Workshop: Gitarre lernen für Anfänger, Tonleiterübungen – harmonisch Moll
Die harmonisch Moll Skala – Theorie und Anwendung
Unser neulich veröffentlichter Tonleiter-Workshop für Anfänger begann mit der „Mutter aller Tonleitern“, der C-Dur-Tonleiter. Dieser sollte vollständig verstanden sein, bevor man sich mit weiteren „sogenannten Modi“ einer Dur-Tonleiter oder gar einigen spezielleren Themen wie dem heutigen beschäftigt.
Im heutigen Workshop wollen wir uns mit einer weiteren Tonleiter, genannt „harmonisch Moll“, beschäftigen, ohne die der Klassiker, Jazzer, Flamenco-, Popmusiker und natürlich auch Neoklassik-Gitarrengötter wie Yngwie Malmsteen sicherlich aufgeschmissen wären. Um diese Tonleiter zu verstehen, sollte man sich vorher unbedingt unseren Äolisch-Workshop angeschaut und verstanden haben.
Gitarre lernen für Anfänger: harmonisch Moll Skala – Aufbau
Die harmonisch Moll Skala entsteht, wenn man die äolische Skala (natürlich Moll) als Basis heranzieht und deren siebte Note um einen Halbton erhöht.
Die harmonisch Moll-Skala hat somit die folgenden sieben Komponenten:
Grundton (1), große Sekunde (2), kleine Terz (b3), reine Quart (4), reine Quinte (5), kleine Sexte (b6) und große Septime (7).
Die Skala besitzt demnach einen Halbtonschritt zwischen dem 2. und 3. Ton, und eine übermäßige Sekunde zwischen der 6. und 7. Note der Skala. Somit ergibt sich folgende Struktur:
GT – HT – GT – GT – HT – GT+ – HT
Die harmonisch Moll Skala hat einen leicht „orientalischen Klang“ und kommt sehr häufig in der Klassik oder Kompositionen in Moll zum Einsatz.
Praxis – Harmonisch Moll
Hören wir uns dies einmal an. Zum Einsatz kommt zunächst das folgende Griffbild (Box):
Klingen tut dies so:
Man kann den „orientalischen Touch“ besonders beim Spiel der vier Noten E – F – G#– A hören.
Harmonisch Moll – Anwendung und Einsatzgebiete
Wozu braucht man nun eine harmonisch Moll Skala? Es gibt einige Situationen in der Improvisation, die verstärkt nach dieser Skala verlangen. Die Häufigste tritt in Stücken mit einem gewissen (ich sage mal) „Flamenco-Charakter“ auf (Dur-Dominante mit nachfolgendem Moll-Tonika-Akkord, bzw. V7– Im), um die wir uns nun kümmern werden.
Wir alle kennen die folgende Akkordfolge:
Am – G – F – E7
aus Tausenden von „latino-angehauchten“ Stücken bzw. Stücken in a-Moll.
Fassen wir a-Moll als Grundtonart auf, so hätten die Akkorde folgende Funktion:
Am -Tonika
G – Dominant-Parallele
F – Subdominant-Parallele
E7 – Dominantseptakkord
Wichtig zu wissen ist, dass in der westlichen Musik (Klassik, Pop, Jazz, Blues, Folk, Country etc.) bei Stücken in einer Molltonart, die Dominante fast ausnahmslos als Dur-Akkord (gerne auch mit b7, b9, #5 bzw. b13) auftritt, da die „Zugwirkung“ bzw. das „Verlangen nach Auflösung“ zur Moll-Tonika dann bedeutend intensiver ausfällt. Die Dur-Terz des Dominant-(sept)-akkords verlangt spürbar nach Auflösung in den Grundton der Tonika. Eine Moll-Dominante klingt im Allgemeinen nicht wirklich spannend, obwohl man sie vereinzelt in Pop-Songs antrifft.
Improvisation
Wollte man über diese vier Akkorde improvisieren, so würde man als erste Wahl sicherlich die a-äolische Skala verwenden, da alle vier Akkorde (bis auf den letzten) Akkorde der Tonart a-Moll sind.
Erreichen wir den E7– Akkord, stoßen wir auf eine Hürde, die es zu meistern gilt.
Der E7-Akkord (bestehend aus E – G#– H – D) verlangt ein G#, und nicht das G, welches naturgemäß Bestandteil unserer a-äolischen Tonleiter ist. Um dem gerecht zu werden, „tauscht“ man einfach das G unserer a-äolischen Skala gegen ein G# (die siebte Note aus harmonisch Moll). Alle anderen Töne bleiben gleich.
Gitarre lernen als Anfänger – Übung
Man übt dies am besten, indem man sich zunächst nur eine Moll-Tonika (a-Moll bzw. Im) und eine Dur-Dominante E bzw. E7 (V7) in einen Looper spielt, um den Wechsel zwischen G und G# bei der Improvisation in den Griff zu bekommen.
Zu vermeiden ist, die Note G über den E7 Akkord zu spielen, da das meist nicht schön klingt.
Bevor die Harmonielehre-Polizei uns eines Besseren belehren wollte, sei erwähnt: Ausnahmen bestätigen die Regel, denn E7#9 beispielsweise, beinhaltete auch eine übermäßige None (F#-is, welche man enharmonisch verwechselt als G bezeichnen würde), die hier gut mit dem Akkord E7#9 harmonierte.
In der Praxis empfehle ich bei der Improvisation (zunächst) über den Dominantseptakkord auf Schlag 1 des Taktes die Terz der Dominanten (hier G#) zu spielen, um zu demonstrieren, dass man „verstanden hat“, dass unsere Dur-Dominante eine andere Note verlangt, als sie äolische Skala bereitstellt und den Wechsel zwischen G und G# übt.
Natürlich gilt dieses Prinzip auch für alle weiteren Tonarten und ist nicht nur auf a-Moll beschränkt.
Töchter von harmonisch Moll – „HM5“ bzw. „phrygisch dominant“
HM5 hat nichts mit Heavy Metal zu tun, sondern ist die Abkürzung von „harmonisch Moll“ ab der 5. Stufe (dem 5. Ton), also eine „Tochter“ bzw. ein Modus der harmonisch Moll-Skala. Diese Skala ist gelegentlich auch unter der Bezeichnung „phrygisch dominant“ zu finden:
a – harmonisch Moll:
A – H – C – D – E – F – G# – A
Die Ziffer 5 bedeutet hier, dass die harmonisch Moll-Skala ab dem 5. Ton (bzw. der 5. Stufe, hier E), beginnt.
E – F – G# – A – H – C – D – E
Klingen könnte dies folgendermaßen:
Eine Oktave höher, am 12. Bund, empfehle ich dieses Griffbild, da man sich das Erreichen der Terz des Dominantakkords (hier G#) auf der tiefen E-Saite im 16. Bund erspart. Das G# im 11. Bund auf der A-Saite greift sich deutlich entspannter:
Gitarre lernen als Einsteiger – Beispiele
An dieser Stelle seien drei weltbekannte Songs angeführt, die den Einsatz der harmonisch Moll-Skala bei der Improvisation erforderten. Die Titel sind jeweils mit dem entsprechenden Song verlinkt. Checkt es aus:
Die ersten beiden Akkorde sind Hm und F#7. Die „richtige“ Skala über den Dominantseptakkord F#7 wäre H-harmonisch Moll, was F#-HM5 (bzw. F#-phrygisch dominant) entspricht.
Die Akkorde der Strophe lauten Am – G – F – E. Die passende Skala für die ersten drei Akkorde wäre a-äolisch. Über den E-Dur-Akkord passte dann E-HM5 (entspricht a-harm. Moll)
Die Akkorde der Strophe lauten Dm – C – Bb – A. Die passende Skala für die ersten drei Akkorde wäre d-äolisch. Über den A-Dur-Akkord passte dann A-HM5 (entspricht D Harm. Moll)
Stay tuned!
Lehrreicher Artikel, danke! Aber eine Frage habe ich noch. Wenn HM5 bedeutet, dass harm. Moll auf der Fünf beginnt: warum hast du dann in deinem Beispiel E F#…. auf der Sieben ein D und kein D#?