Praxis
Die Cinch-Buchse liefert einen ordentlichen Consumer-Linepegel von -10dBV. Vorsicht beim Durchsteppen der Presets und beim „Tweaken“. Der Pegel ist stark abhängig von der Parametrisierung der Sounds. Da die Ausgangsstufe als Verzerrer missbraucht wird und kein regelbarer Abschwächer folgt, kann es auf einmal heftig laut werden. Auch die Signale selbst haben das Zeug, einen nachhaltigen Schaden an Lautsprechern, Kopfhörern und – Ohren (!) – zu hinterlassen. Vor diesem Hintergrund ist der Pi L Squared auch kein idealer Reise- und Kindersynthesizer – hier droht zudem Gefahr durch Verschlucken und …Verstecken;).
Im Mixdown empfiehlt sich der Einsatz eines Hochpassfilters und eines beherzt zulangenden Kompressors, um das Signal zu zähmen. Überdies ist der Pi L Squared für Anwendungen im Studio ausreichend rauscharm. Auch das Übersprechen („Störungsdurchgriff“) der wackeligen MIDI-Stromversorgung auf das Ausgangssignal hält sich an meinem ESI M8UXL MIDI-Interface selbst bei heftiger Belastung der Schnittstelle (etwa durch MIDI-Timecode oder einen SysEx-Dump) in annehmbaren Grenzen. MIDI-Gezipper ist entweder gänzlich unhörbar oder bleibt weit unter dem, was das Gerät an Aliasing und weiteren, sehr willkommenen, Artefakten von sich gibt: „Bug“ und „Feature“ liegen dicht beieinander, und das soll auch so sein.
Hin und wieder – aber reproduzierbar – auftretende Knackselgeräsche bei bestimmten „Controller-Moves“ – so auch im ersten Klangbeispiel – fand ich dennoch störend. Ganz leichte, periodische Tickgeräuche gab mein Pi L Squared auch in längeren Pausen zwischen zwei Notenevents von sich. Lange Release-Phase reißen, wie im Klangbeispiel „Analog Pad“, am Ende ab. Zudem reagiert der Synthesizer relativ träge auf Programmwechselbefehle: In meinem Klangbeispiel „Happy“ hat es mit geschickter Positionierung der MIDI-Events gerade so hingehauen, die Presets bei laufendem Sequencer umzuschalten. Sendet man nach dem Aufruf eines Programmspeichers zu früh neue Noten, kommt entweder noch der vorherige Sound oder das Instrument verstummt ganz und lässt sich nur durch das erneute Senden eines Programmwechselbefehles wieder zum Leben erwecken. Wahrscheinlich kann schon ein kleines Firmware-Update zur Verbesserung dieser Ungereimtheiten beitragen.Langweilig wird’s garantiert nie mit dem Pi L Squared, wie auch die Klangbeispiele belegen.
Klangbeispiele
Das Preset Analog Pad mit Chorus aus dem Roland Dimension D.
Das Filter kann auch Resonanz! Preset Nummer 1 „Upright Bass“.
Lukas-Solo.
Phätt, phätter, Vettel (wiederum mit Dimiension D)!
Duophon und happy!
Guter Testbericht und auch sehr interessantes Konzept. Kommt nicht mehr alle Tage vor, dass jemand „aus fast nichts“ etwas baut. Bei dem Klang bin ich aber ein bisschen zweigeteilt. Teilweise klingt es ja schon irgendwie „rockig“ und manchmal auch „schön weit“ aber auch irgendwie eine Spur zu kaputt und als ob zu wenig Saft drin wäre. hhmmm…..
Du hast Recht, die Klangbeispiele haben teils einen etwas bröseligen Einschlag, und natürlich ist das auch ein wesentlicher Charakterzug des Pi L Squared.
Ich muss den Synthesizer dennoch ein wenig in Schutz nehmen. Natürlich sind auch beim Pi L Squared sämtlich Controller mit 127 Stufen aufgelöst. Da man hier jedoch ohne Umwege – insbesondere Controller-„Kennlinien“ – auf die Hardware zugreift, bedeutet das noch nicht, dass alle 127 Stufen auch musikalisch sinnvoll einzusetzen sind; manchmal ist es nur ein eng begrenzter Bereich (zutreffend z.B. bei der Filterresonanz und dem Bitshifter). Ich habe recht ungezwungen drauflos geschraubt, was auch großen Spaß macht – „soviel Artefakt war nie“, einen stabilen Klangcharakter aber eher verhindert.
Wer den Synthesizer musikalisch sinnvoll einsetzen will, sollte dosierter vorgehen und sinnvolle Wertebereiche sorgfältig ausloten. Die gibt’s durchaus, und dann klingt der Pi L Squared „kräftig“ und „lowbittig“ zugleich…
@falconi hhmmm…. so hab ich das noch gar nicht betrachtet. Vielleicht werd ich mir das Würfelchen mal, nach meinem Umzug, zulegen. Noch etwas was nicht’s mit ihm zu tun hat, aber hier auf den Bildern zu sehen ist: Lohnt sich der VP-9000 heute noch? Ist des Stretching und Pitching tatsächlich so gut, dass man nur eine Taste absampeln braucht? Ein bisschen „off topic“, ich weiss :-D
Hallo,
mit dem Pi L Squared zieht es sich bequemer um als mit einem Modularsystem, und er macht sich auch gut in einem „mobilen Setup“, sofern eine MIDI-Buchse vorhanden ist.
Zum „off-topic“ antworte ich Dir per Mail.
Hallo, ich denke, das was der Roland VP kann, machen heute viele Softsynths (Harmor, Alchemy, jeder Sampler mit Granular-Stretching, IK SampleTank und Ableton Live) wesentlich besser. Ich habe mir mal die „Variphrase Sampling CD“ von mbits zugelegt. Das klingt schon alles sehr nett, aber für realistische Klänge wird „nur eine Taste sampeln“ eben nie reichen. Der VP wurde ja auch zu einer Zeit entwickelt, als Speicher noch horrend teuer war, da klang das Konzept schon verlockend :) Aber eigentlich ist der VP schon eher was zum Drumloop in Richtung Lo-Fi verwursteln. So was ähnliches wie Live in Hardware ist ja glaube ich auch der Octatrack…
Der VP-9000 hat einen recht spezifischen, „glockigen“ Klangcharakter, den ich sehr schätze, und den man auch bei den alten Daft Punk-Produktionen oder beim „Funk Soul Brother“ gut heraushören kann. Auch ohne „VariPhrase“ klingt er immerhin so gut wie alle Hardware-Sampler von Roland (also sehr gut), er hat aber nur sechs Stimmen, keinerlei Hüllkurven, und ein Filter gibt es nur in der Effektsektion. Seit dem Verschwinden von Windows 95/98/ME gibt es zudem keine Möglichkeit mehr, das Gerät vom Rechner aus zu steuern.
Der VP9000 ist einer der Gründe, warum in meinem Rechner immer noch eine SCSI-Karte steckt, und im benutze ihn immer dann, wenn es die Zeit in einer Produktion zulässt, wobei ich jedes Mal einen Horror davor habe, weil die Vorbereitungszeit so lange ist. Hinterher bin ich oft froh, weil oft etwas Besonderes dabei herauskommt.
Ein Neueinstieg in den VP9000 halte ich für wenig sinnvoll…
Klasse Idee
Im Jahre 1985 aus nem C-64 wäre das Unglaublich. Aber jetzt echt…. wer kauft sowas denn
Klasse Test, Falk!
Vor allem sind die vielen Hintergund Infos interessant.
Hätte ich mir nicht gerade ein Pitch-Shifter Pedal und einen Video-Synthesizer gekauft wäre DAS die Anschaffung des Jahres geworden. Aber wenn da noch ein Bausatz kommt warte ich vielleicht doch lieber auf den.
Mit iPad /iPhone!!! LOL, MIDI DIN Interface (iRig, Mobilizer II etc.) und TouchOSC/ Lemur sicher ein super Set. Wäre auch eine super Ergänzung zu meinem ReMote SL Controller.
Ja, super, danke. und vielleicht einfach als Vorsatz für’s neue Jahr aufheben.
Liebe Grüße von Warschau nach … Tokio ???
@falconi Danke, auch liebe Grüße nach Polen. Leider bin ich noch in D. Hab noch jede Menge zu tun hier, im Frühling gehts wieder nach Hause, nach der Musikmesse ’14.
Die Ungereimtheiten mit „abreißenden Hüllkurven“ und gelegentlichen „Tickergeräuschen“ sind geklärt:
Es ist wichtig, dass der Pi L Squared, sofern man ihn denn mit MIDI-Clockdaten versorgt, um z.B. den LFO dazu zu synchronisieren, diese MIDI-Clock wirklich permanent empfangen kann. In Cubase ist das Haken in den „Projekt-Synchronisationseinstellungen“: „MIDI-Clock-Befehle im Stop-Modus setzen.“
Während meines Tests kamen die Clockdaten nicht aus dem Sequencer, sondern aus meinem „Masterkeyboard“, dem microKORG. Durch Umschalten der Quellen in Cubase und den Wechsel zwischen „Live“- und „Sequenzerbetrieb“ wurde der Strom der MIDI-Clockdaten unterbrochen; es kommt dann zu den im Test beschriebenen Problemen.
Markus Medau, der Entwickler, schrieb mir:
„Das Verhalten ist so: Wenn Du den PL2 ansteckst, hängt er erstmal im Bootloader. Schickst Du einen MIDI Clock, wird er zum Metronom („Tick – tick – tick“). In diesem Zustand kann man Firmwareupdates einspielen.
Mit dem ersten MIDI Event verlässt er den Bootloader und läuft los. Bricht der MIDI Clock ab, macht der PL2 einen Reset, da ja auch die Hüllkurve diesem folgt und sonst hängenbleiben würde. (Der tiefere Grund liegt bei den CE/FCC Tests; wenn der Chip keinen Clock mehr hat, wird der Watchdog nicht mehr resettet. Das kann ja auch die Folge von Hochspannungsstörung im Labor sein.)
Ich danke Dir für den Hinweis auf das Problem, Falk! Wir werden einen entsprechenden Bedienhinweis in die endgültige Version des Handbuches aufnehmen!“
Ich bin von den rauhen Tönen sehr angetan. Inzwischen gibt es einen Editor auf der Homepage des Herstellers (Win), der die (experimentelle) Erstellung von ‚Presets‘ erleichtert. Auch sind viele Soundbeispiele zu hören. Echt geil, der winzige Würfel!
Danke für den Tipp, schau‘ ich mir gerne an. Übrigens gibt’s ein Interview mit Markus Medau in der aktuellen KEYS.
Gern geschehen, ebenfalls danke für den Tipp.