I'm feeling blue
Über eine mangelnde Produktvielfalt kann man sich bei Presonus wahrlich nicht beklagen. Neben Mixern, Interfaces, Software und allerlei Detaillösungen befinden sich auch verschiedene Studiomonitore im Katalog der amerikanischen Firma. Mit den in China gefertigten Presonus R65 befindet sich nunmehr ein weiterer Vertreter der unter 300,- Euro Preisklasse im Programm, der mit einem alten Bekannten im Hochtonbereich aufwarten kann.
Aufbau des Presonus R65 Studiomonitors
Bei der Presonus R65 handelt es sich um einen aktiven 2-Wege Nahfeldmonitor, der mit den Abmessungen 203 x 261 x 328 mm (B x T x H) und einem Gewicht von 6,4 kg vergleichsweise kompakt ist. Das System verfügt über einen 6,5 Zoll großen Tieftöner aus Kevlar und einen bei 2,7 kHz getrennten Bändchen-Hochtöner, der auf dem Air-Motion-Transformer-Prinzip (AMT) beruht, wie man sie vom Branchenprimus Adam her kennt. Auch das Tieftönermaterial Kevlar scheint sich immer mehr zu einem Standard im Basslautsprecherbereich zu entwickeln, sind doch das geringe Gewicht und die schnelle Ansprache ein gerne verwendetes Argument für das verwebte Material.
Laut Herstellerangaben verfügt die Presonus R65 über einen Frequenzgang von 45 Hz bis 22 kHz (-3 dB) und einem Schalldruck von 107 dB @ 1 m. Die Leistungsdaten von 100 Watt im Bassbereich und 50 Watt im Hochtonbereich lassen einmal mehr auf den Einsatz in einer kleinen Regie oder im Heimstudio schließen. Auch wenn die Leistungsangaben überzeugend wirken, darf man nie den entsprechenden Headroom für Impulsspitzen vergessen, wie sie gerne bei harten Bass-Peaks auftreten können.
Um den hier häufig auftretenden Probleme mit reflektierenden Wänden oder die (zwangsweise) nahe Positionierung der Abhöre an stehenden Wänden oder in Raumecken entgegenzuwirken, verfügt die Presonus R65 über ein reichhaltiges Arsenal an klanglichen Korrekturmöglichkeiten. Insbesondere das Aufschwingen im Bassbereich kann jegliche, möglichst neutral gehaltene Wahrnehmung ad absurdum führen, weshalb Presonus gleich mit zwei unterschiedlichen Filtern diesem Problem zu Leibe rücken will. Dazu später mehr im Anschlussbereich.
Optisch wagt sich Presonus auf gewöhnungsbedürftiges Terrain, wenngleich das an alte Turbosound Systeme erinnernde Blau der Vorderseite durchaus seine Liebhaber finden wird. Als offizielle Firmenfarbe durchaus nachvollziehbar, werden wohl dennoch die meisten Kunden das neutrale Schwarz bevorzugen, was durch einen Tausch des im Lieferumfang enthaltenen schwarzen Frontbaffels schnell durchführbar ist. Es müssen lediglich sechs Inbusschrauben gelöst und wieder befestigt werden. Zum Lieferumfang der Presonus R65 gehören jedoch auch der passende Sechskant-Schlüssel sowie ein Handbuch und das Stromkabel. Ob Presonus darüber nachdenkt, weitere Buffels in zusätzlichen Farben für einen individuellen farblichen Abgleich anzubieten, konnte leider nicht in Erfahrung gebracht werden.
Gehäuse-technisch wurde viel unternommen, um den Standardproblemen der Reflektionszonen entgegenzuwirken. Um Kammfiltereffekte zu minimieren, wurden die vorderen Gehäusekanten nach hinten abgewinkelt, zudem wurde die Bassreflexöffnung nach vorne verlegt. Generell sollten meines Erachtens Nahfeldmonitore, die im Heimstudio ihren Einsatzbereich finden, immer ihre Bassreflexöffnung nach vorne ausrichten. Wer hat in kleinen Regieräumen schon die Möglichkeit, seine Abhöre auf Hochständern frei im Raum mit entsprechender Luft von mindestens einem Meter nach hinten zu positionieren?
In Sachen Verarbeitung muss man der Presonus R65 ein gutes Bild attestieren. Die mit schwarzem Vinyl beklebten MDF-Platten fassen sauber ineinander und lassen keine Ecken überstehen oder eine unsaubere Folierung erkennen. Im Lieferumfang ist zudem eine kleine Schaumstoffplatte enthalten, aus der man sich bei Bedarf vier Füße zwecks Entkopplung vom Untergrund schneiden kann. Nett, aber vier kleine aufklebbare Füße würden diesen Arbeitsschritt auch wieder überflüssig machen.
Die Rückseite der Presonus R65
Wie bereits erwähnt, bietet die Presonus R65 umfangreiche Filtereinstellungen, die neben der gesamten Anschlussperipherie auf der Rückseite des Gehäuses untergebracht wurden. Da wäre zum einen ein Gain-Regler mit einer Rasterung bei 0 dB (U). Leider kann nur dieser 0 dB Bereich fest definiert werden, wenn man sich allerdings vor Augen hält, wie viele Produkte in dieser Preisklasse überhaupt keine Rasterung aufweisen, kann man diese Fixierungshilfe gar nicht hoch genug einschätzen. Auch die Anschlussmöglichkeiten sind mit symmetrischem XLR, symmetrischem TRS und unsymmetrischen Cinch wahrlich umfangreich ausgeführt. Gerade im Heimstudio sollte man auf die unterschiedlichen Signalquellen Rücksicht nehmen, nicht immer steht eine hochwertige XLR-Signalführung zur Verfügung.
In Sachen Filter zieht Presonus standardisiert mit einem Höhen- und einem Bassfilter ins Feld. Das Höhenfilter lässt über einen Druckschalter die Einstellungen 0 dB, -1,5 dB und -4 dB wie auch eine Anhebung von +1dB ab etwa 2 kHz zu. Ob eine Anhebung bei einem Bändchen-Hochtöner jedoch nötig ist, wird der Praxistest zeigen. Im Bassbereich gibt es die Möglichkeit eines Hochpassfilters bei 60 Hz, 80 Hz und 100 Hz bzw. man kann das Filter auch auf linear belassen.
Eine Besonderheit stellt der „Acoustic Space“ dar, der ein Bass-Shelving unter 250 Hz mit 0, -1,5 dB, -3 dB und -6 dB vornimmt. Hiermit soll man zumindest rudimentär die o. g. klanglichen Probleme einer ungünstigen Positionierung in den Griff bekommen können. Ob diese vergleichsweise rabiaten Eingriffe in das Klanggeschehen nicht besser durch eine optimierte Aufstellungsposition der Monitore zu lösen sind, muss die jeweilige Praxis zeigen. Merke, je mehr Kapital man im Vorfeld in einer Optimierung des Control-Rooms investiert, umso weniger muss man später versuchen, klangliche Über- oder Unterbetonungen in den Griff zu bekommen.
Sehr angenehm ist auch der Energiesparmodus, fer die Boxen nach einer Inaktivität von ca. 30 Minuten in den Stand-by-Modus schaltet. Man aktiviert ihn, indem man die HF-Driver und die Acoustic-Space-Taste für ca. 3 Sekunden gedrückt hält.
Der Presonus R65 Studiomonitor in der Praxis
Nach der Aktivierung der Presonus R65 offeriert sich dem Zuhörer zunächst ein vergleichsweise neutraler Klang, dem man sofort seinen Bändchen-Hochtöner anmerkt. Allerdings nicht wie früher von einigen Anbietern in Form eines harschen, eher aggressiven Hochtonbereichs, sondern vielmehr in all seinen Vorteilen, die die ATM-Technik bietet. Der Hochtonbereich ist vergleichsweise luftig und sehr schnell in der Ansprache. Überbetonungen gibt es nicht, wenngleich der Klang eines ATM-Hochtöners bei einigen Nutzern erst eine gewisse Einhörzeit voraussetzt.
Gehen wir Frequenz-technisch etwas tiefer in die Hochmitten, stoßen wir auf einen Schwachpunkt der Presonus R65. Der Klang in diesem Frequenzbereich ist vergleichsweise „kehlig“, eventuell auch etwas „hohl“, was insbesondere den Gesangsbereich etwas kalt klingen lässt. Generell klingt das System vergleichsweise hart, was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Man sollte es jedoch insbesondere im Mixdown immer wieder mit einem anderen Referenzpaar gegenhören, um das Gehör regelmäßig zu relativieren.
Eine Stärke der Presonus R65 ist der Mitten- und Tiefmittenbereich. E-Gitarren und E-Bässe werden recht prägnant abgebildet und können sich im Klangbild gut durchsetzen. Die Wiedergabe ist straff und gut aufgefächert, so dass viele Feinheiten ihren Weg in das Ohr des Hörers finden. Nebenbei, das Stereobild der Presonus R65 ist durch die ATM-Technik etwas fokussierter, will heißen, das Stereodreieck ist kleiner, kann sich dadurch aber auch in akustisch schwierigeren Räumen besser durchsetzen.
Was der Presonus R65 jedoch fehlt, sind echte Bässe. Ich bin geneigt zu behaupten, dass alles unterhalb von 150 Hz akustisch nur noch rudimentär abgebildet wird. Leider lässt sich dieses Manko auch nicht über entsprechende Filter ausgleichen, da alle klanglichen Maßnahmen im Bassbereich lediglich auf die Absenkung von Bässen hin ausgelegt wurden. Zwar sind Kevlar Tieftöner bekannt für ihre schnelle Ansprache und saubere Definition, allerdings erscheint mir der Presonus R65 Tieftöner auch sehr hart eingespannt bzw. wird durch einen sehr starken Magneten fixiert. Die klangliche Definition ist dadurch sehr gut, allerdings leidet der Hub dadurch sehr stark. Hier kann nur der Einsatz eines Subwoofers Abhilfe schaffen, wobei Presonus mit der Tremblor Serie eine passende Erweiterung anbietet.
Das Impulsverhalten der Boxen hingegen ist sehr ordentlich, auch die räumliche Auflösung kann im etwas kleineren Stereodreieck absolut überzeugen.
Hallo Axl,
danke für deinen Bericht! Ich finde, Du schreibst die immer sehr schön, lässt sich ganz toll lesen.
Inhaltlich bin ich ambivalent. Ich habe die Monitore beim Amazone-Gewinnspiel gewonnen :-)) und war gleich mal begeistert. Ich werde demnächst mal einen Erfahrungsbericht abgeben. In den wichtigsten Punkten gebe ich Dir aber recht.
Viele Grüße
Hallo Marco,
danke für das Lob. Letztendlich ist der Klang eines Monitors in vielen Bereiche auch Geschmackssache. Wenn dir der Klang der Monitore gefällt, ist alles in bester Ordnung.
Mir geht es immer um ein ausgewogenes Klangbild und da fehlt es etwas im Bassbereich, aber wie gesagt, alles Geschmackssache. Ich habe früher ewig mit Control 1 und NS-10 rum gemacht, vergleichsweise furchtbar klingende Lautsprecher und dennoch konnte ich damit ein paar fette Produktion erstellen und Charterfolge feiern ;-)
VG
„unterbelichtete Tiefmittenwiedergabe“ – ziemlich geil (; und hab ich auch so wahrgenommen beim anhören.
Fazit:
unterrepräsentierte Hochmittenwiedergabe
und als MinusPunkt:
unterbelichtete Tiefmittenwiedergabe
passt nicht so ganz, da gibst du mir sicher Recht ;) oder beides? Dann: lausige Mitten
kommt auf die persönliche Mittendefinition an.
Ich definiere die Mitten grob in drei Bereiche, Hochmitten, Mitten und Tiefmitten. Die Mitten kommen zufriedenstellend, die beiden anderen Bereiche konnten mich nicht ganz überzeugen.