Geniales Reverb für den Live- und Studioeinsatz
Left Brain Artists. Innovators. Thinkers. So beschreibt sich die amerikanische Effektschmiede selbst. Noch vor kurzer Zeit eher unbekannt hat sich Strymon mittlerweile zum Geheimtipp, der nicht mehr wirklich geheim ist, innovativer und hochqualitativer Produkte entwickelt. Hier bei Amazona wurden auch schon zwei Pedale, das Strymon Flint und das Strymon Mobius unter die Lupe genommen, beide schnitten dabei hervorragend ab. Und den Test zum Reverb BLUE SKY findet ihr übrigens HIER.
In dem heutigen Test bespreche wir den Strymon Big Sky. Was das Time Line für das Delay, das Mobius für Modulation, ist das Big Sky für den Hall oder im Englischen den Reverb. Die letzten fünfzig Jahre des Halls wurden hier in diesem Effekt-Gerät vereint und das Ergebnis sind 12 Hall-Maschinen, die das Spektrum der Reflexionen in einem großen und interessanten Maße wiederzugeben scheinen. Da stellt sich nur die Frage: Wer braucht so viel Hall-Variation? Jedenfalls ist das Gerät nicht nur für Gitarristen interessant, sondern viel mehr auch für andere Musiker oder im Studio einzusetzen.
Lieferumfang und Konstruktion
Wie alle Strymon Effektkisten ist auch das Big Sky aus solidem Alublech gekantet und verschraubt. Es gibt keine scharfen Ecken, auch der Rest der der Verarbeitung ist nahezu perfekt. Solange die Bühne nicht überschwemmt wird, ist das Innenleben des Pedals mehr als ausreichend geschützt. Es gibt drei stabile Metall-Fußschalter, um Presets sofort abzurufen oder die Bank umzuschalten, wenn man zwei gleichzeitig tritt. Bei inaktiver Schaltung schaltet das Gerät auf True Bypass oder wahlweise auch Analog Buffered Bypass. Eine LED-Anzeige informiert über die Presets Reverb (Hall) und Decay (Auskling-) Zeit plus weiter einstellbare Parameter.
Die Schalter-LEDs haben eine Multicolor-Funktion, sie leuchten grün bei normalem aktiven Zustand oder bernsteingelb im Edit-Modus, was das Einstellen bzw. Bearbeiten der Presets durchaus erleichtert. Das Gehäuse ist mit 171 x 130 mm recht groß aber, wenn man den Inhalt und die damit zusammenhängende Leistung des Bodentreters in Betracht zieht, auch wieder gut dimensioniert.
Dem Preis nach wird man schnell vorsichtig oder neigt nicht zu spontan Einkäufen, was Strymon Produkte betrifft. Auch bei dem Strymon Big Sky muss man relativ tief in die Tasche greifen, warum wird einem aber schnell klar. Hier handelt es sich definitiv um ein High-End-Produkt, designt und hergestellt in USA. Nachdem man sich einen Überblick verschafft hat, sieht man, wie viel Augenmerk im Detail liegt. Also eher was für Profis oder Sound-Fetischisten.
Mit den neun Alu-Drehreglern kann man direkt die wichtigsten Elemente des Strymon Big Sky ansteuern. Hier findet man die typischen und zusätzlichen Einstellungsmöglichkeiten wie Decay, Pre-Delay, Tone, Mod, Param 1 und Param 2. Zusätzlich gibt es das Value- und das Type-Poti. Beide sind mit einer Push-hold-Funktion ausgestattet und für globale oder interne Einstellungen zuständig. „Type“ wählt vor allem die einzelnen Hall-Maschinen.
Die Parameter-Regler kann man, abhängig vom gewählten Hall, intern zuweisen. Hier findet man zum Beispiel: EQ-Settings, Größen der „Räume“, Diffusion, Dwell (Verzerrungsgrade), Anzahl von Hall-Spiralen, Rise (ansteigende Reflektion), Feedback, Vowel (Stimmensimulation), Shift (fügt Intervalle zum Harmonisieren hinzu), Shape (kreiert diverse Reverse-Effekte oder legt die Form eines Raumes fest) und noch ein paar mehr. Was soll man sagen, das Strymon Big Sky ist, wie schon fast zu vermuten war, kein einfacher, mit wenig Umfang strukturierter Effekt. Dafür bekommt man mehr als genug geboten. Ob das praxistauglich ist und für wen das Gerät tatsächlich infrage kommt, sehen wir im Praxisteil.
Dreihundert Presets kann man speichern und benennen, es gibt einen „Analog Dry Path“, dieser schickt das Originalsignal ohne Latenz wieder raus und bearbeitet es in keiner Form digital. Interessant ist auch die Funktion „Infinite Sustain“, mit der man den Effekt durch Halten des Schalters verlängern kann – ähnlich wie die Freeze-Funktion. Der Spillover-Effekt und Reverb-Resist-Mode lässt den Effekt überblenden, wenn man umschaltet. Was sei noch zu erwähnen? Es gibt stereo Ein- und Ausgänge, das Teil ist voll MIDI-fähig und man kann einen externen Controller anschließen, zum Beispiel einen Tap-Input oder eine Wippe zum Faden. Im Lieferumfang befindet sich ein 9-Volt-Netzteil, es ist kein Batteriebetrieb möglich.
Eine weitere interessante Option ist der Cap-Filter Schalter, hiermit kann man eine Box simulieren, falls man mal direkt ins Pult, über Kopfhörer oder direkt über eine PA spielen möchte.
Strymon Big Sky : Zwölf Hall Maschinen
- Hall: Wie der Name schon sagt, eine Nachbildung von Konzertsälen und Arenen.
- Plate: Ein Plattenhall, sehr oft benutzt. Der Rest erklärt sich von alleine oder über das Soundbeispiel.
- Spring: Die 60er und der altbekannte Federhall lassen grüßen!
- Swell: Blendet die Reflexion ein, entweder zum trockenen Signal dazu oder von trocken zu komplett verhallt.
- Bloom: Eine Art 90er Hall mit mehr Diffusion.
- Cloud: Widerspiegelt eine gegen Ende der 70er entwickelte Art von Hall. Eher etwas verträumt und groß.
- Chorale: Simuliert Chor-Stimmen in diversen Vokalen.
- Shimmer: Zwei im Tonalen zu bearbeitende Stimmen werden dem Signal hinzugefügt.
- Magneto: 50er Hall fügt ein mehrstimmiges Echo hinzu.
- Nonlinear: verschiedene Wellenformen im Hall, wie zum Beispiel „Backwards“ Effekte oder stufenartiges Aufbauen der Reflexion.
- Reflection: Diese Art erlaubt, den Hall an verschieden Plätzen im Raum entstehen zu lassen.
- Room: Wie der Name schon verrät, stellt dieser Reverb Studio-Räume, Liveclub-Akustik etc. dar.
Hall-Effekte in der Praxis
Was die Bedienung betrifft, verhält sich das Strymon Big Sky ähnlich wie das Mobius, welches wir hier bei Amazona vor einer Weile schon im Test hatten. Aber nicht nur deshalb ist der Einstieg vom Handling relativ einfach. Zumindest für die ersten Schritte ist es selbst erklärend und man kann sich vorerst die Bedienungsanleitung sparen. Entweder schaltet man sich durch die wirklich gut klingenden Firmen Presets oder man sucht sich einen Hall aus, mit dem man etwas herum experimentiert. Hier gibt es, wie bei anderen Hall Effekten, die üblichen Einstellmöglichkeiten, sprich: Decay, Pre-Delay, Mix und Tone. Viel mehr benötigt man erst mal nicht, um zu erkennen, in welcher Liga das Strymon Big Sky spielt. Ich denke, hierbei sprechen die Soundbeispiele (die von mir aufgenommenen und die in reichlicher Anzahl auf der Strymon Website vorhandenen) für sich selbst.
Der TYPE- und der VALUE-Regler haben eine Push- und Hold-Funktion, mit der man Sounds speichern und benennen kann oder den Parameter-Reglern (PARAM1, PARAM2) diverse Funktionen zuweisen kann. Spätestens hier fängt es auch an, komplizierter zu werden und man sollte die Bedienungsanleitung zurate nehmen, die sehr umfangreich ist, aber leider nur auf Englisch existiert.
Die Haptik ist super, alles fast sich hochwertig an, das Pedal ist gut verarbeitet, keine ungewollten Ecken/Kanten und die Regler laufen sauber. Das Rauschverhalten ist sehr gering und True- bzw. Buffered-Bypass färbt nicht bis kaum wahrnehmbar das Originalsignal. Die Liste der zu speichernden Presets ist nahezu unerreichbar, sind sie erst mal editiert, kann man alles mit dem Fuß steuern. Ob Bank umschalten oder einzelne Presets anwählen, alles ist gut gelöst. Neben den sehr hoch aufgelösten und edel klingenden Hall-Maschinen, gibt es noch zwei schöne Optionen, die in der Praxis sinnvoll einzusetzen sind. Wie anfänglich schon mal erwähnt, das Infinite Sustain und das Freeze. Beide sind ähnlich im Ansatz und werden durch Halten des Preset-Buttons erzeugt. Bei „Infinite Sustain“ wird jeder Ton, der dazu kommt, mit in die Endlos-Reflexion aufgenommen, bei „Freeze“ nur die anfänglich eingespielten Signale. So kann man sich zum Beispiel eine immer weiter aufbauende Atmosphäre schaffen, eine Akkord- oder eine andere Sound-Variation als Teppich legen und darüber solieren.
Unglaublich schöne und saubere Hallsounds. Leider ist für meine Geschmack der Type-Regler zu nahe am linken Fußschalter verbaut; ich bin schon öfters im Eifer des Gefechts angeeckt….
Mehr als ein geschöntes ‚gut‘ kann ich leider nicht geben. Der Effektklang ist durchaus typisch für die Behallung von eGitarren, aber ich finde genau diese typischen Effektresultate äußerst grauenvoll: sie hören sich verdammt nach einem ‚guten alten‘ Öltank an. Muss das sein?
@MidiDino Hast Du das Teil selber einmal angespielt? Die Beispiele geben das Potential m.E. nicht gänzlich wieder. Gerade bei sehr langen, lauten, intensiven Reverbs (wie z.B. auf den Ambient-Produktionen von Hammock zu hören) lässt das Teil die Konkurrenz hinter sich. Bei mir stellt sich bei Halleffekten schnell eine gewisse Übersättigung oder Genervtheit ein wenn irgendwelche unangehmen Resonanzen, geräuschafte oder flatternde Anteile mitschwingen, aber nicht so beim Big Sky. Ich habe wirklich abends begeistert vor der Box gesessen und einfach nur gelauscht, wie der Hall ausklingt. Sahnig und klar; kommt auch mit Synthiesounds sehr gut.
Es klirrt und scheppert wenig, da gebe ich Dir Recht. Und vielleicht reicht das Gerät zum Anfixen aus … Als Haupthall würde ich es jedoch nicht einsetzen …
Hallo und Danke für die Kommentare, @ MidiDino: Da Du, wie es scheint, einen sehr hohen Anspruch an einen Hall hast, wäre es für mich und und auch für die Leser bestimmt interessant welche Alternative du dem Big Sky vorziehen würdest?! Danke!
@Michael Fendt In Bezug auf einen Bühneneinsatz und mit Rücksicht aufs Finanzielle ist eine Antwort leider schwer. Deshalb fiel meine Kritik derart breitflächig aus. Ich wüsste, relational betrachtet, kaum eine Antwort zu geben.
Es ging halt darum, dem Öltank zu entkommen, schon um besser atmen zu können. Z.B. Eventide und Lexicon wären Alternativen, doch sind die Top-Geräte von Normalsterblichen nicht zu bezahlen.
In meinem Projektstudio habe ich immer noch einige Altgeräte zum Anfixen (Korg DRV 3000 / Boss SX-700). Als Haupthall nutze ich hingegen – innerhalb der DAW – IRs vom Lexicon 960L.
Aber ich möchte gar kein bestimmtes PlugIn oder Gerät empfehlen. Mir ging es um den Klang: Ich möchte dem Öltankklang keine natürliche Räumlichkeit unterstellen, dennoch hört sich der Klang sonderbar geschlossen an, und wenn er gnadenlos verlängert wird, entsteht geradezu eine Pipline ;-) — Dem gegenüber habe ich beim 960L das Gefühl, einen offenen Raumklang zu bekommen.
Ob das jetzt verständlich geworden ist, weiß ich allerdings nicht.
@MidiDino Genauso ein Esoterik bla bla war zu erwarten…
Dass Fotos von der Seite und vom Bodenblech, aber nicht von der Anschlußseite gezeigt werden, ist wohl nicht ganz zu Ende gedacht… ;-)
@XCenter Gedacht schon, nur nicht ausgeführt ;)… ‚wurde ergänzt!
@Michael Fendt Perfekter Service. Danke!
Ich muss hier auch mal einen Kommentar abgeben und zwar in Bezug auf die Eignung des BigSky für Sounds fernab der Gitarrenwelt! Das Ding ist eine Bombe!!! Ich habe ihn bisher schon mehrfach mit meinen Synths im Studio benutzt und einmal – einmal hab ich es übertrieben und den “Chorale” Modus meinen Analog Four reverberieren lassen.
Hört selbst: YouTube Link
Für meinen Geschmack ist das genau das Richtige: Deep, dark, mächtig !!! Das Teil ist sein Geld wert, ich werde so schnell keinen anderen Reverb mehr benutzen – auch wenn ich nun ständig recorden darf, da man sich ja nur einen BigSky leisten kann :-)
Ich benutze die kleinere Ausgabe – den BlueSky – für meinen PolyEvolver und TimeLine für den Modularen. Spitzensound!
Auch wenn das jetzt ein eher älterer Artikel ist, aber er hat mir doch zur Auswahl eines Reverbs für meinen Voyager geholfen. Ich habe schon andere Teile versucht, aber irgendwie kam es mir so vor, dass der Sound des Voyagers eher gelitten hat. Mit dem BigSky habe ich dieses Gefühl jetzt nicht, das teil passt perfekt und dank der Möglichkeit die Effekte mit einem Pedal zu steuern, ergibt sich eine rattenscharfe Kombination.