Die 4. Dimension des And.Ypsilon Teil 1
Als Kind verbat man ihm das Schlagzeugspiel, mit zehn Jahren drückte er sich die Nase am Schaufenster vor dem MS-20 platt, den er auch nie spielen durfte. Dass er sich mit 12 Jahren einen kaufen konnte, kann man als Sternstunde der deutschen Popmusik betrachten, denn der Junge war wissbegierig und lernte viel über elektronische Musik. Über GIs kam er mit der damals neuen und unerhörten Musik namens Hiphop in Kontakt, die er zunächst mit einem, später mit drei Kumpels spielte. Sie nannten sich DIE FANTASTISCHEN VIER.
Ein zweiteiliges Interview mit Andreas Rieke, alias And.Ypsilon, über seine ersten musikalischen Gehversuche, eine eigene Sequencer-Software, alte und neue Techniken in Studios und die Umsetzung von elektronischer Musik auf der Bühne.
Über die Jahre hat sich Andy eine beeindruckende Erfahrung angeeignet. Eine Kostprobe davon gab’s letzte Woche: der VCA–Vergleichstest.
Amazona.de:
Lass uns über Deine Anfänge sprechen. Wie kamst Du zur Musik?
And.Ypsilon:
Durchs Plattenhören eigentlich. Pink Floyd haben mich zum Synthesizer gebracht. Meine Eltern hatten die Wish you were here Platte, und mein Onkel hat mir Kraftwerk gezeigt. Damals war ich acht. Meine erste Kassette, die ich gekauft hatte, war Radio-Aktivität von Kraftwerk. Von daher wusste ich auch, was Elektronik und Sounds sind. Und was Synthesizer wohl sein mögen. Bei Pink Floyd hatte der Synthesizer einen, sagen wir mal, traditionelleren Einsatz. Da gab es diesen besagten und schlicht fantastischen Synthi Brass Sound. Bei Kraftwerk sind es mehr die Ästhetik und die Architektur der Musik, die das Besondere sind, und bei Pink Floyd war’s halt diese absolut musikalische Einbettung der Synthesizer in die restlichen Instrumente. Das hat mir die Schönheit und das musikalische Wohlgefühl gezeigt, was Synthesizer auch bringen können.
Amazona.de:
Hattest Du damals mit acht Jahren Freunde, mit denen Du Dich über diese Musik austauschen konntest?
And.Ypsilon:
Nein! (lacht). Die elektronische Musik war damals exotisch. Das war nicht das, was standardmäßig im Radio lief. Doch ich selbst war fasziniert. Und dann habe ich zwei Jahre lang mein Taschengeld gespart, bis es gereicht hat für einen MS-20 Synthesizer. Ich hing damals immer rum bei Radiohaus Barth in Stuttgart, die eine große Orgel- und Synthesizerauswahl im Keller hatten. Und ich durfte da nicht spielen, sondern nur gucken. Ich war bis zu drei Tage die Woche da, stundenlang drückte ich mich da rum, mehrere Jahre lang, und als Zwölfjähriger hab ich mir dann den Synthesizer gekauft.
Der MS-20 war damals ein aktuelles und neues Instrument und stand im Laden neben anderen “keyboardigen Dingern” und nicht bei den großen Modular Systemen. Und so war er auch gedacht, dass er ein neues Klientel erschließt und nicht die Modular Leute, die Kohle haben.
Geschichten die das Leben schreibt…Sehr interessante Story. Danke.
Ach, das waren noch Zeiten. Ich erinnere mich an ein RUN DMC-Konzert in Berlin, ganz zu Beginn der 90er-Jahre. Da waren die Jungs deren Vorband – ich fand sie deutlich besser als den Hauptakt.
Klasse Interview :-) Ich finds interessant und inspirierend zu sehen, wie viel man aus wenig machen kann :-) Klasse (Y)
Ist immer interessant die technische Geschichte und Arbeitsweise von anderen zu hören (lesen).
Ich höre Fanta 4 seit „Jetzt gehts ab“ und halte diese Scheibe nach wie vor für eine der besten Fanta-Alben neben „Die vierte Dimension“ und „Lauschgift“. Ich hatte mich immer gewundert wer sowas produziert weil es sehr eigen war aber immer einen etablierten Mastermind im Hintergrund vermutet. Falsch gelegen! So kann es gehen wenn alles passt und ich nehme mal bewusst das Wort Schicksal in den Mund. Da ich nun selber Papa bin, sehe ich mal wieder wie (teils nerdige) Interessen zu echten Pionierleistungen führen können. Wie standen denn deine Eltern zu deinen Interessen? ;) Diese Programmierleistung selber zu entwickeln war selbst mit der damaligen Standardlektüre „Happy Computer“ schon eine echte Leistung. Die Hard/Software/Musiker als ein Instrument zu verstehen die Gedanken in Minuten zu Klängen und Beats formen können, das ist worum es geht. Schade das du nicht bei Logic/Steinberg angeheuert hast. Musiksoftware sähe heute anders aus, jede Wette! Die Musik/Welt vom Kern als ganzes verstehen und nicht auf der Oberfläche schwimmen und konsumieren. Danke das es das noch gibt. Ich ziehe jetzt eine schneise durch die Scheisse und verweis im Kreis auf die Beweise!
Im Andreas einen der (sicherlich) wenigen Kollegen zu finde, die den C64 in Assembler programmiert haben, war auf jeden Fall eine Überraschung. Ich habe das immer sehr gezielt eingesetzt, also nur die zeitkritischen Teile in Assember und so Sachen wie Laufwerk öffnen und Daten dumpen in Basic gelassen, das war schnell genug und in ein paar Sekunden geschrieben. Coole Info auf jeden Fall!
Über den Produzenten der F4, und seine Kompetenzen, zu lesen ist sehr interessant! GI´s prägten selbst erlebt das musikalische Bild des damaligen Undergrounds. Funk & Soul, Hip Hop , Rap und folgend Elektro, teilweise extrem von Kraftwerk inspiriert, waren u.a. auch der Soundtrack meiner Jugend. Der erste erworbene Atari mit Cubase die Offenbarung! Der damalige Durchbruchtrack mit „Die Da“, war persönlichen Geschmack folgend eher eine Lachnummer.
Richtig fettes Interview, mit sehr interessantem Einblick in die Anfangstage! Für mich sind solche Interviews meist viel interessanter, als die wo es nur um das aktuell verwendete Equipment geht. Denn in den Anfangstagen, haben ja die allerwenigsten meist alles was sie brauchen. Dann zu lesen, wie solche Leute improvisiert haben, oder welche Lösungsmöglichkeiten sie gefunden haben (die eventuell später sogar zu einem Markenzeichen geworden sind), ist oft auch ziemlich inspirierend! Auf den Fotos kann man übrigens sehr gut sehen: Andy hat’n dicken Pulli an, mann ;)
Super interessanter Betrag. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil.
Mir wird beim Lesen wieder mal bewusst, wie überladen die heutige Technik ist. So ein Sequenzer, der einfach und für mich übersichtlich ist, sah ich im Voyetra Sequencer Plus. Das bietet mir aktuell keines meiner Software an. Und das geht bei mir zumindest deutlich zu Lasten der Kreativität. Wenn ich schon eine halbe Stunde ein Sample aus der 5 GB und größeren Library der MPC suche, habe ich schon keine Lust mehr und mache was anderes. Als ich Mitte der 80er meinen DDM-110 von Korg hatte, konnte ich mich mit dem Teil ganze Wochen am Stück beschäftigen.
Genau! Alles überladener Kommerzscheiss der alles macht nur keinen Spass. Aus dem Beitrag inspiriert habe ich gestern Cubase SX3.1 wieder installiert und seitdem richtig Spass. Seit Cubase 4 habe ich irgendwie die Lust verloren und alleine der Waldorf A1 mit seinen FM-Leads machen so richtig Laune. Mein Profire2626 mit Windows 10 läuft übrigens super unter SX3.1.
Wenn es so weiter läuft tausche ich gerne mein 8.0 Dongle gegen eine SX3.1-Lizenz! Alleine das kontrastreiche Raster im Midi-Editor habe ich trotz allerlei Spielereien nie mehr so hingekriegt. Wäre jetzt noch die Toolbar aus Cubase VST da….. Und es bootet wie sau innerhalb von Sekunden. Bei 8.5 kann ich dabei Kaffee trinken. :)
Super! Da kann man so richtig mitfühlen.
Wie von einem anderen Stern muss unsere Combo (Keys/Dr/Git/Voc) rübergekommen sein als wir 1988 mit Atari St und Creator mangels 2. Keyboarder und Bassist die Bühnen „stürmten“.
Die Zeit war außerhalb der EM noch nicht reif für Computer in der Live-Performance.