How to become an Emu
DAVE ROSSUM – BITTE WER?
Es ist nicht einfach, eine Einleitung für dieses Interview zu schreiben, die Dave Rossum auch nur annähernd gerecht wird. Ohne Übertreibung darf und muss er mit Synthesizer-Pionieren wie Bob Moog oder Dave Smith in einem Atemzug genannt werden.
Mit seinen Erfindungen läutete er nicht nur eine Revolution auf dem Sampler-Markt ein, sondern machte den Bau von Klassikern wie den SCI Prophet-5 überhaupt erst möglich.
Als Gründer und Chef-Ingenieur von E-MU erlebte er sensationelle Höhen, aber auch niederschmetternde Tiefen. Längst hat er E-MU mit einem lachendem und einem weinenden Auge hinter sich gelassen – und so war es gar nicht einfach, den Mann „ohne Namen“ überhaupt ausfindig zu machen.
Umso mehr freute ich mich schließlich, nach einer eineinhalbjährigen Recherche, einen Mann kennenzulernen, der mit mir nicht nur die Leidenschaft für Synthesizer teilt, sondern auch den unbändigen Antrieb die höchsten Gipfel zu erklimmen.
Begleiten Sie uns von nun ab vier Wochen lang auf eine Zeitreise durch Daves Leben. Sie werden einen äußerst sympathischen Menschen kennenlernen, ohne den unser musikalisches Umfeld heute anders aussehen würde und der schon längst für seine umfassendes Werk gewürdigt werden sollte. Auch wenn dieses Interview für diese Aufgabe nur der Tropfen auf einem heißen Stein ist, so sind wir stolz darauf, Daves Geschichte zumindest den AMAZONA.de-Lesern weitergeben zu dürfen.
Hier schon mal alle Links zum vierteiligen Interview:
- Dave Rossum Interview Teil 1
- Dave Rossum Interview Teil 2
- Dave Rossum Interview Teil 3
- Dave Rossum Interview Teil 4
Wir wünschen Ihnen nun viel Spaß bei der Lektüre,
Ihr
Peter Grandl / Juni 2015
Anm. der Redaktion:
Das folgende Interview führte Peter Grandl. Die Übersetzung übernahm Martin Andersson, der ihn beim Interview auch redaktionell unterstützte.
Teil 1: Von der Biologie zum Modularsystem
Peter:
Hi Dave. Fangen wir doch mal ganz von vorne an.
Scott Wedge und Du habt 1970 mit dem Bau eines modularen Synthesizers begonnen. Wie kam es dazu?
Dave:
1969 studierte ich Biologie an der Caltech Universität in LA, als einige meiner Freunde nur zum Spaß eine Band gründen wollten. Einer von ihnen, Robert Land, wollte in dieser Band unbedingt einen Synthesizer spielen. Doch davor mussten wir erst einen bauen. Unser Freund Steve Gabriel, der Elektrotechnik studierte, übernahm dann die Leitung des Projekts.
Im Herbst 1970 wechselte ich an die Universität von Santa Cruz, um dort meinen Abschluss zu machen. Mein Studienberater an der UCSC lud mich ein, in der Musikfakultät mitzuwirken. Als ich das erste Mal vorbeischaute, packten die Studenten gerade den neuen Moog Model 12 aus. Da hat es Klick gemacht – noch am selben Abend war ich derjenige, der ihnen alles über Synthesizer beigebracht hat. Den Moog musste ich unbedingt meinen Freunden vom Caltech zeigen!
Einen Monat später war ich nochmals an meiner alten Uni zu Besuch. Wir fingen tatsächlich an, unseren ersten Synthesizer zu bauen – das war die Geburtsstunde von E-MU Systems.
Wir arbeiteten trotz der Entfernung weiter zusammen, und ich versuchte im Frühling ’71, so oft es mein Stundenplan erlaubte, zurück nach LA zu fahren. Im Sommer schafften wir es, unseren ersten richtigen Synthesizer zu bauen. Es war der E-MU 25, eine sich selbst erklärende Einheit, ähnlich im Anwendungsbereich und Konzept zu einem ARP 2600.
Im August 1971 besuchte uns mein alter Highschool Freund Scott Wedge in Santa Cruz. Auch er hatte bereits damals ein großes Interesse an Synthesizern. Und beide hatten wir den Wunsch, ein modulares System zu bauen.
Peter:
Ihr wart damals noch Studenten. Hattet ihr den konkreten Plan, euren Lebensunterhalt mit Synthesizern zu verdienen oder war das nur eine Art Hobby?
Dave:
Als wir damals am Caltech anfingen, den Synthesizer zu planen, war es nur aus Spaß an der Arbeit. Unser Ehrgeiz wurde größer, als wir Anfang 1971 von einem kleinen Wettbewerb hörten. Ein Schulbezirk in San Diego plante, Synthesizer in ihr Musikprogramm aufzunehmen und suchte nach Herstellern. Wir bauten einen Prototypen und hofften auf den Zuschlag – im Fall eines Erfolges, beschlossen wir, bereits im Voraus unsere eigene Firma zu gründen. Den fertigen Prototypen nannten wir „Black Mariah“. Wir erzielten leider nicht den gewünschten Erfolg und schmissen unsere Black Mariah letztendlich aus dem Fenster.
Die kleine, aber feine Hinterlassenschaft meiner Großmutter von 3.000 $ im selben Jahr war dann entscheidend, um unser Projekt im Sommer ’71 doch zu finanzieren – den E-MU 25.
Zu dem Zeitpunkt waren wir zu sechst. Meine Freundin Paula Butler, zwei Studienkollegen aus Santa Cruz (Marc Danziger und Mark Nilsen), Jim und Steve von Caltech und ich. Unser Ziel für den Sommer war es, einen Prototypen E-MU 25 zu bauen, den man sogar verkaufen könnte. Wir zogen sogar in Betracht, E-MU als richtiges Unternehmen aufzuziehen.
Zum Ende des Sommers schafften wir es, unseren ersten E-MU 25 fertigzustellen. Danach mussten die beiden Caltech Jungs leider aus dem Projekt aussteigen, um ihren akademischen Verpflichtungen nachgehen zu können. Auch Mark und Marc verließen uns, um ihre beruflichen Karrieren weiterzuverfolgen. Die Caltech Jungs behielten den ersten Prototypen des E-MU 25.
Scott, mein Freund aus Highschool-Zeiten, trat dem Team zu diesem Zeitpunkt bei. Also blieben Scott, Paula und ich übrig, um E-MU Systems als Geschäftsidee weiterzuführen.
Scott führte sein Studium an der Berkeley University fort, Paula und ich fingen an zu arbeiten. Bei dem kleinen Startup Unternehmen Santa Clara Systems (SCS), die Microchips testeten, arbeitete ich für ein recht überschaubares Gehalt. Dort bot mir SCS aber die Möglichkeit, nach Arbeitsschluss ihre gesamte Laborausstattung und das Equipment nutzen, um an der Synthesizer Idee weiterzuarbeiten.
Nachdem wir den E-MU 25 noch einmal äußerlich veränderten, verkauften wir das zweite Exemplar. Daraufhin begannen wir mit der Entwicklung unseres E-MU Modular Systems, das für Herbst 1972 angesetzt wurde. Am 27. November 1972 wurde E-MU eine offizielle Firma. Wir wussten noch nicht, ob wir von den Einnahmen leben könnten. Ich arbeitete weiter bei SCS, Scott schmiss sein Studium und zog wieder bei seiner Mutter ein, um die Lebenshaltungskosten gleich null zu setzen, und Paula hatte einen sehr guten Job, mit dem sie uns alle durchfüttern konnte. Wir hatten hohe Erwartungen an unser E-MU System.
Peter:
1972 gründetet ihr dann E-MU. Erzähl uns doch kurz, was zu der Namensfindung.
Dave:
Der Name „Eµ Systems” entstand bereits am 29.12.1970 an der Caltech Unitversität. Der griechische Buchstabe µ ist das Symbol für „micro“ und wird ja als „mju“ ausgesprochen. So wird µ auch mit den ersten Silben von Electronic Music assoziiert, bedeutet aber auch „Verkleinerung“.
Obwohl wir vor 1972 noch keine offizielle Firma waren, nutzten wir den Namen bereits beim Einkauf von Bauteilen. An unserem Haus hatten wir ein Schild befestigt mit der Aufschrift
„Eµ Systems – Starships and Synthesizers since 1984.“
Während der gesamten 70er Jahre schrieben wir unseren Firmennamen mit dem griechischen Buchstaben. Aber im Jahr 1979, als wir als Aktiengesellschaft eingetragen wurden, teilte man uns mit, dass die Namen von AGs dem kalifornischen Gesetz entsprechend nur römische Buchstaben beinhalten dürften. So kam die neue Schreibweise „E-MU Systems“. Zu dieser Zeit machten wir auch den australischen Emu zu unserem Maskottchen.
Peter:
Wenn ich mich richtig erinnere, war euer erstes Produkt eine polyphone Tastatur.
Wie kamt ihr von der Entwicklung eines modularen Synthesizers zur Entwicklung einer polyphonen Tastatur?
Dave:
Das Moog Synthesizer Keyboard spielte nur den tiefsten Ton der gedrückten Taste. Das ARP Keyboard spielte da den höchsten und den tiefsten Ton. Uns war bereits bei der Entwicklung des E-MU Modular Synthesizers klar, dass Musiker einen polyphonen Synthesizer wollten. So einer wurde aber zu dieser Zeit von niemanden entwickelt. Also haben wir versucht, eine Lösung für dieses Problem zu finden.
1973 baute ich den ersten Prototypen eines digital polyphonen Keyboards in TTL-Schaltungstechnik. Dieses brauchte zwar einen TTL-typischen, hohen Strombedarf, dafür konnte man auf unseren wachsenden Modular-Synthesizer nun vier Noten auf einmal spielen. Für das E-Mu 4050 Modular-Keyboard habe ich später eine Variante in CMOS-Schaltungstechnik entwickelt. Diesen führten wir potentiellen Käufern vor und verkauften den ersten 1975 an Leon Russell. Den E-MU 4050 konnte man nun entweder als polyphones Keyboard mit bis zu 10 Stimmen nutzen oder auch als monophones Keyboard.
Sobald 8 Bit Mikroprozessoren verfügbar waren, realisierten wir schnell, dass diese perfekt für ein polyphones Keyboard geeignet sind. Das fertige 4060 Mikroprozessor Keyboard stellten wir 1977 vor. Es unterstützte bis zu 16 Stimmen und beinhaltete einen polyphonen Sequencer. Scott Wedge übernahm hierfür die Programmierung und ich entwarf die Hardware. Sowohl der 4050 und der 4060 waren speziell für den Gebrauch mit dem E-MU Modular System ausgelegt.
Peter:
Diese Tastatur wurde in Lizenz dann von verschiedenen Herstellern verbaut – u.a. von Oberheim im „Four Voice“ und in Sequentials berühmtem „Prophet-5“. Was war so einzigartig an dieser neuen Tastatur?
Dave:
Tom Oberheim traf ich das erste Mal 1974 auf der Los Angeles AES Show. Wir wurden schnell gute Freunde. Bei einem gemeinsamen Mittagessen erzählte er mir von seinen Problemen mit einem neuen Synthesizer. Ich hatte sofort eine Idee und kritzelte ein Schaltbild auf eine Serviette. Tom fragte mich ganz verdutzt: „Hast du das gerade erfunden?“. Die Antwort darauf war ja. Er wollte wissen, ob ich mir vorstellen könnte, das als Patent einzutragen. Ich stimmte zu. Also füllten wir die Papiere für das Patent aus, das auch den SSM2040 beinhaltete. Ich wurde als Erfinder eingetragen und Oberheim Electronics galt als der Patentinhaber. Trotzdem gehörten mir die Rechte.
Als Tom das erste Mal den Prototypen für das Polyphonic Keyboard sah, unterschrieben wir das nächste Patent.
Unsere polyphonen Keyboards waren damals einzigartig, da sie den Stimmenabruf nicht nach der tiefsten und höchsten Stimme festlegten, sondern nach der Reihenfolge der gespielten Noten (last note priority). Damit waren wir absolut die einzigen auf dem Markt, deren Lösung für polyphone Keyboards auch wirklich funktionierte. Darüber hinaus hatten wir auch eine Logik entwickelt, wenn ein und dieselbe Note mehrmals hintereinander gespielt wurde. In diesem Fall wurde immer dieselbe Stimme des Synthesizer angetriggert, um zu verhindern, dass eine hörbare Schleife entstand, da ja jede Stimme bei einem analogen Synthesizers leicht anders klang.
Tom Oberheim nutzte das selbe Prinzip des Schaltkreises des 4050 Designs für den Oberheim Four-Voice. Später lizensierten wir dann die Technologie des E-MU 4060er an Sequential Circuits für den Prophet-5.
Peter:
E-MU ist dann sicher rasant gewachsen. Wo habt ihr zu Beginn produziert?
Dave:
Anfangs war E-MU Systems immer da, wo ich auch gerade war. In meinem Studentenwohnheim an der UCSC, dann in dem Haus, das wir uns im Sommer ’71 anmieteten oder in ungenutzten Schlafzimmern anderer Häuser. Unsere erste offizielle Adresse für E-MU Systems war eine Wohnung in einem Wohnkomplex für Diplomaten. Wir schrieben bewusst die Adresse als „#59“ bzw. „Suite 59“, um den Anschein zu erwecken, als ob wir in einem Geschäftsgebäude unseren Sitz hätten. Das war dann auch der Ort, an dem Leon Russum mit seinem Programmierer auftauchte, um sich den E-MU Modular genauer anzuschauen. Die Module bauten wir auf einem großen Werktisch in einem der Schlafzimmer.
1976 teilte uns die Stadtverwaltung von Santa Clara mit, dass unsere Firma zu groß sei, um noch von einer Wohnungsadresse aus zu operieren. Also blieb uns nichts anderes übrig, als in ein Geschäftsgebäude zu ziehen. Dort blieben wir dann nur für drei Jahre, denn genau zu diesem Zeitpunkt fing das Silicon Valley an zu boomen. Als wir unseren Mietvertrag 1979 erneuern wollten, hatte sich die Miete bereits verdoppelt.
E-MU zog ins Gewerbegebiet von Santa Cruz, wo wir auch blieben, bis die Produktion des Emulators lief. Auch dort produzierten wir unsere Produkte in einem eigentlichen Schlafzimmer.
Wunderbar :) Auch die nächsten drei Wochenenden versprechen gut zu werden!
Danke,Danke,Danke! Leute, ich koennte den ganzen Tag solche Berichte lesen. Ihr macht das toll! Ich liebe amazona.de. Puh, sorry, das musste mal raus….
Das war längst überfällig!! super freue mich schon auf den Rest
Wow. Danke für diese kleine Reihe! Instrumente von E-mu nutze ich noch heute. Ich wüsste nicht, was ich ohne meinen aufgemotzten E-Synth machen sollte, auch wenn ihn die Beschränkung auf 128 MB Arbeitsspeicher längst nicht mehr universell einsetzbar sein lässt …
Hallo Peter und Martin,
erstklassiges Interview mit einem coolen Typen!!!
Super Interview,
irgendwie stelle ich mir das immer sehr romantisch vor, bei der damaligen Synth Avantgarde mitgemischt haben zu dürfen.
Bei der modernen Entwicklungs- und Produktionsweise (nicht nur im Instrumentenbuisness) fehlt irgendwie die Seele und der Charme…
Es gibt auch heute noch „romantische“ Kleinhersteller. Doepfer z.B. besteht nur aus 4 Personen soweit ich weiß. Anyware Instruments ist nur einer. Koma Elektronik sind meines Wissens nur zwei Leute. Usw.
Hallo Leute.
Habe dieses Wochenende einem Freund die Geschichte der Synthesizer erzählt aber Dave Rossum kam da gar nicht vor ……hmmm?
-Massive Bildungslücke-
Lässiger Kerl der Herr! :D
Danke an Amazona-die gesamte Redaktion-
Grüsse
Ritchi Spike.
Sehr schönes Interview. Freue mich schon auf die Fortsetzung.