Drei High-End Oszillatoren in einem abgestimmten Paket
Rossum Electro Music Trident ist der erste echte analoge Oszillator, der vom Erfinder der EMU-Sampler stammt, nach dem originalem EMU-Modular-System aus dem Jahre 1974. Bereits auf der NAMM 2019 vorgestellt und jetzt lieferbar, konnte ich Dave Rossum auf der Superbooth 19 den komplexen Oszillator vorführen sehen und hören. Den will ich sofort testen, dachte ich und bekam das Vorführexemplar nach der Messe auch in die Hand gedrückt: „Have fun!“ – „Yes I will.“.
Struktur
Der Rossum Electro Music Trident reiht sich in die Gattung der komplexen Oszillatoren ein. Diese findet man vor allem im West-Coast-Ansatz und sie gehen auf die ersten Buchla-Oszillatoren zurück. Komplex ist dabei ein Ausdruck für die Modulationsmöglichkeiten eines solchen Ensembles, denn es müssen mindestens zwei Oszillatoren und eine Waveshaping-Einheit vorhanden sein, damit es „komplex“ werden kann. Im Grunde ist das auch nur eine etwas snobistische Ausdrucksweise für „kann FM“.
Wem das alles zu komplex erscheint, dem sei einfach gesagt: Der Rossum Electro Music Trident ist ein 30 TE breites Eurorack-Modul, das prinzipiell drei unabhängige Triangle-Core-Oszillatoren enthält. Alle drei produzieren Dreieck, Sägezahn und Rechteck, wobei es über die Pulsschwingungmodulation auch Thru-Zero gehen kann. Der erste Oszillator bietet zudem noch Einzelausgänge für jede der Schwingungformen. Jeder der Oszillatoren besitzt zudem einen exponentiellen FM-Eingang samt Attenuverter. Gestimmt wird, wie so häufig, über eine Coarse- und einen Fine-Tuning-Knopf.
Zum Thema Verarbeitung und Qualität der Hardware bleibt nur zu sagen: Rossum Electro Music – built like a tank.
Ein Hoch auf die kleinen Unterschiede
Auf den ersten Blick also drei identische Vertreter ihrer Gattung. Beim genauen Hinsehen bemerkt man aber die kleinen, aber entscheidenden Unterschiede. Deswegen sind die Oszillatoren in der PDF-Anleitung, die wieder keine Wünsche und vor allen Dingen keine Fragen offen lässt, als Carrier- und Modulationsoszillator 1 und 2 bezeichnet.
Fangen wir mit dem ersten, dem Master-Oszillator des Rossum Electro Music Trident an. Dieser bietet als einziger einen linearen FM-Eingang mit Abschwächer und eine Pulsschwingungmodulation. Die beiden anderen Oszillatoren bieten eine Symmetry- und eine Zing-Modulation und Oszillator Nummer drei zusätzlich eine Phasenmodulation, jeweils mit Attenuverter. Symmetry, OK, da kann man sich ja noch ungefähr was darunter vorstellen, aber „Zing“? Doch gerade diese Zing-Modulation hat es in sich, da sie im Prinzip das Waveshaping vornimmt.
Symmetrie ist schön
Bleiben wir aber noch bei der Symmetry. Hier ist Dave Rossum eine Schaltung gelungen, die es ermöglicht, stufenlos und ohne Tonhöhenänderung, die Ausgangsform der Dreieckschwingung zu einer Sägezahnschwingung zu überblenden – und das in beide Richtungen. Man kann also die Dreieckschwingung zur einen Seite in einen aufsteigenden Sägezahn, zur anderen Seite in einen abfallenden Sägezahn verbiegen. Und obwohl es solch einen Schaltkreis bereits gab und er oft realisiert wurde, konnte er Mr. Rossums Ansprüchen nicht genügen, da über das Spektrum von 10 Hz bis 10 kHz insgesamt um mehr als einen zehntel Halbton abwich. Die von Dave Rossum entwickelte Schaltung weicht so gut wie gar nicht mehr ab; messen konnte ich gerade einmal 2 Halbton-Cent Schwankung beim C9, also bei ca. 10 kHz. Die Symmetry wirkt übrigens auch auf die Rechteckschwingung, hier bestimmt sie die Pulsbreite.
Was ist nun so schwer an so einer stimmstabilen Symmetriemodulation? Nun, einfach gesprochen muss erstens die Fläche unter der Schwingungsform für alle eingestellten Symmetrien identisch sein, sonst schwankt die Tonhöhe beim Einsetzen. Und zweitens muss die Schwingungsform, rein optisch, über den ganzen Frequenzbereich perfekt sein. Das wird umso schwerer, je höher die Frequenz ist. D.h. die vom Oszillator erzeugten Schwingungsformen müssen absolut genau sein. Betrachtet man die Schwingungsform im Oszi, kann man mit bloßem Auge erkennen, wie exakt diese ist. Es wirkt, als ob ein digitaler Oszillator am Werk sei.
Das ist übrigens auch der Grund, warum man ein absolut stabiles und gut gefiltertes symmetrisches Netzteil in seinem Eurorack braucht – ohne das bekommt man keine perfekte Schwingungsform hin (das gilt selbstverständlich für alle Module). Warum dieser ganze Aufriss um die perfekte Schwingung, könnte man sich fragen? Nun das ist eine Voraussetzung dafür, dass die Zing-Modulation sauber klingen kann und beherrschbar bleibt.
Der Zing des Lebens
Obwohl die Oszillatoren ganz unabhängig voneinander betrieben werden können, sind sie unter der Haube miteinander verbunden. Neben der erwähnten Zing-Modulation geschieht das über eine pro Modulations-Oszillator zuschaltbare Sync- sowie eine Track-Option. Und diese Kombination ist unheimlich ergiebig in Sachen Timbre.
Wie Dave Rossum in der Anleitung sagt, ist die Zing-Modulation eigentlich nichts anderes als die gute alte Ringmodulation. Bei dieser werden dem Carrier-Oszillator Töne hinzugefügt, die sich aus Addition und Subtraktion der vom Modulationsoszillator bereitgestellten Frequenz zur aktuellen Carrier-Frequenz ergeben. Das kann eben auch ganz unharmonische Klänge ergeben, wenn die Frequenzen der beiden Oszillatoren in keinem der üblicherweise als harmonisch wahrgenommen Frequenzverhältnisse stehen, Quinte, Quarte oder Oktave. Aktiviert man aber die Sync-Funktion, ergeben sich damit nicht weniger komplexe, aber eben harmonische Obertonspektren, da der Modulationsoszillator ja „auf Linie“ gehalten wird.
Und hier kommt auch die Track-Option ins Spiel. Wird diese beim Modulationsoszillator aktiviert, so folgt dieser dem Carrier-Oszillator, ohne dabei die eigene CV-Steuerbarkeit aufzugeben. Man kann auch einfach sagen, dass der Modulationsoszillator durch den Carrier-Oszillator transponiert wird. Geht dieser 2 Halbtöne hoch, so wird auch die aktuelle Frequenz des Modulierenden entsprechend angehoben. Damit wird der Effekt der Zing-Modulation noch zusätzlich gebändigt und es werden wieder andere Klangfarben möglich.
Komplex denken
Bis jetzt haben wir ja noch gar nicht die Möglichkeiten des zweiten Modulationsoszillators angesprochen. Man könnte annehmen, dass die Modulationsoszillatoren verschachtelt sind, so dass der zweite denn ersten moduliert. Nun – in der ungepatchten Variante ist dem nicht so. Der zweite Modulationsoszillator wirkt mit seinem Zing, Sync und Track ebenfalls auf den Carrier-Oszillator.
Aber jetzt kann man ja erstens zwei verschiedene Melodien für die Modulatoren nutzen, um den Carrier zum Zingen zu bringen und zweitens bleiben ja natürlich noch die entsprechenden Modulationseingänge. Während schon die FM-Modulationen von Symmetry, Zing und Phase eine deutliche Änderung des Timbres hervorbringen, kommen die auffälligsten Ergebnisse erwartungsgemäß von der FM-Modulation der Oszillatorfrequenz des zweiten Modulators.
Arbeitet man mit solchen Intermodulationen, bleiben die Sync- und Track-Funktionen natürlich verfügbar. So bekommt man eine unglaublich breite Palette an verschiedenen Klangfarben aus dem Rossum Electro Music Trident.
Dabei ist es erstaunlich einfach, dem Rossum Electro Music Trident interessante Töne zu entlocken. Man braucht zunächst wirklich nur eine CV-Quelle, die in den V/Okt-Eingang des Carrier-Oszillators geht. Die Modulationsoszillatoren werden in den Track-Modus versetzt und der Zing aufgedreht. Durch Einstellen des Frequenzverhältnisses über den Coarse-Tune erhält man bereits viele interessante Klänge, die in ihrer Ästhetik deutlich nach Ringmodulation klingen. Da aber die Modulatoren „auf Spur“ gehalten werden, gibt es keine übermäßig schrägen und unbrauchbaren Klänge – die beiden Coarse-Potis zusammen mit den Zing-Reglern sind ein einziger Sweetspot.
Das gilt umso mehr, wenn zusätzlich noch beide Sync-Funktionen aktiviert sind. Von glasklaren Synth-Klängen über glockiges bis gitarrenähnlichen Plucked-Sounds ist hier alles zu finden und das nur durch das Verstellen von vier Potis – FM für Dummies quasi. Nutzt man nun noch die verschieden Schwingungsformen der Modulatoren, erweitert sich das Klangspektrum noch mehr. Grob gesagt: Je eckiger die Schwingungsform, desto mehr Obertöne hat das Ergebnis.
Das ist die eigentliche Stärke des Rossum Electro Music Trident. Ohne auf genaue Frequenzverhältnisse achten zu müssen gelingen, wortwörtlich, im Handumdrehen eine Fülle an FM-Klängen, die strenggenommen aber aus einer Ringmodulation hervorgehen. Damit ist es auch ohne lange Abstimmungen und Kenntnisse der okkulten Wissenschaft der FM normal Sterblichen möglich, die Klangfarben dieser Syntheseform voll auszuschöpfen.
Der Rossum Electro Music TRIDENT on YouTube
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interessanter Artikel!
Allerdings werfen die Spezialbegriffe zur Modulation doch einige Fragen auf. Ich stelle hier mal eine in den Raum:
„Was ist nun so schwer an so einer stimmstabilen Symmetriemodulation? Nun, einfach gesprochen muss erstens die Fläche unter der Schwingungsform für alle eingestellten Symmetrien identisch sein, sonst schwankt die Tonhöhe beim Einsetzen.”
Die Frequenz einer Schwingungsform hängt nicht von der dargestellten „Fläche” unterhalb des Graphen ab, sondern der Periodendauer und das ist in der Abbildung auf der waagerecht dargestellten Zeitachse.
Wäre die Amplitude (in diesem Fall die Lautstärke) nicht genauso groß, wie bei den anderen Wellenformen, dann wäre die Tonhöhe trotzdem gleich, obwohl die Fläche unterhalb des Graphen nicht gleich groß wäre. (Grundformel für den Flächeninhalt eines Dreiecks). Ob man mit dem bloßen Auge „sieht”, dass die Periode und die Lautstärke (und damit der Flächeninhalt) gleich groß sind, wage ich bei der groben Auflösung der Abbildung zu bezweifeln.
Das Ohr ist da ein wesentlich genaueres Hilfsmittel zu Messung. Im Vergleich zweier Schwingungen mit Hilfe von Schwebungen, kann ein menschliches Ohr Verstimmungen ganz locker unterscheiden.
Ich nehme mal an, dass die unsinnig erscheinende Aussage über den gleichen Flächeninhalt wahrscheinlich so in der Anleitung steht.
@herw Da der Kommentartext begrenzt ist, noch eine zusätzliche Bemerkung:
Für einen Oszillator mit digitaler Schaltung sind, solche mutierenden Schwingungsformen eine leichte Übung.
Die Erzeugung entsprechender Modulationen (hier Ringmodulation) basieren dort auf einfachsten Rechnungen (Multiplikation), wie schon in einem anderen Artikel zur FM-Synthese hier dargestellt wurde.
Nichtsdestotrotz ist es eine große Leistung, dies nun auch auf analogem Wege erreichen zu können. Da hat sich einiges in den letzten Jahren getan.
@herw Klar,
es ist immer eine Gratwanderung zwischen Anschaulichkeit und exakter Beschreibung. Ich spiele hier allerdings (umständlich) auf die Zeitkomponente beim Laden eines Kondensators an. Je schneller die Schwingung, desto weniger Zeit hat der Kondensator für den Ladevorgang. Deswegen ist es ja auch nicht trivial einen Dreiecksoszi lautstärkestabil über einen großen Tonumfang zu halten.
Jetzt fällt mir gerade auf: da muss nicht Tonhöhe sondern Lautstärke stehen….Ups.
PS: In der Anleitung steht garantiert nichts Unsinniges, die wurde von „the man himself“ verfasst. Die Gurke lag an mir.
Bei der Bewertung des Produkts habe ich mich leider mal wieder vertan und auf „2” geklickt, was ich als „gut” bewertet wissen wollte. Leider interpretiert man dies offenbar als „ungenügend” ?!???
Vielleicht ist es mal ganz nützlich, bei den Bewertungsbuttons die gemeinte Skala zu beschreiben.
„1” ist offenbar „ganz schlecht” und „5” beschreibt „exzellent”.
Bitte löscht meine Wertung, wenn es möglich ist. Tut mir leid.
Danke