Kompakter Multitrack-Recorder
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Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich persönlich hatte in den letzten Jahren schon mehrere Male das Ende des Multitrackers vor Augen. Aufgrund der Tatsache, dass mittlerweile selbst Notebooks Leistungsreserven für eine komplette Produktion inklusive „in the box“-Mix bereithalten, konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, dass eine externe Hardware-Lösung nach wie vor ihre Zielgruppe hat, zumal ich es eigentlich hätte besser wissen müssen. Schauen wir uns daher heute einmal den Zoom R12 an, über dessen komplettem Konzept wie in Leuchtschrift geschrieben das Wort „MOBIL“ zu prangen scheint.
Das Konzept des Zoom R12
Warum hätte ich es besser wissen müssen? Nun, wie viele andere meines Jahrgangs (und folgende) war ich ein glühender Verehrer und User des Tascam Portastudio 244, dem State-Of-The-Art 4-Kanal Multitracker seiner Zeit. Die Möglichkeit, losgelöst von professionellen Tonstudios im heimischen Kämmerlein mehrere Instrumente unabhängig von einander selbst einzuspielen und entsprechende Arrangements auszuarbeiten, machten mich zum „König des Ping-Pong-Verfahrens“ und eröffneten Möglichkeiten, von denen ich immer geträumt hatte. Die Millenium-Generation kann über solche Aussagen wahrscheinlich nur müde lächeln, aber vor über vier Dekaden war die Lösung auf Audiokassetten-Basis der „Knaller im All“.
Mit den damaligen Lösungen haben aktuelle Multitracker nichts mehr gemein, spätestens nach der Einführung der Digitaltechnik explodierten die Möglichkeiten und befanden sich aufgrund der damals noch limitierten Zugriffszeiten der Festplatten eine zeitlang auf Augenhöhe mit den DAWs, dessen Wettstreik dann aber schließlich doch eindeutig von der DAW gewonnen wurde. Wenn es allerdings darum geht, eine schnelle Mehspurlösung ohne großes Preamp- und Interface-Gedöns an den Start zu bringen, liefern Multitracker sehr gute Dienste.
Mit dem Zoom R12 hat das japanische Unternehmen einen Multitracker für den Budget-Bereich auf den Markt gebracht, was auch der Ladenpreis von 299,- Euro widerspiegelt. Der Fokus wurde auf Transportabilität und einfache Handhabung gelegt, so dass spontane Ideen zu Hause oder im Proberaum schnell festgehalten werden können. Dementsprechend wurden auch die Abmessungen, bzw. die Handhabung konzipiert. Mit nur 827 g gestaltet sich das aus Kunststoff gefertigte Gehäuse mit den Abmessungen von 256 x 158 x 61 (B x T x H) sehr leicht.
Der Multitracker ruht auf vier einfachen, in das Gehäuse eingefügten Gummifüßen, die mit sehr guten Gummistreifen beklebt wurden, so dass das leichte Gehäuse selbst auf einem glatten Untergrund wie einer Tischplatte guten Halt findet. Für maximale Flexibilität kann die Betriebsspannung von einem regulären Mobilladegerät mit den Werten 5 V/1 A geliefert werden, wobei Zoom jedoch ein passendes Netzteil sowie ein USB-A/USB-C Kabel dem Multitracker beilegt. Alternativ kann der Zoom R12 auch mit 4 Batterien vom Typ AA betrieben werden, wobei die Betriebsdauer vom Hersteller mit bis zu 5 Stunden angegeben wird. Ich habe auch den Betrieb mit einer Powerbank getestet, diese Art der Betriebsspannung funktioniert ebenfalls einwandfrei. Somit ist die maximale Flexibilität im mobilen Betrieb gewährleistet.
Welche Anschlüsse bietet der Zoom R12?
Der Zoom R12 kann bis zu 8 Spuren gleichzeitig wiedergeben, wobei jedoch nur maximal 2 Spuren gleichzeitig aufgenommen werden können. Dementsprechend verfügt der Multitracker auch nur über 2 XLR/Klinke-Kombi-Eingangsbuchsen auf der Rückseite des Gehäuses. Sofern man mit einem Kondensatormikrofon arbeitet, kann man auf beide Buchsen bei Bedarf 48 V Phantomspeisung aufschalten. Input 1 kann bei Bedarf mit einem einfachen Schalter auf hochohmig geschaltet werden, so dass man auch Instrumente wie Gitarre oder Bass direkt aufnehmen kann. Bei Line-Pegel gilt es, den Ausgangspegel im Auge zu behalten, da eine PAD-Schaltung nicht vorhanden ist.
Ausgangsseitig bietet der Zoom R12 zwei TRS-Buchsen für den Stereobetrieb, zwei Aktivlautsprechern und einen Kopfhörerausgang, welcher leider nur in Miniklinke ausgeführt wurde, obwohl auf dem Panel noch ausreichend Platz vorhanden ist. Wahrscheinlich geht Zoom davon aus, dass nahezu jeder Studiokopfhörer über einen abschraubbaren 6,35 mm Adapterstecker verfügt, aber nur die wenigsten Mobil Devices 3,5 mm Kopfhörer über einen entsprechenden Aufsatz. So gesehen ergibt diese Lösung schon Sinn, wenn nicht die furchtbare Haptik und das stets bedrohliche Drehmoment des Steckers eine übervorsichtige Handhabung voraussetzt. Abschließend bietet Zoom noch einen Kensington Diebstahlschutzschlitz und einen vertieft angebrachten, relaislosen On/Off-Schalter.
Die Bedienoberfläche des Zoom Multitrack-Recorders
Auch das Frontpanel wurde in seinen Regelmöglichkeiten auf ein Minimum begrenzt, wobei dem Click hingegen eine Extraportion Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Mittels eines Schalters lässt sich der Click entweder auf den Kopfhörer oder auf die beiden Outputs schalten, zudem kann man ihn mittels eines Drehreglers im Kopfhörerbetrieb zusätzlich in der Lautstärke regeln bzw. über einen Druckschalter komplett deaktivieren. Sowohl die Ausgänge, als auch der Kopfhörerausgang besitzen separate Ausgangsregler, was eine schnelle Pegelanpassung ermöglicht. Leider verfügt keiner der Hardware-Potis über eine Gehäusekonterung, so dass die Potis direkt auf der Platine angelötet sind. Dies muss nicht, kann aber eine Möglichkeit für Mikrorisse und somit Probleme im Signalweg bieten. Allerdings ist eine Konterung für diesen Ladenpreis wahrscheinlich nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar.
Das Bedienungsfeld des Zoom R12 ist einem Kassettenrecorder gar nicht mal so unähnlich, wenn man die reduzierte Haptik einmal außer Acht lässt. Lediglich ein lautes Klicken und ein minimaler Druckpunkt lassen erkennen, ob man die Taste betätigt hat. Um einer versehentlichen Fehlbedienung zuvorzukommen, hat man den Record-Button mit einem „Sicherheitsrahmen“ aus Kunststoff umgeben. Einfach, aber selbst bei schlechten Lichtverhältnissen gut zu ertasten. Mittels 10 Stück 35 mm Fader lassen sich im Mixdown die 8 Aufnahmespuren zzgl. eines FX-Reglers und eines Master-Reglers per Hand regeln. Für eine bessere Unterscheidbarkeit hat man die 8 Spuren mit einem farbigen Ring markiert. Sieht man von dem deplatziert wirkenden brauen Ring links außen ab, sind die farbigen Ringe einem Prisma gleich in den Farben Rot über Gelb, Grün bis hinunter zu Violett aufgelistet. Ein Hauch von Villa Kunterbunt, aber effektiv.
Wie lässt sich der Zoom R12 im Tonstudio einsetzen?
Wer sich etwas mit der Produktlinie von Zoom Multitrackern auskennt, wird wahrscheinlich schon bemerkt haben, dass der R12 mehr oder minder den Nachfolger des R8 und der kleine Brüder des R20 darstellt. Wie auch der R8 bietet auch R12 Rhythmus-Patterns (150 Stück) und 18 verschiedene Synthesizer-Sounds, die über ein USB-MIDI-Keyboard gespielt werden können. Ebenso arbeitet das Zoom R12 mit der GuitarLab Software von Zoom zusammen, so dass man im Display auswählen kann, welchen Sound und welchen Effekt man von der Desktop-Version übernehmen möchte.
Das Songprinzip ist bei vielen Multitrackern identisch. Man wählt Geschwindigkeit, Takt, Auflösung und Stilrichtung, danach kann man praktisch loslegen. Sehr schön ist, dass die Hardware-Fader im Display gespiegelt werden, was bei dem recht kleinen Display auch dringend nötig ist. Überhaupt bedarf es einer ruhigen Hand, insbesondere wenn man sich in den Edit-Modus begibt. Wer mit Multitrackern mit Touch-Display arbeitet, wird diese Einschränkung bereits kennen, wer aber von der DAW kommt, wird wohl eine gewisse Einarbeitungszeit benötigen. Über eine Move-in-Funktion kann man die jeweiligen Spuren etwas auseinanderziehen, allerdings fahren die Spuren dann recht stark aus dem Display heraus, was die Suche des genauen Editierungspunktes etwas erschwert.
Die Fader laufen relativ gut bzw. gleichmäßig, wenngleich die Fader sehr leicht, vielleicht einen Ticken zu leicht laufen, aber das ist Geschmacksache. Die aufgenommenen Spuren lassen sich leicht verschieben, kopieren, schneiden, im Prinzip alles, was man auch von einer DAW her kennt, nur in portabler Form. Der Edit-Bereich umfasst ebenfalls eine Undo/Redo-Funktion, allerdings nur über eine Stufe. Sollte man also einen Bearbeitungsschritt ungeschehen machen wollen, kann man dies nur unmittelbar nach der Editierung machen.
Als Limitierung besitzt der Zoom R12 als maximales Wiedergabeformat 24 Bit bei 44,1 kHz. Um ehrlich zu sein, dies ist das gleiche Format, das ich selbst für meine professionellen Produktionen benutze, wer hingegen höhere Formate wünscht, um selbige in seine DAW-Projekte zu importieren, muss die Formate entweder angleichen oder umrechnen.
Die Arbeitsgeschwindigkeit des Zoom R12 Prozessors lässt sich meines Erachtens mit einem durchschnittlichen iPhone vergleichen. Aufgaben wie File-Splitting erledigt er mit einer kleinen Rechenpause, die allerdings völlig im normalen Bereich liegt.
Könnte das Gerät 8 Spuren gleichzeitig aufnehmen wäre das für den Preis durchaus wohl ein No-Brainer. Aber nur 2 Spuren ist doch für fast alle Anwendungen ein K.O.-Kriterium und machen das Gerät quasi nutzlos. Die Bezeichnung Multitracker ist ja sogar schon grenzwertig, weil das Gerät das ja nicht gleichzeitig kann sondern nur nacheinander.
@ollo Genau: Sogar für einen Singer-Songwriter mit Akustikgitarre reichen die 2 Kanäle in dem Moment nicht mehr aus, wo er mal einen Bassisten oder Zweitgitarristen zu Besuch hat, der – des Live-Feelings wegen – naturgemäß gleichzeitig aufgenommen werden soll. Es gibt ja auch viele Duos und Trios mit mindestens 2 Stimmen und 2-3 Instrumenten, die gern mal draußen in der Natur aufnehmen wollen würden, mit der Option, einen fehlerhaften Track bzw. Moment im Track im Nachgang per Punch-in korrigieren zu wollen. Man denke dabei an die vielen YouTuberInnen… Der Zoom lässt also einige große Zielgruppen außer Acht – verpasste Chance! Denn gerade solche User hätten bestimmt Lust, ohne PC in freier Wildbahn aufzunehmen. Meine Empfehlung: Mindestens 4 Eingänge zur gleichzeitigen Aufnahme. Mit nur Zweien ist das Gerät eher nur für den zuhause sitzenden Einzelbrödler von Interesse, der seine Songs trackweise aufbaut. Aber dafür eignet sich ein (bereits vorhandenes) iPad o.ä. hervorragend.
Sorry, aber beim Blick auf das Display fühle es sich an, als wenn man auf den popeligen Mini-Screen eines Panasonic DECT-Mobilteils schaue.
Muss denn das 2022 noch sein?
Da ist ja fast mehr Rand, als Displayfläche.
Die 20€ mehr hätten deutlich was gebracht..
Ich kann hier nur den Livetrack L12 empfehlen. leistet bei drumrecording enorm gute dienste! als Audio interface am rechner oder als standalone mit sd card. ausserdem hat man 5 (!) headphonemixe, also für standalone recordings von bands optimal. bin echt begeistert nachdem ich ein ganzes Bandalbum ( auch) damit aufgenommen habe (also die drums n‘ bass)
Das Tascam Portastudio mit 4 Spuren hatte ich einst auch – und erinnere mich auf ähnliche Art daran. Was ich leider nicht so nachvollziehen kann, ist das Loblied auf die Features des obigen neuen Spielzeugs. Als hätte Zoom gerade eben den Multitracker erfunden. Mir will eher scheinen, Zoom hat die – tatsächlich von der DAW-Allmacht in die Vergessenheit gedrängte – Idee jetzt endgültig kaputtgehübscht.
Bis auf ihre bunten (aber gummizähen!) Tatschbildschirme stellen R12 und R20 doch eine konsequente Rückentwicklung dar, angesichts der Multitracker, die dieselbe Firma schon vor rund 15 Jahren am Start hatte: Zoom R24 und R8 (baugleich bis auf die unterschiedliche Kanalzahl). Ich mag deren Ausstattung hier gar nicht aufzählen, das würde zu lang. Interessiert auch keinen: Der Compy kann wirklich mehr. Allerdings auch schnell mal mehr Nerven kosten – weshalb ich schon länger nur mit Multitrackern aufnehme, um die Spuren dann in der DAW zu arrangieren, zu bearbeiten – als Subgruppen wieder in die R24 zurück und so fort: Ping-Pong wie einst, nur mit Total Recall. Für dieses Hin und Her eignet sich das Spurenmanagement der Zoom-Kistchen bestens. Mixdown auch via DAW – aber Recording und Punch In/Out flutschen an Trackern fast blind. Die Ohren am Sound!
Für mich daher schade, dass Zoom nichts mehr in die Weiterentwicklung steckt, sondern nurmehr außen hochstylt und innen totspart.
@Eibensang „Kaputtgehübst“ – sehr schön! ;-) Es macht Freude, solche kühn ausformulierten Beiträge zu lesen.
Ich finde die Idee eines solchen Geräts super. Verwende daheim auch ein Tascam DP24SD.
Klar, man hat weniger Optionen als am Computer, aber das zwingt einen sich auf die tatsächliche Musik zu konzentrieren.
Eine Neuauflage dieser Geräte mit Touchscreens und ein paar modernen Features ist top, den die Software des Portastudio ist inzwischen auch schon in die Jahre gekommen. Und die ganzen Podcast-Mixer eignen sich nicht zum richtigen aufnehmen (Abmischen, Punch-In, …) sondern eben eher zum Livestreaming.
Das Zoom sieht auf jeden Fall interessant aus. Vielleicht zieht Tascam ja nach und entwickelt auch eine Neuauflage der Portastudios.
@Trichter Völlig absurd ist die Konstruktion eines Multitrackers OHNE MIDI , und wenn schon eine kleine USB Buchse angebracht ist ( für das Keyboard !? ) hätte man die Gelegenheit nutzen können… grade für Anwender die ihre Tracks daheim mit Drumcomputer und Synthesizer bauen wäre MIDI zwingend notwendig.
Ich hätte mir ein paar Soundbeispiele gewünscht, oder ist das hier ein Quick-Test?
Aber vielleicht war ja auch gerade kein Demo-Gerät verfügbar, sowas kommt vor.
Frohe Ostern!
Die Hersteller gehen scheinbar immer davon aus, dass nur Gitarristen mit Multi-Trackern arbeiten möchten. Seit dem Tascam DP-02 habe ich keinen kompakten 8 Spur Recorder mit MIDI Clock mehr gesehen.
Vielleicht ist das auch versteckter Respekt, weil Keyboarder so ein perfektes Timing haben! 😂
Behringer mußte es den Grossen erst wieder mal vormachen, daß man mit einem Mischpult eventuell auch aufnehmen könnte, oder gar das Ganze alles in Einem als mehrspurige Maschine benutzen würde…