Stereokanalzug für Studiorecording
Kurzes Intro
Dieser Test entstand aus einer Anforderung heraus. Ich suchte zwischen meinen geliebten Analogsynthesizern und der Wandlung mit einem Audiointerface in ein Digitalsignal einen Channel-Strip, der mindestens folgende Eigenschaften mit sich bringen sollte:
- Er sollte Stereo ausgelegt sein, denn nicht alle Vintage-Synths sind Mono
- Er sollte einen Kompressor beherbergen, der nicht nur subtil zur Sache geht
- Er sollte einen Dreiband-EQ beherbergen
- Er sollte einen Vorverstärker enthalten
- … und wenn möglich, sollte auch noch die Wandlung in ein Digitalsignal im selben Gerät geschehen
- Ach… und das ganze Paket sollte auch noch bezahlbar sein und selbstverständlich gut klingen
Und um dem Ergebnis diese Tests ein wenig vorzugreifen, ja, mit dem JoeMeek twinQ2 bin ich tatsächlich fündig geworden.
Joe Meek – Who is it?
Wir haben mal bei JoeMeek gebohrt und im Internet recherchiert. Zusammengefasst kam dabei Folgendes heraus:
JoeMeek wurde Mitte der 90er Jahre von Fletcher ElectroAcoustics (FEA) gegründet. Die Hauptverantwortlichen waren damals Ted Fletcher und Malcolm Jackson. Der britische Sänger, Songwriter, Sound-Engineer und Produzent Joe Meek selbst (1929-1967) hatte mit dieser Firma nichts zu tun, abgesehen davon, dass es Modelle gab, die nach Joe Meeks Sound klingen sollten. Die PMI Gruppe wurde 1996 zum Hauptvertriebspartner für JoeMeek in Nord-, Süd- und Zentralamerika ernannt und war für 80% des weltweiten Geschäfts von FEA verantwortlich.
JoeMeek ist eine Linie im Bereich der Signalverarbeitung, die sich auf photooptische Audiokompressoren, Mikrofonverstärker, EQs und Enhancer spezialisiert hat. Dabei konzentriert man sich auf den professionellen Recording- sowie Heimstudiomarkt. 2003 begann die PMI Gruppe mit der Übernahme von JoeMeek und schloss den Kauf im August 2003 ab. JoeMeek Produkte werden seitdem von Alan Hyatt und Alan Bradford in Großbritannien entworfen und in China unter strengen Auflagen montiert.
JoeMeek twinQ 2 – What is it?
Tatsächlich ist das so ein 3 in 1 Ding, was aber tatsächlich auch noch ein paar Gimmicks bereits hält, mit denen man den Zähler gerne auch auf 4 oder 5 hochschrauben darf.
Grundsätzlich aber ist der JoeMeek TwinQ 2 ein Vorverstärker, ein Equalizer und ein Kompressor – und das alles in Stereo. Selbstverständlich gibt es diesen Kanalzug auch in Mono. In diesem Fall trägt er die Bezeichnung JoeMeek SixQ 2. Da beide, bis auf die Stereo-Features identisch im Aufbau und den verwendeten Bauteilen sind, darf dieser Test getrost auch als Referenz für die Monoversion zu Rate gezogen werden.
Wer übrigens nachrechnet, wird feststellen, dass zwei JoeMeek SixQ 2 günstiger sind als ein JoeMeek TwinQ 2. Die Rechnung geht trotzdem nicht auf, denn zwei nicht gekoppelte Kompressoren reagieren selbst bei identischen Einstellungen unterschiedlich, was wiederum zu unschönen Effekten im Stereo-Klangbild führt. Wer also Stereo will, muss dann auch zum JoeMeek TwinQ 2 greifen.
MANUELL GEGEN PRESET / VCA plus Röhre gegen OPTO
In der Regel wird mit sogenannten Channel-Strips in anspruchsvollen Home-Studios der Kanalzug eines wirklich hochwertigen Mischpults ersetzt, den man sich entweder in Größe und Umfang nicht ins heimische Studio stellen möchte oder schlechtweg nicht leisten kann. Im Prinzip reicht das in der Regel akustische Instrumente wie Gitarre oder vor allem auch Gesang, eines nach dem anderen aufzunehmen und durch einen einzelnen Kanalzug zu schicken, der zwar ebenfalls über die klassischen Elemente eines Mischpult-Kanals verfügt, dann aber eben hochwertiger. Fertig ist der Channel-Strip.
In meinem Fall trifft gleich beides zu. Ich habe weder den Platz noch die Finanzen, um mir ein Monster-Neve-Pult in den heimischen Keller zu stellen. Nun nehme ich aber in der Regel keine Gitarren auf – und eher selten Gesang. Bei mir sind es analoge Vollblutsynthesizer, die gezähmt werden wollen ohne aber durch die Wandlung an Kraft und Volumen zu verlieren.
Bislang diente mir hierzu der preisgünstige VCA-Kompressor mit Röhre TL-Audio Ivory 5060, den ich einst für 550,- Euro erworben habe. Das Schöne an diesem Teil – (ihr werdet mich steinigen) – der Kompressor verfügt über 15 Presets. In Stellung 16 kann man dann auch nach Belieben den Kompressor selbst einstellen. Komisch nur, dass Stellung 16 eine dicke Staubschicht ansetzte. Vorverstärker war auch vorhanden, dafür EQ nur rudimentär als Schaltknopf, mit dem man Low End und High End automatisch anhob und bei 720 Hz leicht senkte. Tatsächlich hat das dem ein oder anderen Sound zu mehr Transparenz und Bass-Präsenz verholfen, kann aber dem Vergleich mit einem durchstimmbaren 3-Band-EQ in keiner Weise standhalten.
Trotzdem, der TL-Audio Ivory 5060 leistete mir einige Jahre treue Dienste, war extrem unkompliziert und wertete meine Synthesizer-Aufnahmen auf jeden Fall auf.
Ungeachtet der Tatsache, dass TL-Audio den Audiomarkt wohl verlassen hat (?!), musste der JoeMeek TwinQ 2 trotzdem den Vergleich antreten und sich dem Vorgänger stellen. Die Ausgabe von 1.200,- Euro will wohl überlegt sein.
Der JoeMeek twinQ2 gehört in die Kategorie der Opto-Kompressoren. Wie der Name schon andeutet, regelt hier ein optisches System die Stärke der Kompression. Je lauter eine Signalquelle, umso heller erstrahlt im Inneren des Geräts eine Leuchtdiode, die wiederum einen sogenannten Fototransistor aktiviert, der den Grad der Kompression auslöst.
Opto-Kompressoren reagieren etwas langsamer als VCA-Kompressoren, werden aber in der Regel als musikalischer eingeschätzt. In der Praxis nutzt man ihren weichen und verzerrungsarmer Klang vor allem bei Vocals und Bässen. Ich persönlich liebe den Sound, aber vor allem auch bei klassischen Analogsequenzen und soften Lead-Sounds (vorzugsweise vom ARP ;-)
Drums wird der Profi damit wohl weniger bearbeiten, gut dass ich kein Profi bin. Mir persönlich gefallen nämlich die Resultate, die ich mit einer Roland TR-808 erzielt habe, extrem gut.
VERARBEITUNG
Die dunkelgrüne, edel glänzende Frontplatte ist aus einer dicken Metallplatte und vertikal leicht gewölbt (sieht man wahrscheinlich auf den Fotos nicht). Knöpfe und Buttons haben einen ordentlichen Widerstand – sind aber aus Kunststoff. Das tut meines Erachtens dem wertigen Gesamteindruck aber keinen Abbruch. Auch sonst hat man den Eindruck, dass bei dieser Unit in Sachen Verarbeitung nicht gespart wurde.
ANSCHLÜSSE
Jeder Stereokanal verfügt wahlweise über einen symmetrischen XLR-Anschluss sowie über einen symmetrischen Klinkenanschluss für jeweils Ein- und Ausgang. Beide können parallel aktiv sein. Dazu kommt für jeden Kanal ein Insert-Point, der ein externes Effektgerät nach dem PreAmp und vor Compressor und EQ einschleift.
An dieser Stelle hängt bei mir ein TC Electronics FireWORX im Signalfluss und macht auf Wunsch ganz böse Sachen. Geünscht hätte ich mir allerdings, dass ich den Insert auch per Knopfdruck am JoeMeek TwinQ2 umgehen kann. Dem ist leider nicht so. Da hilft in meinem Fall nur FireWORX einschalten und auf Bypass gehen.
Die Ein- und Ausgänge gibt es auch in digitaler Form (AES/EBU, S/PDIF mit Word-Clock-In und umschaltbarer Samplefrequenz) – und das Ganze ohne Aufpreis. Die Signalausgangsstärke lässt sich, wie bei einem Profi-Gerät üblich, umschalten zwischen -10 dBV und +4 dBV.
PreAmp
Der PreAmp Regler arbeitet in einem Bereich von 18 dB und 60 dB (im Handbuch gab es diesbezüglich einen Druckfehler – dort ist noch von 10 dB bis 60 dB die Rede. Dies wurde in einem Addendum revidiert). JoeMeek legt besonders Wert darauf, dass die verwendeten Preamps „world-Class“ und „top-quality“ Preamps von Cinemag sind und diese in Verbindung mit extrem rauscharmen Burr Brown OPA2134 (von Texas Instruments) Audio-Verstärkern ihren Dienst verrichten. Toll klingende Namen, die wahrscheinlich nur Hardcore-Studio-Usern wirklich etwas sagen – ganz ehrlich – ich habe die Namen zuvor noch nie gehört, aber die verlinkten Webseiten halten spannende Informationen zu diesen beiden Bauteilen bereit. Entscheidend ist aber, was hinten rauskommt – und oha…. da war ich dann ganz schnell leise. Denn nur wer hier wirklich mucksmäuschenstill ist, wird selbst bei schlechten Audiosignalen hören, dass der PreAmp das Nutzsignal verzerrungsfrei lauter macht, aber definitiv nicht das geringste Eigenrauschen beimischt. (Ausprobiert mit einem Casio FZ-1 und Drum-Samples, die selbst dann noch zu leise sind, wenn ich den Kanalzug und Vorverstärker am Line-Mixer voll aufreiße).
Und ja, der PreAmp liefert auf Wunsch eine Phantomspeisung und akzeptiert alles an Signalquellen, was man ihm vorsetzt. Phasenumkehrung und Abschwächung auf Knopfdruck inbegriffen.
Meequalizer
Warum darf das Ding jetzt nicht Equalizer heißen? Manchmal darf man sicher über „Marketingexperten“ nur noch wundern. Aber ungeachtet der Begriffsverzeichnung ist der Equalizer des JoeMeek TwinQ2 ein echtes Highlight – „and sounds very unaufdringlich british“. Die tiefe und mittlere Frequenz des 3-Band-EQs lassen sich durchstimmen (LF 40 Hz und 650 Hz / MF 300 Hz – 5 kHz). Der Regler für die hohe Frequenz lässt sich nur umschalten und ist entweder zentriert auf 6 kHz oder 12 kHz. Alle drei Bänder erlauben ein Anheben bzw. ein Absenken von -15 dB bis +15 dB. Praktisch: Der Meequalizer(!!) lässt sich auf Wunsch auch mit einem Knopfdruck aus dem Signalweg nehmen.
Ein weiterer Knopf erlaubt das Abschneiden der tiefen Frequenzen dank eines Hochpassfilters mit fester Eckfrequenz. (Gern genommen auf der Bühne bei der Übertragung von Mikrophonen – im Studio weniger sinnvoll.)
Wenn auch eingeschränkt, so liebe ich – was Profis wahrscheinlich so gut wie niemals tun – die Bearbeitung der Synth- und Drumsounds schon bei der Aufnahme. Für mich ist dies Teil der Soundgestaltung – hat also nichts mit Anpassung an einen Mix zu tun. Gerade das Spiel zwischen Vorverstärkung (gerne auch mal in die Verzerrung) und Qualizing, ergibt auf Wunsch bereits drastische Soundveränderungen zum ursprünglichen Nutzsignal. Umso mehr muss man am Ende das Signal aber auch wieder in den Griff bekommen. Dafür sorgt nun der OPTICAL COMPRESSOR und der Output-Regler.
OPTO-COMPRESSOR
Die Wirkungsweise des Opto-Compressors habe ich bereits weiter oben kurz angerissen. Die Regler zur Klangzähmung sind schnell aufgeführt. THRESHOLD (hier COMPRESS genannt), RATIO (hier SLOPE genannt) ATTACK und RELEASE – und am Ende MAKE UP GAIN, um zu stark abgeschwächte Signale wieder auf den ursprünglichen Pegel zurück zu bringen.
Über den Umgang mit Kompressoren empfehle ich Neulingen unsere dreiteilige Workshopreihe EFFEKTIV MUSIK KOMPRIMIEREN. Danach kann selbst ein Einsteiger sofort loslegen, versprochen.
Der Kompressor des JoeMeek TwinQ 2 macht mich bei wirklich jeder Audioaufnahme meiner Synths glücklich und oft sogar glücklicher. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen ich Gesang aufnehme, hat er mich ebenfalls vollkommen überzeugt. Wie konnte ich nur jemals ohne ihn auskommen?? Da pumpt nichts, da hört sich nichts künstlich an. Und mit wirklich wenigen Handgriffen ist das Kompressor genau da, wo ich ihn haben möchte.
Besonderheiten
Während es für die Stereoanpassung am PreAmp und Equalizer KEINE Möglichkeit der Synchronisation gibt (bitte also die Ohren einsetzen), lässt sich der Equalizer verlinken, damit beide Kanäle wirklich sauber und absolut identisch ihren Dienst verrichten.
Der analoge VU-Meter erlaubt das Umstellen zwischen Pegel- und Kompressions-Anzeige.
ZU DEN SOUNDBEISPIELEN
Ich weiß, meine Analogsequenz ist nun wirklich nicht repräsentativ für die Anwendung eines Kompressors, aber da ich ihn nun mal genau dafür – und nun dafür – verwende, gibt es von mir auch als Beispiel nur eine analoge Sequenz aus einem COTK Model 15: Alle drei Beispiele wurden beim Bouncen normalisiert.
Beispiel 1:
Einfach simpel das rohe Ausgangssignal des Model 15 aufgenommen, der mit einem Doepfer Dark Energy angesteuert wurde:
Beispiel 2:
Um den Kompressor gut zu hören, wurde hier der Kompressor stark eingesetzt mit einer Ratio von 5, niedrigem Threshold-Level, schneller Attack und schnellem Release. Die Sequenz schnalzt mehr, verliert aber auch bei den langen Tönen an Druck, wenn der Kompressor nachregelt.
Beispiel 3:
Ähnliche Einstellung wie bei Beispiel 2, aber mit einem deutlichen höheren Threshold-Level. Der Kompressor reagiert deutlich später. Zusätzlich wurde der EQ hinzugeschhaltet. Tiefe Frequenzen um 85 Hz wurden um 3 dB angehoben und mittlere Frequenzen bei ca. 900 Hz wurden um 6 dB angehoben. So in etwa hätte ich am Ende diese Sequenz dann wohl auch final in einen Track übernommen.
Hi Peter,
Singer und Songwriter wird dem guten Joe, wie ich finde, nicht ganz gerecht. Aus WIKI:
Robert George „Joe“ Meek (5 April 1929 – 3 February 1967[5]) was an English record producer, –>sound engineer<-- and songwriter who pioneered space age and -->experimental<-- pop music. He also assisted the -->development<-- of recording practices like overdubbing, sampling and reverb.
Gebongt, habs ergänzt!!!
Hallo Peter, ich freue mich über diesen Test. Mehrfach hatte ich schon für mein Projekt-Studio nach einem JoeMeek Ausschau gehalten, weniger aufgrund des EQs, primär wegen des optischen Kompressors, der möglichen Lautstärkeanpassung und der möglichen Integration eines weiteren EFx. Das Audio, das die Arbeit des Kompressor beinhaltet, hat mich zwar nicht überzeugt, für mich klang das Original bereits genügend komprimiert, aber das EQ-Beispiel klang dafür richtig gut. Ich werde mir etwas überlegen müssen, ich weiß zwar noch nicht was, aber der JoeMeek TwinQ2 wird in der Auswahl dabeisein.
Feiner Test und feines Gerät. Bin auch gerade schwer am überlegen, in ein neues Pult zu investieren. Der JoeMeek wäre eine echte Alternative, da ich ja auch in aller Regel Synthesizerstimmen nacheinander aufnehme. Und das tannengrün finde ich très chic :-)
@costello Ging mir genau so. Aber auf der einen Seite fehlt mir der Platz, auf der anderen Seite sehe ich inzwischen keinen Sinn mehr darin ein hochwertiges Pult zu betreiben (auch wenn es das Ego streichelen würde, wenn da ein schönes Pult im Studio steht). Der Joe meek steht aber genau neben der DAW auf Augenhöhe – und da freut sich das Ego auch, wenn die leuchtenden VU-Meter entzückt tanzen.
Der Joemeek Kompressor ist eine Studio Legende, allerdings muss man sagen, dass das mit der aktuellen Geräten von Joemeek nichts mehr zu tun hat. Ted Fletcher hat seine eigene Firma TF Pro die tatsächlich noch die original Geräte nachbauen und weiterentwickelt.
Der eq in dem neuen joemeek heisst übrigens meeqlizer weil sie an die alten eqs von joemeek erinnern sollen. Haben aber auch damit nichts mehr zu tun.
Mir fällt zu Joe Meek immer ein, dass er seine Vermieterin und dann sich selbst mit einer Schrotflinte erschossen hat. Das ist nicht vorbildlich, und war sicher kein schöner Anblick, aber mancher wird es insgeheim nachfühlen können:
https://de.wikipedia.org/wiki/Joe_Meek
Ich habe mir einen twinQ2 gebraucht zugelegt – leider braucht das Gerät scheinbar dringend einen Service. Über die offizielle Seite ist wenig in Erfahrung zu bringen. Hat jemand eine Idee oder kennt jemanden der sich mit den Geräten auskennt?
@Neosay Ich empfehle unseren Doc Analog (Siedler Service) – einfach mal googlen.
Lieber Herr Grandl,
Chapeu zu den Audiobeispielen bzw. Ihrer gekonnten Nachbearbeitung.
Diese Anschaffung hat sich wohl gelohnt und die bearbeitete Sequenz klingt fantastisch!
Ich kann Ihnen die Klangveredelung bestätigen. Gut gemacht und so ein aussagekräftiges Beispiel ist leider nicht so häufig, daher mein ausgesprochenes Lob. Danke für die Mühe!