Alles, was du über Sounds mit dem Fretless-Bass wissen musst!
Der Fretless-Bass ist ein großartiges Instrument! Mit seiner Symbiose aus E-Bass und Kontrabass verbindet er das Beste seiner Eltern und ist heute unverzichtbarer Bestandteil der Musikwelt. Egal ob Jazz, Swing, Latin, Pop oder Rock, überall ist er zu finden und bereichert mit seinen eigenständigen Klängen das Geschehen. In diesem Workshop zeige ich euch die wichtigsten Tipps und Tricks, damit auch ihr einen tollen Sound auf dem Fretless kreieren könnt.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung und Geschichte
Wann und wie genau der Fretless-Bass erfunden wurde, ist bis heute ungeklärt. Die Anfänge liegen irgendwo in den 50er- und 60er-Jahren zwischen der Firma Ampeg und der Experimentierfreude verschiedener Bassisten. Ampeg wurde Ende der 1940er-.Jahre von den Evertt Hull und Jess Oliver gegründet. Beide waren gut beschäftige Kontrabassisten in NYC, jedoch unzufrieden mit dem damaligen Equipment, welches nicht auf den Bass ausgelegt war. Also setzten sie sich zusammen und entwickelten Tonabnehmer und Verstärker für den Kontrabass, um diesen in den immer lauter werdenden Bands Gehör zu verschaffen. Als erfahrene Musiker wussten sie natürlich auch um die Probleme beim Transport und brachten deswegen mit dem Ampeg Baby Bass, eine Art kleinen Kontrabass, auf den Markt, der so was wie ein Vorläufer vom EUB und Fretless-Bass anzusehen ist.
Gleichzeitig bastelten E-Bassisten ebenso an ihrem Material. Der in den 50er-Jahren neu aufkommende Fender Bass entwickelte sich schnell zum Bestseller, da auf einmal ein Bass leicht transportiert und unkompliziert gespielt werden konnte. Nicht jeder Bassist war aber mit dem „Precision“-Sound der Bünde zufrieden, also wurden diese kurzerhand wieder entfernt. Einer der ersten Musiker mit solch einem Instrument war kein geringerer als der Bassist der Rolling Stones Bill Wyman. Aus der Not geboren, da sein Bass so viel schnarrte, entfernte er die Bünde und war dann von dem Sound so begeistert, dass er nie wieder welche einsetzte.
Mitte der 60er kam dann mit dem Ampeg Unfretted-Bass das erste Serienmodell eines Fretless-Basses auf den Markt, in den 70er folgten dann weitere Firmen wie Fender. Ab hier sollte sich der Fretless-Bass dann auch endgültig zu einem eigenständigen Instrument entwickeln, Bassisten wie Jack Bruce von Cream oder Pino Palladino begannen ihre Karrieren auf dem bundlosen Instrument. Und natürlich schwebt über allem der geniale Jaco Pastorius, der wohl als einer der Väter des modernen Bassspiels bezeichnet werden kann und sich ganz seinem bundlosen Jazz Bass verschrieb.
Die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten
Bevor wir uns der Frage nach einem gutem Fretless-Bass-Sound widmen, müssen wir uns zuerst über den Einsatzzweck des Instruments im Klaren sein. Als Zwitter aus E-Bass und Kontrabass ist der Fretless-Bass in vielen Welten zu Hause und muss manchmal völlig unterschiedene Aufgaben erfüllen. So kann er in der Big Band ein Ersatz für die dicke Oma sein und für swingende Walking-Bass-Lines sorgen oder im Latin-Ensemble den Ampeg Baby Bass imitieren. Er kann tief und fett im Blues die 8tel shuffeln oder leicht verzerrt im Rockbereich viel Sound und Fläche geben. In der Popband kann er mit einigen Effekten solistische Einlagen geben oder ursprünglich auf dem Synthesizer eingespielten Linien imitieren. Möglichkeiten gibt es also genug und in diesem Workshop wollen wir uns gemeinsam ein paar anschauen.
Auswahl des Instruments
Für welchen Fretless-Bass man sich entscheidet, bleibt natürlich eine sehr individuelle Entscheidung, hier gibt es kein Richtig oder Falsch. Je nach Musik, die man spielen will, passt das eine oder andere Instrument besser, weswegen es schwierig ist, eine klare Empfehlungen zu geben. Wer einen tiefen und dicken Sound sucht, weil er den Fretless im Bereich Swing, Blues und Rock einsetzen will, der sollte zu einem bundlosen Precision Bass greifen. Wenn es etwas moderner sein darf, braucht man einen Bridge-Pickup, da diese in der Regel knackier und heller klingen und mehr Obertöne produzieren. Flexibel und vielseitig unterwegs ist man mit einem Jazz Bass, da man hier die größten Möglichkeiten hat, den Sound zu modulieren.
Letzteres ist auf meine Wahl gewesen, der gleich in den Beispielen zu hörende Bass ist mein Oliver Lang Cadiz Fretless. Im Prinzip ist es ein Jazz Bass mit einer leicht verschobenen Position der Pickups sowie einer etwas kleineren Mensur. Auch die Hölzer sind einzigartig, so besteht der Body aus einem relativ hartem Mahagoni, auf welchem ein Hals aus Kastanie mit einem Griffbrett aus Katalox gesetzt wurde. Ein sehr eigenständiges Instrument mit einer ganz besonderen Klangfarbe, die an vielen Stellen eher an ein sonores Cello als an einem Bass erinnert, trotzdem aber auch traditionell klingen kann.
Der Sound im Allgemeinen
Schauen wir uns nun gemeinsam mal die vielen Möglichkeiten an, den Sound zu formen. Zu Beginn hören wir die drei Grundsounds meines Instruments an, ohne irgendwelche Effekte oder Preamps zu nutzen. Dabei habe ich zuerst mit offener Tonblende gespielt, dann mit geschlossener.
Soweit schon mal ganz gut, wie auch beim E-Bass kann man allein mit der Auswahl des Pickups den Sound hörbar variieren. Ein passives Instrument sollte meines Erachtens aber immer auch mit einem guten Preamp kombiniert werden, besonders beim Fretless-Bass sind mir Details und Nuancen wichtig. Meine Wahl ist nach vielen Jahren des Suchens und Testen auf den BP-2 der deutschen Firma Rheingold gefallen. Der kleine und handliche Preamp klingt wunderbar seidig und trifft in meinen Ohren genau die richtige Mischung aus einem direkten Ton und Wärme. Obwohl er „nur“ Bässe und Höhen als Möglichkeiten Klangformung mitbringt, ist er ebenso vielseitig einsetzbar und für mich unverzichtbarer Teil meiner Signalkette geworden, wenn ich Fretless-Bass spiele. Hier ein paar Beispiele mit dem Rheingold BP-2:
Verschiedene Sounds ohne Effekte
Steigen wir nun etwas tiefer in die Welt der bundlosen Klänge ein. Nach längerem Überlegen habe ich mich entschlossen, in diesem Workshop auf Beispiele aus YouTube zu verzichten, um den Artikel nicht unübersichtlich werden zu lassen. Die hier vorgestellten Sounds sind also Kreationen von mir, jedoch immer angelehnt an reale Vorbilder, denn natürlich wurde auch ich entsprechend geprägt.
Zu Beginn wollen wir mal schauen, wie wir unsere Grundsounds mit wenig Aufwand verfeinern können. Ein klassisches Einsatzgebiet des Fretless ist als Ersatz für einen Kontrabass. Aus meinem eigenen Alltag kann ich mich an unzählige Situationen erinnern, wo ich genau dies liefern musste, sei es weil der Transport der großen Oma zu aufwändig gewesen wäre (z. B. aufgrund öffentlicher Verkehrsmittel) oder zu wenig Platz auf der Bühne vorhanden war. Oft sind es auch nur wenige Songs am Abend, die solch einen Sound brauchen, weswegen der handliche Griff zum Fretless-Bass sinnvoller ist, als die dicke Oma dabei zu haben. Um den Sound des Kontrabasses zu imitieren, nutze ich vor allem meinen vorderen Pickup, der schön tief und fett klingt. Über einen EQ nehme ich die Höhen sowie die hohen Mitten raus, in meinem Fall mit dem wirklich guten 10-Band-EQ von MXR, natürlich kann man aber auch die Klangreglung am Amp benutzen. Die Tonblende wird je nach Bass und Saiten eingestellt, oftmals ist der Effekt eines offenen Potis und einem Cut der Höhen am EQ genau der Sound, welcher die berühmten Fingergeräusche plastisch sauber darstellt. Um dem Bass noch etwas das Sustain zu nehmen, kommt ein Schwamm unter die Saiten (alternativ kann man etwas wie den NordyMute von Nordstrand oder den BassMute von Ellio Martina verwenden) und schon hören wir einen Sound, der dem Kontrabass wirklich nahekommt und besonders im Mix kaum vom Original zu unterscheiden ist.
Um sich im Latin und Funk richtig Gehör zu schaffen, kommt der Bridge-PU ins Spiel. Dieser liefert in der Regel einen hellen Ton mit viel Attack und ordentlich Knorz. Der bekannteste Vertreter dieses Sounds dürfe ganz klar der bereits erwähnte Jaco Pastorius sein. Vor- und Nachteil zugleich ist die berühmte „Nase“, also Frequenzen um die 1000 Hz herum, welche den Ton schnell eng und quackig machen können. Auch fehlt dem Bridge-Pickup oftmals etwas Tiefe im Sound, weswegen wir wieder unseren EQ ins Spiel bringen. Mit ein wenig mehr Bässe im Ton und leicht weggenommenen Mitten zwischen 800 – 1200 Hz machen wir den Sound wunderbar trocken und direkt, ohne damit an Durchsetzungsfähigkeit zu verlieren. Wie viele Mitten man am Ende herausnimmt oder nicht, hängt natürlich sehr stark vom Instrument und der musikalischen Konstellation ab. Ein weiterer kleiner Helfer für diese Art von Sound ist der Fretwarp von Gruvgear, mit dem man die Obertöne etwas dämpfen kann und das Klangbild tighter macht.
Einen tiefen und groovigen Sound für Rock/Pop/Soul/R&B erzeuge ich in der Regel mit der Mittenstellung beider Pickups. Um dem Fretless-Bass genug Wumms zu geben, hebe ich die tiefen Mitten zwischen 250 – 400 Hz leicht an und wirke damit der natürlichen Auslöschung der Jazzbass Schaltung leicht entgegen. Schnell hat man für sein Instrument einen solide und gute Einstellung gefunden und ist in der Lage, jede Art von Song zu begleiten.
Signature-Sounds mit Effekten
Steigen wir nun noch tiefer in die Materie ein und werfen ein Blick auf diverse Pedale, welche mit einem Fretless zusammen gut funktionieren. Grundsätzlich sind dieselben Sounds wie beim E-Bass möglich, es braucht lediglich etwas Anpassung und Fingerspitzengefühl.
Für unseren ersten Sound benötigen wir eine Zerre nach Wahl, denn wir wollen den Fretless-Bass in einer Blues-Band einsetzen, welche sich zwischen traditionellen Sounds und Rock bewegt. Großes Vorbild hierfür ist natürlich Jack Bruce von Cream aber auch Bill Wyman aus den frühen Aufnahmen der Rolling Stones. Mein Zerrpedal ist seit Neustem der Tech 21 Sansamp Geddy Lee 40, den ich hier bereits zum Test hatte und nicht mehr gegangen ist. Ein angeknusperter Ton ist schnell eingestellt, hierbei ist es lediglich wichtig nicht zu viel Verzerrung einzusetzen, da der Fretless dann schnell seinen bundlosen Charakter verliert (und das wollen wir nicht!). Je nach Song nutze ich den Hals-PU oder die Mittenstellung beider Pickups und kann so auf der Bühne schnell und einfach variieren.
Ein weiteres und wichtiges Pedal für modernr Fretless-Sounds, wie sie gerne in den 80er-Jahren verwendet wurden, ist der Chorus. Er öffnet den Klang und gibt uns eine gewisse Räumlichkeit, die besonders bei Glissandi und Slides zur Geltung kommt. Nach langem Probieren bin ich persönlich beim MXR Bass Chorus Deluxe gelandet, welcher auch einen Flanger beinhaltet, was eine schöne Ergänzung ist. Für eine Ballade nehme ich dann noch einen kleinen Hall dazu, in meinem Fall den Mad Professor Silver Spring Reverb, welcher zwar für Gitarre gebaut wurde, aber wunderbar mit dem Bass funktioniert. Wie viel man welchen Effekt über welchem Pickup einsetzt, ist eine sehr individuelle Entscheidung und hängt vom Bass wie der Band ab. Ich habe meine Effekte so eingestellt, dass ich für groovige und schnelle Songs den Chorus alleine nutze und bei einer Ballade mit vielen langen Noten dann den Hall dazu nehme. Aber die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt, hier gilt es viel auszuprobieren!
Zu guter Letzt kann man den Fretless auch wunderbar benutzen, um die Bässe eines Synthesizers nachzubauen. Hierfür baucht man einen (im Ideallfall analogen) Oktaver und einen Phaser. Ich nutze einen schönen alten Boss sowie den Aguilar Grap Phaser, welcher einfach und schnell zu bedienen ist und praxisnahe Sounds liefert. Auch hier findet man schnell eine gute Einstellung für beide Pedale mit der man jedem Keyboarder auf der Welt seinen Platz streitig machen!
Zum Abschluss noch ein kleiner Tipp: Der Ebow führt bis heute ein Schattendasein, obwohl er jeden Sound sofort bereichert und eigentlich auch nicht schwer zu bedienen ist. Besonders mit dem Fretless kann dieses kleine und kompakte Gerät großartige Klänge hervorzaubern, auch auf welche man nicht verzichten sollte. Ob als weiche Begleitung in einer Ballade oder eine kleine Melodie im Solo, habt dieses nützliche Tool mal auf dem Schirm und probiert es aus, denn es macht wirklich Spaß!
Solo-Works für Fretless-Bass
Ich hoffe, ich konnte euch in diesem Workshop einen Einblick in die Welt der Fretless-Sounds geben und damit den Einstieg erleichtern. Mit ein wenig Knowhow und Experimentierfreude kann jeder schnell und problemlos wunderbare Klänge auf dem bundlosen Bass hervorzaubern und damit seine Band bereichern. Natürlich muss man am Anfang ein wenig üben, um mit der Intonation klarzukommen, aber aus meiner Erfahrung hat das eigentlich immer geklappt. Zum Abschluss dieses Workshop gibt es noch zwei kleine Solostück von mir, welches im Rahmen meines Kompositionsprojekt „Hesse & der Bass“ entstanden ist. In diesem Programm widme ich mich musikalisch dem großen deutschen Literaten und meinem liebsten Instrument. Neben Vertonungen von Gedichten und musikalischen Lesungen habe ich auch einige Aquarelle des Dichters für Fretless-Bass solo vertont. Viele Sounds aus diesem Workshop könnt ihr hier in der praktischen Anwendung hören. Bei den Aufnahmen handelt es sich um meine ersten Demos, da die richtigen aktuell beim Label vorliegen und in 2023 veröffentlich werden sollen.
In diesem Sinne viel Spaß beim Einstieg in die wunderbare Welt der Freltessklänge,
euer Naris Sebastian Stolz
Beispiele Hesse
Als Digital-Produzent fällt mir spontan die Sammlung ‚Bass‘ von Chris Hein ein, die verschiedene Saitenbespannungen bereithält, insbesondere für den Double Bass! Besonders im Jazz wird gerne eine Nylonbespannung bevorzugt,
Zudem gibt es auch den Bogen, allerdings nur beim Solo-Bass als separates Instrument von Chris Hein.
Bei Best Sevice lassen sich die Bass-Instrumente vorhören.
@MidiDino witzig…da schreibt 2 Tage lang niemand was dazu und wir dann quasi zeitgleich.
Das öffnet Verschwörungstheoretikern Tür und Tor!
@Markiman **Verschwörung**
Ich bemühte mich lediglich aus digitaler Sicht etwas zum Thema zu sagen, wusste jedoch nicht, ob dir das Recht ist. Es schweift doch erwas ab.
**Verschwörung**
@MidiDino Sorry, hatte noch folgenden Hinweis vergessen: 😉
Hatte tatsächlich gar nichts mit dem Inhalt Deines Posts zu tun, sondern einzig mit meiner Freude über den zeitlichen Zufall bzgl. unserer Postings und ich wollte dies mit einem Scherzlein unterstreichen. Doch vor lauter Freude habe ich wohl vergessen, dies als ironische Bemerkung zu markieren.
Aber bzgl. des Abschweifens hast Du natürlich recht.
@Markiman Auch meine eine Antwort **Verschwörung** war ein Scherzlein ;-)
Wow, vielen Dank für diesen Bericht aus der Praxis mit der Erläuterung der Herkunft und vor allem den sehr guten Empfehlungen und Tipps!
Mangels mal selber darüber nachdenken habe ich den Fretless-Bass immer als E-Bass-Alternative mit der Möglichkeit über die Saiten zu Sliden.
Auf Nutzung als Kontrabass-Ersatz wäre ich nie gekommen, obwohl es natürlich naheliegend ist.
Sehr schöner Artikel, und das sogar, obwohl du vergessen hast meinen Lieblingsfretlessbassisten Mick Karn zu erwähnen. Das Ebow-Beispiel stimmt mich da versöhnlich 😉
Mir macht der Ebow übrigens mit ’nem Bass VI besonders viel Spaß.
Das Wichtigste beim Fretlessbass ist meiner Meinung nach die Spieltechnik.
Ich höre so oft Bassisten einen Fretless spielen, der am Ende klingt wie ein Bundbass. Das liegt dann weniger am Instrument als daran, dass er/sie sich nicht genug mit dem Ding beschäftigt hat. Man hat halt bei jedem gespielten Ton die volle Kontrolle darüber, was damit passiert. Und das macht irre Spaß!
@calvato Ich kenne das eher so, dass wenn sich einer nicht gut genug damit auskennt, dass dann jeder Ton total schräg klingt. Hat man es dann eines Tages endlich raus, dann muss man natürlich seine Tonfolgen mit den Eigenheiten eines Fretless Basses mit all den Slides, dem Schnarren und dem Vibrato stilvoll garnieren. Es braucht jedoch einiges an Übung dazu und diese ist nicht zu unterschätzen!
Das erste Bild von Jaco mit bundiertem Bass, dass sehe, ausgerechnet in diesem Artikel :)