Kempers Paukenschlag!
Kemper, Kemper und immer wieder Kemper. Für manche Gitarristen dürfte das mittlerweile ein Unwort sein, insbesondere für diejenigen, die Verfechter des reinen analogen Röhren-Sounds sind. Andere hingegen bekommen feuchte Augen, wenn sie an die Kemper Profiler Amps denken – und an ihren Kontostand. Schließlich benötigte man für den sinnvollen Einsatz auf der Bühne nicht nur ein Produkt der Kemper Profiler Serie, sondern auch noch die Remote. Für die stets klammen Musiker eine ganz schöne Investition, gehört man nicht gerade zu den Top 40-Gitarristen mit 80+ Gigs im Jahr. Findige Gitarristen sieht man bisweilen mit einer Behringer FCB1010 MIDI-Fußleiste die Kemper Presets schalten, doch so richtig Kemper-Feeling kommt damit nicht auf. Jetzt gibt es endlich die langersehnte und halbwegs erschwingliche Lösung: den Kemper Profiler Stage – das Profiler Floorboard.
Der Siegeszug des Kemper Profiler
Ich gebe es offen zu: Digitaltechnik gibt es nur in meinen Keyboards. Meine Gitarren-Amps sind mit Röhren bestückt und ich liebe diesen Sound. Dabei habe ich es schon öfter versucht, mich mit der digitalen Klangrevolution auch in der Gitarrenwelt zu nähern: Ein Line6 Pod, ein Behringer Mustang Floorboard, ein Vox Digital Amp. Doch schnell fanden diese sich in den ebay Kleinanzeigen wieder. Zu steril, zu wenig Dynamik und die im Frequenzgang korrigierten Ausgangssignale hörten sich über eine PA kratziger an als meine Amps über eine alte Hughes & Kettner Redbox der ersten Generation. Nein, so richtig begeistern konnte ich mich bisher dafür nicht. Dennoch gibt es kaum eine Open Air-Bühne, auf der nicht irgendein Produkt aus der Kemper Profiler Serie zu sehen ist. Gerade bei Top 40 Bands ist der Kemper Profiler sehr beliebt. Die Aussicht, die Sounds der Vorbilder so gut wie originalgetreu wiedergeben zu können, ist verlockend. Auch der Siegeszug von In Ear Monitoring hat zur schnellen Verbreitung vom Kemper Profiler beigetragen. Kein Gefummel mehr mit Mikrofonen vor dem Amp, keine 20 Tretminen am Bühnenrand, kein ohrenbetäubender Lärm auf der Bühne. Stattdessen lupenreiner Stereo-Sound auf den In Ear Hörern.
Doch auch die großen Gitarrenhelden unserer Kindheit haben jüngst die Kemper-Welt für sich entdeckt. Mit Erstaunen musste ich lesen, dass Mark Knopfler auf seiner aktuellen Abschiedstournee statt analoger Amps seine Gitarren in einen Kemper Profiler Amp steckt, der die Presets seiner großen Hits enthält. Aufnahmen zur aktuellen Tour zeigten mir mit Erschrecken, dass ein Unterschied für mich nicht wahrnehmbar ist. Und nicht nur Knopfler knopflert nun digital, sondern auch Steve Lukather, Paul Gilbert, Steve Morse, Pat Metheny, Scott Ian, Marty Friedman, Lee Ritenour, Rob Gonzales, Farin Urlaub und „Andi“ und „Kuddel“ von den Toten Hosen. Die Liste wird ständig länger und länger und es wird kaum jemanden geben, der nicht mindestens einen seiner Helden darauf findet. Interessante Facts zur Kemper-Story findet ihr hier. Kemper hat definitiv die Gitarrenwelt revolutioniert. Als das Angebot kam, das brandneue Kemper Profiler Stage Floorboard zu testen, konnte ich nicht anders: Die Schwingungen meiner Fender Strat und Tele werden wieder einmal in Nullen und Einsen transferiert.
Kemper Profiler Stage – Rückblick
Kemper erfindet selbstverständlich das Rad für den Profiler Stage nicht neu. Das wird auch schnell klar, schaut man sich die Vergleichstabelle an, die Kemper auf ihrer Internetseite veröffentlicht haben:
Das Kemper Stage Floorboard kann alles, was ein Rack oder Head auch kann. Lediglich auf die Endstufenvariante muss man (bisher) verzichten und auf die zwei alternativen Farben Weiß und Schwarz. Ansonsten ist alles drin und alles dran. Aus diesem Grund bete ich auch nicht alle Features und Möglichkeiten des Kemper noch einmal herunter, sondern verweise auf den bereits bei Amazona.de erschienenen Testbericht zum Kemper Profiler. Hier nur noch einmal die wichtigsten Facts in Kurzform:
- Über 300 vorinstallierte Amp Profile
- Profiling-Funktion zum Erstellen eigener Amp-Profile
- Alle wichtigen Gitarreneffekte integriert: Von Delay über Pitch Shifting, Chorus, Phaser, Flanger, Distortion, Booster, Wah, Reverb, Compressor, Noise Gate, EQs bis hin zur Loop Station.
- 8 Effekte gleichzeitig nutzbar
- Vielseitige Anschlussmöglichkeiten
Kemper Profiler Stage – Facts and Features
Äußerlich betrachtet handelt es sich beim Kemper Profiler Stage um den Spross eines Kemper Profiler Rack und einer Kemper Remote. Im Prinzip finden wir alles wieder, lediglich die Anordnung ist etwas anders. Die wichtigsten Bedienelemente unterhalb des Displays sind an Ort und Stelle geblieben und wurden lediglich leicht verkleinert. Die vorher in den Sektionen Stomps, Stacks und Effects gruppierten Tasten sind nun in einer Reihe nebeneinander angeordnet. Die vier Regler für die wichtigen Delay und Reverb Parameter fehlen. Aber: Alles, was wichtig ist, ist da. Und ohnehin liegt einem das Floorboard zu Füßen und man wird sich beim Gig selten bücken wollen, um an Reglern zu schrauben. Der Verzicht auf einige der Regler ist also sinnvoll.
Unterhalb der Bediensektion sieht der Kemper Profiler Stage exakt aus wie die Remote. Zwei Reihen á sechs Schalter sitzen auf zwei verschiedenen Höhenebenen, was für eine höhere Treffsicherheit sorgt. Auch hier läuft alles wie von der Remote gewohnt: Vier frei belegbare Schalter für Effekte, um diese wie eine Stompbox zu schalten. Zwei Buttons für das Anwählen der Bänke, fünf Buttons für den Abruf der Presets und ein Tap-Button für Tempo-Eingaben. Neu sind zwei weitere Buttons, die sich noch auf der oberen Hälfte verbergen: Looper und Tuner. Tuner schaltet das integrierte Stimmgerät ein, während Looper den Zugriff auf die Loopstation freischaltet. Diese kann über die untere Schalterreihe bedient werden: Funktionen für das Starten und Stoppen der Aufnahme, Overdub, Löschen, Reverse-Funktion, halbes Tempo und vieles mehr liegen dem Nutzer zu Füßen. Kurz: Mit etwas Übung sind Ed Sheeran Coversongs kein Problem mehr.
Für ein Floorboard wichtig ist das Display. Dieses ist entspiegelt und funktioniert auch bei grellem Lichteinfall noch zuverlässig. Es ist aus allen Winkeln gut ablesbar. Sehr gut.
Anschlussseitig vermissen wir nichts: Instrumenteneingang, zwei Sends und zwei Stereo-Returns zum Einbinden externer Effekte und Fußpedale, Main Out L/R in XLR und Klinken-Ausführung, Monitor L/R (Klinke), S/PDIF Ein- und Ausgänge, vier Anschlüsse für Expression Pedale/Fußschalter, MIDI In und Out (DIN) sowie zwei USB-Anschlüsse (Host und Device). Ein Netzteil ist fest integriert, so dass lediglich das Stromkabel eingesteckt werden muss. Wer noch spät abends üben möchte, findet etwas versteckt rückseitig einen 3.5 Millimeter Klinkenausgang für einen Kopfhörer.
Kemper Profiler Stage Floorboard – Bedienung
Wie auch bei Tretminen ist die Bedienung dann, wenn der Kemper Profiler Stage auf dem Boden liegt, nicht rückenfreundlich. Zumindest dann nicht, wenn es ans Eingemachte, also an das Editieren geht. Ganz anders auf der Bühne: Durch die vielen Möglichkeiten, die vorprogrammierten Rigs abzurufen und live zu manipulieren, ist es eine wahre Freude, mit dem Kemper Profiler Stage zu spielen. Für die Programmierung stellt man sich den Kemper Profiler Stage besser etwas hoch oder auf einen Tisch. Da sich das Bedienkonzept nicht grundlegend von dem der Geschwister unterscheidet, müssen keine großen Abstriche gemacht werden. Alles ist wie immer und gut durchdacht. Die vier frei belegbaren FX-Fußschalter werden zum Beispiel durch gleichzeitiges Drücken der Parametertasten des gewünschten FX-Parameters am Display und einem einfachen Druck auf den zu belegenden Fußschalter zugewiesen. Leichter geht es nicht. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Kemper Profiler Stage für den Abruf fertig programmierter Presets und das Spielen und Modulieren derselben auf der Bühne optimiert ist: Alles im Blick, alles Wichtige per Fuß im sofortigen Zugriff, das ist die Devise.
Die Head und Rack Geschwister haben den Vorteil, dass sie in der Regel etwas höher stehen werden, zum Beispiel auf einer Gitarrenbox, und deshalb die Bedienelemente leichter zugänglich sind. Dafür bieten sie auch mit der Remote nicht ganz den Bühnenkomfort, den der Profiler Stage bietet. Für mich ist die Head-Variante samt Remote ein guter Ersatz für ein Röhren-Topteil, der Rack eine prima Lösung für das Studio und der Stage für all diejenigen, die häufig Presets wechseln müssen und mit vielen verschiedenen Sounds hantieren beziehungsweise diese live „tweaken“ wollen, denn für genau das stellt der Kemper Profiler Stage mit seinen integrierten Schaltern und weiteren vier Anschüssen für Expression-Pedale oder Fußschalter genügend Möglichkeiten bereit. Der bisherige Verzicht auf eine Variante des Stage mit Verstärker weist klar die Richtung: Vom Floorboard direkt ins Pult. Nichtsdestotrotz funktioniert es natürlich auch prima vor einem Gitarrenverstärker oder einer aktiven Fullrange-Box als Bühnenmonitor.
Kemper Profiler Stage Floorboard – Klang
Zum Klang muss hier, denke ich, nicht viel gesagt werden, denn der unterscheidet sich selbstverständlich nicht von den bereits erhältlichen Modellen. Der Klang ist sehr gut und, vergisst man einen Moment, dass es sich hier um rein digitale Reinkarnationen handelt, im Blindtest kaum von den analogen Vorbildern zu unterscheiden. Hier hängt natürlich alles auch davon ab, wie viel Mühe man sich beim Erstellen der Presets gibt. Ein Freund hat sich kürzlich einen Profiler Rack zugelegt und erstmals bei einem gemeinsamen Gig eingesetzt. Zuvor habe ich ihn stets mit der Kombination Tele, Marshall Stack, Booster und Delay Fußtreter erlebt. Was dann da auf meinem In Ear zu hören war, hat mich gar nicht begeistert. Es ist halt wie bei Keyboardern: Oft dauert es ewig bis die mühsam zuhause erstellten Presets auf der Bühne dann auch tatsächlich klingen. Je mehr Funktionen für das Klangverbiegen zur Verfügung stehen, desto schwieriger wird es in der Praxis meistens, einen guten Sound zu zaubern. Dass es dennoch geht, hat Mark Knopfler mit seinem Gitarrentechniker, der die analogen Sounds liebevoll am Kemper nachgebaut hat, gezeigt. Wer mit einem Kemper, egal mit welchem Modell, auf die Bühne geht, muss zuvor Zeit investieren. Nimmt man sich diese und setzt sich mit den vielfältigen Funktionen des Geräts auseinander, wird man mit einem extrem vielseitigen und hochtransportablen Setup belohnt, dass seinesgleichen sucht.
Ein paar Klangbeispiele wollen wir euch trotzdem nicht vorenthalten – auch wenn die Engine die gleiche ist und bereits vielfach dokumentiert wurde. Auch wenn die meisten von euch, die sich für Kemper interessieren, mit der allgemeinen Klangqualität vertraut sind, sollte das trotzdem nochmalig unterstrichen werden, dass hier große Qualität geliefert wird und die große Geißel der Sterilität im Klang endgültig als überwunden gelten dürfte.
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Ich habe den Kemper Profiler ohne Endstufe. An dem Teil hängt eine 2×12 Gitarrenbox und es klingt genauso laut, als ob eine Endstufe mit eingeschleift wäre. Ich glaube, man benötigt überhaupt keine Endstufe.
Ich kann aus meiner Erfahrung bestätigen, dass man Zeit einplanen muss wenn manbvon einem rein analogen Setup auf den Kemper umsteigt.
Im Hobby Studio klingt es fantastisch wohingehend das selbe Preset im Bandgefüge angepasst werden muss.
Ich habe mich nach knapp einem Jahr mit dem Toaster ersteinmal wieder auf ein analoges Setup zurück besinnt. Muss aber auch anführen dass ich selten live spiele.
Ich finde das Konzept dennoch interessant und kann mir vorstellen mich in Zukunft wieder damit zu beschäftigen.
Vielen Dank für diesen informativen Test, der allerdings m.E. doch etwas zu positiv ausfällt. In Sachen Soundqualität gibt es nichts zu bemäkeln, hier ist man nach wie vor ganz oben mit dabei. Zum jetzigen Zeitpunkt sollte man allerdings einen Satz Knieschoner mitbestellen, Einstellungen sind auf dem Boden kriechend vorzunehmen. Das hier nicht weiterentwickelt wurde (z.B. Bluetoothverbindung mit App-Steuerung) ist schon sehr Schade. Wenigstens die Möglichkeit über den Rig-Manager Einstellungen vorzunehmen sollte zum jetzigen Zeitpunkt angeboten werden. Versprochen wurde es ja schon auf der NAMM Anfang des Jahres. Die Steuerung mit ToastMe funktioniert mit dem neuen OS7 leider auch nicht mehr.
Auch fehlt ein richtiger Ausschalter, das weiße Ausschaltlicht beleuchtet mein Musikzimmer wie ein Nachtlicht. Ansonsten bin ich mit dem Kemper Stage sehr zufrieden.
@Samick Deshalb sagte ich ja: „nicht rückenfreundlich“. Ich hätte dafür jetzt aber keinen Minuspunkt geben wollen, weil der Stage eben in erster Linie, zumindest für mich, wie ein Pedalboard zu sehen ist. Und da ist auch die Bedienung nicht gut für den Rücken. Außerdem kann ich ihn in der „Schraubphase“ auf einen Tisch stellen. Zum Thema Software: Ich habe einen Eventide H9 Max und da gibt es eine Bluetooth App für iOS. Glücklich macht das aber auch nicht. Nur ist es da die einzige Möglichkeit! Aber Kemper kann ja noch nachschieben.
@Samick Editor via Rigmanager kommt in Kürze. Laut Christoph Kemper wollten sie den Editor nicht noch im Sommer rausbringen, da einige Programmierer auf Urlaub sind und sie dann nicht in dieser Zeit noch eventuelle Bugs jagen wollten. Lieber mit ausgeruhten Mitarbeitern etwas später einen sauberen Release rausbringen.
Für was um alles in der Welt brauchen die Toten Hosen Guitarieros einen Kemper? Die 2-3 Sounds, die sie seit „Hier kommt Alex“ spielen müssten sie doch auch so hinkriegen.
Für Top 40-Leute natürlich ein Traumgerät.
@Guernica Absolut konsistenter InEar-Sound. Konsistenter FOH Sound.
Keine Röhren die beim Transport und AufAbbau leiden können.
Weniger Truckspace,…