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Test: Image-Line Harmless

(ID: 2052)

Struktur

Nach dem ersten Start blicken wir auf eine angenehm unaufdringliche, trotz der vielen unterschiedlichen Bedienelemente übersichtlich wirkende Oberfläche. Sie ist in drei farblich abgesetzte Abteilungen gegliedert, die – von oben nach unten – die grundlegende Klangerzeugung (mit den Bereichen Timbre, Amp und Pitch), die Klangmodifikation (mit Filter, Resonance und Unison sowie Phaser, Harmonizer und LFO) und die Effekte (Chorus, Delay, Reverb und Comp) beinhalten. Das User-Interface wurde mit dem Ziel einer schnellen und einfachen Bedienung so gestaltet, dass jeder regelbare Parameter direkt zu sehen ist: Es gibt keine Reiter, Fenster oder Untermenüs. Man kann nur regeln, was sich auch anfassen lässt.

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Timbre, Amp, Pitch

2_Timbre_Amp_Pitch.jpg

Dass man keinen gewöhnlichen virtuell Analogen unterm Mauszeiger hat, wird gleich bei der Suche nach der Oszillatorsektion klar: Es gibt keine Oszillatoren im Sinne von einzelnen Bedieneinheiten, sondern einen großen Bereich namens Timbre. Hier wählt man zunächst eine von 11 Grundwellenformen aus, oder mit „Custom“ auch einen Wellendurchgang aus einem beliebigen Audio-Sample. Dieser Klang wird mit drei „Sub“-Oszillatoren abgeschmeckt, die eine Suboktave, eine Quinte und eine Terz hinzufügen. Daneben gibt es einen 6-bandigen grafischen EQ, der wohlgemerkt natürlich auf der additiven Ebene arbeitet. Weiter geht es mit der „Harmonic Mask“, einer Bank von 12 Fadern, die die ersten 12 Harmonischen und ihre Vielfachen einzeln abschwächen, womit beispielsweise (wie oben im Bild) aus einem Sägezahn eine Rechteckwelle geformt werden kann. Der Einfluss dieser „Maske“ ist dosierbar und kann unter anderem per LFO oder Key-Follow gesteuert werden. Ein Klang, in den unteren Lagen Sägezahn, zu den oberen hin Rechteck? Kein Problem für Harmless!

Der erste Regler in der Timbre-Abteilung, „lhp“ (Low Harmonics Protection), sorgt dafür, dass, egal wie weit das Filter zugedreht wird oder wie tief der Phaser eingreift, immer ein bestimmter Anteil an Grundfrequenzen erhalten bleibt. Diese Funktion ist in manchen Situationen Gold wert, denn mit ihrer Hilfe kann man zum Beispiel die typischen tiefen Filtermodulationen erzeugen, ohne dass die Melodielinie zu sehr absäuft.

Im Amp-Bereich befinden sich Regler für Tremolo, Mastervolume, die Lautstärke-Hüllkurve und einen ominösen Parameter namens „Pluck“. Dieser wäre auch im Filter-Bereich gut aufgehoben, denn er regelt eine spezielle Hüllkurve für alle Obertöne oder für eine Auswahl davon, die von der „Harmonic Mask“ oder dem EQ vorgegeben wird. Klingt kompliziert, muss man aber auch nicht unbedingt verstehen – es sorgt halt für einen scharfen Attack bei dumpferem Ausklang, wobei man diesen Klangverlauf eben recht detailliert formen kann.

Ebenfalls etwas verwirrend ist die Lautstärke-Hüllkurve, die nur aus Attack, Decay und Release besteht. Was, wenn ich einen Orgel- oder Streichersound solange halten will, bis mir die Hand einschläft? Dann wird der Decay-Regler voll aufgedreht, wir erhalten eine AR-Hüllkurve und können leider keinen Sustain-Pegel einstellen, der unter dem Maximum des gesamten Klangverlaufs liegt. Das ist schade, schränkt es doch den Einfluss auf den zeitlichen Verlauf der Klangkreation unnötig ein.

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Die noch fehlenden Regler im oberen Abschnitt wirken auf die Tonhöhe. Ungewöhnlich ist „Grit“, der die Frequenzverhältnisse der erzeugten Obertöne zueinander verschiebt, sodass der Klang zunehmend inharmonisch und metallisch wird, was wirklich klasse klingt. Außerdem findet sich hier der Regler für die Vibrato-Tiefe. Vibrato und Tremolo sind eher als gelegentlich per Modwheel oder Aftertouch einzusetzende Performance-Elemente gedacht und nicht in der Geschwindigkeit regelbar. Eine eigene Hüllkurve für die Tonhöhe fehlt leider.

Filter, Resonance, Unison

3_Filter_Resonance_Unison.JPG

Natürlich ist auch die Filtersektion nicht mit einem Satz beschrieben. Mit „Freq“(uency) und „Res“(onance) finden sich zwar zwei wohlbekannte Regler, allerdings sind diese flankiert von einigen erklärungsbedürftigen Kollegen. So gibt es anstelle der üblichen Umschaltung zwischen 12 und 24 dB Flankensteilheit den Parameter „Width“, der diese stufenlos regelt. Sehr angenehm. Dem Resonanzregler zur Seite stehen zwei Knöpfe, mit denen sich die (additiv simulierte!) Selbstoszillation des Filters formen lässt. Dabei verschiebt „Ofs“ die Frequenz der Selbstoszillation, die normalerweise identisch mit der Cutoff-Frequenz ist, in je nach musikalischem Kontext nützlichere Regionen. Das fühlt sich nun wirklich neu an und ist eine der echten Errungenschaften der „harmlosen“ Synthese.

Für das Filter stehen verschiedene Modelle zur Auswahl, die die Typen Low-, High-, Bandpass und Band Reject mit unterschiedlicher Charakteristik umsetzen. Daneben gibt es so originelle Varianten wie „Snake Low Pass“ und „Phaser“. Sehr ungewöhnlich ist die Möglichkeit, auch die Charakteristik der Resonanz umschalten zu können, was ebenfalls überraschende Ergebnisse hervorbringt. In Anbetracht des additiv-subtraktiven Konzeptes hätte man eigentlich auch erwarten können, dass sich diese Charakteristiken überblenden lassen, aber das ist leider nicht möglich.

Die Skalierung der Regelwege von Filter, Resonance und Phaser kann übrigens von „Octave“ auf „Hz“ umgestellt werden, also von logarithmisch auf linear. Klingt wieder kompliziert, muss man aber genauso wenig verstehen wie die exakte Funktion des Pluck-Reglers – folgerichtig macht es sich auch die Hilfe hier mit dem Hinweis „set bei ear“ einfach.

Rechts neben dem Filter wurden die Unisono-Einstellungen untergebracht, die bis zu acht in Verstimmung, Phase und Panorama regelbare zusätzliche Stimmen ermöglichen. Das klingt wunderbar fett, breit und tief und ist nicht nur für die typischen Rave-Sounds eine Option.

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Klangzaun

    Für alle Preset-Freunde sei noch erwähnt, dass man relativ viele kostenfreie Soundbänke im Internet finden kann.

    Die Sounddemos geben den Charakter des Synth ganz gut wieder. Er klingt halt sehr „digital“, was er ja auch möchte.

  2. Profilbild
    Jesus

    Gut, das Ding hat eben nur das Notwendigste drin und ehrlich gesagt brauch ich Sustain nie. Wer spielt auch mit dem Teil nen 10-Sekunden-Orgelsound? :)

    Ich habe das Teil für 9 Euro damals gekauft :)

    Aber es ist ziemlich limitiert was die Sounderstellung angeht, selbst wenn man externe Wellenformen reinläd.

    Es klingt eben alles ziemlich ähnlich.

    Wer z.B. vorher mit einer V-Station geschraubt hat und Semitones einstellen konnte etc., der wird eben Harmless eher als Spielzeugsynth sehen :)

    • Avatar
      AMAZONA Archiv

      @Jesus In der Tat, die „Custom“-Option bei den Wellenformen führt erstaunlicherweise immer zu sehr ähnlichen, etwas dünnen Ergebnissen, egal was man reinlädt.

      Die V-Station ist klasse, aber eben „nur“ virtuell analog. Harmless ist auch klasse, aber eben „nur“ ‚additiv-virtuell-subtraktiv‘. Beide decken einfach unterschiedliche Gebiete ab und ergänzen sich sogar ganz gut. Aber ein Spielzeugsynth ist Harmless trotz gewisser Grenzen sicher nicht, eher was für Fortgeschrittene, weil ohne Vorwissen teils schwer zu durchschauen und gezielt zu programmieren.

  3. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Ein vorzüglicher Beitrag von P. Lange. Der Autor beschreibt den Synth so wie er ist, mit all seinen vielen Vorzügen und einigen Einschränkungen. Alles andere ist halt davon abhängig, was man sich von einem Synth erwartet bzw. erwarten kann.

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ein sehr brauchbarer Softsynth.

    Für mich stellt sich die Frage… weshalb keine Mac bzw. AU Version?

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      Mein Kommentar bezieht sich auf Harmor nicht Harmless. @Admin: Bitte verlagern :-)

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