Rebirth of Casio CZ ?
Urs Heckmann, seines Zeichens Programmierer edelster Software-Synthesizer, beglückt uns mit einem neuen, vollmodularen Synthesizer namens U-He Bazille. Und ohne zuviel vorwegzunehmen: Diese Software ist State of the Art. Ich bin infiziert.
Aktuell haben wir hier die BETA-Version von BAZILLE getestet, die U-He aber bereits zum Kauf anbietet für einen Discount von 30% bis zur finalisierten Version.
U-He Bazille basiert auf der FM-Synthese im Stile der Yamaha DX-Reihe sowie auf der nicht minder interessanten Phase Distortion Synthese, die in den 80er Jahren von Casio entwickelt wurde und seither etwas in Vergessenheit geriet. Kombiniert mit analog klingenden Filtern, Effekten und zahlreichen Modulatoren, ergibt dies ein potentes, modulares FM- bzw. PD-System. Dass damit auch noch viel mehr als die klassischen FM-Pianos und Glocken möglich sind, versteht sich für ein Produkt von U-He fast von selbst.
Äußerlich sieht Bazille dem ACE (der halbmodulare Soft-Synthi von U-He) ziemlich ähnlich und baut geschickt auf den bereits bekannten Konzepten auf. Die Bedienung ist so weit möglich gleich geblieben, es ist halt alles etwas üppiger und komplexer geworden.
Installation und Systemvoraussetzungen
Bazille wird per Download angeboten, die knapp 30 MB sind schnell auf den Rechner transferiert und installiert. Beim ersten Start gibt man die Seriennummer ein. Schnell und unkompliziert. Der Ressourcenhunger ist angenehm bescheiden: 1 GB RAM reichen, an Betriebssystemen werden auch die etwas älteren Windows XP und Mac 10.5. (Leopard) unterstützt. Und der Rechner selbst sollte ein „current PC or IntelMac“ sein. Genauer wird dies nicht spezifiziert, was man auch dahingehend interpretieren kann, dass es schlicht nicht so wichtig ist. Löblicherweise unterstützt die Software sowohl 32 und 64 Bit „in all formats“, womit man für die Zukunft ganz gut gerüstet sein wird.
Aufbau
U-He Bazille ist ein modularer Synthesizer mit vier Oszillatoren, vier Filtern, zwei LFOs und zahlreichen weiteren Modulatoren, u.a. Sequencer, Hüllkurven, Lag Generators, Inverter und Mapping Generators, die auch als eine Art Sequencer fungieren. Abgerundet wird dies durch eine Auswahl edelster Effekte und einigen Utilty Modulen wie z.B. Multiples und ein Oszilloskop, das sich in der Klangerzeugung als äußerst hilfreiches Werkzeug erweist. Die Bedienung von Bazille ist mehrheitlich selbsterklärend und erstreckt sich über drei Menüseiten: zwei für die Klangerzeugung und eine für die Verwaltung der Patches. Die wichtigste Menüseite nennt sich schlicht und einfach „Synth“ und beherbergt die vier Oszillatoren, zwei der vier Filter, vier Hüllkurven, zwei LFOs, den Sequencer und das Oszilloskop. Alles ist übersichtlich angeordnet und in dezentem, unspektakulärem Grau gehalten. Zuoberst finden sich nebst den Reitern für die drei Ansichten von Bazille, ein zentrales Display für Patchnamen und Parameterwerte, eine MIDI Status LED, ein Master Volume, eine Schaltfläche zum Speichern und – sehr praktisch – Undo und Redo Pfeile, die unabhängig von der Host-DAW anscheinend eine „unlimited number of steps“ bieten. Wie man es sich von anderen U-He Synthesizern schon gewohnt ist, lässt sich die Bildgröße von Bazille den eigenen Bedürfnissen anpassen: von einer Miniaturansicht bis zur überdimensionalen Cinematic Darstellung mit 3050 mal 1800 Pixeln, die die Grenzen eines herkömmlichen Bildschirms bei Weitem übersteigen. Auch die Helligkeit des Plug-ins ist in fünf Stufen regelbar.

Die „TWEAKS & FX“ Seite mit einigen zusätzlichen Modulen der Klangsynthese, zwei Mapping Generatoren sowie den Effekten
Oszillatoren
Die Oszillatoren gehören gewiss zu den interessantesten und komplexesten Modulen von Bazille und verfügen über eine Vielzahl von Parametern, deren Sinn und Zweck sich einem nicht auf den ersten Blick erschließen.
Gehen wir mal der Reihe nach.
Oben links finden sich zwei Regler für die Stimmung, „Tune“ und „Modify“. Der Tune-Regler kennt fünf verschiedene Betriebsarten: Semitone erlaubt eine Stimmung in 24 Halbtönen; Overtone folgt der natürlichen Obertonskala (auch Naturtonreihe genannt) und eignet sich für FM-Klänge, und Undertone ist sein Pendant für Subharmonische Frequenzen. Diese drei Betriebsarten eignen sich v.a. für tonales Spiel der Oszillatoren. Schließlich lassen sich die Oszillatoren auch in Hertz (zwischen 0 und 24 Hz) oder als Vielfaches der anliegenden MIDI-Clock („Clocked“) betreiben, was v.a. für LFOs sinnvoll ist.
Modify beeinflusst die Grundstimmung des Tune-Reglers und kennt auch verschiedene Betriebsarten: er kann zwecks Feinstimmung die Frequenz um plus/minus 100 Cent anpassen oder in der Betriebsart Multiply die Grundfrequenz mit einem festen Wert multiplizieren und wird somit zu einer Art Oktavwahlschalter. Ferner sind noch die Modi 5 Hertz (Regelung der Frequenz um maximal plus/minus 5 Hertz) und Beats (Justierung, die sich relativ zum Tempo der Hostsoftware verhält) zu nennen. So sehr ich dieses flexible System der Frequenzkontrolle schätze, so vermisse ich dennoch einen designierten Fine Tune Knopf, um beispielsweise die Grundfrequenz zu multiplizieren und gleichzeitig ein klein wenig gegenüber den anderen Oszillatoren zu verstimmen.
Die Parameter in U-He Bazille werden übrigens unabhängig von der gewählten Betriebsart stets in relativen Werten angegeben, „Modify 7“ kann also „7 mal 0,1 Hertz“ oder auch „7 mal 2 Cent“ bedeuten. Alles folgt einer streng mathematischen Logik, die Intuition bleibt da manchmal außen vor.
Die Tonhöhe kann moduliert werden, auch hier lässt sich der Wirkungsbereich wählen (maximal 100 Cent oder 5 bzw. 50 Halbtöne).
Frequenz- und Phasenmodulation
In der Grundstellung schwingen die Oszillatoren in einem sinusförmigen Verlauf, der anschließend durch verschiedene Modulatoren so richtig in die Mangel genommen wird. Als erstes ist eine Frequenzmodulation möglich. Eine? Falsch! Bazille bietet sieben verschiedene Modi der Frequenz- bzw. Phasenmodulation: Phasenmodulation in drei Stufen (fine, medium und course), lineare FM mit zwei Wirkungsbereichen (0 bis 100 Hz bzw. 0 bis 1 kHz) sowie die letzte Option, die mit Relative Frequency Modulation umschrieben wird, auch in zwei Stärken. Diese sieben Modi können sich je nach Frequenz und Schwingungsformen von Modulator und Trägeroszillator stark unterscheiden. Als kleines Beispiel hier die sieben Modi mit den jeweils gleichen Werten (ein Sinusoszillator als Klangquelle, ein zweiter als Modulator, ungefiltert, ohne Effekte).
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Mit dieser einfachen Konstellation lassen sich im Handumdrehen wunderbare Klänge erstellen. Beim folgenden Beispiel moduliert ein Sinusoszillator einen anderen mittels relativer FM, garniert mit Delay. Alle übrigen Parameter sind deaktiviert.
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Phase Distortion
Bei der Phase Distortion Synthese (nennen wir sie von nun an schlicht PD), werden im U-He Bazille die Anfangspunkte der Schwingungszyklen der Oszillatoren moduliert; es geht hier also um die Frage: wo beginnt eine Schwingung? Oder anders ausgedrückt: Diese Synthese arbeitet mit der Phasenlage der Schwigungen und nicht etwa mit Phasenauslöschungen, wie dies in einem Phaser der Fall ist.
Der Carrier ist streng genommen kein Oszillator sondern lediglich eine Wertetabelle, die die Schwingungsform darstellt, während der Modulator die Richtung und Geschwindigkeit definiert, wie diese Werte ausgelesen werden. Soweit die Theorie. Wer es genauer wissen möchte, dem empfehle ich den Artikel meines Kollegen Holger Gerdes (Link am Ende dieses Artikels). Die PD bietet verschiedene Schwingungsformen, die stufenlos aus dem Sinus eingeblendet werden können:
Interessant sind die Res Schwingungen, die auf Sinusschwingungen basieren, deren Amplituden eine neue Schwingungsform beschreiben. Res 1 ist eine Pseudo Sägezahnschwingung, die folgendermaßen klingt:
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Zwei Schwingungsformen lassen sich kombinieren, indem sie nacheinander abgespielt werden.
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Die Grundschwingungsform des Oszillators ist im Normalfall eine Cosinusschwingung, die sich von der Sinusschwingung lediglich in ihrer Phasenlage unterscheidet. Alternativ können hier auch die Mapping Generators aktiviert werden, mit denen man eigene Schwingungsformen mit der Maus zeichnen kann.
Fractalize
Ein weiteres interessantes Werkzeug zum Verbiegen der Schwingungsformen: Man wählt eine von drei Grundschwingungsformen, in welche die erzeugte Schwingungsform des Oszillators reingepresst wird. So ergibt sich eine Überlagerung zweier Frequenzen, die technisch wie klanglich an die analoge Hard Sync erinnert.
Beim nächsten Klangbeispiel wird die Fractalize Funktion einer Cosinusschwingung über die Anschlagdynamik gesteuert. Das ist alles. Ein Oszillator, keine Filter, ein bisschen Hall und Delay. Das Ergebnis ist ein sehr dynamisches Funk Piano, das irgendwo zwischen Clavinet und Rhodes anzusiedeln ist.
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Nach dem Fractalize Parameter folgt noch die Lautstärke, die – wie alle anderen Parameter der Oszillatoren auch – spannungssteuerbar ist.
Filter
Ganze vier (Multimode) Filter stehen im U-He Bazille zur Verfügung, wobei zwei etwas einfacher gehalten sind. Beginnen wir mit den beiden Hauptfiltern: Über zwei Eingänge gelangt das Audiosignal in die Filter, wo es zunächst mit einer kleinen Vorstufe verstärkt bis verzerrt werden kann. Daneben finden sich die klassischen Parameter für Cutoff und Resonanz, beide mit entsprechenden Eingängen für Steuerspannungen. An sechs Ausgängen können die verschiedenen Filtercharakteristiken abgegriffen werden (Lowpass mit 6, 12, 18 und 24 dB pro Oktave, 6 dB Bandpass und 12 dB Hochpass), wobei alle bis zur Selbstoszillation reichen. Sehr praktisch ist, dass die Cutoff des zweiten Oszillators abhängig vom ersten steuerbar ist: In einem kleinen Popdown Menu finden sich die Betriebsarten Offset (Cutoff verschiebt sich um ein festes Intervall nach oben oder unten inklusive aller Modulationen) und Spread (macht eigentlich das Gleiche, zusätzlich wird hier die Cutoff von Filter 1 in die entgegengesetzte Richtung verschoben). Offset und Spread sind selbst auch spannungssteuerbar, so dass hier mit wenigen Verbindungen sehr lebendige Filterverläufe möglich sind.
Filter 3 und 4 sind etwas einfacher gehalten und begnügen sich mit drei Filtercharakteristiken und nur einem Modulationseingang.
Hüllkurven und VCAs
Bazille bietet vier ADSR-Hüllkurven, die auf den ersten Blick nach Standard aussehen und uns dennoch mit kleinen und feinen Details überraschen: Zum einen sind sie durch eine beliebige Quelle spannungssteuerbar (!), der Parameter Rate Mod legt dabei die Stärke der Modulation fest. Ein klassisches Beispiel ist die Steuerung der Hüllkurven-Zeiten in Abhängigkeit der Tonhöhe, so dass hohe Töne kürzer ausklingen als tiefe, was dem Verhalten vieler akustischer Instrumente entspricht. Interessant ist auch der Fall/Rise Parameter, der auf die Sustainphase wirkt. In zwölf Uhr Stellung verhält sich diese wie gewohnt: Sie hält dasselbe Niveau bis zum Loslassen der Taste. Nach links gedreht klingt die Sustainphase allmählich aus, eine Drehung nach rechts bewirkt das Gegenteil, die Amplitude nimmt wieder zu. Man mag sich fragen, wozu das gut sein soll. Beispielsweise kann man so das Verhalten von Klavieren nachbilden, deren Sustainphase auch langsam abnimmt oder Crescendo Brassklänge, die nach einer scharfen Attack erst kurz abklingen, um danach wieder anzuschwellen. Dass die Hüllkurven auch von der Velocity steuerbar sind, brauche ich nicht extra zu erwähnen.
Zusätzlich beglückt uns Bazille mit zwei Ramp Generators, einfache, loopbare Hüllkurven, wie man sie beispielsweise von EMS oder Buchla Synthesizern kennt.
Die Parameter Up und Hold definieren die Ein- und Ausschwingzeit, Hold legt die Dauer von Sustain fest und Rest bestimmt die Zeit bis zum nächsten automatischen Triggen der Hüllkurve. Somit ist diese auch für zyklische Modulationen zu gebrauchen, die selbstredend zur Master Clock synchronisierbar sind.
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LFO
Die beiden LFOs verfügen über die üblichen Verdächtigen bei den Schwingungsformen: Dreieck, Sägezahn, Rechteck und Zufall, die über den Wave Parameter verändert werden können. Aus Dreieck wird steigender oder fallender Sägezahn, während die Pulsbreite zwischen 1 und 99% regelbar ist.
Die Frequenz ist entweder freischwingend oder zum Tempo der DAW synchronisiert und kann zusätzlich durch eine beliebige Quelle moduliert werden.
Sequencer
Der Stepsequencer verfolgt einen etwas ungewohnten und dennoch ziemlich intuitiven Ansatz. 16 bipolare Schieberegler definieren die Werte der ebenso vielen Schritte. Bei jedem vierten Schritt kann die Sequenz abgegriffen werden und wird dann automatisch an der besagten Stelle geloopt.
Über eine Art Wahlrad erhält man Zugang zu insgesamt acht Sequenzen, zwischen denen in stufenloser Geschwindigkeit gemorpht wird, was wiederum durch eine externe Quelle gesteuert werden kann. Klanglich ziemlich interessant.
Der Sequencer ist herstellerseitig in Vierteltönen gerastert, so dass der Wert 24 einer Oktave entspricht, 14 einer Quinte und 6 einer kleinen Terz. Hier ist wieder mal Rechnerei angesagt.
Hätte ich drei Wünsche frei, so wären dies einerseits eine Aufnahme-Funktion, mit der man eine Sequenz kurzerhand mit dem Keyboard einspielen könnte. Damit ließe sich viel Zeit sparen. Ferner wünschte ich mir eine mögliche Begrenzung der Sequenzen auf jede beliebige Schrittlänge. Es soll nämlich Musiker geben, die sich auch in der elektronischen Musik mit sogenannt ungeraden Rhythmen beschäftigen; ich selbst experimentiere sehr gerne mit Fünfer, Neuner, Elfer oder Vierzehner Rhythmen, was mit dem Bazille Sequencer schlicht nicht möglich ist.
Und schließlich vermisse ich eine Speicherfunktion für Sequenzen, um diese für verschiedene Klangprogramme zu nutzen.
Mapping Generators
Die Mapping Generators sind in erster Linie frei definierbare, grafische Wertetabellen mit Werten zwischen 2 und 128. Dies geschieht mit einer von vier Betriebsarten: Mit jeder neu gespielten Taste wird der nächste Wert abgerufen (Alternate), jeder Taste wird ein eigener, statischer Wert zugewiesen (Key) oder die Mapping Generators werden von einer beliebigen Modulationsquelle durchgefahren, entweder in gestuften Werten (Map Quantize) oder geglättet (Map Smooth). In Kombination mit einer ADSR lässt sich so beispielsweise eine mehrstufige Hüllkurve erzeugen.
Mit der Maus lassen sich beliebige Verläufe zeichnen, diese lassen sich anschließend auf bestimmte Wertstufen quantisieren, invertieren oder spiegeln (ein Rechtsklick zeigt zahlreiche Optionen an). Außerdem kann man einige vordefinierte Formen laden, beispielsweise ein Dreieck oder Sinus, was insbesondere dann sinnvoll ist, wenn der Mapping Generator die Schwingungsform eines Oszillators definiert.
Effekte
Bazille bietet eine kleine Auswahl hochwertiger Effekte: Distortion, Phaser, Delay und Spring Reverb, die sich klanglich alle an analogen Vorbildern orientieren.
Distortion besticht durch verschiedene Röhrensimulationen, eine simple Klangregelung sowie einer Lautsprecher-Simulation (Guitar Cab 4×12″).
Der Phaser bietet zwei Modi Stoned und Flanged und ist ein Stereoeffekt, dessen Breite stufenlos regelbar ist. Die Modulationsrate lässt sich synchronisieren.
Für Stereoeffekte ebenfalls zu empfehlen ist das Delay mit unabhängiger Intensität und Delay-Zeit für beide Kanäle sowie die Mitte. So stehen insgesamt drei Delay-Linien zur Verfügung.
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Während ich die Qualität dieser drei Effekte als soliden Durchschnitt bezeichnen würde, bin ich von der virtuellen Hallspirale schlicht begeistert. Das Spring Reverb gehört zu den besten, die mehr je zu Ohren kamen und klingt beispielsweise viel besser als das viel gerühmte Hall of Fame von TC Electronic. Augenfällig ist der große Shake Regler, zum Zupfen an den beiden virtuellen Hallspiralen. Drive ist eine dezente Übersteuerung, Tone blendet den Ton von dark to bright, Decay regelt die Halldauer und Tension beschreibt, wie fest die Hallspiralen gespannt sind, was wiederum deren Eigenresonanz beeinflusst (je höher die Spannung, desto höher die Oszillationsfrequenz).
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Klanglich überzeugen die Effekte mit authentischen Klängen, die den Vergleich mit entsprechender Hardware nicht zu schauen brauchen. Schade ist indes, dass das Routing fest vorgegeben ist und stets am Ende der Signalkette des Synthesizers steht. Für mein persönliches Verständnis von Modular greift dies zu kurz. Mag sein, dass sich diese Anordnung in den meisten Synthesizern etabliert hat, klanglich sinnvoll ist die Beschränkung nicht. Es spielt nämlich sehr wohl eine Rolle, wo in der Signalkette beispielsweise ein Hall eingeschleift oder das Signal verzerrt wird. Und wäre es nicht interessant, das Delay Signal zu filtern, den LFO zu verzerren oder nur einen von mehreren Klangquellen mit Hall zu versehen? Naja, da hilft kein Lamentieren, schade ist es trotzdem. Und wenn wir schon dabei sind: Bei einem modularen Synthesizer wünschte ich mir spannungssteuerbare Effekte, so dass beispielsweise die Verzerrung auf die Anschlagsstärke reagiert und der Hallanteil von der Hüllkurve gesteuert würde, während der Sequencer rhythmisch an der Hallspirale zupft. Dies alles nur als kleine Klammerbemerkung und Anregung für zukünftige Entwicklungen.
Und sonst?
Langsam geht mir ja der Atem aus, doch wir sind bei Weitem noch nicht am Ende. Wie es sich für ein stattliches Modularsystem gehört, finden sich auch in Bazille zahlreiche Hilfsmodule, kleine Helferlein zur Mischung, Invertierung oder Quantisierung von Ton- oder Steuersignalen.
Die beiden Inverter sind dazu da, um Spannungen zu invertieren. Na, wer hätte das gedacht? Beispielsweise um eine Melodie des Sequencers gespiegelt zweistimmig zu spielen. Das klingt dann so:
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Die Quantizer transformieren ein beliebiges Signal in eine Folge fester Spannungen, es werden also „Treppen“ gebildet mit freier Anzahl von Stufen. Füttert man den Quantizer mit einem Sinus, erhält man danach einen „Treppen“ Sinus, der soweit vereinfacht werden kann, bis nur eine Rechteckschwingung bleibt. Moduliert man den Sinus in seiner Frequenz mittels eines LFOs, ist das Ergebnis eine Pulsschwingung mit modulierter Breite.
Dann sind noch die Lag Generators zu nennen, die man auch als umgekehrte Quantizer bezeichnen können: Aus einer diskreten Spannung wird eine kontinuierliche abgeleitet mit einstellbaren An- und Abschwellwerten.
Die Rectifier transformieren alle negativen Werte einer anliegenden Spannung in positive mit gleichem Betrag. Eine Sinusschwingung sieht danach so aus:
Und schließlich hat man auch an eine Sample & Hold Schaltung gedacht, die eigentlich ähnlich arbeitet wie die Quantizer, mit dem einzigen Unterschied, dass hier die Schrittlänge und nicht deren Höhe bestimmt wird.
Besonderes Augenmerk verdienen auch die vier Multiplex Module. Sie sind in erster Linie kleine Mischer für beliebige Signale. Da sie zudem auch mit einem Modulationseingang versehen sind, dienen sie indes auch als Ring- oder Amplitudenmodulatoren – je nach Belegung der Eingangsbuchsen. Schade bloß, dass man dies in der Anleitung nachschlagen muss. Eine Beschriftung auf dem Modul hätte es ja auch getan. (Die linken Buchsen für RM, die rechten für AM).
Stimmenverwaltung und Tuning
Auf der zweiten Menuseite von Bazille finden sich zahlreiche Funktionen, die auf irgendeine Weise die Stimmenverwaltung oder das Tuning betreffen. Die Polyphonie kann auf einen beliebigen Wert zwischen einer und sechzehn Stimmen begrenzt werden; zudem lassen sich bis zu acht Stimmen zu einem Ton zusammenfassen (Stack) mit variablem Detune der einzelnen Stimmen. Ein Oszillator Drift Modus bringt etwas chaotisches Leben in die ansonsten perfekt starre Stimmung der digitalen Oszillatoren. Glide gibt es natürlich auch und zwar mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten pro Oszillatorenpaar. Ferner findet sich hier eine globale Vibratofunktion, die den ersten LFO mit der Frequenz aller Oszillatoren koppelt, ohne dass man dazu extra Kabelstrippen ziehen müsste.
Gute Nachrichten gibt es auch für alle, die hie und da der gleichstufig, temperierten Stimmung überdrüssig sind: Bazille versteht nämlich das mittlerweile stark verbreitete TUN Format zum Laden eigener mikrotonaler Stimmungen. Im Netz finden sich hierzu endlose Listen, beispielsweise für arabische, indische oder alte europäische Skalen.
Bedienung
Die Bedienung von Bazille ist meistens ziemlich logisch und intuitiv; auch die graphische Anordnung der Module scheint mir sinnvoll gestaltet. Dass die umfangreiche Klangsynthese auf zwei Menüseiten verteilt ist, mag zu Beginn etwas verwirrend sein; man gewöhnt sich schnell daran. Das zentrale Oszilloskop erweist sich als äußerst hilfreiches Instrument, um sich Schritt für Schritt mit der noch ungewohnten Klangsynthese vertraut zu machen.
So sehr ich eigentlich von Bazille begeistert bin, gibt es leider zwei Eigenheiten der Bedienung zu beanstanden. Zum einen ist es auf die Dauer störend, nicht mehr als ein Kabel gleichzeitig mit einem Eingang zu verbinden. Gewiss entspricht dies der Realität von Eurorack Modulen, doch muss dieses Manko wirklich in die digitale Welt übernommen werden? Jedesmal ein Multiplex Modul zu bemühen, ist zwar technisch kein Problem, indes nicht sonderlich übersichtlich oder praktisch.
Mein anderer Kritikpunkt betrifft die Bedienung der virtuellen Potis. Nebst der Tatsache, dass sie eher klein ausgefallen sind und ich als Halbspastiker oft daneben klicke, könnten sie nach meinem Geschmack etwas mehr Informationen anzeigen. Beispielsweise Frequenzen in Hertz und Stimmungen in Halbtönen, Obertönen und Cents, anstelle der etwas gewöhnungsbedürftigen relativen Werte der zentralen Anzeige, die ohnehin nur einen Wert aufs Mal anzeigt. Will man beispielsweise wissen, wie schnell ein LFO klingt, wird man zu kleinen Rechnereien angehalten: 1 Sekunde multipliziert mit dem eingestellten Wert von sagen wir mal 2,5 ergibt… 5 Hertz, während die Hüllkurven-Zeiten auf einer Skala von 0 bis 100 eingestellt werden. Ob damit Sekunden gemeint sind, ist der Anleitung nicht zu entnehmen. Es tut mir leid, das ist mir schlicht zu unlogisch und inkonsequent. Im Handbuch wird dazu lapidar geschrieben: It’s not worth thinking about a conversion formula here – just use your ears! Naja, mich überzeugt es nicht. Für mich fühlt es sich eher nach einem Tappen im Dunkeln an. Da auch ein blindes Huhn hie und da ein Korn findet, sind mir ohne großen Aufwand viele spannende Klänge gelungen, doch spielt da der Zufall mit. Tatsache ist, dass man die Einstellungen der Oszillatoren nicht auf einen Blick erfassen kann. Steht das Tuning beispielsweise auf Ober- oder Untertönen, sehe ich dem Poti beim besten Willen nicht an, auf welchen Oberton er eingestellt ist. Ein Klick auf das Poti zeigt zwar den Wert an, doch ist man danach auch nicht viel schlauer, es sei denn, man lernt die Obertonreihe auswendig und hat verinnerlicht, dass die Oktaven beim 1., 3., 7. und 15. Oberton zu finden sind. Ansonsten hilft nur ein Blick in die Anleitung. Dies hätte man eleganter lösen können, beispielsweise durch eine kleine LED, die bei allen Oktavstimmungen aufleuchtet. Und anscheinend sind auch manche Nutzer mit dem Tuning Konzept von Bazille überfordert, denn anders ist es nicht zu erklären, dass einige der bisher veröffentlichten User-Presets nicht auf A = 440 Hz gestimmt sind, sondern ein oder zwei Halbtöne daneben.
Praxis und Klang
Und was bitte sehr kann man jetzt alles mit Bazille anstellen? Zum einen, und das mag auf den ersten Blick erstaunen, überzeugt Bazille auch als virtuell analoger Synthesizer ohne jegliche Frequenz- oder Phasenmodulation. Einfach einen klassischen Sägezahn oder Rechteck wählen, PD ganz nach rechts drehen, den Oszillatorausgang mit dem Filter verbinden, ein bisschen LFO dazu, evtl. den Ringmodulator einschleifen… Das Ergebnis ist klanglich durchaus interessant mit einer leicht digitalen Note, denn auf die Nachbildung des Eigenlebens analoger Oszillatoren wird hier konsequent verzichtet.
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Doch wenn man sich mit der halb-digitalen Natur angefreundet hat, gelingen einem spannende Klänge im Handumdrehen. Pads, Leads, Effektklänge? Alles kein Problem, auch wenn dies Bazille eher unterfordert. Ausdrucksstarke E-Pianos gehören natürlich ebenso zum Standardrepertoire wie andere klassische FM-Klänge. Es fällt mir nicht leicht, den klanglichen Grundcharakter von Bazille zu beschreiben, denn er klingt im besten Sinne des Wortes neutral und lässt sich in beinahe jede erdenkliche Richtung verbiegen. Auf Grenzen irgendwelcher Art bin ich dabei nicht gestoßen; bisher war die einzige Limitierung von Belang meine eigene beschränkte Kreativität. Dank der zahlreichen Modulationssynthesen klingen die Oszillatoren sehr vielseitig und durchaus voluminös. Nur nebenbei bemerkt: Alle Klangbeispiele bestehen aus höchstens zwei Oszillatoren ohne jegliche Stacking Funktion.
Wie lange ich darauf warten musste!
Ist gekauft!
Mann kann doch für kleine verstimmungen den u-he feintrieb verwenden (bei windows shift gedrückt halten und poti drehen).
Die effekte sind halt erst nach den abschwächern, da sie monophon gehalten wurden. Würde man die effekte in die signalkette integrieren müssten sie polyphon aufgebaut sein. Ausserdem kann man die reihenfolge der effekte zueinander ändern.
DAS nenn ich einen Test. Vielen Dank für den Hinweis , dass das Teil endlich geboren ist und vor allen Dingen Danke bezogen auf den hervorragend geschrieben Testbericht samt pers. Einschätzungen und Klangbeispielen.
Hallo Martin, das mit den Polyrythmen musste ich gestern gleich mal ausprobieren. Mit dem Mod-Sequenzer geht das wirklich nicht. Aber mit einer Kombination aus LFO, Mapping Generators, evtl. auch den Stack Voices kann man sehr viele rythmische Kombinationen (z.B. 7/4 auf 3/4 aber auch viel abgedrehtere Sachen) verwirklichen. Als kleine Rätselaufgabe… ;)
Mit dem Sequencer wäre es vllt. praktischer und man würde nicht so viele Module verbrauchen, aber man würde auch nicht auf NOCH ungewöhnlichere Rythmen kommen.
@Triple-U Danke, das klingt sehr spannend. Werde ich gleich mal ausprobieren.
Hi,
das ist ein super Test, vielen Dank!
Kleine Anmerkung: Die Effekte lassen sich per Drag’n’Drop in der Reihenfolge verändern. Dort ist momentan noch dasselbe Bedienelement am Werke, das auch in Zebra die modulare Verschaltung ermöglicht. Da dies leider etwas unkomfortable ist, habe ich vor, dieses noch vor dem offiziellen Release für Bazille’s Bedürfnisse zu verbessern, weshalb dies auch noch nicht vollständig im User Guide berücksichtigt ist – und wer weiß, vielleicht erlauben wir auch eines Tages paralelle Verschaltungen.
Allerdings wird es sehr schwiereig, die Parameter der Effektsektion über Kabel zu kontrollieren. Alles was verkabelt ist, ist ja polyphon. Wenn man mit sowas dann die Effekte steuert wird’s schnell brenzlig. Das wäre eher was für eine monophone Variante, die dann auch bei losgelassenen Tasten noch prozessiert.
LG,
– Urs
@Urs Hallo Urs
danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Was Du schreibst, leuchtet natürlich ein. Wie ich schon im Text schrieb, ist meine Kritik an den Effekten als Anregung gedacht.
Hingegen ist die fehlende Potiskalierung durchaus ein Problem, zumindest für meine Wenigkeit. Aber vielleicht habe ich da auch etwas Fundamentales übersehen?
Alles in Allem ist dies ein wunderbarer, modularer Software Synthesizer, der mich (beinahe) wunschlos glücklich macht.
Lieben Gruß
Martin
Inzwischen gibt es eine abgespeckte Version namens Beatzille, die ursprünglich als Magware angeboten wurde, und hier kostenfrei heruntergeladen werden kann:
http://djavemcree.net/album/309254/u-he-beatzille-magware-freeware
Die Unterschiede zu Bazille stellt U-He wie folgt dar:
https://www.u-he.com/cms/173-beatzille