Die richtige WEISSheit für Console 1 User?
Mit der Weiss Gambit Series For Console 1 bringt Softube die Schweizer Edelmarke Weiss für einen vergleichsweise kleinen Betrag alle Studios mit Softubes Controller Console 1. Den Test zur Console 1 bzw. dem zweiten Modell Console 1 Fader ihr hier:
Die hier getestete Erweiterung basiert auf dem Weiss EQ1 sowie dem Weiss DS1, ist also keine 1 zu 1 Nachbildung. Für aktuell 185,- Euro (Summer Sale bis 31.07.2020) ist der Weiss Channelstrip derzeit zu erstehen, da riskieren wir natürlich einen genaueren Blick.
Erster Eindruck und Vorbild der Gambit Series
Auch Softube hat nun eine zentrale Software zum Installieren von Plugins und Updates, zwar noch im Beta-Stadium, aber Softube Central tut, was es soll. Die Weiss Gambit Series for Console 1 läuft in allen Sequencern und Hosts, die auch Console 1 beherbergen können, hier gibt es also keine Überraschungen. Weitere Informationen dazu findet ihr in unserem Console 1 Mk2 Test.
Wer sich ein wenig mit der Hardware von Weiss auskennt, wird sich fragen, wie Softube in der Weiss Gambit Series for Console 1 die sieben EQ-Bänder des EQ1 in der Console 1 untergebracht hat. Die Antwort ist: gar nicht.
Man hat den EQ auf vier Bänder (plus High-Cut und Low-Cut) reduziert. Wem die anderen drei Bänder fehlen, müsste die Console 1 entsprechend also zweimal insertieren. Das finde ich zwar etwas „fuddelig“, weil man sich dann schnell mal mit der Instanz vertut, aber es geht. Alternativ kann auch über die Anschaffung der nativen Version des EQ 1 nachgedacht werden. Allerdings ist der siebenbandige EQ mehr als doppelt so teuer wie die Gambit-Serie: Mit knapp 550,- Euro Listenpreis ist man dabei. Zur Einordnung: Die original DSP-Hardware von Weiss belastet das Budget mit deutlich jenseits der 6.000,- Euro.
Die Dynamik-Sektion weicht leicht vom Vorbild Weiss DS1 ab, denn es mussten die Parameter auf die Console 1 angepasst werden. Der Parameter „Drive“ erscheint bei Weiss hier wenig sinnvoll. Bisher wurden mit den Console 1 Emulationen von Vintage-Gear angesteuert. Bei den DSP-basierten Effekten (wie denen von Weiss) scheint dieser Parameter nicht angebracht. So wurde Drive kurzerhand in ein Pre-Gain für den Limiter umfunktioniert. Auch der Charakter ist beim Vorbild nicht schaltbar, jedoch haben die Entwickler von Softube zu dem Original-Charakter noch zwei weitere spendiert. Mir gefällt das Original allerdings eindeutig besser.
Wer den DS1 als natives Plugin nutzen möchte, wird mit knapp 550,- Euro (Listenpreis) zur Kasse gebeten. Alternativ ist für ca. 300,- Euro (Listenpreis) ein „einfaches“ Weiss Compressor/Limiter-Plugin erhältlich. Wer sich die Hardware-Version des Weiss DS1 ins Studio stellen möchte, ist mit fast 10.000 Euro dabei, da ist das Plugin erschwinglicher, beide.
Unser Testsignal, ein Drumloop (hier vollkommen unbearbeitet):
Hier der Drumloop im Limiter. Zunächst mit der originalen Charakteristik des DS1, danach mit den Varianten, die Softube hinzu entwickelt hat:
In der Praxis
Kurz gesagt: Die Weiss Gambit Series For Console 1 macht, was sie soll und das verdammt gut. High-Cut und Low-Cut sind für mich hier nicht ganz so interessant, da die Flankensteilheit nicht einstellbar ist. Auch etwas schade ist, dass der Q-Faktor der Bässe und der Höhen nicht regelbar ist. Dafür lässt sich bei den beiden mittleren Frequenzbändern der Q-Faktor von 0,2 bis 650 (sic) schalten. Damit sind sehr, sehr feine Bearbeitungen möglich, gerade wenn bspw. einzelne Störgeräusche entfernt werden sollen.
Die meisten EQs geben dem Signal einen eigenen Klang mit auf den Weg, nicht so der Weiss EQ, er bleibt unaufdringlich und (weitgehend) neutral, auch bei extremeren Einstellungen. Gegen einen EQ mit eigenem Sound spricht natürlich nichts, wer allerdings eine neutrale Klangregelung braucht oder mag, ist hier richtig.
Der Kompressor bietet ebenso eine große Parameter-Reichweite. So sind Ratios bis 1.000:1 möglich. Auch eine Attack-Zeit von 0,02 ms (20 µs) ist möglich. Als Knee ist der Kompressor fix auf Soft-Knee geschaltet, damit wird die Kompression deutlich „weicher“ und nicht mehr so auffällig. Somit kann man Transienten erzeugen oder auch mit dem Weiss glätten oder gar künstliche Transienten erzeugen, sehr schön.
Ein Sprecher, bearbeitet mit dem Channelstrip. Zuerst unbearbeitet, dann eine „Telefonstimme“, dann eine reguläre Sprachbearbeitung:
Die Drumloop, hier mit dem ganzen Weiss Gambit bearbeitet:
Vielen Dank für den Test! Es bleibt für mich allerdings die Frage, braucht man so etwas heutzutage noch? Das Klangideal der absoluten Neutralität, ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entwicklung der entsprechenden Hardware, absolut nachvollziehbar. Man wollte nicht, dass solche Werkzeuge „Sound machen“. Aber mittlerweile haben wir doch in unserer DAW sehr neutrale EQ´s, oder? Der neue Bitwig EQ ist doch wirklich klanglich und von der Bedienung her absolut fantastisch. Das gleiche gilt auch für den neuen EQ in Cubase. Ich möchte wirklich niemanden zu nahe treten, aber benötigt man, rein aus klanglicher Sicht, wirklich einen Weiss EQ oder Kompressor? Die Entwicklung der Hardware liegt ja teilweise Jahrzehnte zurück. Die Digitaltechnik steckte noch in den Kinderschuhen. Was hätten die damaligen Entwickler wohl bevorzugt: den eigenen EQ oder so etwas wie Fabfilter usw?
@wimu Kurze Antwort: Definitiv JA!
Ich sehe das zeitliche Argument nicht. Der Frequency EQ in Cubase oder der Kollege in Bitwig ist schon fein, aber Weiss ist da etwas neutraler. Ich schätze neutrale Hard- und Software. ICH will ja den Sound machen…
LG
F
@wimu Berechtigte Fragestellung finde ich.
Ohne auf die spezifische Qualitäten des Weiss EQ Algorithmus einzugehen möchte ich dazu anmerken, dass in den frühen Blüte der Digitaltechnik um erhebliche Größenordnungen andere Budgets für Forschung und Entwicklung höchstwertiger Audiotechnik zur Verfügung standen.
Auch das Personal war ein ganz anderes. Damals konnten die Hersteller noch die absolute Elite der Forschung aus Raumfahrt und Rüstungsindustrie für Digitalaudio begeistern. Heute wird die Bauteilentwicklung vornehmlich aus dem Mobiltelefonsektor befeuert.
Es stehen nun bei der Bauteilentwicklung niedriger Stromverbrauch und hohe Stückzahlen bei niedrigen Stückkosten im Vordergrund der Bemühungen. Damit müssen die Hersteller umgehen.
Die Innovation wird auf Herstellerseite heute oft durch enthusiastische Autodidakten oder Feld -Wald und Wiesen Elektronik Ingenieure vorangetrieben (no offense).
Gerätekosten dürfen das Budget von Projektstudios möglichst nicht zu stark strapazieren um den Absatz nicht zu gefährden.
Unter den genannten Voraussetzungen relativiert sich der technische Fortschritt zumindest bezogen auf die reine Klangqualität leider etwas.
Das führt wiederum dazu dass „alte“ High-End Technik oftmals noch konkurrenzfähig ist.
Das finde ich absolut nachvollziehbar. Und Ihr Beide habt da bestimmt auch viel mehr Ahnung als ich. Allerdings muss man in diesem Zusammenhang auch mit einbeziehen, dass die damaligen Forscher und Entwickler, zwar über gewaltige Fördermittel verfügten, aber natürlich erstmal, ihrer Qualifikation entsprechend, auch forschen und Entwickeln mussten. Pionierarbeit… Die heutigen Entwickler können auf dieses Wissen und deren Ergebnisse zu einem großen Teil zurück greifen. Einen neutralen digitalen EQ zu programmieren, sollte heutzutage auch bei geringerem Budget, um ein vielfaches einfacher sein als zu der damaligen Zeit. Dazu kommt noch die im Vergleich unvorstellbar größere Rechenleistung digitaler Prozessoren. Ich glaube auch bei Steinberg, Yamaha, Ableton usw. sind sicherlich viele kluge Köpfe am Werk. Aber wie gesagt, ich habe von diesen Dingen zu wenig Ahnung um serious mitreden zu können.
@wimu Das Problem ist einerseits, dass die Programmierer auch ein gewisses Hörverständnis und ein wenig Kreativfähigkeiten mitbringen müssen um da wirklich Fortschritte zu machen und nicht nur preiswerter zu sein. Fachleute mit so breit angelegten Fähigkeiten noch immer selten und teuer.
Mann sollte auch nicht einfach Rechenleistung mit Rechenleistung gleichsetzen.
Damalige Technik war eher anwendungsbezogen konstruiert und optimiert während CPUs in heutigen Rechnern zwar sehr sehr schnell sind aber bestimmte Prozesse nicht unbedingt effektiv abarbeiten können.
Ich möchte da nicht zu sehr ins Detail gehen aber Du erkennst es auch daran, dass es erst heute, Jahrzehnte später, möglich ist diese EQs auf einer normalen CPU zu berechnen ohne dass der PC dabei in die Knie geht und für andere Prozesse stillgelegt wird.
Der Aufbau einer gängigen Mehrkern CPU unterscheidet sich einfach grundlegend von TTL Netzwerken, DSPs und FPGAs in Schaltungsumgebungen die teilweise nur einen spezifische Prozess abarbeiten können, das dafür aber besonders schnell.
Meistens lassen sich die Programminstruktionen frühdigitaler Audiotechnik nur mit grundlegenden Anpassungen in eine CPU Umgebung übertragen, da eben Vieles auf Hardwareebene erledigt wurde für das die Allzweck-CPU erst instruiert werden muss.
Es geht mir dabei nicht um schlechter oder besser, sondern darum die Leistungsfähigkeit dieser Technologien vernünftig in Relation zueinander zu setzen.
Noch zum neutralen EQ: Es ist auch heute noch nicht möglich wirklich neutrale EQs zu programmieren.
Es handelt sich immer um Näherungen. je Phasenneutraler ein EQ ist, desto mehr Ein und Nachschwinger produziert er im Allgemeinen. Das bedeutet es ist hier immer Frequenz- gegen Zeitgenauigkeit abzuwägen.
Genau deshalb muss der Programmierer auch die jeweilige klangliche Bedeutung seiner Entscheidungen abschätzen können.
Die Grundlagen dieser Berechnungen stammen übrigens so gut wie alle aus den 50ger und 60ger Jahren des letzten Jahrhunderts :)
Ok, dass macht Sinn. Wahrscheinlich hat man damals auch sehr viel Zeit und Energie in die Optimierung und Effizienz investiert. Allerdings ist das Softube Plugin ja ein gewöhnliches VST. Angeblich soll ja der Code aus der legendären Hardware 1 zu 1 übernommen wurden sein. Und diese Tatsache finde ich so bemerkenswert. Das diese uralten Algorithmen immer noch anderen Plugins so überlegen sind. Zumindest was die Neutralität angeht. Ist schon faszinierend.
@wimu Ob das 1:1 übernommen stimmt kann ich nicht beurteilen. Das wird immer gerne werbewirksam behauptet. Ich habe da meine Zweifel. Vielleicht Teile des Codes. Egal, muss ja nicht unbedingt schlechter klingen. Zumindest sind die Algorithmen anscheinend noch konkurrenzfähig. Da hat sich ein sehr fähiger Entwickler damals viel Mühe gegeben.
Manchmal denke ich daß EQ’s immer schlechter/färbender werden. Ich erinnere mich noch an den Triple-DAT EQ, der war so unglaublich geil, ging wie eine neue Gilette durch das Material. Sehr beeindruckend damals. Würde den gerne mal mit heutigen Plugins vergleichen. Rechenpower, Oversampling, das kann alles egal sein wenn es richtig gut klingt.
Jup, so isset ma!
(Zu Deinem letzten Satz)
Es gibt Abbildungen mit und ohne Stereo Width. Ist da beim Channel-PlugIn was regelbar ?
@justme Wo meinst Du das? Ich stehe etwas auf dem Schlauch :-(
@Florian Scholz In manchen Abbildungen des Channelstrips ist lediglich rechts/links im Stereopanorama regelbar – in einigen Abbildungen (hier die obere des Artikels) ist darüber noch ein Parameter, sieht nach Regelbarkeit der Stereobreite aus.
Wird aber absolut nirgendwo, Manual usw. erwähnt…
@justme Jetzt hab ichs kapiert ;-)
Da geht es nur um Mitte/Seite. Leider nix mit Stereowidth…
LG
Florian
Irgendwie find ich die presets nicht bei der Console. Sind überhaupt welche dabei oder muss man die ganze weiss Series kaufen wenn man die eq presets usw will ? Danke 🙏 ps.: die presets des mitgelieferten strips hab ich – nur die des weiss kann ich nicht anwählen.