The E-Mu Brain Strikes Back
Als einer der Pioniere der technischen Entwicklung des analogen und digitalen Synthesizergenres (auch sei hier auf das ausführliche Interview auf AMAZONA.de verwiesen) ist Dave Rossum bestens bekannt. Nun hat her seit 2015 wieder eine Firma unter eigenem Namen und entwickelt seitdem Eurorack-Module.
Der Name Rossum Electro-Music ist dabei eine Anspielung an seine erste Firma E-Mu, die heute Creative Labs gehört. Rossum „E“lectro“-Mu“sic.
Das erste dieser Module, der Rossum Electro-Music Evolution, ist nun erhältlich und ist, im Gegensatz zu den anderen im Portfolio, ein rein analoges Modul. Die anderen Module sind noch nicht in der Fertigungsphase, es gibt jedoch schon funktionierende Prototypen. Bei diesen handelt es sich, in guter E-MU Modular-Tradition, um analog-digitale Hybriden, hauptsächlich zur Erzeugung von Kontrollsignalen, aber auch einen CV-steuerbaren Sampler.
Zurück zu unserem Testobjekt, den Rossum Electro-Music Evolution. Das 1973er E-mu Systems 1100 Filtermodul stand also Pate für den Evolution Filter. Der Evolution ist ein „Variable Character Ladder Filter“. Und in dieser Bezeichnung steckt schon beinahe die komplette Funktionsweise des Evolution. Jeder einzelne Parameter ist in der PDF-Anleitung sehr gut beschrieben, an deren Ende die interessante Entwicklungsgeschichte des Evolution zu lesen ist, allerdings nur auf Englisch.
Das 16TE-Modul basiert auf dem altehrwürdigen Moog-Transistor-Ladder-Filter – nun könnte man zunächst zurecht behaupten „Gähhhn“ – jedoch würde Dave Rossum wohl niemals ein solches Modul herausbringen, wenn es sich um den bekannten Standard handelt – oder? Ja, dem ist so. denn im Name steht ja schon das „Variable“ und tatsächlich kann man den Filter stufenlos zwischen 3, 4, 5 und 6-Pol-Modus umschalten, oder besser überblenden – das gab es so noch nicht als Eurorack-Modul.
Damit erreicht man eine Flankensteilheit von 18dB/Oktave bis 36db/Oktave (für einen Filterpol kommen jeweils 6dB/Oktave hinzu). Das alte Design wurde neuen Fertigungstechniken (SMD) angepasst und um eine neue (DC-gekoppelte) Ausgangs-Sektion ergänzt. Außerdem erreichte Dave Rossum durch ein Redesign eine Durchstimmbarkeit über 10 Oktaven.
Äußerliche Schlichtheit, voller Funktionsumfang
Der Rossum Electro-Music Evolution ist in mit seinem dezenten grau und der schwarzen Schrift optisch sehr zurückhaltend. Die zehn Knöpfe haben eine feine Riffelung, sind alle auf der Frontplatte verschraubt und laufen allesamt gleichmäßig mit einer guten Öligkeit die einen hervorragenden Widerstand bietet. Bei den Potis, die eine Mittelstellung einnehmen können, fehlt leider ein Einrastpunkt.
Von den zehn Buchsen, dienen 8 der CV-Steuerung. Für jeden der vier Parameter gibt es zwei CV-Eingänge. Alle Eingänge, die mit CV2 bezeichnet sind, können über einen Attenuverter ( -/ 0/ +) geregelt werden. Die CV1-Eingänge nehmen die CV-Spannung, wie sie kommt. Eine Besonderheit stellt dabei der „wichtigste“ Parameter dar – Filter-Cutoff, oder Frequency, wie es beim Evolution heißt. Er verfügt über insgesamt drei Eingänge, wobei der dritte Eingang zusätzlich mit einem Attenuator ausgestattet ist. Und auch der erste CV-Eingang hat „spezielle“ Fähigkeiten. Denn es handelt sich nicht um einen einfachen CV-Eingang, sondern um einen 1V/Oktaven Eingang.
Der singende Filter
Der Rossum Electro-Music Evolution Filter wurde so konzipiert, das die Frequenz genauso kalibriert gesteuert werden kann wie ein richtiger Oszillator. Soll heißen: Gerät der Filter in die Eigenresonanz, kann man ihn genau wie einen Oszillator spielen – wobei die Wellenform natürlich ein Sinus ist. Der variable Ladder-Filter lässt sich nicht über Kippschalter in die verschiedenen Modi (beim Evolution heißen die „Genus“) versetzen, sondern kontinuierlich über einen Drehregler. Die LEDs zeigen dabei den jeweiligen Genus an. Und ja – es gibt auch Zwischenstadien zwischen den Polen. Wie kann aber ein Filter aber z.B. dreieinhalb Pole haben. Nun eigentlich gar nicht. Was jedoch passiert ist, dass bei den Mittelstellungen noch nicht der ganze Strom über die vier Pole läuft, sondern sich dieser auch noch auf die 3 Pole verteilt. Erst wenn der gesamte Strom über die vier Pole läuft, ist der Charakter voll ausgeprägt.
Bei dieses Zwischenstadien, teilt sich auch die Rückkopplung, auf die beiden Strukturen auf und verliert dadurch an Stärke. Genau das ist auch der akustische Effekt; die Resonanz nimmt hörbar ab, während die Pole langsam überblenden. Eine weitere Besonderheit dieses Filterübergangs ist die Relation der Resonanzfrequenz zur Cutoff-Frequenz. Im 3-Pol-Modus liegt die Resonanzfrequenz 10 Halbtöne über der Cutoff-Frequenz. Bei vier Filter-Polen ist sie identisch, bei fünf Filter-Polen liegt sie 6 Halbtöne und bei sechs liegt sie 10,5 Halbtöne darunter. Moduliert man also die Pole mit einem LFO, so ergeben sich arpeggioartige Klänge.
His Q-ness
Die Resonanz besitzt als einziger Parameter zwei Einstellungen. „Q“ und „Q Level Kompensation“. Diese Kompensation ist auch der einzige Parameter, der nicht über einen CV-Eingang gesteuert werden kann. Der bekannte Effekt, dass der gefilterte Klang leiser wird, je höher die Resonanz ist, kann eben hier kompensiert werden, in dem man dem Eingangssignal einfach mehr Drive gibt. Benutzt man den Filter in der üblichen Weise, wird man die Kompensation immer voll aufgedreht lassen. Für extremes Filter-Zwitschern wird man ihn dann zurücknehmen.
Allerdings braucht man für die Zwitscherei gar keine Quelle am Filtereingang – da er ja, wie gesagt, von alleine rückkoppelt. Dreht man Q auf ca. halb zwei Uhr, bleibt die Rückkopplung stehen und man kann den Evolution über den 1V/Oktaven-Eingang tonal spielen.
Zur Evolution gehört mindestens eine Spezies
Der letzte Parameter des Evolution wird mit „Species“ betitelt. Dieser dient in erster Linie der Sättigung des Signals, hat aber einige Eigenheiten. Wie in der Anleitung beschrieben, werden Signalanteile bei einem Ladder-Filter am und oberhalb des Cutoffs verzerrt, was eben zum charakteristischen Klang führt. Species erlaubt nun auch das deutliche Anzerren unterhalb des Cutoffs. Dreht man den Species-Regler bis auf 12 Uhr, dickt das Signal etwas an. Danach nimmt aber die Amplitude der Resonanz hörbar ab, und natürlich auch die der Selbstoszillation, weswegen man denn Species-Parameter auch zur Amplitudensteuerung im Oszillatormodus nutzen kann. Allerdings geht das Signal dabei in einen satten Overdrive, der jedoch sehr angenehm klingt.
Dieser Filter bietet in einem Modul mehrere Filtercharakteristika. Zum einen die verschiedenen Flankensteilheiten von 3 bis 6 Pole und dann noch mit oder ohne Resonanzkompensation. Also 4 Flankensteilheiten mal 2 Resonanzverhalten. Und dann so gar dieses per Steuerspannungen und in Zwischenstufen. Auch die Idee mit der veränderlichen Filtersättigung ohne all zu großen Lautstärkeveränderung ist was feines.
Dieses Modul ist definitiv was für jemand, der so wie ein Whiskytrinker verschiedene Whiskies verköstigen und genießen kann ohne davon automatisch besoffen zu werden. Nur eben mit einem Tiefpassfilter. Eine Sonderabfüllung des Moog Ladder Filters.