Klangverbesserer für die DAW
Vorwort
Mittlerweile hat Soundtheory ein interessantes Update zu Gullfoss bereit gestellt, das nicht nur die Funktionen und den zu Grunde liegende Algorithmus erweitert, sondern zeitgleich auch eine zweite, auf den Live-Bereich, ausgerichtete Plug-in-Version mit sich bringt. Hier findet ihr alle Informationen dazu.
Test
Wir leben ja im Zeitalter, in dem Computer langsam die Überhand gewinnen bzw. wenn man es genau nimmt, natürlich schon längst die Überhand gewonnen haben. Nichts geht mehr ohne Rechner. In den letzten Jahrzehnten haben wir all die geliebte Studio-Hardware in Software umgewandelt und sogar Mikrofone werden heutzutage “gemoddelt”. Die hohe Rechenleistung moderner Computer beschert uns nun aber auch völlig neue Tools. Klangoptimierer, die nicht mehr einfach nur als Equalizer oder als Kompressor zu bezeichnen sind, weil das ihren Fähigkeiten nicht gerecht werden würde.
Auch die hier zum Test vorliegende Software Gullfoss reiht sich in diese Gattung der allgemeinen “Soundverbesserer” ein. Die grafische Darstellung erinnert zwar zunächst an einen einfache Equalizer, aber nach einem mehrmonatigen Langtest kann ich versichern, dass hier weitaus mehr unter der Haube steckt.
Gullfoss wird von der kleinen Software-Schmiede Soundtheory hergestellt. Viele von euch kennen diese Firma bereits von … ähm halt, Gullfoss ist Soundtheorys erstes Produkt! Es erfordert ein großes Quäntchen Mut und Risikobereitschaft, um auf dem umkämpften Markt der Plugin Hersteller mit einem ganz frischen Produkt in den Ring zu steigen. Die Macher müssen also schon mal felsenfest von ihrer Neuentwicklung überzeugt sein. Ob dieser Funke auf mich überspringt? Wir Musiker und “Studiofutzis” sind ja geschichtlich betrachtet erzkonservative Säcke/innen. Wir alle wollen Vintage-Gear, uralte Mikros, Fender und Gibson Gitarren aus den 50ern und analoge Synthesizer. Wenn wir ehrlich sind, bewegen uns auf ausgetretenen Wegen und dann kommt plötzlich so ein Gullfoss um die Ecke …
Was ist Soundtheory Gullfoss?
Gullfoss ist zunächst ein adaptiver Equalizer, der dynamisch auf Veränderungen des Audiosignals reagiert. Ein intelligenter Algorithmus analysiert, welche Frequenzbereiche bei der menschlichen Wahrnehmung der Musik miteinander konkurrieren und entscheidet daraufhin, wie das Audiomaterial bearbeitet werden muss, um die unterschiedlichen Elemente deutlich hörbar zu machen und sozusagen die einzelnen Teile “gerecht” zu verteilen. Das hört sich zunächst schon einmal abenteuerlich an. Doch damit nicht genug, denn Gullfoss rühmt sich auch damit, einige Phasenprobleme beheben zu können, die bei der Verwendung mehrerer Mikrofone auftreten können. Auch als unaufdringlicher De-Esser soll sich Gullfoss einsetzen lassen, der das Audiomaterial weitestgehend schont. Gullfoss arbeitet anscheinend frei nach dem Motto: Wenn etwas “störend” klingt, wird es ausgebessert.
Als Mixing-Engineer bin ich wie gesagt erst einmal skeptisch, eine Software zu verwenden, die meine Entscheidungen im Mixing-Prozess womöglich revidiert oder ad absurdum führt. Schließlich habe ich einen Grund, warum ich die Dinge so mische, wie ich es tue. Andreas Tell, der Gründer von Soundtheory und Erschaffer von Gullfoss, vergleicht das Plugin mit einem Paar “goldener Ohren”. Den Vergleich finde ich sehr passend, denn während der Testperiode erscheint mir Gullfoss immer mehr wie ein geschätzter Kollege, der mir einen gut gemeinten Ratschlag gibt. Dass der Ratschlag auch meistens noch einen Tucken besser klingt, muss man leider neidlos anerkennen.
Gulffoss – technischer Aufbau
Gullfoss gibt es für Windows und Mac OSX und liegt in 64 Bit in den Formaten AU, VST, VST3 und AAX Native vor. Die maximale Sample-Rate wird mit 192 kHz angegeben. Wurde anfänglich die Lizenz nur mit einer Seriennummer aktiviert, setzt Soundtheory zukünftig auf das iLok-Format. Bei der hier getesteten Version handelt es sich übrigens um Versionsnummer 1.2.10.
Der Aufbau und die Bedienung von Gullfoss sind recht einfach gehalten. Es gibt 5 Parameter, die sich im oberen Plugin-Fenster einstellen lassen. Hier wären zunächst “Recover “und “Tame”, die für mehr Klarheit im Audiosignal sorgen sollen. Recover bringt die Teile in den Vordergrund, die drohen im Frequenzbrei unterzugehen, während Tame die dominanten Anteile reduziert. Mit “Bias” lässt sich einstellen, worauf das Hauptaugenmerk liegen soll – bei positiven Werten fokussiert sich Gullfoss auf das “Recovering”, während negative Werte dem “Taming” den Vorzug geben. Mit dem Parameter “Brighten” lassen sich die Anteile des oberen Frequenzspektrums anpassen. Negative Werte führen zu einem dunkleren, positive Werte zu einem helleren Klang. “Boost” hebt die Lautstärke der Bässe und Höhen an, während die Mitten gedämpft werden, ist also nicht zu verwechseln mit einer einfachen Anhebung der Lautstärke. Diese gibt es mit dem „Gain“-Regler auf der rechten Seite.
Das Handbuch zu Gullfoss gibt es leider noch nicht auf Deutsch, allerdings dürfte auch die englische Version recht leicht verständlich sein. Es umfasst nur eine Seite, die eigentlichen Prozesse „unter der Haube“ werden darin nicht weiter erklärt – Soundtheory hält sich verständlicherweise etwas bedeckt mit tiefergehenden Informationen. Hier könnt ihr direkt einen Blick ins Handbuch werfen: Gullfoss Handbuch
Gullfoss in der Praxis
Tatsächlich erfüllt Gullfoss viele seiner Versprechungen. Das Audiosignal wirkt nach wenigen Arbeitschritten klarer, die einzelnen Instrumente werden insgesamt greifbarer und deutlicher abgebildet. Bei meinen Mixes genügt es mir oft, nur etwas Taming und Recovering im Bereich von 5 – 20 % hinzuzufügen. Das reicht schon, um den altbekannten Vorhang von den Lautsprechern zu ziehen. Hier ein Rough-Mix einer Jam-Band, bei dem Gullfoss nach 4 Sekunden an- bzw. nach 11 Sekunden wieder abgeschaltet wird:
Die Veränderung bzw. die Verbesserung ist schon recht deutlich. In höheren Einstellungen wird der Eingriff in das Material schnell recht massiv. Das kann dann auch etwas zu viel des Guten sein, wenn der Mix an sich schon stimmig war. Gullfoss passt sich immer dynamisch an das Audiomaterial an. Die EQ-Kurve, die ihr in den Screenshots seht, ist tatsächlich ständig in Bewegung. Teilweise arbeitet das Plugin daher fast wie ein Kompressor.
Hier eine einzelne Akustikgitarre, die ohne Bearbeitung etwas dumpf klingt, mit vielen Tiefmitten und wenig Glanz hat:
Gullfoss kann dem im Handumdrehen entgegen steuern und einen sehr ausgewogenen klingenden Gitarren-Track daraus zaubern:
Auch als De-Esser macht er eine gute Figur. Im EQ-Fenster gibt es links und rechts zwei Regler, mit denen sich der Wirkungsbereich von Gullfoss einstellen lässt. Man kann damit eine obere und eine untere Grenzfrequenz bestimmen. Zu scharfe S-Laute lassen sich daher in einem kleinen Frequenzbereich bearbeiten, ohne den Klang der gesamten Stimme zu beeinflussen.
Hier ein Beispiel mit Orchester. Nach rund 6 Sekunden schalte ich Gullfoss an (+30 % Recover, +30 % Tame, +30 % Bias), nach 16 Sekunden wieder aus und am Schluss bei 23 Sekunden noch einmal an.
Wenn Gullfoss einmal an ist, fällt es tatsächlich schwer, ihn wieder auszumachen. Es klingt einfach besser.
Hier zwei Beispiele mit extremen Einstellungen, die meines Erachtens über die Stränge schlagen. Einmal mit 100 % Recover und Tame und einmal mit dem maximalen Regelbereich von 200 %! Dadurch wird die Percussion zu sehr abgedämpft und der Höhenbereich enthält zu viel Information, um angenehmes Hören zu ermöglichen:
Gullfoss hat sich bei mir vor allem in der Endphase eines Mixes bewährt und hat sich einen festen Platz in meinem Mixing-Bus erobert. Manch einer versucht, das Plugin in jeden Kanal bzw. Bus einzufügen, allerdings sei gesagt, dass das Gullfoss den Rechner sehr zu fordern weiß. Es benötigt naturgemäß eine gewisse Vorlaufzeit, um das Audiosignal zu analysieren und zu optimieren. Im Masterbus von Logic Pro beträgt die Latenz 974 Samples bzw. 22,1 Millisekunden. Mehrere Instanzen des Plugin-Fensters gleichzeitig geöffnet zu haben, macht sich auch schnell in der CPU-Last bemerkbar. Ein aktueller Rechner ist also auf jeden Fall vorteilhaft.
Die eben erschienene Windows-Version gibt es im Moment übrigens zum Sonderpreis von nur 87,- Euro. Im Vergleich zu den regulären 140,- Euro kann man sich also eine ganze Menge Geld sparen. Doch selbst für 140,- Euro ist Gullfoss als preislich sehr attraktiv einzustufen und sein Geld allemal wert.
Das Teil ist absoluter Hammer, was Dein informativer Test auch bestätigt.
Beste EQ Plugin Kauf letzten 5 Jahren !
Gullfoss soll ja recht CPU hungrig sein wie man liest. Wie nutzt ihr das Plugin?
In der Subgruppe, oder/und auf der Summe – was führt nach eurer Erfahrung bislang zum besten Ergebnis? Oder wäre es gar sinnvoll (CPU Power vorausgesetzt) es in jeder Spur zu verwenden?
Kann es mit anderen Instanzen ähnlich Izotope Neutron Spurübergreifend kommunizieren?
@TimeActor Hi TimeActor, ich benutze es hauptsächlich auf der Summe – dort macht es meiner Meinung nach auch am meisten Sinn. Am Mac ist die grafische Darstellung recht CPU-hungrig, bei mehreren Instanzen sollte man also die Plugin-Fenster schließen. In jeder Spur / Summe würde ich es nicht verwenden, sondern eventuell einzelne Spuren bearbeiten und dann bouncen. Spurenübergreifende Kommunikation gibt es meines Wissens nicht. LG, Raphael
@Raphael Tschernuth Super – Danke für die Antwort Raphael!
Falls es dort eine Demo gibt wird das gleich nach Feierabend getestet :-)
Eine Frage fällt mir diesbezüglich dann noch ein.
Ersetzt das Plugin dann das „normale“ EQing mit anschließendem Spur Bouncen welches ja bei diesem dynamischen EQ sicherlich in Realtime passiert?
Allerdings wenn du das nur in der Summe verwendest, wird sich die Frage wahrscheinlich von allein beantworten.
LG Martin
@TimeActor Hi Martin, du musst nicht unbedingt in Realtime bouncen – das geht je nach DAW (hier in Logic) problemlos „offline“. Je nach Arbeitsweise und individuellem Master-Kanalzug kann es einen normalen EQ ersetzen. Ich benutze zum Beispiel wenig EQ auf der Master Spur und benutze neben Gullfoss keinen anderen EQ. LG, Raphael
@Raphael Tschernuth Klasse! Gestern getestet und heute schon fest auf meinem Rechner :-) Dein Statement „Vorhang von den Lautsprechern ziehen“ kann ich fett unterstreichen. Bei moderaten Einstellungen entsteht eine super Durchzeichnung ohne dem Mix eine höhere und damit für den Hörer unangenehme Schärfe zu verleihen. Könnte den Izotope Neutron EQ oder Fabfilter Pro Q bei mir in die Teilzeit schicken :-)
Topp! Danke für den Tipp!
LG Martin
@TimeActor Freut mich zu hören, viel Spass noch damit! :)
Sehr interessant. Gullfoss driftete bei mir bisher nur am Rande meines Aufmerksamkeitsbereiches herum, schätze es wird Zeit das zu ändern.
@Markus Schroeder Hi Markus, der ist auf jeden Fall einen Blick wert ;)
Abgesehen von der Fähigkeit quasi adaptiv und live auf dem Masterbuss mitzulaufen. Wie schlägt sich der Gulfoss im Vergleich zu sonible’s SmartEQ? Den benutze ich nämlich seit längerer Zeit bereits begeistert. Und zwar auf Spuren, wie Gruppen. Die AI hat mich auf jeden Fall schwerst beeindruckt, und ehemaliger Stolz auf persönliche Erfahrungen ist seitdem schlichter Demut gegenüber der Technik gewichen.
Hi Pierce, leider hab ich mit dem Smart EQ keine Erfahrungen, scheint aber recht ähnlich zu sein. Erstaunlich wie schnell man sich an diese neuen Tools gewöhnt. ;-) Gullfoss ist bei mir bei fast jedem Mix mit dabei.
mit dem ding werden aber auch dynamische frequenzen abgesengt oder angehoben
was zur gleichmässigkeit im song und mix führt .
manche sequenzen sollen eben auch nicht ständig ihr volumen verändern oder angehoben werden
auserdem nerven die höhen und klingt zerrig und nach spl röhren vitalizer .
Daß die Höhen nerven kann ich nun gar nicht nachvollziehen.
Ebensowenig aber die weit verbreitete Begeisterung über dieses Plugin.
Der Effekt / die Verbesserung ist imho recht subtil.
Für 30 Öcken würde ich mir das eingehen lassen.
Zum diesem Preis aber nicht.
Den Sonible (KI) – EQ muß ich mal testen, erwarte aber auch hier keine „Offenbarung“.