Preiswert oder billig?
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Die neuen Audiointerfaces Swissonic Audio 1 und Audio 2 richten sich in erster Linie an Studio-Einsteiger im unteren – naja, eigentlich untersten Preissegment. Mit 54,- Euro für das Audio 1 und 64,- Euro für das Audio 2 stellt sich durchaus die Frage: Taugt das was? Swissonic, die Musikhaus Thomann Eigenmarke für Lautsprecher und Studioequipment hat in der Vergangenheit ja schon öfters positiv überrascht, aber bei 54,- bzw. 64,- Euro darf man durchaus skeptisch sein, oder? Fernostfertigung hin oder her: Die Dinger müssen ja auch entwickelt, zusammengebaut, verpackt und verschifft werden. Von diversen CE, CEEE, ROHS Zertifikaten mal ganz abgesehen. Deswegen schon jetzt die Ankündigung: Ich werde mit den kleinen schwarzen Interfaces nicht zimperlich umgehen. Los geht’s!
Die Ausstattung von Swissonic Audio 1 und Audio 2
Zunächst muss dem Käufer klar sein, dass es sich um ziemlich unterschiedliche Geräte handelt. Bei den Volt Geräten von Universal Audio beispielsweise bekommt man ja immer das gleiche Gerät – nur mit mehr oder weniger Ein- oder Ausgängen. Bei den beiden Swissonic-Geschwistern ist das anders, auch wenn sie dieselben Gehäuseabmessungen aufweisen.
Swissonic Audio 1
Das Swissonic Audio 1 verfügt über zwei Eingänge auf der Front: Eine XLR-Buchse für ein Mikrofon und eine TRS-Klinkenbuchse für Line- und HI-Z-Signale. Der Mikrofoneingang hat einen Gain-Regler mit einer Peak-LED, die vor Clipping warnt und einen beleuchteten Schalter für die 48 V Phantomspeisung. Der Line/Inst-Eingang besitzt ebenfalls die Peak-LED und man kann HI-Z zuschalten. Hinzu kommt ein großer Volume-Regler und der Kopfhörerausgang samt Pegelregler.
Auf der Rückseite geht es etwas eng zu: Eine USB-C-Buchse für eine zusätzliche Stromversorgung (5 V, 1 A) und daneben der USB-B-Port für die Datenverbindung mit der DAW. Dann zwei Auswahlschalter: REC Source mit Mix, Channel 1-2 und Loopback sowie ein Monitoring-Schalter mit Off, Mono und Stereo. Außerdem kann man (listen only) ein Smartphone oder Tablet über eine 3,5 mm TRRS-Klinke anschließen, so dass man deren Mikrofonsignal aufnehmen kann. Ganz rechts dann die beiden symmetrischen Monitorausgänge als TRS. Eine Aussparung für ein Kensington Lock fehlt auch nicht.
Im Lieferumfang sind das USB-A zu USB-B Kabel und ein 3,5 mm TRRS -Kabel für das Smart-Device enthalten. Außerdem gibt es ein paar Klebefüße.
Ebenfalls Teil des Pakets: die Light DAW Cubase LE mit 23 VST-Audioeffekten, Halion Sonic SE 3, Groove Agent SE 5 und über 5 GB Sounds und Loops zum Download.
Das alles gibt es für 54,- Euro. In einem Vollmetallgehäuse. Und ordentlicher Verarbeitung. Mit 192 kHz/24 Bit Wandler. Ernsthaft? Keine Ahnung, wie man dabei noch Geld verdient.
Swissonic Audio 2
Im identischen Metallgehäuse ist das Audio 2 aufgebaut, allerdings ist es etwas anders ausgestattet. Auf der Front befinden sich zwei Combo-XLR/TRS-Buchsen – jeweils mit Peak-LED, Gain-Regler und Hi-Z-Schalter. Die Phantomspeisung lässt sich nur für beide Mikrofone gleichzeitig umschalten, was für den aufgerufenen Preis auch völlig OK ist.
Das Direct-Monitoring lässt sich im Gegensatz zum Audio 1 stufenlos regeln, was beim kleineren Modell nur schaltbar ist. Ein kleinerer Main-Out-Regler und ein Kopfhörerausgang samt Volume-Regler finden ebenfalls Platz auf der Front. Einen Schalter für die Aufnahmequelle gibt es beim Audio 2 nicht.
Die Rückseite ist dafür hier spartanischer: Nur eine USB-B-Buchse versorgt das Gerät mit Strom und überträgt gleichzeitig die Daten. Eine zusätzliche Stromversorgung wie beim „1er“ gibt es nicht, was etwas seltsam ist, denn beim Audio 2 müssen zwei Mikrofone, evtl. mit 48 V und ein Kopfhörer mit Strom versorgt werden. Diese Designentscheidung kann ich nicht nachvollziehen.
Auch hier findet sich die 3,5mm TRRS-Klinkenbuchse für das Smart-Device, Aussparung für Kensington Lock und die beiden Monitorausgänge. Auch beim Audio 2 gibt es das große o. g. Software-Paket inklusive Cubase LE dazu. Auch hier haben wir einen 192 kHz/24 Bit Wandler und die passenden Kabel und Klebefüße sind ebenfalls mit dabei.
Verarbeitung und technische Daten
Die Verarbeitung beider Geräte ist wirklich gut. OK, es gibt keine verschraubten Klinkenbuchsen, aber alle Elemente der Geräte machen einen soliden und stabilen Eindruck. Die Schalter rasten sauber und die Drehregler laufen gut und nicht zu leicht. Ich habe schon teurere Geräte in der Hand gehabt, die hier schlechter abschneiden würden.
Wie erwähnt, arbeiten beide Audiointerfaces mit 192 kHz und 24 Bit Wortbreite. Die USB-Ports sind class-compliant und unterstützen Macs ohne zusätzlichen Treiber. Für Microsoft-basierende Systeme wird ein aktueller USB-ASIO-Treiber, wie z. B. ASIO4ALL empfohlen. Alternativ kann man auch von Swissonic einen passenden Treiber laden.
Die Mic-Inputs haben +50 dB Gain. Der Geräuschspannungsabstand beträgt >98 dBA und der Dynamikbereich wird mit 106 dBu (A) angegeben.
Unter Apple Logic Pro habe ich folgende Latenzen Roundtrip am Ausgang gemessen:
Audio 1 bei verschiedenen Samples:
• 64: 9,5 ms / 4,6 ms
• 128: 12,4 ms / 6,0 ms
• 256: 18,3 ms / 8,9 ms
Audio 2 bei verschiedenen Samples:
• 64: 9,3 ms / 4,6 ms
• 128: 12,2 ms / 6,0 ms
• 256: 18,0 ms / 8,9 ms
Zum Vergleich das UA Apollo TWIN X:
• 64: 6,6 ms / 2,9 ms
• 128: 9,5 ms / 4,4 ms
• 256: 15,3 ms / 7,3 ms
Die Werte der Swissonic sind preisbezogen in Ordnung, aber absolut gesehen eher unterdurchschnittlich. Die Gehäuse sind – wie erwähnt – identisch mit den Maßen 45 x 110 x 44 mm (B x T x H) und wiegen 600 g.
Die schwarze Optik wirkt studiomäßig professionell, wobei es unter bestimmten Winkeln schwerfällt, die Beschriftung der Funktionen gut abzulesen. Die 3-Wege Schalter auf dem Audio 1 sind auch etwas fummelig, was etwas stört, denn diese Funktionen nutzt man doch häufiger.
Wie klingen die Interfaces Swissonic Audio 1 & Audio 2?
Ich habe die beiden Audiointerfaces von Swissonic mit folgendem Equipment bei mir getestet:
- Sennheiser SM58S dynamisches Mikrofon
- Lewitt LCT 640 TS Kondensator Großmembranmikrofon
- Neumann NDH 30 Kopfhörer (120 Ohm)
- Philips Fidelio X2 Kopfhörer (30 Ohm)
- Fender Stratocaster Deluxe über HI-Z
Die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht überraschend, denn die beiden Geräte klingen nicht identisch. Es macht auch einen Unterschied, ob man das Audio 1 mit oder ohne zusätzlichem Strom über USB-C versorgt.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Klang gut und dem Preis mehr als angemessen ist. Es gibt weder besondere Betonungen oder Charaktere, noch gibt es Einschränkungen durch Rauschen, Verzerrungen oder andere Störfaktoren. Ich kann maximal bemängeln, dass der Klang „nix besonderes“ ist. Wir haben weder eine ausgeprägte Transparenz noch eine überbordende Dynamik. Die räumliche Abbildung ist gut, wenn auch nicht ganz exakt. Transienten und Sustain lassen sich gut heraushören, aber das bekommt man eine Klasse höher schon besser präsentiert.
In Sachen Bass ist das Audio 1 dem 2er mit zusätzlicher Stromversorgung klar überlegen. Aber auch hier darf man keine Wunder erwarten. Auf der anderen Seite reicht die Qualität für den Einstieg oder das Hineinschnuppern in Recording oder Streaming völlig aus. Die internen Wandler und Verstärker in einem Notebook sind meist viel schlechter.
Wenn man die kleinen schwarzen Kisten etwas stresst, dann ist es aber auch schnell vorbei mit dem guten Klang: Hochohmige Kopfhörer, leise Mikrofone, womöglich mit 48 V Spannung, viel Gain und sehr impulsive, tiefenlastige Musik und schon weicht das Ergebnis hörbar auf. Die Abbildung ist dann dahin und das gesamte Klangbild wird indifferent.
Klare Worte
Ich habe klare Worte versprochen und darum will ich mich nicht drücken:
Keine Frage, die Geräte sind ihr Geld wert. Insbesondere das kleinere Audio 1 mit zusätzlicher Stromversorgung über USB ist ein guter Allrounder. Würde ich mir die Geräte kaufen? Nein. Ich würde lieber noch etwas sparen und etwas mehr Geld ausgeben. Arturia MiniFuse, Universal Audio Volt, Focusrite Scarlett und Presonus AudioBox sind im Preisbereich von 90,- bis 150,- Euro zu haben und bieten allesamt mehr Klangreserven. Für diesen vergleichsweise kleinen Aufpreis steigt das Potenzial ungemein und man kann tatsächlich schon sehr ordentliche Recordings machen.
Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass die Swissonic Audio 1 und Audio 2 schlecht wären. Ich würde sie nur in Bereichen einsetzen, in denen die Klangqualität eine untergeordnete Rolle spielt, wie zum Beispiel als Soundkarte für Gaming-PCs. Bei artifiziellen Tönen in Computerspielen ist eine Klangbeurteilung sowieso kaum möglich.
Sicher das die Stromversorgung beim 1er zusätzlich wirkt und nicht als „Standalone“ gedacht ist?
Was hat „Latenzen Roundtrip“ für eine Auswirkung? Zeitlicher Unterschied hören zum eingesungenen/eingespielten?
Danke!
@teofilo Guten Morgen, das Gerät funktioniert auch „nur“ mit eingestecktem „USB-to-PC“. Die USB-C Buchse ist ausschließlich für Power – oder die Verbindung zu einem iPad etc. gedacht.
Zum Thema Latenzen Roundtrip unter Logic kann ich diesen Artikel von Apple empfehlen:
https://support.apple.com/de-de/HT207527
Je nach Toningenieur sind Latenzen ab 10ms deutlich hörbar – einige haben auch schon bei unter 5ms Probleme mit dem Timing. Allerdings kompensieren die modernen DAWs die Latenzen zwischen den verschiedenen Eingängen, so dass dieses Thema meist nur Makulatur ist und eher ein Qualitätsmerkmal für ein Gerät ist. Wer aber „DAW-less“ arbeitet, für den sind die Latenzen durchaus wichtig.
Gruß, Jörg
@Jörg Hoffmann Danke! Und sehr interessant.
Ich finde es toll, dass es solche „supergünstigen“ Teile gibt. Wenn ich an meine Anfangszeit zurück denke, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es Einsteigern und jungen Menschen auf jeden Euro ankommt. So haben Sie auch die Chance mit sehr wenig Geld etwas zu erschaffen.
@DieserTii grundsätzlich gebe ich dir recht, allerdings stell ich mir die frage, wie man die dinger wieder loswird, wenn sie so wenig kosten.
da kaufen die meisten die dinger dann doch lieber neu…
somit kommt unter umständen mehr schrott zusammen etc…
ich glaube es wäre besser, produkte gebraucht zu kaufen, die es schon gibt, anstatt neue produkte auf diesem niveau neu zu bauen… alles wird teurer, nur nicht der elektroschrott…
nur ein gedanke meinerseits…
@chrizzler82 Richtig und natürlich deutlich nachhaltiger. Ich kann aber die Leute, die lieber neues Zeug haben wollen, durchaus verstehen. Man hat Gewährleistung und kann davon ausgehen, dass das Ding nicht kaputt ist. Beides hat man beim Gebrauchtkauf nicht.
Wenn man dafür einmal auf nen Kinobesuch mit Popcorn und Softdrink verzichtet, bewegen wir uns finanziell ja immer noch in sehr moderaten Fahrwassern.
Allein thomann führt knapp 30 verschiedene Geräte unter 100 Euro. Und Jörg hat es ja freundlich umschrieben, sich gut zu überlegen an welcher Stelle man knausern möchte.
Selbst M-Audio, Behringer und ESI haben ja geräte in direkter Nachbarschaft. unglaulich.🤯
Ich stell mir grade sowieso die Frage, ob jemand, der nur 50 Euro über hat, nicht eher die Onboardkarte des PCs nutzt. Mal davon abgesehen dass 24/192 nicht wirklich das Hauptproblem beim Lowbudget Einstieg sein wird.
Billig muß nicht immer schlecht sein… aber es hat definitiv immer einen Grund, warum solche Preissphären möglich sind. Und wenn man nur ein wenig spart, hat man für einen Grünen Schein ein Teil von Steinberg, Arturia oder Presonus.
Mit Verlaub, es gibt keinen Grund sich solch ein “uncooles“ Gerät zu kaufen. Selbst der Anfänger, der erstmal probieren möchte, kauft doch mit wenig Aufschlag lieber ne Etage höher. Dafür produzieren die namhaften Hersteller einfach zu günstig. Viele Gründe dagegen wurden hier ja von meinen Vorrednern auch schon genannt. Überflüssiges Produkt
Ahh, danke sehr. Interessant beschrieben.
Funktionieren die beiden Interfaces auch mit Mobile-Devices? Also iOS oder Android?
@Cornel Hecht Hallo Cornel,
man kann die Geräte über einen Lightning auf USB Adapter (Kameraadapter) am iPad betreiben.
Viele Grüße, Jörg