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Test: Best Service Emotional Viola, String-Library AU , VST

Ausdrucksstarker Solist

30. September 2020

Nach dem „Emotional Cello“ (2015) und der „Emotional Violin“ (2018) hat Best Service die Reihe der Emotional Strings von Entwickler Harmonic Subtones mit der „Best Service Emotional Viola“ weiter ausgebaut. Die bisherigen Vertreter dieser Reihe gefielen besonders durch ihr umfangreiches Angebot an Artikulationen, Spieltechniken und möglichen Verzierungen und die Möglichkeit, besagte Spieltechniken an die eigenen Erfordernisse anzupassen. Schauen wir mal nach, ob dieser Weg weiter beschritten wurde oder ob sich die Reihe vielleicht sogar noch weiter entwickelt hat.

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Die Viola, das unbekannte Wesen

„Die Violine führt, die Viola bleibt im Schatten“ – schrieb einst der ungarische Komponist György Ligeti. Nicht nur räumlich sitzen die Violas im Orchester in der zweiten Reihe (hinter den Celli), auch was große Werke, Solo-Literatur und auch Librarys angeht, spielt die Bratsche – wie die Viola im Deutschen auch genannt wird – lange Zeit die „zweite Geige“, um mal im Bild zu bleiben.

Best Service Emotional Viola

Best Service Emotional Viola

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein blieb für sie im Orchester nur eine untergeordnete Rolle; die Viola wurde hauptsächlich zur Stützung der – stets zahlreicher besetzten – Violinen eingesetzt. Erst im spätromantischen Orchester wurde sie beliebter, etwa bei Bruckner, Mahler oder Wagner – vor allem wegen ihres gedämpften, dunkleren, leicht näselnden Klanges, mit dem sie besonders in ruhigeren, langsamen Passagen gut zur Geltung kam. Da die aber – anders als viele virtuose Violinenstücke – oft nicht sonderlich anspruchsvoll waren, kursieren in Orchestern zahlreiche Bratscherwitze; der kürzeste und beliebteste lautet „Übt ein Bratscher“. Ab dem 19. Jahrhundert entstanden aber auch anspruchsvollere Solostücke für die Viola, etwa von Reger, Hindemith, Strawinsky oder Berio, mit denen sich die Viola emanzipieren konnte. An die Beliebtheit der Violine ist die Viola aber nie herangekommen.

Der Name „Bratsche“ stammt übrigens von der italienischen Bezeichnung „Viola da braccio“ (zu Deutsch: Armgeige, im Gegensatz zu „Viola da gamba“, Kniegeige) und hat nichts mit dem „bratschen“, also „heulen“ zu tun. Als „Bratschen“ bezeichnete man früher daher einfach den Vorgang, eine Bratsche zu spielen. Die vier Saiten der Viola sind gestimmt auf c – g – d‘ – a‘; die oberen drei entsprechen den drei tiefen der Violine. Während die darüber aber noch eine hohe e‘‘-Saite hat, besitzt die Viola unter dem g noch eine tiefe c-Saite.

Best Service Emotional Viola

Das emotionale Trio

Download und Installation

Nach dem Kauf auf der Best Service-Website erscheint die Best Service Emotional Viola samt Lizenz-Code und Downloadlink im Best-Service-Account. Das Herunterladen der ca. 5GB großen Library geht schnell und problemlos über die Bühne; anschließend die Dateien noch kurz entpacken (wobei man tatsächlich am besten das von Best Service vorgeschlagene Tool „7-zip“ nutzt – mit zwei anderen hatte ich da überraschenderweise Probleme) und in einem Verzeichnis der Wahl ablegen. Die Freischaltung schließlich erfolgt wie gewohnt über Native Access (das die meisten ja eh auf der Platte haben): Verzeichnis angeben, Seriennummer Copy-Pasten und es kann losgehen. Sofern der kostenlose Kontaktplayer ab Version 6.2.2 (oder natürlich die Kontakt-Vollversion) installiert ist, denn der wird als Player für die Library benötigt. Der läuft auf Mac oder PC, entweder Stand-Alone oder als Plugin (VST, AAX native, AU). Mit installiert wird auch ein Handbuch; gut so, denn nicht jeder ist ein versierter Streicher und weiß auf Anhieb, was Änderungen der „Bow Change Velocity“ bewirken oder kennt den Unterschied zwischen „Kernig NV Shorts“, „Cardasz Sfz“ und „Fliegender Aufstrich“ (nein, das ist kein Nutellabrot, das einem aus der Hand gefallen ist).

Ein paar Infos zur Aufnahme

Wie schon die beiden Vorgänger-Librarys Cello und Violine wurde auch die Viola im Mastermix Studio bei München in einem holzgetäfelten Raum mit hohen Decken und größtmöglichen Wandabstand aufgenommen. Um den Raumanteil zu minimieren, kamen als Mikrofone ein Neumann KM184 und ein Neumann U87 zum Einsatz. Somit kann man dann entweder schön seine eigenen Raumeffekte hinzufügen oder sich bei den mitgelieferten bedienen. Auch dieses Mal verwendete man wieder die Technik des „Contextual Samplings“; das heißt, dass die Samples nicht einzeln, sondern in einem musikalischen  Zusammenhang gespielt und aufgezeichnet wurden – so will man eine größere Natürlichkeit des Klanges erreichen. Ob das gelungen ist überprüfen wir gleich mal.

Best Service Emotional Viola

Emotional Viola Masterpatch

Aufbau der Library

Die Best Service Emotional Viola Library ist in vier Bereiche unterteilt: Der „Masterpatch“ (bei der Violine gab es noch deren drei) liefert die volle Viola-Dröhnung mit sämtlichen wichtigen Artikulationen und Ornamenten (dazu gleich mehr), belegt dann aber (erst einmal) auch satte 1,4 GB im Speicher. Eine tolle Sache, wenn man zwischen den einzelnen Spielweisen wechseln will. Und wer sich nun sagt: Na toll, so viel Platz habe ich aber nicht, ich brauche ja auch noch andere Instrumente/Librarys/Patches: Gemach, gemach, daran haben die Entwickler gedacht und die Möglichkeit eingebaut, sämtliche Artikulationen, die nicht benötigt werden, per simplen Mausklick aus der Angebotsliste zu entfernen und so den Speicherbedarf deutlich zu minimieren – eine tolle Sache.

Die „Individuals“ unterteilen die Patches schon von Beginn an etwas speicherfreundlicher in die sieben Spielweisen Sustains (0,62 GB, 10 Artikulationen), Special Sustains (0,55 GB), Espressivos (192 MB, 7 Artikulationen), Shorts (0,81 GB, 13 Artikulationen), Tremolos (23 MB, 4 Artikulationen + 4 Ornamente), Trills (93 MB, acht Artikulationen + 4 Ornamente) und Dynamics (13 MB, 5 Artikulationen). Auch hier lassen sich nicht benötigte Artikulationen aus dem Patch löschen, um Speicherplatz frei zu machen.

Best Service Emotional Viola

Die Individuals

Die Individual-Patches verfügen über keine Legato-Artikulationen. Ein Teil davon findet sich auch im Masterpatch, andere wieder wurden hier zusätzlich hinzugefügt. Jeder Patch ist mit einer Reihe von Artikulationen bestückt: Bei den Sustains zum Beispiel kann man während des Spiels zwischen unterschiedlichen Artikulationen/Sustain-Formen wie „Delicate Sustain“, „Brahms Sustain“, „Flautando“ oder „Sordino“ wechseln, was der Lebendigkeit des Spiels förderlich ist. Wer es lieber etwas exotischer mag, findet in den Special Sustains Artikulationen wie das kühle „Nordic“, ein kratziges „Morbid“ oder gar ein röchelndes  „Undulation Wait!“

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Freunde der leisen Töne toben sich in den Espressivos aus, wobei so manche Artikulationsbezeichnung wie „Progr.Vib.Plain“ oder „NV Medium Short“ für Laien doch recht kryptisch klingt – da hilft dann nur Ausprobieren. Die „Shorts“ enthalten – wie der Name schon sachte andeutet – kurze Spielweisen, teils mit staatlich geprüften Artikulationen wie Spiccato, Richochet oder Pizzicato, aber auch mit humorvollen Eigenkreationen wie dem „Angry Frog“. In den „Tremolos“ kommen – neben vier Artikulationen –  noch vier sogenannte „Ornamente“ hinzu (aka „Momentary Key Switches“, MKS), Verzierungen, die während des Spiels zusätzlich per Keyswitch ausgelöst werden können und, anders als die Artikulations-Keyswitches, nur solange klingen, wie auch die Taste gedrückt wird. So kann ich zum Beispiel auf diese Weise ein Tremolo schnell oder langsam ausführen oder ein Accelerando einbauen – praktisch. Diese finden sich auch bei den „Trills“, die nicht nur die klassischen Triller im Repertoire haben, sondern auch kurze, prägnante „Hook Trills“ in kleiner und großer Sekunde. Die „Dynamics“ schließlich enthalten verschiedene Crescendi und Decrescendi.

Abteilung drei enthält die Specials, „Morbid Sustain“, „Viola Undulation Wait!“ und „Flageolet Gliss“, recht ungewöhnliche und kratzig klingende Sounds, die in jedem Horrorfilm dem Puls des Zuschauers eine Extra-Systolen bescheren dürften.

Wer bereits die beiden Vorgänger Emotional Cello und Emotional Violin auf der Platte hat, freut sich über die Patch-Abteilung vier namens „Use with VLN &VC“. Dieser rund 0,9 GB große Patch nämlich enthält die Kernartikulation ohne die Legat-Funktion und ist für das Zusammenspiel und das Bilden einer kleinen Sektion zusammen mit Cello und Violine gedacht.

Best Service Emotional Viola

Die Effektseite

Effekte

Auf der sehr übersichtlich gestalteten FX-Seite finden sich unter anderem ein 3-Band EQ, eine zuschaltbare Sordino-Funktion (Con sordino = mit Dämpfer) und eine Auswahl von 15 Impulse Responses, eine Art Mastering EQ Snapshot inklusive Rauminformationen. Auch hier haben sich die Entwickler bei den Timbre-Namen mit Bezeichnungen wie „Way too warm“, „Bratschig“ oder „Silk“ etwas einfallen lassen. Beim Reverb lassen sich Impulsantworten (wie „Live Performance“ oder „Scoring Stage Large“) und Hallraum (wie „Vienna Hall“ oder „Big Church“) getrennt eingeben; der jeweilige Anteil ist von -inf bis +12dB stufenlos einstellbar.

Let‘s get emotional: Emotional Viola in der Praxis

Während des Spiels nimmt Emotional Viola dem Nutzer einiges an Arbeit ab. So zum Beispiel mit der intelligenten True Legato-Funktion, die beim Spiel – abhängig von der Velocity – verschiedene Legato-Übergangsarten automatisch einsetzt: Bowchange Legato (Wechsel der Bogenrichtung), Finger Legato (Legato mit Fingerwechsel auf dem Griffbrett) und Portamento (Legato durch Verschieben des Fingers); die Triggerschaltpunkte – also ab wann welches Legato gespielt werden soll – lassen sich frei wählen. Selbst die Übergangsgeschwindigkeit und die Lautstärke des Portamento-Übergangs kann (auf der Expertenseite) bestimmt werden. Im „Auto-Mode“ passt sich das Legato sogar gleich der Spielgeschwindigkeit an: Spiele ich schneller, wird auch das Legato automatisch schneller.

Durch die temporären Ornament-Switches kommt noch mehr „Leben in die Bude“, Die erlauben zum Beispiel sanftes Überblenden zwischen den einzelnen Artikulationen oder deren Variationen – oder auch, um einfach mal einen unerwarteten und sehr lebendig-authentischen Akzent zu setzen. Anders als bei den Artikulationen braucht man als Nicht-Streicher auch keinen Übersetzer, da die Bezeichnungen wie „To Dolce“, „To Halftone Trill“, „Rebow to End“ oder „Fall!“ auch für Saiten-Laien recht eindeutig sind. Apropos Artikulationen: Davon gibt es – wie schon angedeutet – reichlich, da bleibt kein Streicherwunsch unerfüllt.

Best Service Emotional Viola

Die Experteneinstellungen

So klebt dann an fast jedem Klang, an jedem Ton ein Echtheitszertifikat. Und der Hörer fragt sich: Kommt dieser Bogenstrichwechsel wirklich aus der Retorte? Stammt der plötzliche kurze Oberton tatsächlich aus einer Library oder ist dem Viola-Nisten da mal kurz der Finger verrutscht? Und dieser dramatische kurze Triller am Ende der Phrase – was für eine Fingerfertigkeit! Und (fast) das Schönste daran ist, dass selbst Leute wie ich, die Saiten eigentlich nur aus dem Klavier kennen (ok, und von meiner Ukulele) mit der Emotional Viola durchaus schon hörbare Ergebnisse abliefern können. Gleichzeitig können aber Profis in den Experten-Einstellungen auch weit hinab in die Tiefe tauchen, um am Micro-Tuning, der Pitchbend-Sensivity, am Portamento Volume oder am Legato-Trimming zu feilen und so den Klang zu perfektionieren.

Problematisch wird es nur, wenn ich die linke Hand am Mod-Wheel habe, um dort die Dynamik des Klanges zum Atmen zu bringen, während ich mit der rechten Hand eine Melodie spiele und dann eigentlich noch eine dritte Hand benötige, um mal eben lässig ein paar kleine Verzierungen hinzuzufügen. Alles gleichzeitig geht da leider nicht, da muss man sich und seine Viola zur Not halt in mehreren Schritten in der  DAW verewigen.

Nimmt man mal alle Effekte raus, ist man im ersten Augenblick fast etwas erschrocken: So also klingt eine Viola in einer absolut sterilen Umgebung, ohne die üblicherweise meist schon mitgelieferten Raumanteile anderer Librarys. Das gibt mir aber dann die Freiheit, den Raum von Grund auf selber zu gestalten – entweder mit den mitgelieferten (sehr ordentlichen) Effekten oder mit anderen Spezialisten, die da vielleicht noch auf der Platte warten und noch mehr drauf haben.

In den Soundbeispielen sind die Raumeffekte zu hören, zudem auch einige einfache Klangbeispiele für verschiedene Artikulationen, Verzierungen und Grundsounds. Soundbeispiele für die Viola im Einsatz mit anderen Instrumenten und als virtuoses Solo-Instrument finden sich auf hier auf der Produktseite von Best Service.

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Fazit

Ja, natürlich ersetzt die Emotional Viola am Ende keinen menschlichen Musiker – trotz Round Robin, Bogenstrichwechsel per Velocity Switch, trotz Verzierungen, Artikulationen und automatischer Übergänge und den vielen Einstellmöglichkeiten,  den Klang noch authentischer zu machen. Und das ist auch gut so. Aber: Die Emotional Viola klingt – auch dank des inzwischen bewährten Contextual Samplings – großartig und lebendig, und je tiefer man eintaucht, desto besser wird sie. Sie ist intuitiv zu spielen, lässt sich gut anpassen und bringt einen reichen Schatz an Artikulationen mit in die Ehe. Viel mehr Viola ist aus einer Library nicht herauszuholen.

Plus

  • lebendiger, authentischer Klang dank „Contextual Sampling“
  • intuitiv spielbar
  • zahlreiche Artikulationen und Verzierungen ermöglichen ausdrucksstarkes Spiel
  • Experteneinstellungen für noch mehr Tiefe
  • True Legato mit drei automatisierten Übergangsarten
  • Artikulationen und Verzierungen einzeln abschaltbar, um Speicher zu sparen
  • trockener Grundsound dank Close-Mic-Aufnahme, der mit Room & Reverb angepasst werden kann

Preis

  • 199,- Euro
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      Tyrell RED 211

      @MatthiasH Oh wie cool…. Siggi, von meiner Seite Gratulation :) Wäre ja schon wieder ein Grund für ein weiteres Interview!! :)

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