Peter:
Was war Deine Initialzündung für Dein Interesse an Filmmusik?
Dieter:
Punk war gut, aber relativ eintönig. Ich hatte in dieser Zeit einfach Lust auf jede Art von Musik. Es gab Platten für 1 Mark von den größten klassischen Komponisten und die habe ich alle gekauft, weil ich die Musiken unterscheiden können wollte. Ich fand Orchestermusik großartig und dann liebte ich das Kino sowieso schon, also dachte ich mit 20 Jahren, dass doch ein Filmkomponist ein wahrer Traumberuf sein müsste.
1982, ET von Spielberg – das war es dann. Die Welt heulte sich die Augen aus vor lauter Romantik und ich, als Punker, durfte das natürlich keinem erzählen. Ab da war klar, dass ich ein Filmkomponist werden wollte, der irgendwann auch mal seine Musik mit einem großen Orchester aufnehmen will.
Ja, ja, ganz schön vermessen, ich weiß. Im richtigen Leben habe ich als Elektromaschinenbauer in einer Fabrik gearbeitet. Ich glaube, den Beruf gibt es gar nicht mehr, hat aber manchmal den Vorteil, dass man den Küchenmixer o.ä. selber reparieren kann. Also war es leider so, dass mich alle für verrückt gehalten haben, Familie sowieso, aber auch Freunde und die Freundin (ha, wenn die das geahnt hätte).
Um noch mal kurz auf Deine Frage zurück zu kommen: John Williams ist zum großen Teil Schuld, dass ich Filmkomponist geworden bin!
Peter:
Wie kam es dann zu Deinem ersten Filmmusik-Auftrag?
Dieter:
Das war ja in der Printenstadt Aachen nicht so einfach, Leute zu finden, die Filme machen und dafür dann noch eine Musik brauchen von einem dahergelaufenen Punkmusiker. In dieser Zeit lernte ich ein paar Leute kennen, die alle irgendwas mit Film machen wollten. Wir haben dann das Aachener Filmhaus gegründet und sogar Festivals veranstaltet. Es waren auch einige dabei, die ihre ersten Filme gedreht haben.
Bei einem Film fehlte noch der männliche Hauptdarsteller und ich habe die Rolle dann gespielt unter der Bedingung, dass ich die Musik machen durfte. Ja, so ging das los, aber es war klar, dass man aus Aachen weg musste, wenn man was mit Film machen wollte.
Peter:
Und soweit ich weiß, war da dazwischen auch noch eine Story mit der Bundeswehr.
Dieter:
Hört sich jetzt seltsam an, aber wenn ich nicht beim Bund gewesen wäre, wäre ich vielleicht nie Musiker geworden. Ich habe es so gehasst, es war grauenhaft. Ich habe gedacht, wenn ich hier lebendig rauskomme, lasse ich mir nie mehr von jemandem Vorschriften machen. ( Das habe ich übrigens bis heute im Großen und Ganzen beibehalten.) Dazu kam dann, dass ich für mein Seelenheil nach der Bundeswehr noch verweigert habe. Da hat mir dann mein Land noch mal 5 Monate Zivildienst aufgebrummt.
Sehr schön, sehr ehrlich, sehr sympathisch: Die negativen Zwischentöne gegenüber den GEZ Lakaien verweisen allerdings auf Schleip selbst zurück. mit andern Worten „Achtung Dieter, Glashaus“ ;-)
Leider haben die fallenden Produktionskosten zu sehr schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen bei Kamera, Ton & Co. geführt. Qualität wird auch zu Dumpingpreisen erwartet. Was gut ist entscheiden dann Amateure … . Eine traurige Entwicklung. Umso erstaunlicher ist, das es noch Menschen gibt, die mit Spaß an der Arbeit ein gewisses Maß an Qualität durchsetzen. Das Kunst keinen großen Stellenwert hat, merkt man spätestens wenn mal wieder der Abspann gekürzt und man um den Genuss der Musik gebracht wurde.
@Franz Walsch @ Franz Walsch : Volle Zustimmung. Das Thema Filmvertonung ist in der Tat mehr oder weniger auf dem Abstellgleis der ÖR angekommen. Die immer selben Schemata der GEZ Filmchen, Drehbücher und Schauspieler haben längst auch im musikalischen Bereich dieselbe prekäre Qualität erreicht. Dieter Schleip Kompositionen, gerade die von Dominik Graf Filme werden mittlerweile ja auch schon von vielen Mitläufern nachgeahmt. Aber auch im Kino läufts nur noch selten anders. Die besten klanglichen kompositorischen Neuerungen (ob man es mag oder nicht) sowie m.E. auch die besten Musiktitel- Zusammenstellungen der letzten Jahren habe ich bei Filmen von Paul Thomas Anderson gehört (There will be blood, The Master, Inherent Vice) . Auch hier ist ein Autodidakt am Werk, das Radiohead Mitglied Jonny Greenwood.
Meine Erfahrungen decken sich leider mit dem Gros dessen was Dieter Schleip anführt. Allenortens und fast ausnahmslos Technokraten statt Kreativität.
Nebenbei bemerkt: Es ist schon paradox, dass trotz 8,3 Milliarden GEZ-Rekordeinnahmen der Druck auf die Selbständigen in der Kreativwirtschaft des ÖRR permanent ansteigt.
Ich erinnere mich gelesen zu haben das es immer weniger Geld für Produktionen gibt. Das Geld geht hauptsächlich in die Rückstellungen der Pensionskassen. Sehen tut man das schon seit Anfang des Monats, denn seither läuft die Sommerpause bis Ende August. Aber Privatjets der ÖR zur WM!
@Franz Walsch Hallo Franz,
wenn der gecharterte Privatjet wie hier günstiger ist als ein Linienflug, dann spricht doch nichts dagegen. Irgendwie müssen die nun von A nach B kommen.
@TobyB Ich verstehe nicht warum? Die Bilder kommen vom Fr.-TV und liessen sich bequem von Hamburg und Mainz kommentieren. Zwei kleine freie Teams vor Ort mit Redakteur und Moderator würde aus meiner Sicht völlig reichen.
@Franz Walsch Hallo Franz,
Es kommen eben nicht alle Bilder in den den Sendezentralen an, für O Töne und Interviews braucht man nun vor Ort Teams. Und Liveschaltungen benötigen nun mal einen Aufwand an Technik. Und ehrlich gesagt, da muss man mal die Kirche im Dorf lassen. Sollen mit Autos oder TGV durch Frankreich reisen? Das wäre beim Spielplan ohne Übernachtungen auch nicht möglich und bei Linienflügen gibt es Restriktionen, wie Nachtflugverbot. Und da die Chartermaschine nur bei Spielen der DFB Elf zum Einsatz kommt, ist da ok.
Hallo Knutinge,
der ÖRR kauft Programme, Übertragungsrechte und Filme ein. Produziert wird dann von solchen Firmen wie Ufa, Studio Hamburg und Endemol usw. Da versinkt das Geld. Beim ÖR ist alles budgetiert. Und die Pensionskassen bekommen nur 50 % Beiträge von den Sendeanstalten, den Rest zahlen die Festen, Festen Freien und Freien. Ausserdem sind 42 Mio Umsatz/Rentenkasse p.A bei 248,2 Mio(Werbeumsatz ohne Gebühren ARD 2015) auch kein Aufreger. Das Privatfernsehen hat das doppelte an Umsatz und vermutlich noch schlechtere Arbeitsbedingungen.
@TobyB Erstens: Werbefinanziertes Fernsehen ist gebührenfrei, im Unterschied zum quasi Steuerfinanzierten ÖRR. Dies gilt umso mehr wenn man kein Empfangsgerät besitzt.
Zweiten: Es ist bisher noch niemandem gelungen, mir den Mehrwert des erwiesenermaßen Weltweit kostspieligsten Sender-Konstrukts glaubhaft zu machen.
Nur mal als Beispiel: Der US-Amerikanische Pendant zum ÖRR, der sog. „Public Broadcasting Service“ wird jährlich mit lediglich 500 Millionen US$ aus Steuermitteln finanziert.
Auch kann ich Deine These, dass bei Privatsendern schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen, nicht bestätigen.
PS. Zu Deiner Hypothese, dass ein gecharterter Privatjet günstiger als eine Linienflug ist, hätte ich gerne belastbare Zahlen.
Hallo Knutinge,
Privatfernsehen ist nicht gebührenfrei, ASTRA HD(+) und diverse KabelTV Anbieter nehmen Zugangsgebühren. Und an der terrestrischen Verschlüsselung mit DVB T2 wird gearbeitet und die wird implementiert. Zu einer pluralen demokratischen Gesellschaft gehört ein gebührenfinanzierter ÖRR dazu. Das amerikanische PBS kannst du nicht vergleichen, die machen teilweise noch nicht mal eine Basisversorgung, ich würde das eher mit den deutschen „Offenen Kanälen“ vergleichen. Drittens ich bin verdi Mitglied und bekomme über connex av ungefiltert mit wie es derzeit abgeht. Nur weil jemand sagt, dass bei Privaten alles besser ist, stimmt das noch lange nicht. Was im Umkehrschluss auch nicht heisst das beim ÖRR, Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Und ohne den ÖRR würde es hier in Deutschland noch schlimmer aussehen. Klar gehen mir die x-te Verfilmung von Uta Danella und der 50. Relaunch der Schlagerparty auf die Nerven. Aber dafür habe ich ARTE, ZDF Kultur, Einsfestival oder BR Alpha und Phönix. Oder diverse Radioprogramme. Was wiederrum andere nervt oder unverständlich ist. Nur stellt sich mir weder die Frage nach dem Status Quo der ÖRR noch nach der Gebühr hierfür. Und mehr möchte ich dazu nicht sagen.
@TobyB Weil es am Kernproblem vorbeiführt, wir haben auf der einen Seite eine Budget finanzierte Körperschaft öffentlichen Rechts, die das Budget nicht überschreiten sollte und auf der anderen Seite Produzenten(Produktionsfirmen) die nach Effizienz, Produktivität, Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung arbeiten. Und das passiert zu Lasten von Wem?
Die Kosten für die Privatjets wurden ja nun lang und breit durch die Presse getreten.
http://www.spiegel.de/kultur/tv/fussball-em-2016-der-guenstige-privatjet-von-ard-und-zdf-a-1098971.html
Hallo Peter,
klasse Interview, bei den Sparks hattet ihr mich :)
Grundsätzlich – und das gilt nicht nur für Filmmusik – ist Filmproduktion in Deutschland ein durch und durch bürokratischer Akt. Die gesamte Finanzierungskette ist getrieben von Sicherheitsdenken und Kontrollstufen. Am Ende gilt in Deutschland: „Der Köder muss dem Angler schmecken und nicht dem Fisch!“
Ein gutes Interview. Danke!
Bitte in Zukunft aber den Gender-Kuddelmuddel – Als ich anfing, war der Regisseur/in mehr oder weniger noch der Chef/in. Heute ist es der Redakteur/in. – weg lassen.
Sehr schönes und aufschlussreiches Interview. Schön, auch mal andere krumme Karrierewege beschrieben zu bekommen.
Und um die obig angerissene Genderdiskussion aufzugreifen. Ich finds gut, dass ihr genderkuddelmuddelt. Denn:
Beware: The whole life is a kuddelmuddel :)
„Wenn ein Musiker anfängt, seine Instrumente zu verkaufen, steht es wirklich schlecht.“
Den Punkt kenne ich, und ja: Dann steht es wirklich beschissen.
„Ein Film wird anderthalb Jahre gedreht und geschnitten, und zwei Wochen vor der Premiere fällt den Machern ein, daß sie noch eine Filmmusik brauchen. Man hat also zehn Tage Zeit, um sich was auszudenken und noch die Korrekturen für die Produzenten vorzunehmen. Ein absolut undankbarer Job.“ (Mark Shreeve)
Na das ist ja witzig! Ich sehe gerade den Artikel und das Photo von seinem Zimmer und denke: Nanu! Das ist doch Batics Wohnung aus „Tatort“ :“ Der Tod ist das ganze Leben(so ab Min. 52, noch bis zum ca. 20.5.17 in der ARD-Mediathek) für den ders nicht glaubt .