In der Theorie soll das Rechteck-Design der Kapsel gegenüber der runden Bauform einen gleichmäßigeren Frequenzgang im Hochtonbereich bei gleichzeitiger Unterdrückung von Resonanzen erzielen. Pearl hebt hier aber die Frequenzen um 5 kHz wieder an, um eine bessere Durchsetzungsfähigkeit bei Stimmen zu erreichen, also nichts mit Linearität.
Und tatsächlich erscheint meine Stimme klar und direkt im Monitorkopfhörer. Allerdings fehlen mir ganz deutlich die Mitten, die eine Stimme druckvoll erscheinen lassen. Kann am Kopfhörer liegen, also die Aufnahme über die Studiomonitore gehört. Auch hier dasselbe Ergebnis. Die Stimme springt förmlich aus den Lautsprechern, lässt aber jeglichen Druck vermissen.
Nun kenne ich inzwischen genügend günstige Großmembraner, die sich mit einer Höhenanhebung in den Vordergrund spielen wollen. Da reißt der Sound in der Regel oben auf, dies passiert beim Pearl Microphones Priority nicht. Trotzdem erhalte ich hier einen Klang, bei dem ich mir absolut nicht vorstellen kann, wie ich ihn im Mix unterbringen soll.
Zudem macht mich ein leichtes Brizzeln im Signal stutzig, mein nahe liegender Gedanke: Das Ding ist kaputt.
Mein Testmodell habe ich vom Musikhaus Thomann erhalten, also wende ich mich mit meinen Eindrücken an die dortige Studioabteilung.
Das Ergebnis ist niederschmetternd. Mein Testeindruck wird im Gespräch voll bestätigt, auch dort wurde erst ein Defekt vermutet, beim Gegencheck mit einem zweiten Modell hat sich aber bestätigt: Nö, das Teil klingt einfach so.
Nach all den Ungereimtheiten in Aufmachung und Ausstattung ertappe ich mich beim Gedanken, ob ich evtl. bei der versteckten Kamera gelandet bin und mir wurde ein China-Bastelobjekt untergeschoben, um meine Kompetenz zu überprüfen. Vorsichtshalber klebe ich mal die Kamera an meinem iMac ab, sicher ist sicher.
Ich muss gestehen, das Priority lässt mich ratlos zurück. Ich kenne keine weiteren Produkte von Pearl Microphones und kann mich also auch nicht dazu äußern, ob mein vorliegendes Testobjekt die Firmenphilosophie vermittelt. Fest steht aber für mich, mit diesem Modell kann ich, erst recht zu dem Preis, nichts anfangen. Deshalb zum ersten Mal in meiner Testerlaufbahn nur ein Punkt und den erhält das Pearl Microphones Priority in Anlehnung an Schulsportnoten für pünktliches Erscheinen zum Unterricht.
Klingt vielleicht blöd, aber: Ich finds gut, wenn ein Tester mal ein Produkt richtig schlecht findet – einfach deswegen, weil ich ihn dann insgesamt glaubhafter finde. In diesem Sinne: danke schön :-)
@dr noetigenfallz Du bringst es auf den Punkt. Das ist mit Abstand einer der – positiv gemeint – schlechtesten (abgeschnittenen) Tests, die ich hier als User gelesen habe was aber nichts an der Tatsache ändert, dass der Artikel dennoch interessant zu lesen ist. Natürlich ist die Meinung was den Soundcharakter anbelangt immer etwas subjektiv. Ich finde z.B. den Korg ms20 Mini analog-Synthesizer klanglich echt schlecht (habe ich persönlich ausprobiert) und außerdem kann man fehlende Höhen mit dem EQ evtl. ausgleichen. Aber an solchen Tests sieht man mal deutlich, dass man auch 700€ unter Umständen falsch anlegen kann! Das wiederum zeichnet Amazona aus!
Danke euch Beiden.
Ich habe den Test, ehrlich gesagt, mit etwas Bauchgrimmen geschrieben, da ich auf ungewöhnliche Mikros stehe und dem Leser natürlich lieber einen neuen Geheimtipp präsentieren würde, als ein Produkt nieder zu machen.
Tut mir auch leid für den Hersteller, aber das war nix…
Gelegentlich tut man jemandem (oder in diesem Fall einem Produkt) unrecht, wenn man dessen Qualität aufgrund des Aussehens bewertet. Aber, meistens stimmt es dann eben doch.
Ich würde mich nicht getrauen jemandem ein Mikro mit derart fürchterlicher Optik vor die Nase zu stellen. Ausser vielleicht, es hätte den absolut, ultimativ besten Klang. Aber eben…
@AQ Also ich finde die Optik erst einmal schon interessant bis knorke.
Mit den Einschränkungen, dass der Aufkleber in der Tat etwas piefig aussieht, und die nicht passende 08/15-Klemme eine echte Zumutung ist. Aber das Mik an sich hat doch eine nette Form.
Kennst du denn den Hersteller, bzw. hast du Erfahrungen mit seinen Produkten?
Ich hatte vor 25 Jahren mal ein paar Pearl Mikrofone. Das waren übrigens meine ersten Grossmembran Kondensator (Elektret) Mikros. Wenn ich mich richtig erinnere waren das aber Japan-Produkte welche damals von Musik Meyer vertrieben wurden?? Ob das was mit der Firma Pearl aus Schweden zu tun hatte weiss ich nicht. Vielleicht gibt es ja jemanden der uns hier weiter helfen kann?
@AQ Die Japan Pearls ist eine ganz andere Baustelle, die waren von gleichnamigen Drum-Hersteller.
Das sich mehrere ‚Musikfirmen‘ Pearl nennen dürfen finde ich schon irgendwie merkwürdig, aber auch witzig!