Spuren-Überflieger mit SciFi-Optik
Wohl kaum ein anderer Name ist mit dem Bereich Field- bzw. Handy-Recorder verbunden wie die japanische Firma ZOOM. Eine konsequente Produktpolitik über Jahrzehnte hat den Namen quasi als Referenz in diesem Segment etabliert und zu einer reichhaltigen Auswahl an Recordern sowohl im Consumer- als auch im Pro-Bereich geführt. Das neuste Schlachtschiff hört auf die Bezeichnung Zoom H8 und setzt insbesondere in Sachen Spurenvielfalt neue Maßstäbe.
Das Konzept des Zoom H8
Zoom Recorder hatten bzgl. ihrer optischen Erscheinung schon immer die Prämisse „Erscheinung folgt Konzeption“, von daher ist man einiges gewohnt aus dem Land der aufgehenden Sonne. Was Zoom sich jedoch bei dem H8 erlaubt haben, setzt dem Ganzen in der Tat die Krone auf. Bei den Abmessungen von 116,4 x 163,3 x 48,6 mm (B x T x H) ohne Mikrofon kann man wirklich nicht mehr von einem Handy-Recorder sprechen, sondern muss zumindest in die portable Abteilung übergehen. Das Gehäuse ist aus Kunststoff gefertigt und hinterlässt einen ordentlichen Eindruck. Für alle Kritiker, die sich ein Metallgehäuse gewünscht hätten, gebe ich zu bedenken, dass der Recorder inklusive der Batterien bereits jetzt über ein Gewicht von knapp 600 g verfügt, was sich bei einem massiven Metallgehäuse wohl noch mal erhöhen würde und den Handeinsatz des Recorders ab einem gewissem Zeitfaktor in eine moderate Fitnessübung im Bizepsbereich transformieren würde.
Der erste Eindruck
Der Recorder weckt auf den ersten Blick in der Tat vielerlei Assoziationen mit SciFi-Filmen, -Serien aller Art, wobei sich jeder User spontan an mindestens einen Star Wars oder Star Trek Charakter erinnern wird, sobald er das Produkt in der Hand hält. Allerdings vermittelt bereits der erste Eindruck die große Flexibilität des Produktes, was sich im Laufe des Testes noch herausstellen sollte. Grob formuliert ist der Zoom H8 in drei Bereiche unterteilt. Zum einen haben wir die „Untertassensektion“ (haha … geht schon los), nein, war nur Spaß, es handelt sich vielmehr um den unteren Bereich, der einen farbigen Touchscreen, die Steuerungstasten, die Audioausgänge und die SD-, SDHC- oder SDXC-Karte (kompatibel mit bis zu 512 GB Kapazität) beherbergt.
Eine Besonderheit des Zoom H8 ist die Tatsache, dass man den Mikrofonaufsatz je nach Einsatzgebiet wechseln kann. Bei Auslieferung ist der XYH-Aufsatz enthalten, der ein X/Y-Mikrofon mit 2 Kondensatorkapseln enthält und einen variablen Winkel zwischen 90 und 120 Grad zulässt. Es können jedoch noch weitere Mikrofonaufsätze hinzugekauft werden, als da wären ein Mono/Stereo-Richtmikrofon (MGH-6, SSH-6), ein MS-Mikrofon (MSH-6) und ein weiteres X/Y-Mikrofon mit Druckgradientempfängern (MYH-5). Des Weiteren gibt es weitere V2-Aufsätze, zum Beispiel einen Stereo-Aufsatz mit drehbaren Kapseln für X/Y- und A/B-Aufnahmen (XAH-8), ein Ambisonic-Mikrofon (VRH-8) und einen Eingangsexpander (EXH-8), der den H8 um vier weitere XLR-Eingänge erweitert. Die jeweiligen Kapseln werden einfach aufgesteckt und hinterlassen allesamt einen massiven Eindruck. Um den Steckport bei Nichtbenutzung vor Verschmutzung oder ähnlichem zu schützen, kann man eine mitgelieferte Abdeckung auf dem Slot anbringen.
In Sachen Lieferumfang geht es für Zoom Verhältnisse sehr spartanisch zu. Lediglich vier Batterien, Typ AA, und der XYH-Mikrofonaufsatz liegen dem Recorder bei. Alles Weitere, was man sich wünschen würde, wie zum Beispiel eine Transporttasche, ja selbst existentielle Artikel wie ein USB-Kabel oder die Speicherkarte sucht man leider vergebens. Stattdessen gibt es noch ein fünfsprachiges Handbuch und zwei Lizenzkarten für Wavelab Cast und Cubase LE.
Das Mittelstück
Sowohl optisch als auch vom Funktionsumfang her fällt das Mittelstück des Zoom H8 ins Auge. Die Kanäle 1 bis 4, deren XLR-Anschlüsse jeweils in der Diagonale des Mittelstücks platziert wurden, sind reine Mikrofoneingänge und verfügen jeweils über einen Record-Taster und ein -20 dB Pad. Die Kanäle A und B, die sich in der X-Achse befinden, wurden mit einer Kombibuchse ausgerüstet und haben anstatt der Pad Schaltung die Wahlmöglichkeit einer hochohmigen Anpassung. Alle sechs Eingänge haben jeweils getrennte Gain-Regler und können bei Bedarf mit +24/+48 V Phantomspeisung beschickt werden.
Am mitgelieferten Mikrofonaufsatz befindet sich ein zusätzlicher 3,5 mm Stereo-Miniklinkeneingang, der allerdings nicht separat in seiner Vorverstärkung regelbar ist, d.h. der Zoom H8 verfügt in seiner Grundausstattung über bis zu 12 verschiedene Eingangssignale, sofern man die Stereospur und die um 12 dB reduzierte Sicherheitsspur hinzurechnet. Ein Wert, der in dieser Leistungsklasse wahrlich Maßstäbe setzt.
In Sachen Ausgänge muss auch der Zoom H8 aus Platzgründen auf Miniklinkenlösungen in Form eines Stereo-Line-Ausgangs und eines Kopfhörerausgangs zurückgreifen. Für kurzfristiges Abhören verfügt der Recorder noch über einen eingebauten Mono-Lautsprecher, der klanglich allerdings nur einfache Kontrollfunktionen übernehmen kann.
Als Aufnahmeformate bietet der Zoom H8 unkomprimierte Audioaufnahmen bis maximal 96 kHz und 24 Bit an, MP3-Dateien können mit 128, 192 oder 320 kbit/s Datenrate aufgezeichnet werden. Die Betriebsdauer des Recorders wird mit max. 15 Stunden angegeben, allerdings bezieht sich diese Angabe nur auf die Verwendung einer Stereospur mit 44,1/24 Bit Auflösung. Bei der Verwendung mehrerer Spuren, womöglich noch mit Phantomspeisung und höherer Auflösung, dürfte sich die Betriebszeit um mehrere Stunden reduzieren.
Das Thema Bluetooth muss man mit einem klaren „ja, aber“ behandeln, da der Zoom H8 zwar von einem Smartphone oder Tablet aus zu bedienen ist, allerdings nur, wenn man sich einen externen Bluetooth-Empfänger in Form des Zoom BTA-1 zulegt, wie er auch schon bei den Zoom Mischpulten der L-Serie Verwendung findet.
Der Zoom H8 in der Praxis
Um den Zoom H8 eine extra Portion Funktionsumfang zu ermöglichen, wurde die Touchscreen-Oberfläche in 3 Untergruppen mit den Bezeichnungen „Field“, „Music“ und „Podcast“ unterteilt. Der primäre Einsatzbereich des H8 wird wohl der Field-Bereich sein, bei dem die Auflösung von 24 Bit und 96 kHz zur Verfügung steht, unterstützt von den verschiedene Mikrofonaufsätzen.
Der Bereich Music erinnert von der Aufmachung her an ein einfaches DAW-Programm, kann bei Bedarf aber auch externe Audiodateien importieren, sofern diese vorher auf die SD-Karten überspielt wurden.
Im Bereich Podcast lassen sich nur vier verschiedene Mikrofone verwenden, dafür kann man aber, insbesondere wenn es sich um einen Live-Stream handelt, per Knopfdruck vier verschiedene Soundfiles in Form von Jingles einspielen, die die Übertragung mittels Geräuschen etc. etwas auflockern sollen. In diesem Bereich können in Ergänzung zur mitgelieferten Datenbank auch eigene Soundfiles geladen werden.
Für die Soundfiles habe ich nur die Field-Einstellung verwendet, da man hier den Klang der Mikrofone am besten beurteilen kann. Angefangen mit zwei akustischen Instrumenten, einer Gitarre und einem Kontrabass hinterlässt der mitgelieferte Aufsatz einen sehr guten Eindruck. Der Klang ist neutral, räumlich gut aufgelöst und ohne jede Nebengeräusche. Ich habe den Recorder jeweils ca. 50 cm vom Instrument entfernt platziert und so einen recht hohen Raumanteil ohne jede Nahbesprechung aufgenommen. Für das Aufnehmen einer gesamten Band im Proberaum sollte die Auflösung des Zoom H8 bei entsprechendem Aufbau und optimaler Platzierung des Recorders ebenfalls ausreichen. Gegebenenfalls kann man über die verschiedenen Mikrofoneingänge noch eine entsprechende Stützmikrofonierung durchführen.
Für Außenaufnahmen habe ich mich an eine Straße gestellt und vorbeifahrende Fahrzeuge aufgenommen, zzgl. einer reinen Windgeräuschaufnahme im Garten. Hierbei fällt auf, dass die Mikrofonkapseln sehr empfindlich gegen einfallenden Wind sind. Bei der Straßenaufnahme mit 120 Grad herrschte nur eine sehr leichte Brise, dennoch übertönt das bekannte Krachen das komplette Nutzsignal. Bleibt zu bemerken, dass man den Zoom H8 für Außenaufnahmen nur mit Windschutz verwenden kann.
Die Handhabung ist für einen mobilen Recorder geradezu luxuriös, wenngleich es einer kurzen Einarbeitungszeit bzgl. der Menüführung bedarf.
Eine witzige Geschichte am Rand. Die Straßenaufnahmen erfolgten auf einer Landstraße, die sehr gerne von Rasern genutzt wird und wo sich faktisch niemand an die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung hält. Als ich mich jedoch auf das Display schauend an den Straßenrand stellte, gingen die Autofahrer schon fast panisch in die Eisen aus Angst, ich könnte eine neue Radartechnik an ihnen ausprobieren.
Mal ab von der durchaus strittigen Optik sehe ich da in manchen Teilen ein Abstieg gegenüber dem H6: Dieser hat 4 Kombobuchsen und eine Miniklinke als Lineeingang am XY-Mikrofon, und das Zusatzmodul hat ebenfalls Kombobuchsen. Beim H8 bekommt man zwar mit dem Extramodul mehr Eingänge, sind aber dann auch nur XLR, und die Eingebauten sind nur noch 2 statt 4 Kombos. Das bedeutet Adaptergeraffel und in meinen Augen ein Designfehler: Durch die Stopschildform und schräge Anordnung der Buchsen passen in die Schräge keine Combos, da diese ja tiefer bauen und somit kollidieren würden. Hätte man das Gehäuse an dieser Stelle gerade gebaut, wären alle Buchsen als Combos möglich gewesen. Die Regler sind zum Glück schwergängiger als beim H6, aber das kann man auch mit einem Bremsstreifen drunter erreichen. Es wurde ebenfalls versäumt, Kanäle wie beim R16/R24 zu Stereokanälen zusammenfassen zu können und eine Kaskadenfunktion zum Sync Start von 2 Recordern wäre auch nett gewesen, die R-Modelle können das ja schon lange. Das gerade angeordnete Display macht es leider auch schwer, es abzulesen, wenn es auf einem Stativ montiert ist, hier hat der H6 ebenfalls einen Vorteil. Wer also plant, vom H6 auf den H8 umzusteigen, sollte sich das anhand dieser Punkte gut überlegen. Den aktuellen, abgespeckten H6 Black jetzt noch zu kaufen macht hingegen keinen Sinn.
eigentlich ein schöner artikel. interessant wäre allerdings noch gewesen, wieviele spuren der H8 aufnehmen kann.
@mdesign Acht Spuren plus L/R-Stereo-Mischung und zwei Spuren als Backup mit reduziertem Pegel des XY-Aufsatzmikrofons. Deshalb auch der Name »H8«.
Ich überlege gerade mir den H6 oder H8 zu kaufen. Ist wieder so ein Ding von „Haben wollen“, aber „eigentlich nicht brauchen“. Ich würde es gerne zum einen als USB-Audiointerface an einem PC nutzen um dort vernüftige Kommentar-Aufnahmen zu Lernvideos zu machen, die ich ab und zu(!) mal mache. Könnte man bei dem Teil vielleicht sogar auf ein seperates Mikro verzichten, wenn man es unter den Monitor stellt (wobei ich vermutlich das MSH 6 als Aufsatz bevorzugen würde). Zum anderen würde ich es gerne auch mal ab und zu für Sprachaufzeichnungen für Hörspielprojekte nutzen wollen. Auch kann man hiermit sicher sehr viel einfacher Geräusche für eben diese aufzeichnen.
Beim H8 finde ich die Optik schon schön futuristisch und das Touch-Display könnte auch sehr hilfreich sein. Ich steh halt auf solches Zeug :)
Andererseits wird auch oft bemängelt das z.B. kein Bluetooth von vornherein integriert ist und nur von iOS unterstützt wird, dass man wieder nur einen alten Mikro-USB Anschluss verbaut hat (wobei mir das im Moment noch egal ist).
Da fragt man sich durchaus, ob man da lieber auf ein Folge-Gerät warten soll, oder doch zugreifen.. Letztendlich kostet es aktuell „nur“ 60 Euro mehr als das H6..
Auf der anderen Seite sind 6 Anschlüsse für mich deutlich zu viel und würde vermutlich nie mehr als zwei Maximal drei gleichzeitig nutzen.. :D