Jung, frisch, aus England
Mal eben kurz eines der zahlreichen API 500 Racks testen? Kein Problem, mache ich doch mit links. Doch da fängt das Mißverständnis schon an, das neue Cranborne 500R8 ist weit mehr als ein einfaches Rack, wir werden gleich sehen, wieso.
Über Cranborne Audio
Die Firma Cranborne existiert erst seit 2016 und wurde von vier jungen Kollegen gegründet, die zusammen bei Soundcraft gearbeitet hatten. Der Firmensitz ist in Potters Bar, einer Kleinstadt im nördlichen Einzugsgebiet von London. Die Adresse in der Cranborne Road hat der Firma wohl ihren Namen beschert. Witzigerweise residiert der ehemalige Arbeitgeber der jungen Gründer, Soundcraft by Harman, ebenfalls in der Cranborne Road, keine 150 m weit entfernt. Das Portfolio von Cranborne ist noch überschaubar, umso interessanter ist die Produktpalette. Legen wir also los.
Cranborne Audio 500R8 – die Möglichkeiten
Das Gerät stellt sich zunächst als API 500 Rack mit acht Slots und einigen Zusatz-Features vor. Der Eindruck täuscht aber, denn das 500 R8 ist ein ausgewachsenes USB-2 Audiointerface mit 28 Ein- und 30 Ausgängen, das komplett ohne Software bedient wird und dem obendrauf noch die acht flexiblen System 500 Slots mit gegeben wurden.
Die 19“ Einheit ist aus stabilem, grau lackiertem Stahlblech gefertigt. Die Höhe beträgt 4 HE, die Tiefe ca. 19 cm, die Rack-Ohren sind abnehmbar. Werden sie um 90° gedreht und miteinander an der Seite mittig wieder angeschraubt, ergibt sich ein Tragegriff.
Ob man das jemals braucht, sei dahin gestellt, zeigt aber die Liebe der Produktentwickler zum Detail. Vier Gummifüße sorgen für den sicheren Stand. Oben und unten sind Lüftungsschlitze für das gute Klima angebracht.
Jeder 500er Slot wird im unteren Teil von einem Lautstärke- und einem Panoramaregler begleitet. Ein Dreifachschalter ist für die Auswahl des Inputs zuständig. C.A.S.T., analog und USB sind da verfügbar. Analog wird von dem rückseitigen XLR-Eingang bedient, USB wird in Einzelspuren aus der DAW zugespielt. So kann das 500 R8 auch als 8:2 Summierer genutzt werden.
Aber was ist nun C.A.S.T.? Auch hier wird ein analoger Eingang genutzt, der aber jeweils paarweise über eine Ethernet-Buchse eingespielt wird. Dazu bietet Cranborne die N22 Breakout-Box an, die einfach über ein bis zu 100 m langes CAT-Kabel zwei analoge Signale zuführt. Gleichzeitig wird die Stereosumme des Aux-Weges an die N22 geschickt. Somit läßt sich ganz schnell mal eine Aufnahmesituation schaffen, indem schon verlegte Ethernet-Kabel im Haus verwendet werden. Ist dies nicht der Fall, dürfte ein CAT-Kabel schneller und dezenter als ein analoges Multicore verlegt sein.
Mit einem Chain-Switch lässt sich jeder API-Slot zum nächsten durchschleifen, so können also bei entsprechender Rack-Bestückung auch Bearbeitungsketten geschaffen werden. Auch eine Nutzung der Analogkanäle ohne Modul ist möglich, dafür verfügt jeder Kanal über einen Bypass-Switch. Dieser sitzt auf der inneren Seite der Einheit.
Nun können die analogen Kanäle auch von externem Equipment genutzt werden. Ebenso verfügt jeder der acht Module über einen Insert und eine XLR-Ausgangsbuchse.
Wir sehen, die Geschichte ist recht flexibel aufgebaut. Schauen wir uns die weiteren Ein- und Ausgänge an. Hier befinden sich auf der Rückseite zwei ADAT-Paare. Macht also 16 digitale Kanäle, insofern wir bei max. 48 kHz bleiben. Auch ein S/PDIF ist vorhanden, der im Moment allerdings erst mit dem nächsten Betriebssystem-Update funktionieren wird.
Unter DAW2 Input kann mit Klinken ein weiteres Stereosignal zugeführt werden. Das geht auch über USB. Auch ein Talkback-In ist vorhanden, der immer mit Phantom-Power belegt ist. Also bitte nicht auf die Idee kommen, das sorgsam gehütete antike Bändchenmikrofon hier anzuschließen.
An analogen Ausgängen sind noch zwei separate Speaker-Ausgänge geboten, einmal als XLR-Paar, einmal in Klinkenform. Ebenfalls in Klinke ist der Monitor-Out und der Aux-Out ausgeführt. Auch ein C.A.S.T.-Link ist vorhanden, Cranborne bietet auch das 500ADAT an, das kann hier als Erweiterung eingebunden werden.
Auch ein MIDI-Duo befindet sich auf der Rückseite, ebenso wie die beiden Wordclock-BNC-Buchsen. Die Clock-Settings werden über einen 8-fachen Dip-Schalter eingestellt. Zu guter Letzt ist natürlich auch die USB-Buchse zu erwähnen, ebenso wie die 24 Volt Power-Supply-Buchse, die verriegelbar ausgeführt ist.
Schauen wir wieder auf die Vorderseite, wo sich rechts die Monitorsektion befindet. Die startet oben mit dem Power-Button und zwei 14-stelligen LED-Ketten für die Aussteuerung.
Darunter folgt das Level-Poti für das Talkback-Mic. Wird der zugehörige Schalter gedrückt, wird automatisch die Dim-Funktion für alle Ausgänge mit aktiviert. Weitere Schalter sind Mono und der A/B-Speaker-Umschalter, dem noch der Mute-Button zur Seite gestellt ist.
Nun folgen die beiden Abhöreinheiten, die gleich aufgebaut sind. Sowohl Monitor als auch Aux haben eigene Kopfhörerbuchsen, einen Level-Regler und einen Blend, der zwischen den Inputs und der Zuspielung aus der DAW überblendet. Mit DAW 2 kommt der zweite Zuspieler ins Spiel, der sowohl über USB als auch analog über die Klinkenbuchsen arbeiten kann. Die Speaker-Ausgänge liefern das Monitorsignal und werden auch mit dem Monitor-Level geregelt.
Cranborne Audio 500R8 in der Praxis
Der Anschluss am meinen iMac erfolgt problemlos ohne Treiberinstallation. Bei meiner Standardeinstellung mit 44,1 kHz und 64 Samples I/O-Buffer werden 8,3 ms Roundtrip und 3,5 ms am Output angezeigt. Das sind die normalen Werte, die ein treiberloses USB-Interface liefern kann.
Das Recording liefert Samplerates bis 192 kHz bei 24 Bit. Die Aufnahmen sind sauber und detailreich und stehen meinem RME-Wandler in nichts nach. Die ADAT-Anbindungen können im Moment bis 96 kHz (bei der entsprechenden Spurreduzierung natürlich) betrieben werden. Hier soll ein Firmware-Update in Zukunft auch Samplerates bis 192 kHz ermöglichen.
Die beiden Kopfhörerverstärker liefern ein druckvolles Signal, das etwas lauter erscheint als mein UA Apollo Interface. Dieses klingt in den Höhen allerdings etwas offener, das macht das Cranborne mit einem strafferen Bass wieder wett.
Die Zuspielung über DAW 2 funktioniert nur bis 48 kHz, der analoge Input ist aber natürlich auch bei höheren Samplerates nutzbar. Da kein Software-Mixer existiert, muss das Mischungsverhältnis für DAW 2 in der DAW erfolgen, z. B. über einen Aux-Weg. In meiner bevorzugten DAW Logic Pro X kann man auch einfach das I/O-Plugin in den Main-Out setzen und das Summensignal auf einen weiteren Ausgang umrouten. Das ist eine recht bequeme Möglichkeit, wenn z. B. der Musiker eigentlich denselben Mix wie der Mann in der Regie braucht, nur eben zusätzlich den Click oder ein Instrument lauter. Eine weitere Variation besteht pro Headphone-Out im Mix-Regler, der das Mischverhältnis DAW-Zuspieler und latenzfreies Aufnahmesignal steuert.
Die rein haptische Bedienung des Interfaces ist schnell verinnerlicht und wirklich eine Wohltat. Es muss kein Software-Mixer, die gelegentlich ja durchaus sperrig aufgebaut sind, gelernt und bedient werden. Einzig eine separates Lautstärkeregelgung für die Speaker hätte ich mir gewünscht, aber da lässt sich zur Not ja noch ein passiver Monitorcontroller dazwischenhängen oder die Lautstärke an den Speakern direkt anpassen. Schön sind Mute- und Dim-Taster, auch hier wieder im direkten Zugriff.
Bei der Auswahl des analogen Eingangs tritt übrigens ein lautes Knacken auf, das so auch in der Betriebsanleitung erwähnt wird. Die Ausgänge sollten da also immer geschlossen sein. Vielleicht ist da von Seiten des Entwicklers noch Abhilfe zu schaffen?
Das 500R8 bietet keine eigenen Mikrofon-Preamps, hier kann Cranborne mit dem hauseigenen Camden 500 Preamp dienen. Davon ist ein Exemplar in meinem Testgerät verbaut. Das Teil bietet aber auch einige Besonderheiten, weshalb wir uns zu einem separaten Test entschlossen haben.
Jede andere 500er Komponente ist im 500R8 aber ebenso gut aufgehoben, mit 250 mA pro Slot ist die Einheit auch für stromhungrige Module gut gerüstet. Toll ist auch die Möglichkeit, durch Bypass die einzelnen Slots für externes Equipment zu nutzen. Leider befinden sich die Schalter im Innern des Gehäuses und sind somit schlecht zugänglich. Hier wäre eine von außen zugängliche Lösung, vielleicht auch als Dip Schalter, deutlich flexibler.
Insgesamt präsentiert sich das 500R8 bisher als ein ausgereiftes Audiointerface, das in Ausstattung und Bedienung einige Sonderwege einschlägt. Eine weiter Besonderheit sind die C.A.S.T.-Schnittstellen, die mit der N22 Breakout-Box zusammenarbeiten.
Cranborne Audio C.A.S.T. (Cat5 Analogue Snake Transport) mit N22 Breakout-Box
Die vollständig aus Stahlblech gefertigte Box hat ungefähr die Größe einer Stereo-DI-Box. Die Anschlüsse sind vorn und hinten recht geschützt untergebracht. Montagebohrungen erlauben eine Festinstallation.
Auf der Vorderseite sitzen zwei Ethernet-Anschlüsse: C.A.S.T.-In und C.A.S.T.-Out. Für die Verbindung mit dem 500R8 wird der Output gebraucht, das Rack ist mit den Eingängen bestückt.
Rückseitig finden wir zwei Kombibuchsen für die Inputs, die Outputs sind als XLR und Klinke ausgeführt, die das Signal parallel ausgeben.
Im Grunde ist die Box einfach eine Adapterlösung, die vier Kanäle analoges Audio durch eine Cat-Leitung schickt. Es können also zwei Signale zum 500R8 geschickt werden, von dort kommt das Aux-Signal zurück. Werden mehr Kanäle gebraucht, muss die Anzahl der N22 und der Cat-Leitungen erhöht werden. Gerade für Aufnahmen von Einzelinstrumenten oder Stimmen ist das N22 System eine praktikable und kostensparende Möglichkeit, um mal schnell irgendwo aufzunehmen, wo eben keine Strecke liegt. Gesang im Treppenhaus mit Naturhall? Wieso nicht.
In Verbindung mit dem 500R8 werden die Ausgänge der N22 fest mit dem Aux-Out der 19“ Einheit beschickt. Auch das Talkback liegt hier an. Die Signalführung greift vor dem Level-Poti ab, wird also nicht von diesem beeinflusst.
Die Verbindung klappt anstandslos, klar, es wird ja nur ein analoges Kabel eingesteckt. Auch Phantomspeisung lässt sich ohne Probleme durch die Strecke schicken. Ein Plus ist, dass die Adapterlösung rein passiv arbeitet, somit also auch keinen Strom benötigt.
Zum konkreten Einsatz speise ich das 500R8 in meiner Regie im 2. OG ein und pflanze die N22 im Keller an den Verteiler. Funktioniert durch das komplette Haus sofort und ohne zu murren. Die benutzte Leitung darf natürlich nur für die Audioübertragung genutzt werden, laufen hier noch Rechnerdaten durch, kann das System so nicht funktionieren.
Praktisch wäre jetzt natürlich, einen Kopfhörer direkt einstecken zu können. Hier kann Cranborne bald Abhilfe schaffen, der N22H ist bereits angekündigt.
Die Kabelstrecke kann bis zu 100 m betragen. Das eröffnet natürlich auch Möglichkeiten im Outdoor-Bereich. Und hier ist es von Vorteil, dass C.A.S.T. kein digitales Protokoll ist, sondern schlicht analog durchschickt. Zwei N22 Boxen miteinander verbunden, schon können jeweils zwei Signale in jede Richtung stressfrei übertragen werden.
Zum Test nehme ich eine 30 m Cat5-Strecke. Hier zeigt sich ein Nachteil der von Cranborne verbauten Ethernet-Buchsen. Im Veranstaltungsbereich werden in der Regel Cat5-Stecker in Neutrik-Hülsen verwendet, das ist deutlich robuster. Die passen jetzt natürlich nicht in die verbauten Buchsen. Das Problem begegnet einem in fast jedem Veranstaltungshaus, wenn z. B. das eigene Digitalpult an die Hausanlage angeschlossen werden soll. Deshalb sollten immer 1-2 Durchgangsstecker wie z. B. der Neutrik NE8 FF im Adapterset vorhanden sein.
Habe ich jetzt natürlich nicht greifbar (Merkhilfe: bestellen!), also werden die Neutriks abgeschraubt. Das funktioniert zwar, gerade das Zusammenbauen kann aber zur Fummelei ausarten.
Die beiden Boxen werden nun miteinander verbunden C.A.S.T.-In der einen mit C.A.S.T. Out der zweiten, wobei die Verbindungsrichtung völlig egal ist. Nun lassen sich auch hier zwei analoge Signale in jede Richtung schicken. Durch die Ausstattung mit Kombibuchsen am Eingang und den doppelt ausgeführten Ausgängen ist man hier recht flexibel.
Ich nutze das Cranborne Audio 500R8 zusmanne mit dem 500ADAT als Erweiterung nun gut ein Jahr in einem Professionellen Studio und ich kann nur bestätigen die Audio- und Verarbeitungsqualität ist Spitzenklasse.
Das ganze Konzept scheint absolut großartig und es juckt mich gerade dermaßen, mich zu verschulden um einen zu bekommen. Allerdings sind, wenn man noch 8 camden 500 dazu rechnet, knapp 4000€ schon ne Ansage. Ich muss mir selber laufend auf die Finger klopfen um mich dazu zu bringen lieber langfristig darauf zu sparen😅