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Interview: Andreas Rieke alias And.Ypsilon, Teil 2

(ID: 129308)

Ein Nachbau des Moog Systems der 60er Jahre von Synthwerk aus München.

Ein Nachbau des Moog Systems der 60er Jahre von Synthwerk aus München.

Amazona.de:
Wie haben sich die Beats und Grooves in den letzten Jahrzehnten aus deiner Sicht entwickelt?

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And.Ypsilon:
Was in den 70er Jahren für eine weiße Band ein normaler Groove war, ist meistens ein Haufen Rotz im Vergleich zu dem, was heute stattfindet. Und die guten R’n’B Leute waren da schon viel weiter. Beispielsweise James Brown war natürlich viel tighter, als das, was die Weißen damals machten, Progrock oder zum Beispiel Pink Floyd. Da ist schlagzeugmäßig alles o.k. und passt zu dieser Musik. Aber wenn Flo Dauner (der Schlagzeuger von Fanta 4) heute so was macht, dann herrscht eine viel kräftigere Auffassung, was der Beat bewirken soll.
Wenn ich sage, dass der Beat die Zeit definiert, dann beinhaltet das natürlich durchaus diese menschliche Komponente, dass ein Mensch den Zeitfluss noch stärker ausdrücken kann als eine Maschine, die sie halt nur gleichmäßig darstellen kann. Dadurch wird er auch sichtbar, aber ein Mensch kann ihn noch besser beschreiben. Er muss natürlich tight sein, aber in seinen Mikrovariationen kann er trotzdem mehr Aussagen treffen über diesen Fluss der Zeit und den Beat noch mitreißender gestalten. Als Mensch kommt es bei mir noch definierter an als das, was eine Maschine mit ihrer mathematischen Exaktheit macht. Darum habe ich nur noch bedingt Lust auf Beatprogramming, nach dem ich so viel mit Schlagzeugern wie Flo Dauner zu tun hatte. Auf vielen Fanta 4 Aufnahmen sind die Beats von Flo gespielt. Bei “Twenty Five” zum Beispiel trommelt Flo Dauner, Bass und Snare wurden nachträglich gesetzt, und sind trotzdem viel geiler, als wenn das alles programmiert ist. Das ist voll legitim, wie ich finde. Es sollte ja eine knallige Disco Nummer sein und kein Jazz. Das muss Spaß machen! Und wenn man mehr Konstanz braucht, ist Konstanz über die Sounds herzustellen die bessere Wahl, als anzufangen zu quantisieren. Dann killst Du sofort den ganzen Schlagzeuger. Wenn du nur eine Snare ein bisschen verschiebst, ist das schlicht nicht o.k.

F4 Best of
Aber viele andere Produzenten sehen das anders, was in meiner Wahrnehmung komplette Idiotie ist. Die Kastration des Schlagzeugers! Billig produzierte Thrash Metal Bands haben das in den letzten zehn Jahren fast standardmäßig gemacht. Der Drummer spielt das schön ein, und danach wird gnadenlos quantisiert. Dann nagelt das eben noch mehr, weil es ihnen nur auf das Nageln ankommt. Viel besser wäre es, einen richtig guten Drummer zu engagieren. Es gibt Metal Drummer, die dir einen ganzen Song lang durchgehend 16tel auf der Bassdrum spielen können. Mit nur einem Fuß. Soviel zur Drummer Evolution. Was die Drummer heute vollbringen, rein handwerklich betrachtet, ist Lichtjahre von dem entfernt, was in den 70er Jahren noch üblich war. In den 80er Jahren war dieser Umbruch. Da kamen die Maschinen und die Drummer mussten sich anpassen. Daraus sind aber interessante Dinge entstanden. Quincy Jones zum Beispiel hat bei Michael Jackson Platten den Drummer die einzelnen Instrumente des Sets nacheinander einspielen lassen: eine Spur lang nur die Snare und eine Spur nur die Bassdrum etc. Damit das Drumcomputer-mäßig wirkt und eine neue Ästhetik entsteht. Für Quincy Jones war es zu langweilig, wenn das die Maschinen machen, und so buchte er hochqualifizierte Drummer, die ihren eigenen Beat zerlegt spielen müssen. Das ist die Michael Jackson Ästhetik. In gewisser Weise nicht zu toppen. Auch mir schwebt dieses Verfahren immer wieder vor, wenn man das programmierte Flair beibehalten möchte, und es noch besser machen möchte, als wenn es programmiert ist. Das nenne ich Beyond Programming.

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Amazona.de:
Lieber Andy, vielen Dank für dieses interessante Gespräch.

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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ja ja der Groove und die Quincy Jones Methode. :) Jeder der kreativ Musik macht, macht oft die gleichen Entdeckungen.
    Damals gab es für PC ein EMS Midi-Interface das ständig im Milisekundenbereich rumzickte.
    Bei 8 Rhythmusspuren hat es dann gegroovet!
    Ein Kumpel hat es händisch mit Audiospuren gemacht und nie quantisiert. Er war klassischer Perkussionist und hatte es einfach drauf. Zum Thema Modular und Mikrotiming. Ich stelle mir mehrere LFO’s vor die Timingsignale auf mehreren Spuren sync/async verschieben können. Gerne auch als VST3 Plug-in. Geht das nicht auch so schon? Ich dachte immer mit ein paar LFO’s/Attenuatoren/Delays etc. die Trigger und Clocksignale zu bearbeiten wäre das machbar? Das alles in einem Modul/VST wäre natürlich schon geil! Dann kann es wieder jeder……. Evolution ist schon kacke!

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Das Warten hat sich gelohnt! Der zweite Teil ist noch packender als der Erste! Die Philosophien zum modularem Sounddesign und vor allem über den Groove, finde ich sehr interessant. Solcherlei Input ist für mich auch immer sehr erfrischend und oft versuche ich dann auch etwas davon in meine eigene Produktionsweise einzubringen. Schade dass ich derzeit eine musikalische Zwangspause einlegen muss :D und ebenfalls schade, dass dieses Interview tatsächlich schon zuende ist. Ich hätte auch noch einen 3. und 4. Teil lesen können :)

  3. Profilbild
    Roland v0ll

    Groove in Millisekunden nach hinten und vorne verschieben? Das mache ich per Midiclock. Innerclock Sync Shift ermöglicht das Shiften der Clock in eine entsprechende Richtung. Absolut genial. Eins meiner wichtigsten Studiotools.

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Die beiden Teile bilden zusammen eines der interessantesten Interviews, das ich seit langem gelesen habe. Ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten!

    Was mir nebst musikalischen und technischen Einblicken immer besonders gefällt ist der respektvolle Umgang, wie hier z. B. mit den Bandmitgliedern und deren Fähigkeiten.

    Bin da ganz bei Marius und hätte mich über zumindest noch einen Teil sehr gefreut.

  5. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Schließe mich an und würde auch gern noch weiter Geschichten aus Andis Nähkästchen hören!!!
    Man gestatte mir dennoch eine kleine Anmerkung: Looking for the perfect Beat, sowie das legendäre Album „Planet Rock“ wurde von Arthur Baker produziert, ein Weißer. Soweit mein Wissen reicht war Africa Bambaataa einer der ersten der HipHop Jam´s in NY veranstaltete. Zeitzeuge dürfte hier der Film Wild Style sein.

  6. Profilbild
    changeling AHU

    Wenn jemand Trash Metal schreibt kringeln sich mir immer die Fußnägel. Ist es so schwer zu verstehen, dass es Thrash Metal heißt? Es heißt ja auch nicht Hip Pop, sondern Hip Hop!

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