg nehmen, die Phase drehen und das Gerät komplett ausschalten.
Öffnet man das Gehäuse, fallen einem als erstes die beiden stattlichen Carnhill Übertrager am Ein- und Ausgang des Gerätes auf. Diese besitzen einen sehr guten Ruf und werden auch in anderen Geräten der Heritage Audio Elite Serie verbaut. Der gesamte Aufbau ist sehr ordentlich und offenbart keine Schwachstellen.
Auch wenn ich den Grund verstehe, ein externes Netzteil bei einem Produkt dieser Qualitätsstufe wird ein ewiger Minuspunkt auf meiner Skala sein. Ein ordentliches Verkabeln im Studiokomplex ist damit einfach nicht möglich, da die rechteckigen Klötze immer irgendwo platziert werden müssen und sowohl haptisch, als auch optisch stören.
Die Handhabung
Wer etwas Erfahrung mit Neve Produkten hat, wird sich vergleichsweise schnell auf dem Frontpanel zu Recht finden. Nach ein wenig Einarbeitungszeit sind die Regler und Schalter fast schon selbsterklärend, wenngleich der Channelstrip geschuldete Aufbau des EQ evtl. für etwas Verwirrung sorgen wird. Wie auch bei dem Original von Neve liegt das höchste Band links an, was dem Umstand zu verdanken ist, dass der Kanalzug aus einer Konsole entliehen wurde, bei der der Höhenregler nahezu immer oben angebracht ist. Auch die Neutralstellung auf 6 Uhr kann zu Anfang etwas für Verwirrung sorgen, ist aber wohl auch der Drehung des Produktes nach Ausbau aus der Konsole geschuldet. Nun ja, ein wenig Exotenstatus hat noch niemandem geschadet.
Der Heritage Audio HA-81A Elite In der Praxis
Bekanntermaßen ist die klangliche Beschreibung eines Produktes umso schwerer, je mehr es nicht durch eine meist unangenehme Eigenart aus dem Rahmen fällt. Dieser Fakt verstärkt sich zusätzlich, wenn das Produkt generell einen färbenden Effekt auf das anliegende Material ausübt, das aber meist durch bemüht blumige Beschreibungen der Klasse „musikalisch“ oder „warm“ zu erfassen ist. Die teilweise esoterisch anmutenden Beschreibungen haben immer etwas Anstrengendes für mich, umso mehr bin auch ich ständig auf der Suche nach den passenden Adjektiven, ohne auf die Standards zurückzugreifen.
Nahezu immer, wenn ein Neve Produkt oder ein entsprechender Klon in der Signalkette hängt, wird das anliegende Signal mit einer sehr eigenständigen Färbung belegt, die dem menschlichen Ohr zumeist schmeichelt. Dies trifft auch auf den Heritage Audio HA-81A Elite zu, sogar wenn alle EQs aus dem Signalweg genommen wurden. Genau für diesen Effekt liebt man diese Produkte und setzt sie gezielt für Signale ein, die nicht mittels einer Präzisionsanalyse bearbeitet werden sollen, sondern mit einem vergleichsweise hohen humanem Anteil bei der Klangerzeugung versehen sind, wie z. B. Saiteninstrumente, Blasinstrumente und vor allem natürlich Gesang.
Der gesamte Ansatz des Produktes, sei es die Gain-Rasterung oder aber der EQ-Einsatz glänzt mit großer Praxisnähe und erleichtert einen sinnvollen Einsatz über das gesamte Frequenzspektrum. Bei einer neutralen Verwaltung klingt der Preamp stets weich und dezent schmeichelnd, bietet aber auch die Möglichkeit, dem Signal mittels einer „heißen“ Ansteuerung eine dezente Sättigung bis hin zu einem kräftigen Overdrive hinzuzufügen. Insbesonders bei impulsstarken Signalen kann dies als interessante Klangformung verwendet werden.
Generell gibt es kaum ein Signal, mit dem der Heritage Audio HA-81A Elite nicht klarkommt. Bei einer Vorverstärkung von bis zu 80 dB sollte es kaum ein Signal geben, das der Preamp nicht aufgeholt bekommt, sei es ein typisches Bändchenmikrofon oder aber die berüchtigten Piezo-Pickups ohne Vorverstärker. Ein fester Bestandteil bleibt allerdings immer der Grundsound des Produktes, wer eine neutrale Klangformung bevorzugt, wird unter Umständen die Stirn gelegentlich in Falten werfen.
Ist die Bezeichnung „Channelstrip“ nicht übertrieben? Meiner Ansicht nach gehört ein Kompressor dazu, der hier aber fehlt. „EQ mit Preamp“ würde ich passender finden.
@bluebell Kommt auf die Definition an.
Da das Modul von einem Kanalzug einer Neve Konsole abgeleitet wurde, geht die Bezeichnung aus traditioneller Sicht meines Erachtens in Ordnung.
Danke für deine Anmerkung, aber baulich bedingt bei einem On /Off Vergleich leider nicht möglich.
welche Aussage meinst du?