Jimi Hendrix’ anderes Instrument – das Recording-Studio
Dass Sänger & Gitarrist Jimi Hendrix wie kein andere Musiker seiner Zeit auch mit seinem Equipment Musik machte und live Effektgeräte, Amps und Boxen in den kreativen Prozesse einbezog ist bekannt. Sein ebenso wichtiges Instrument, dem wir einige geniale Alben zu verdanken haben, war das Recording-Studio – und seine Produzenten & Techniker Eddie Kramer und Alan Douglas.
Inhaltsverzeichnis
Jimi Hendrix Studio Artist
Waren die ersten beiden Alben ,Are You Experienced‘ und ,Axis: Bold As Love‘ (1967/68) offiziell noch von Entdecker Chas Chandler produziert worden, so wurde der Sänger, Gitarrist & Komponist Jimi Hendrix für die geniale Doppel-LP ,Electric Ladyland‘ auch als Producer und Musical-Director genannt. Von großer Bedeutung war bei diesen Produktionen der Tontechniker Eddie Kramer, der zwar auf keiner der aufgeführten Original-LPs genannt wurde, dessen Einfluss auf Hendrix‘ Studio-Arbeiten allerdings kaum hoch genug einzuschätzen ist. Was Aufnahme und Abmischung betrifft, liegen zwischen den o.g. ersten beiden Hendrix-Alben Welten, wobei zu bedenken ist, dass die von den Tontechnikern Dave Siddle und Gary Kellgren aufgenommenen Titel des Hendrix-Debüts ,Are You Experienced?‘ eine für ihre Zeit mehr als solide Arbeit darstellen. Eddie Kramer war auch erst ab ,Axis: Bold As Love‘ an Hendrix‘ Studioarbeiten beteiligt; berücksichtigt man seine ungemein kreative Verwendung der verschiedensten Raum- und Klangeffekte auf dieser LP, so ist kaum zu glauben, dass es sich hierbei um Kramers allererste Stereo-Aufnahmen handelt. Er hatte auch erst 1964 sein erstes Engagement in den Londoner Pye-Studios, wo er u.a. mit Sammy Davis Jr. und The Kinks zusammenarbeitete. 1966 wechselte Kramer in die Olympic Studios, und dort wurden u.a. die Small Faces, The Beatles und die Rolling Stones seine Klienten. Und 1967 Jimi Hendrix.
https://youtu.be/shU5R9rew2E
Studio-Kreativität im Vierspur-Zeitalter
Im Vergleich zu den heutigen Produktionsmöglichkeiten waren die Tonstudios der 60er-Jahre absolut spartanisch ausgestattet. So wurden die ersten beiden Hendrix-LPs in verschiedenen Londoner Studios – meist in den Olympic Studios sowie im Kingsway- und im Regent-Sound-Studio – noch in Vierspurtechnik aufgenommen; d.h., mit an heutigen Maßstäben gemessen, unvorstellbarem, analogem, unterstem Homerecording-Standard. Da mit zwei Bandmaschinen gearbeitet wurde, konnten immerhin die vorhandenen Möglichkeiten noch ein wenig erweitert werden. Eddie Kramer: „Man hatte also acht Spuren. Aber im Grunde hatte man keine acht Spuren – eigentlich hatte man nur sechs. Das Schlagzeug wurde zusammen mit dem Bass auf zwei Spuren aufgenommen, weil dieser Mix perfekt sein musste; dazu eine Spur für die Rhythmusgitarre und noch eine Spur für die Lead-Gitarre. Dann überspielte man das alles auf zwei Spuren der zweiten Vierspur-Maschine. So hatte man noch zwei Spuren für Lead- und Background-Gesang übrig – und für alles andere. Und das war’s. Das heißt, alles musste von Anfang an perfekt sein.“
Bei dieser Methode war natürlich wegen des dabei entstehenden Nebengeräuschpegels sowie starker Einbussen im Frequenzgang ein mehrmaliges hin und her Überspielen unmöglich. Die amerikanischen Studios, in denen Hendrix später aufnahm und produzierte, waren da schon komfortabler ausgestattet: Im New Yorker Record Plant standen zunächst zwölf und später – wie im Electric-Lady-Studio – 16 Spuren zur Verfügung. Zum Vergleich: Bereits 1990 befanden sich hier insgesamt drei Studios, die mit einem Aufnahme-Equipment von je 48 Spuren ausgerüstet sind. Und schon lange ist auch hier die digitale Welt der unbegrenzten Möglichkeiten Alltag sein – wie in vielen Homerecorder-Kinderzimmern.
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Der Klangmaler Jimi Hendrix
Jimi Hendrix kaufte, wenn man Zeitzeugen glauben kann, außer Gitarren und Verstärkern auch eine Menge weiterer Instrumente wie Pianos, Trompeten, Saxophone, Bässe, um sich näher mit ihnen zu befassen und vielleicht irgendwann ein Soloprojekt auf die Beine zu stellen. Dies war möglicherweise einer der wichtigsten Gründe für sein Interesse an den Electric-Lady-Studios, die zu einem wesentlichen Teil nach seinen Vorstellungen konzipiert worden sein sollen. Sein ausgeprägtes Bedürfnis nach optimalen Produktionsbedingungen ist zugleich ein deutliches Zeichen für eine Verlagerung seiner musikalischen Interessen. Nach fast zehn Jahren on the road (davon die allermeiste Zeit als unbekannter Begleitmusiker) wollte sich Hendrix, so paradox es klingen mag, wieder mehr der Musik widmen, und dies war für ihn in erster Linie möglich, indem er im Studio experimentierte – eine Arbeitsweise, die seinen Vorstellungen wesentlich näher kam als die von kommerziellen Zwängen bestimmten Reisen von einem Konzert zum nächsten.
Der amerikanische Gitarrist Eddie Martinez charakterisiert den Studio-Musiker Hendrix sehr treffend: „Er war der erste Gitarrist, der das Tonband als seine Leinwand benutzte, um darauf Klänge zu malen.“ Und Eddie Kramer stellte fest: „Er beschrieb die Sounds, die er haben wollte, wie Farben, wie Klangfarben – er besaß ein umfassendes esoterisches Begriffsvokabular, sprach viel von Räumen. Es gab keine effektivere Methode, mit der Arbeit an Klängen umzugehen, denn auf dieselbe Weise arbeitete ich auch.“
Hendrix war zweifellos kein gelernter Studiotechniker oder Toningenieur, aber sehr offen und interessiert. Und aufgrund seiner Zusammenarbeit mit Eddie Kramer war es ihm jedoch möglich, seine Ideen präzise zu formulieren und umzusetzen. Kramer seinerseits hatte von Anfang an zumindest die Grundprinzipien von Hendrix‘ Musik begriffen. Was keineswegs selbstverständlich war, wie die bereits beschriebenen Begegnungen mit den BBC-Tontechnikern zeigten. Für Eddie Kramer hingegen stellte auch die extreme Lautstärke der Hendrix-Gitarre, die bei Aufnahmen jener Zeit eher unüblich war, kein Problem dar, obgleich Hendrix auch im Studio meist über zwei 100-Watt-Marshall-Stacks mit der üblichen Bühneneinstellung spielte. Oft waren seine Türme mit verschiedenen Effektketten versehen, und teilweise wurde die Gitarre auf diese Weise sogar in Stereo aufgezeichnet; in vielen Fällen wurde sie auch ohne irgendeinen hinzugefügten Effekt aufgenommen und erst im Nachhinein mit Hall, Echo, Phasing, etc. versehen.
Einige Gitarrensoli hat Hendrix von vornherein so konzipiert, dass sie in der endgültigen Fassung des Songs rückwärts abgespielt werden konnten, so etwa die Soli in ,Are You Experienced?‘ (von der gleichnamigen LP) und in ,You’ve Got Me Floating‘ und ,Castles Made Of Sand‘ (vom Album ,Axis: Bold As Love’). Bei dieser Backward-Guitar- bzw. Reversed-Tape-Technik ging er so vor, dass er die bereits aufgenommenen Musikteile, über die er sein Solo zu spielen hatte, rückwärts abhörte und dann quasi live das Gitarrensolo dazuspielte. Wurde dann der komplette Track „vorwärts“ abgespielt, war natürlich der Lead-Part der Gitarre in umgekehrter Laufrichtung zu hören. Gerade diese Technik soll Hendrix ausgezeichnet beherrscht haben, denn er konnte anscheinend sehr gut abstrahieren: Angeblich wusste er immer genau, an welcher Stelle er sich in dem betreffenden rückwärts abgespielten Stück befand. Bei manchen Aufnahmen wurden auch andere Instrumente auf diese Weise abgemischt; was das Schlagzeug angeht, ist zu vermuten, dass hier nur einzelne Sounds wie etwa die länger ausklingenden Becken „umgedreht“ wurden.
- Im Februar 1974 erschien das posthume Album ,Loose Ends‘ mit interessantem Studiomaterial verschiedener Besetzungen.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Hendrix einerseits immer wieder als äußerst disziplinierter Studio-Musiker beschrieben wird, dass er andererseits jedoch, angetrieben von einer permanenten Unzufriedenheit mit seiner Arbeit, immer neue Takes seiner Soli einspielte und sich häufig nicht entschließen konnte, eine Version zu akzeptieren. Aus dem selben Grund zeigte er sich oft unzufrieden mit der Arbeit seiner Mitmusiker, was dazu führte, dass er in manchen Stücken zum Beispiel auch die Basslinien höchstpersönlich einspielte und in der Aufnahme ,Blue Suede Shoes‘ von der posthum erschienenen LP ,Loose Ends‘ versuchte, Drummer Buddy Miles mit Worten und Gesang die passende Schlagzeugbegleitung zu demonstrieren. Der gute Buddy hatte bei dieser Gelegenheit allerdings Aufmerksamkeits-Störungen, oder den Kanal so voll, dass er einfach nichts davon kapierte – sehr unterhaltsam!
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Der Experimentalist Hendrix
Zum Teil nahmen Hendrix‘ Experimente mit Klangeffekten groteske Formen an. Als er einmal einen Unterwasser-Sound beziehungsweise seine persönliche Vorstellung davon realisieren wollte, ließ er anfangs präparierte Gitarrenlautsprecher in Wasserbehälter installieren, ein Versuch, der jedoch nicht das gewünschte Ergebnis lieferte. So unternahm Eddie Kramer schließlich doch den Versuch, diesen Effekt auf elektronischem Weg, mit Hilfe von Phasing und Klangfiltern, zu erzeugen. Die Seemöwenschreie, die sich Hendrix für das Stück ,1983 … (A Merman I Should Turn To Be)‘ von ,Electric Ladyland‘ wünschte, erzeugte er in Zusammenarbeit mit Kramer durch Feedback-Geräusche der Kontrollkopfhörer, die anschließend mit diversen Effekten wie langsamen Echos und Stereo-Panning bearbeitet wurden. In ,EXP‘ (auf ,Axis: Bold As Love‘) wurden ebenfalls Panorama-Effekte eingesetzt; hinzu kamen hier noch andere Gestaltungsmittel wie etwa die Manipulation der Tonhöhen von auf Band aufgezeichneten Stimmen durch ständige Veränderung der Bandgeschwindigkeit. Für das Intro-Thema des Titels ,Burning Of The Midnight Lamp‘ (auf dem Album ,Smash Hits‘) wurde der WahWah-Gitarren-Sound mit dem Klang eines Cembalos gemischt.
Die meisten anderen Effekte, die ebenfalls nur mit Hilfe der Studiotechnik zu realisieren waren, wurden von Hendrix ab den Aufnahmen zum zweiten Album ,Axis: Bold As Love‘ eingesetzt. Der spektakulärste Sound jener Zeit war zweifellos das Phasing. Heute wird dieser Effekt elektronisch realisiert, in den 60er-Jahren benutzte man dazu zwei Bandmaschinen, auf denen man die selbe Aufnahme synchron abspielte und während dieses Vorgangs geringfügig die Geschwindigkeit und die Klangfarbeneinstellung einer der beiden Maschinen veränderte; führte man nun das Originalsignal und das manipulierte Signal zusammen, so entstanden ständig variierte Verstärkungen und Abschwächungen im Klangbild, die einem sich im Raum bewegenden Klang ähnelten. Hendrix soll mit diesem Effekt immer eine Unterwasseratmosphäre assoziiert haben. Titel, in denen das Phasing eingesetzt wurde, sind zum Beispiel ,Bold As Love‘, ,Have You Ever Been (To Electric Ladyland)‘ und ,House Burning Down‘.
- Gutes Buch: Hendrix Sessions 1963-1970 von John McDermott, erschienen bei Edition Olms
Ein weiteres Verfahren, das Automatic Double Tracking (ADT), diente dazu, der Gesangsstimme oder irgendeinem anderen aufgenommenen Signal den Klangcharakter von zwei Unisono-Stimmen zu verleihen. Singen etwa zwei menschliche Stimmen gleichzeitig die selbe Tonfolge, führt dies aufgrund minimaler Intonationsdifferenzen und unterschiedlicher Klangfarben nie bloß dazu, dass sie sich gegenseitig verstärken. Der Grund dafür ist eben, dass sie in keinem Fall hundertprozentig gleich klingen, und dadurch entstehen Schwebungen, die dem Gesamtklang diesen typischen, chorähnlichen Charakter geben. Genau diesen Effekt sollte das ADT simulieren. In Hendrix‘ Werk ist es jedoch ein vergleichsweise dezent verwendetes Gestaltungsmittel geblieben, das nur in wenigen Passagen des Titels ,One Rainy Wish‘ zu hören ist. Technisch wurde der Effekt realisiert, indem die Originalaufnahme der Stimme auf eine zweite Bandmaschine kopiert wurde, bei der die Abspielgeschwindigkeit mit Hilfe eines Oszillators ständig geringfügig verändert wurde; zusätzlich wurde die zweite Bandmaschine gegenüber der ersten in zeitlichem Abstand (im Millisekunden-Bereich) gestartet. Beim Zusammenmischen von Original und Kopie entstanden dann die genannten Schwebungen beziehungsweise der Choreffekt.
Das schon erwähnte Panning, das im Endergebnis den Sound zwischen den beiden Lautsprechern einer Stereo-Anlage hin und her wandern lässt, kann zum einen von Hand mit Hilfe des betreffenden Mischpultreglers erzeugt werden, lässt sich aber auch auf elektronischem Weg über einen Oszillator erzielen – in beiden Fällen entsteht der berühmte Ping-Pong-Effekt. Das beste Beispiel für einen extremen Panning-Einsatz bei Hendrix findet sich in ,EXP‘ vom ,Axis: Bold As Love‘-Album.
Raumeffekte wie Echo und Hall wurden entweder mit Hilfe eines Band-Echos – zum Beispiel mit dem Echoplex – oder unter Einsatz von EMT-Hallplatten erzielt. Während die Echoeffekte, die oft auch zur Feedback-Unterstützung eingesetzt wurden, in Hendrix‘ klangmalerischen Kompositionen wie etwa ,1983 … (A Merman I Should Turn To Be)‘ meist sehr deutlich hervortreten, wurde der Hall eher zurückhaltend verwendet, in der Regel nur, um bestimmte Instrumente oder Stimmen aus dem Klangbild hervorzuheben. Das bekannte Intro des Dylan-Songs ,All Along The Watchtower‘ ist in dieser Hinsicht schon etwas extrem ausgefallen.
Darüber hinaus standen Hendrix auch Geräte mit weniger spektakulären Effekten zur Verfügung, zum Beispiel Kompressoren und Limiter-Einheiten zur Dynamik-Begrenzung und, wie bereits im Zusammenhang mit dem Phasing erwähnt, erweiterte Klangregelungsmöglichkeiten wie der Pultec-Filter; hiermit konnte Hendrix bestimmte Frequenzanteile aus einem Signal herausfiltern und auf diese Weise neue Sounds kreieren. Anzumerken bleibt, dass die Übergänge von der üblichen Bearbeitung eines Signals über die Klangregelstufen des Mixers bis hin zur totalen Verfremdung durch aktive Filtereinheiten, die zu Effektzwecken eingesetzt wurden, durchaus fließend sind.
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Gitarren-Recording Ende der 1960er-Jahre
Für die Aufnahme der Gitarren-Parts gab es mehrere Verfahrensweisen: Zum einen – mit Hilfe eines oder mehrerer Mikrofone – die gewöhnliche Art der Abnahme der kompletten Gitarrenanlage inklusive vorgeschalteter Effekte von den Lautsprecherboxen. Zum anderen die Methode, die Gitarre direkt ans Mischpult beziehungsweise das Aufnahmegerät anzuschließen – „Direct Injection“ (D.I.) genannt. Der direkt aufgenommene „nackte“ Gitarrenton konnte dann im Nachhinein noch mit Effekten bearbeitet werden, was vor allem bei einigen Gitarrenspuren der posthum erschienenen Hendrix-LP ,Cry Of Love‘ geschehen ist. Hier wurden angeblich auch cleane Gitarrenspuren nachträglich durch übersteuernde Marshall-Amps gejagt und das Ergebnis dann neu aufgenommen – diesen Vorgang bezeichnet man als Re-Amping. Natürlich wurden beide Methoden auch kombiniert angewandt, indem das Gitarrensignal zunächst gesplittet wurde: Ein Anteil ging seinen normalen Weg durch Hendrix-Effektgeräte in seinen Verstärker, dessen Lautsprecher mit Mikrofonen abgenommen wurden. Das zweite, von der Gitarre abgegriffene Signal wurde clean aufgezeichnet. Beide Varianten konnten dann einzeln, nebeneinander im Stereo-Spektrum, oder zu einem neuen Sound zusammengemischt, verwendet werden.
Eddie Kramer hat in Interviews erklärt, dass er an einer totalen technischen Analyse seiner Arbeiten mit Hendrix nicht interessiert sei, was heißt, dass er nicht sämtliche Techniken und Tricks offenlegen will. Der Journalist Don Menn bemerkte hierzu: „Ein Grund dafür ist, dass Kramers eigene Arbeitsweise oft zu sehr auf Improvisation beruhte, um sie methodisch beschreiben zu lassen; ein anderer besteht darin, dass er Studiotechniken, die er als die raffinierteren Details seiner Arbeiten betrachtet, nicht ausplaudern möchte.“
Wie auch immer man diese Erklärung bewerten mag: Es war in erster Linie Eddie Kramer, der für Hendrix das Instrument Studio spielbar gemacht und so die Fundamente für seine Musik auf Tonträger gelegt hat.
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Jimi Hendrix‘ Studio-Workflow
Einige Anmerkungen noch zu Jimi Hendrix‘ Arbeitsweise: Während er anfangs stets mit fertig ausgearbeitetem Material ins Aufnahmestudio ging und es dann nur noch leicht veränderte, begann er später, praktisch alles, was im Studio musikalisch passierte, mitzuschneiden; Jams und Improvisationen wurden komplett aufgenommen und anschließend auf ihre Verwendbarkeit überprüft, ganz im Sinne des von Gitarrist Robert Fripp (King Crimson) geprägten Mottos: „Rationalize after the event!“ Der Zeitaufwand für die Produktion einzelner Stücke war aus den genannten Gründen äußerst unterschiedlich; je größer die technischen Möglichkeiten waren, desto ausgiebiger wurden sie auch genutzt.
Der Produzent Alan Douglas, der nur kurze Zeit mit Hendrix zusammenarbeitete, bestätigt den weitgehend improvisatorischen, auf organische musikalische Entwicklung abzielenden Ansatz der späten Hendrix-Phase, betont aber zugleich dessen Interesse an einem möglichst weitgehenden persönlichen Einfluss auf den musikalischen Gestaltungsprozess: „Er produzierte ständig Basic-Tracks, und wenn man glaubte, er würde gerade die definitive Version eines Stücks aufnehmen, war sie in Wirklichkeit keineswegs definitiv, weil er sich Gedanken darüber machte, was er noch auf elektronischem Weg mit ihr anstellen sollte. Er dachte wie ein Produzent, und das Beste, was man tun konnte, war, ihm beim Produzieren zu helfen. Man konnte nicht stellvertretend für ihn produzieren – er dachte dafür zu weit voraus.“
In diesem Zusammenhang fiel Douglas nach eigenen Angaben als Produzent häufig die Aufgabe zu, das von Hendrix in Grundzügen konzipierte musikalische Material zu strukturieren, um es für die beteiligten Musiker nachvollziehbar zu machen und auf diese Weise eine Zusammenarbeit überhaupt erst zu ermöglichen. Kritisch anzumerken ist hier jedoch, dass Douglas in seinen Interview-Äußerungen oft den Anschein erweckt, als wolle er sich als der von Hendrix persönlich legitimierte Nachlassverwalter präsentieren, dem sogar quasi kompositorische Eingriffe in dessen Werk gestattet waren, auch posthum. Seine zu Recht umstrittenen Hendrix-Veröffentlichungen ,Midnight Lightning‘ und ,Crash Landing‘ (beide 1975 erschienen) haben seinen guten Ruf als Produzent jedenfalls eher belastet als gefestigt. Einige später unter seiner Aufsicht publizierte Studio- und Live-Mitschnitte, die im wesentlichen unbearbeitet blieben, waren durchaus eine Bereicherung – für den Plattenmarkt wie für den Produzenten. Aus den genannten Gründen sind Alan Douglas‘ Stellungnahmen zum Thema Jimi Hendrix mit Vorsicht zu genießen; seine Verdienste um die Veröffentlichung von Hendrix‘ Musik bleiben hiervon allerdings unberührt.
- Drei posthum veröffentlichte Alben, bei denen Produzent Alan Douglas in einigen Tracks größeren Anteil hatte als Jimi Hendrix.
Hendrix selbst hatte oft Schwierigkeiten mit Tontechnikern und Produzenten, vielleicht deshalb, weil er nicht immer in der Lage war, jedem seine Vorstellungen verständlich zu machen. Aus diesem Grund arbeitete er sich allmählich in diesen Bereich ein und konnte so im Studio in zunehmenden Maß die Regie übernehmen. Das Album ,Electric Ladyland‘ (10/1968) sollte ja erst der Anfang seiner Arbeit als selbstbestimmter bzw. bestimmender Produzent und Musiker sein – leider blieb ihm ja dann keine Zeit mehr dafür.
Sein weitreichendes Interesse an den technischen Aspekten seiner Album-Produktionen äußert sich auch in der von ihm immer wieder vorgebrachten Kritik an der mangelnden Sorgfalt bei der Herstellung der Master-Folie für die Vinyl-Pressung. In einem Rundfunk-Interview von 1969 hob er gegenüber seinem Gesprächspartner Meatball Fulton außer seiner allgemeinen Unzufriedenheit mit den unzureichenden technischen Bedingungen, unter denen er zu arbeiten gezwungen war, auch hervor, dass allein wegen der mangelhaften Qualitätskontrolle bei der Master-Fertigung sein mühsam entwickeltes und zu guter Letzt auch realisiertes Sound-Ideal für den Plattenhörer nicht authentisch nachvollziehbar sei. Der amerikanische Gitarrenbauer und Popmusik-Pionier Les Paul war es übrigens, der Hendrix auf die Bedeutung dieser wichtigen Etappe einer jeden Plattenproduktion hingewiesen hatte, die zugleich auch die häufigste Ursache für Jimis chronische Unzufriedenheit mit dem klanglichen Endresultat seiner ersten beiden LPs war. Bei der ,Electric Ladyland‘-Produktion hatte er es sich deshalb nicht nehmen lassen, beim Schneiden der Masterfolie persönlich anwesend zu sein: Bei rund der Hälfte der Stücke dieses Doppel-Albums überwachte er diesen Teil des Produktionsprozesses – eine Anstrengung, die sich, vor allem im Vergleich mit der Debüt-LP, hörbar positiv niedergeschlagen hat.
Und was kann man über 30 Jahre später von Jimi Hendrix als (Studio-)Musiker lernen? Eines vor allem: Versuche alles zu verstehen und nach Möglichkeit zu beherrschen, was mit der Produktion deiner Musik zu tun hat – und mach es selbst! Zumindest so lange es niemand anders besser kann. Außerdem: Experimentiere bis der Arzt kommt! Kunst hat sich nie anders weiterentwickelt. Und das alles war, dank immer preisgünstigerer Aufnahmetechnik und dem Medium Internet, noch nie einfacher als heute. Wenn man dann noch mit offenen Augen und Ohren durchs Leben geht, dabei Trends & Moden nicht wichtiger nimmt als nötig, vielleicht auch mal in den eigenen Kopf reinhört, ist man vielleicht bereit, seine eigene Musik zu machen. Und dann kann es spannend werden … ■
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Nächsten Sonntag, 17 Uhr …
geht es weiter mit JIMI ON SUNDAY 11 und dem Thema SPIELTECHNIK!
Danke fürs Lesen und bis demnächst!
Sehr spannender und informativer Beitrag. Solche Background Infos sind super, danke, und bitte mehr davon :)
@Karatefaust Dankeschön, Karatefaust! Mehr ist in Arbeit.
Auch von mir ein herzliches Dankeschön für den Artikel. Ich als Elektronik-Musiker habe mit Gitarren nun so gar nichts am Hut (ich hätte eher Angst, mich dabei ernsthaft zu verletzen 😁). Ich muss auch gestehen, dass mir persönlich die Musik vom Herrn Hendrix nun … äh … ich sage mal vorsichtig: Ich bin erstaunt, dass da alle so darauf abfahren. Das sagt nun eine ganze Menge über mich aus und wenig über das Schaffenswerk des Herrn Hendrix. Ganz platt: Ich kann das nicht hören, aber ich finde es trotzdem spannend. Man lernt ja immer gerne dazu, wie jemand dazu kommt, das zu machen, was er macht. Deswegen: Immer gerne mehr davon. 🙂
@Flowwater Lieber Flowwater,
vielen Dank für deine Meinung, die mir sehr gut gefällt. Denn du drückst mit viel Respekt aus, dass du mit dieser Musik nichts anfangen kannst. Wie du weißt, tut genau das ein Teil der Musikerwelt ganz anders: „… ist scheiße“, „Total überbewertet“, „hat keine Skalen drauf“, „Metal ist Dreck“ etc.
Ich kann dich gut verstehen, weil ich eine extreme Mozart-Allergie ;-) habe, und mir dessen Musik wirklich nicht gut bekommt; aber dass Wolfgang Amadeus trotzdem einen guten Job gemacht hat, müssen wir nicht diskutieren. Einfach mal zu sagen „…. gefällt MIR nicht“ und dann zu erzählen, was mir/dir gefällt, und ich entdecke dann vielleicht was Neues – genau das ist ein Grund, wegen dem ich meinen Job liebe.
Unser Privileg, nur das zu genießen, was uns an Musik, Kunst, Mode gefällt und den Rest einfach zu ignorieren, haben viele einfach noch nicht erkannt – und regen sich lieber tagelang über Helene Fischer und Jazz auf.
Deine Offenheit finde ich großartig! Und die ist auch entspannend, richtig? ;-)
Viele Grüße & einen schönen Tag,
Lothar
@LOTHAR TRAMPERT Hallo Lothar,
ich versuche halt fair zu bleiben … geht nicht immer, aber immer öfter klappt’s dann. 🙂
»Heavy Metal« ist auch nun so gar nichts für mich – je nach Ausprägung habe ich große Angst, dass die Kollegen durch die Boxen hindurch »Geißeln nehmen« (wer erkennt das Zitat?) – aber ich habe trotzdem großen Respekt vor den Kollegen mit den »Äxten«. Live habe ich meistens das Gefühl, dass da Musiker ernsthaft für ihr Geld arbeiten. 😀
Übrigens: Ich habe eher zwangsweise den Streaming-Dienst »YouTube Music«, und habe mich gestern dabei erwischt, über diesen in einige Alben vom Onkel Jimi hinein zu hören, vor allem in »Electric Ladyland«. Vielleicht hat sich mein Musikgeschmack über die Jahre geändert … aber vieles fand ich doch jetzt echt ziemlich cool. »Voodoo Chile« … whow! 😎😃
Danke für den tollen und mit viel Liebe und gut (!) geschriebenen Artikel! Ein Genuss, zu lesen.
Ich freue mich schon auf den nächsten Artikel!
Dankeschön!
Dann bis nächste Woche, BAG!
Mich interessiert das Thema sehr, ich muss zu meiner Schande allerdings gestehen, dass dieser Teil der erste ist, den ich tatsächlich gelesen habe. Aber der Rest kommt noch
Für mich das interessanteste Faktum ist, dass ein über jeden Zweifel erhabener live Musiker das Studio ebenso hoch einschätzt. Ich kenne eine große Zahl von Musikern, die nur das live musizieren akzeptieren Hendrix ist genau einer der Beispiele, der zeigt, dass das eine gut und das andere nicht schlecht ist, es ist einfach ein anderer Ansatz, seinen künstlerischen Output zu formen. Ach ja, Lothar, bei mir ist es nicht Mozart sondern Bach. Das ist mir rhythmisch zu öde. Harmonisch erste Sahne.
@Tai Es sind unterschiedliche Ansätze – wie du sagst. Hendrix live war Action Painting. Hendrix im Studio konzentrierte, detaillierte Arbeit über Stunden und Tage an einem „Klangbild“.
Viele Grüße an den Bach-Allergiker ;-)
100% deiner Meinung, Rainer! ,Electric Ladyland‘ ist für mich ein Hörspiel, eine Klangreise – da ist das Album genau so Komposition wie jeder einzelne Track. Und sich ,All Along The Watchtower‘ zu schnappen, das ein Jahr vorher von Bob Dylan veröffentlicht wurde, war genau so genial.