Brachiale Distortion aus der Gojira Plugin Suite
Nachdem vor einigen Tagen bereits die Neural DSP Archetype Abasi Software auf dem Prüfstand brillierte, ist nun die Archetype Gojira Plug-in Suite aus gleichem Hause dran. Ich erwarte brachiale Distortion, wenn ich mir die Clips von Gojira auf YouTube so ansehe. Ich wäre aber nicht ich, wenn ich als Nichtmitglied der IG-Metall nicht auch versuchen würde, mir das Ding untertan zu machen.
Gojira Plug-in Suite – Gitarren Plug-In
Wie schon bei der Abasi-Suite, ist auch bei dieser Software über keinerlei Problem während der Installation und der Registrierung zu berichten. Die Software reiht sich nahtlos in alle anderen Plug-ins ein und ist in der Cubase 11 Standardinstallation im Unterordner „Other“ in den Insert-Effekten zu finden. Die Standalone-Version liegt als Verknüpfung auf dem Desktop und wartet begierig darauf, angeklickt zu werden. Na dann los!
Genau wie bei der Archetype Abasi Plug-in Suite gibt es zwischen Standalone- und Plug-in-Version geringfügige, aber erwähnenswerte Unterschiede. Da die Plug-in Version ihre globalen Einstellungsparameter aus der DAW bezieht, fehlt hier der der Button mit dem Zahnrad, dieser ist in der Standalone-Installation links unten neben den Symbolen für die MIDI-Einstellungen und dem Tuner-Button zu finden. Gleiches gilt für den Metronom-Button. Analog zur Abasi-Software finden wir hier eine Einstellmöglichkeit für das Songtempo. Es handelt sich allerdings nicht, wie man vermuten könnte, um ein Metronom, sondern um die Möglichkeit, den Tempo-basierten Delay-Effekt auf das Songtempo abzustimmen. Doch langsam, wir schauen uns erst einmal in Ruhe weiter auf der Startseite um.
Das Plug-in Modul zeigt im Vergleich zur Standalone-Version noch die spurspezifischen Buttons der DAW in einem Bereich oben links des Fensters an. Hier kann direkt aus dem Plug-in heraus zum Beispiel das Schreiben etwaiger Automationsdaten gestartet werden oder zwischen zwei unterschiedlichen, voreingestellten Settings des Plug-ins hin- und hergeschaltet werden. Ansonsten dominiert, wie auch schon beim Kollegen Abasi, nach dem Start das Fenster mit einem der drei zur Verfügung stehenden Amps. Unten in der Mitte des Fensters befinden sich drei stilisierte Amp-Stacks, mit deren Hilfe man die drei Amps nebst dazugehörigem Cabinet wählen kann. Ein kleiner Lock-Button verbindet jeweils den Amp mit der dazugehörigen Box, durch Deaktivierung des Locks kann dann aber auch eins der beiden anderen Cabinets gewählt werden.
Erneute Aktivierung ordnet dem gewählten Amp sofort die eigentlich zugedachte Box wieder zu. Sehr schön gelöst, das ist extrem praxistauglich. Oben in der Mitte befinden sich die Buttons für die Auswahl einzelnen Komponenten im Signalweg. Von links nach rechts sind das auf dem virtuellen Pedal-Board 1 ein Pitch-Pedal und ein Octaver, auf Board 2 ein Overdrive und ein Distortion sowie ein Phaser und ein Chorus. Dann folgt das Herz der Signalkette, der Amp. Ihm nachgeschaltet ist ein jeweils optisch angepasster grafischer Equalizer, gefolgt von der Cabinet-Sektion. Das Schlusslicht bilden die zeit- und raumbasierten Effekte Delay und Reverb auf Board No. 3. All das ist sehr übersichtlich und spart Zeit bei der Soundsuche. Während man zum Beispiel bei Guitar Rig 6 oder Amplitube 5 unzählige Möglichkeiten findet, den Sound zu verbiegen und in der Signalkette ob der ungezählten Möglichkeiten gern schnell den Überblick verliert, ist hier Übersicht garantiert.
Gojira Plugin – Effekte, Amps und Boxen included
Schauen wir uns mal ein paar der Effekte und Amps der Gojira Plug-in Suite genauer an. Das erste Board in der Signalkette birgt zwei Pitch-Effekte. Zum einen das Pedal mit dem schlichten Namen Wow, zum anderen ein statisches Octaver-Pedal, mit dem eine oder zwei Oktaven unterhalb des Originalsignals zugefügt werden können. Vor allem das Pedal hat es in sich. Hier können drei verschieden Modi aufgerufen werden, fantasievoll als Blade 2, Blade 1 und Fatso betitelt. Alle drei Einstellungen ermöglichen eine Modulation der Tonhöhe per Fuß, sofern ein MIDI-fähiges Pedal zur Steuerung der Parameter an den Rechner angeschlossen ist. Natürlich kann das Pedal auch per Maus oder per Touchscreen bedient werden, aber erst per Fuß kommt natürlich richtig Freude auf, weil man dann beide Hände frei hat. Blade 2 beinhaltet einen stufenlosen 2-Oktaven-Pitch vom gespielten Ton nach oben, Blade 1 beschränkt sich auf eine Oktave. Im Modus „Fatso“ moduliert das Pedal die Tonhöhe von einer Oktave unter dem gespielten Ton bis zu einer Oktave darüber und kann zusätzlich per Dry/Wet-Regler zugemischt werden.
Das Tracking des Pedals und die Qualität des Sounds gehört mit zum Besten, je von mir gespielten Whammy-Pedals, soviel sei hier schon mal verraten. Doch zum Sound kommen wir später, also bitte noch etwas Geduld. Der Octaver macht, was er soll: fette Riffs. Der Level-Regler kümmert sich hier nicht um die Lautstärke des Effekts, sondern um die des Originalsignals.
Weiter geht’s auf Board No. 2. Hier arbeiten die üblichen Verdächtigen wie oben aufgezählt, allerdings in liebevoll gestalteter Optik. Die Stompboxen sehen alle aus, als wären sie das eine oder andere Jahrzehnt on the road unterwegs gewesen. Die Regler der einzelnen Pedale erklären sich allesamt selbst und sollten dem erfahrenen Kistentreter nicht vor unlösbare Aufgaben stellen. Die drei in der Signalkette folgenden Amps zeigen optisch direkt, wo der Frosch die Locken hat. Freunde jazziger Cleansounds werden hier anscheinend nicht bedient, aber das klären wir später. Der Slot mit den grafischen Equalizern lässt, vor allem weil er hinter den Amps positioniert ist, massive Eingriffe auf den Sound zu.
Gojira Plugin – Virtuelle Cabinets, Mikrofone und IR-Loader
Ein weiteres Herzstück der Archetype Gojira Software ist die Cab-Section. Maximal 2 verschiedene Mikrofone können hier vor einer der drei virtuellen Boxen platziert werden. Ein Verschieben der Mikrofone in vertikaler und horizontaler Richtung ist möglich, 6 unterschiedliche Klassiker der Mikrofongeschichte sind wählbar. Der Pegel beider Mikrofone ist regelbar und im Stereobild frei positionierbar, so dass hier schon ein Mix vorgenommen werden kann. Dieser ist natürlich nicht verbindlich, das ist das Schöne an Plug-in Lösungen. Der Sound kann immer wieder dem Mix angepasst und verändert werden, da auf der Spur lediglich die trockene Gitarre aufgezeichnet wird. Natürlich kann die Abnahme des Cabinets auch auf ein einzelnes Mikrofon reduziert werden. Für fortgeschrittene Anwender sei erwähnt, dass hier auch eigene oder fremde IRs geladen werden können. IR steht für Impulse Response und ist vereinfacht beschrieben eine Datei, die das Verhalten einer mikrofonierten Box nachbildet. Was die virtuelle Mikrofonierung angeht, sind hier also quasi keine Grenzen gesetzt.
Ganz zum Schluss, auf Board No. 3, befinden sich nun noch die zeitbasierten Effekte Delay und Reverb. Das Delay verfügt über einen Regler zur Manipulation der Bandsättigung, das imitiert den so beliebten Sound alter Bandechos. Die Sync-Funktion übernimmt in der Plug-in Version der Gojira Software das Tempo des Songprojektes, der Time-Regler arbeitet dann in größeren Schritten die Delay-Zeiten ab, die mit dem Song korrelieren. Also zum Beispiel 166,7 bpm bei einem Songtempo von 120 bpm. Das entspricht dann einem Delay auf 1/8 Triolen. Schaltet man die Sync-Funktion aus, kann der Verzögerungswert stufenlos eingestellt werden. Toll und extrem praktisch. Der Reverb-Effekt birgt eine kleine Überraschung, hier kann neben Effektanteil, Nachhallzeit und Low- und bzw. High-Cut noch ein „Shimmer“ hinzugewählt werden. Wie genau das klingt, demonstriere ich in den Klangbeispielen. Genau wie bei der Archetype Abasi Plug-in Suite kann die Software komplett Stereo betrieben werden, wenn sie direkt in einer DAW aufgerufen wird.
Die Sounds der Archetype Gojira Software
Jetzt will ich aber niemanden mehr auf die Folter spannen, der Praxistest steht an. Ich klicke mich zunächst durch die drei Amp-Typen, um mir einen Überblick über deren Charakteristik zu verschaffen. Amp 1 nennt sich Clean, ist aber nur schwer zu einer wirklich klaren Wiedergabe zu überreden. Seine Stärke hat er ganz klar im Bereich der angezerrten Sounds. Als Referenzgitarre kommt meine Ibanez AZ 226 zum Einsatz. Selbst mit den Singlecoil am Hals und niedrigem Gainsetting ist kaum ein klarer Ton möglich. Der Grundsound präsentiert sich aber ausgewogen und straff im Bass, damit werden die Zerrer nachher echt Spaß haben. Etwas mehr Gain, und der Sound beginnt zu leben. Die beiden anderen Amps, Rust und Hot, sind jeweils in neutraler Mittelstellung aller Regler aufgenommen. Lediglich etwas Hall kommt aus dem Plug-in. Der mit dem Namen „Rust“ vom Hersteller als Crunchamp beworbene zweite Bolide, ist für meinen Geschmack schon ein Highgain-Amp. Der dritte Amp im Bunde hört auf den Namen „Hot“ und ist ein Monster mit unfassbaren Gainreserven. Wie gesagt, hier ist außer dem Hall noch kein Pedal im Einsatz.
Die folgenden Klangbeispiele stammen aus den Werks-Presets und wurden unverändert aufgenommen. Zunächst ein paar Beispiele, die den „Clean“-Amp als Basis nutzen. Hier zeigt sich, dass die Gojira Plug-in Suite durchaus auch eine Geheimwaffe für exzellente Crunch-Sounds sein kann. Eine Disziplin, in der viele Plug-ins scheitern. Die Effekte klingen brillant und wunderbar musikalisch.
Zeit für etwas mehr Gain. Der „Rust“-Amp kommt zum Einsatz. Hier besticht die Software durch satten, definierten Bass und eine Wiedergabe, die trotz des hohen Gains die Charakteristik der Gitarre nicht verwässert. Aber auch dieser Amp macht im angezerrten Bereich eine mehr als überzeugende Figur.
Hören wir noch in den letzten der drei Amps rein. Das Highgain-Monster „Hot“. Der Name hält, was er verspricht… Im letzten Beispiel kommt das Whammy noch zum Einsatz. In Ermangelung eines adäquaten MIDI-Footcontrollers habe ich das Whammy im Nachgang bedient und die Änderungen in die Automationsdaten geschrieben. Also auch das funktioniert einwandfrei. Die drei Schaltstellungen des Whammys kommen nacheinander dran.
Zum Schluss noch ein kurzes Klangbeispiel, um den Shimmer-Effekt des Hallpedals zu demonstrieren.
Sehr schöne Hörbeispiele. Freu mich enorm auf das Quad Cortex.
@Dimitri Danke :)
Ja, ich mich auch. Müssen wir uns drum kloppen :‘D
… die Grafiken werden jedenfalls immer besser 😉😉.
Ich habe mir das Video auf der Herstellerseite angesehen … gehört.
Also solche Präsentationen von Amp-/Effektsimulationem im Songkontext schrecken mich eher ab und machen mich nach all den Erfahrungen mit virtuellen Amps eher nachdenklich.
Da sind die Soundbeispiele hier um Welten besser und alle Male aussahefähiger …. meiner Meinung nach.
Gut gemacht!! … die Soundbeispiele
Danke :)
Man darf ja auch bei der Arbeit mal ein bisschen Spaß haben, die Soundfiles sind immer am schönsten