Der erste Softsynth von Toneboosters
Die Desktop-Plug-ins von ToneBoosters aus den Niederlanden tauchten erstmal 2011 auf dem Radar von AMAZONA.de auf und damals waren sie schon in Version 3. Seitdem haben ToneBoosters nicht nur ihr Repertoire gepflegt, sondern sind seit einiger Zeit auch auf iOS vertreten, wobei der Fokus bisher auf Effekt- und Studiowerkzeugen lag. Mit TB Flowtones haben sie jetzt aber ihren ersten Softsynth für iOS und Desktops abgeliefert. Prüfen wir also, ob of dem iPad das Spice fließt.
Klangerzeugung des VA-Synthesizers
ToneBoosters TB Flowtones ist ein virtuell analoger polyphoner Softsynth, der sich zwar eher an die Basics hält, aber auch ein paar Tricks auf Lager hat, die ihn hervorheben. Die Klangerzeugung ist subtraktiv und in zwei identischen Parts mit klassischer VCO/VCF/VCA-Anordnung ausgeführt. An Schwingungsformen gibt es etliche Sägezahn-, Rechteck-, Dreieck- und Sinusvarianten. Alle Formen haben den gleichen Parametersatz, darunter Suboszillator, eine anpassbare Phasenlage und Pulsbreitenmodulation – jawohl auch für Nicht-Rechtecke. Wo bekommt man so was sonst geboten? Die VCOs können sich auch über eine X/Y-Matrix gegenseitig modulieren.
Modulationsmatrix
Parameter mit einem Punkt rechts unter dem Drehregler bieten eine Modulationsmatrix mit u. a. vier LFOs, drei Hüllkurven, Mod-Wheel oder VCA-Hüllkurve. Jedoch stehen nicht alle Modulationsquellen allen Parametern zu Verfügung. Beim Aufrufen der Modulationsquellen merkt man aber doch, wie sehr TB Flowtones ein Cross-Over-Produkt für Touchscreen und KB+M ist, denn das Sekundärmenü wird auf dem Touchscreen per „längerem Halten des Reglers“ beim Loslassen geöffnet, entsprechend dem Rechtsklick einer Maus. Das ist gewöhnungsbedürtign aber machbar, weil die Trennung der Gesten gut gemacht wurde, aber ein eigener Touch-Bereich wäre dennoch besser im Arbeitsflow.
Die Filter des ToneBoosters TB Flowtones
Das VCF bietet etliche Variationen von Hoch-, Tief-, Band- und Notch-Filtern mit Flankensteilheiten zwischen 6 und 24 dB/Oktave an. Besonders üppig sind aber die Bandpassfilter ausgefallen mit symmetrischen, unsymmetrischen, einzel- und multiresonanten Modellen. Das Filter bietet auch Parameter für Sättungs- und Resonanzverhalten an, die mit Aktivieren des Blitz-Symbols noch mal deutlich aggressiver ausfallen.
Bei der VCA-Hüllkurve werden die einzelnen Stufen der ADSR-Hüllkurve sogar animiert bei jedem Auslösen einer Note dargestellt und schön informativ ist.
MOD/FX
Die vier LFOs sind identisch aufgebaut und bieten neben einigen Grundschwingungsformen in etlichen Varianten auch besondereren Formen an, wie Mehrfach-Steps, Zufall, Pump, Decay, Gate und Rauschen. Auch die LFOs bieten die Starphasenlage, welche über das Keyboard-Symbol auch mit jeder Note neu gestartet werden kann und mit dem „Vorwärts“-Symbol auch mit einem Host synchronisiert werden.
Zusätzlich stehen die drei Hüllkurven als Modulationsquellen zur Verfügung.
Die LFO-Geschwindigkeit kann mit dem „1/x“-Taster zwischen Frequenz und „Dauer pro Zyklus“ (Taktmaß) eingestellt werden. Also in ersterem Fall ist ein Faktor von 2 „Zwei Durchläufe pro Takt“ und in letzterem „Zwei Takte lang“. Der Wertebereicht liegt in beiden Fällen zwischen 0,01 und 500.
Auch die ADSR-Phasen werden wie beim VCA animiert.
Effekte des Plug-ins
An Effekten bietet TB Flowtones ein fünfbandiges Formantfilter mit zwei Modellen. Worin sich diese beiden Modelle jetzt genau unterscheiden, wird im Handbuch nicht beschrieben, genauso wenig die Eigenheiten der zwei Raum-, vier Hall-, zwei FX und drei Shimmer-Modelle des Reverbs.
Für das Delay gibt es 5 Modelle, zwei Pingpongs und zwei Pattern-Modelle inklusive Feedback, was ebenso für den Chorus mit den Modellen Chorus 60! Chorus XL, zwei Flangern und einem Panoramaverbreiterer ein gutes Spektrum abdeckt.
Zuletzt gibt es noch die Distortion-Sättigung und den Bitcrusher, der mit einer frei einstellbaren virtuellen Samplingrate bis 48 kHz. Diese maximale Samplingrate ist im Übrigen fix und ändert sich nicht mit der verwendeten Samplingrate im einem AUv3-Host. Die Bittiefe geht bis 16 Bit und der Aliasing-Effekt ist für den virtuellen AD- und DA-Prozess jeweils separat einstellbar.
Sequencer
Der eingebaute Sequencer bietet eine Taktlänge bis zu 16 Takten bei einer minimalen Notenlänge von 1/16 und ist zu einem Host synchronisierbar. Die Noten werden durch die Gesten Tippen und Ziehen bearbeitet und können auch frei vom Taktraster gesetzt werden. Ein Pinch-Zoom macht das Setzen und Löschen einfacher. Ansonsten kann nur noch die Anschlagsstärke editiert werden, solange der Lock-Modus aktiviert ist. Die Noten können zwar per Kopieren und Einsetzen zwischen Patches übertragen werden, aber eine separate Verwaltung der Sequenzen wäre natürlich optimal gewesen. Davon abgesehen ist der Sequencer sehr gut gelungen.
OUT-Sektion
Neben einem parametrischen Master-EQ gibt es auch einen Kompressor, der aus unerfindlichen Gründen „VCA cap“ genannt wurde. Die Bezeichnung würde eher zum nachfolgenden Limiter passen. Auf dieser Seite gibt es auch einige globale Einstellungen, wie Polyphonie, MIDI-Kanal und Stimmenanzahl.
Besonderes Augenmerk sollte aber dem ECO- und HQ-Modus gelten, die eine deutlichen Unterschied im Klang bewirken. Der Normalmodus gilt wenn beide Taster deaktiviert sind.
Laut ToneBoosters kommen im HQ-Modus Oversampling und wesentlich akkuratere Algorithmen zur Erzeugung der VCO-Schwingungsformen zum Einsatz – und das hört man auch! In den beiden Sparmodi klingt TB Flowtones recht gewöhnlich und mir zu sehr nach Plastik. Der HQ-Modus klingt deutlich voller, lebendiger und räumlicher, wie die Klangbeispiele belegen und meiner Meinung nach könnten der Normal- und der ECO-Modus auch ganz wegfallen, die neueren iPads haben alle genug CPU-Power für TB Flowtones. Zwar geht der DSP-Verbrauch bei einigen Patches auf meinem A9X iPad Pro (1. Gen) auf 70 %, aber das ist der HQ-Modus absolut wert, auch wenn die Änderungen dezent sind.
Auch die Auswahl and verschiedenen Farbgebungen für die Oberfläche wissen zu gefallen und genauso die Möglichkeit, alle Parameterwerte auch numerisch über die Tastatur eingeben zu können.
Es gibt auch noch Zufallsgenerator, bei dem sich einstellen lässt, welche Parameter zurückgesetzt oder gewürfelt werden sollen und auch der eine Balance zwischen „Musikalisch“ und „Effekt“ lässt sich einstellen. Auch sehr cool sind die Tooltips mit Beschreibungen die Parameter.
Browser
Was die Verwaltung der Patches angeht, ist TB Flowtones sehr vorbildlich und liefert alles von Suchen über Kategorien bis zum Export und Backup als ZIP-Datei in das iPad-Dateiensystem bzw. die iCloud. Sinnvoll ist die Unterscheidung zwischen dem Vorhören eines Preset und dem tatsächlichen Laden derselben: Solange der Wechsel nicht mit dem OK-Taster oder Doppeltippen bestätigt wird, geschieht auch nichts.
Das große Manko aber, das TB Flowtones plagt, hängt dennoch direkt mit dem Preset-Wechsel zusammen, denn das Fehlen jeglicher Parameter-Locks ist wirklich lästig. Zumindest für die OUT-Sektion wäre das extrem vorteilhaft. Das sollte mittlerweile bei allen Softsynths zum Standard gehören, die Klangerzeugung von der Effektsektion und hier auch vom Sequencer verwaltungstechnisch zu trennen. Alles andere nervt in einer laufenden Produktion nur und kostet TB Flowtones letzten Endes einen Stern.
Die Klangbeispiele wurden direkt digital abgegriffen und die Vergleichsbeispiele sind ohne jegliche Effekte.
Sieht gut aus, finde ich. IOS Version, klar.
Habe die iOS Version gekauft und bin total begeistert. Klingt richtig fett!
Für den Preis absolut empfehlenswert. Genauso wie die anderen PlugIns von TB.
Richtig klasse…
Ein super klingender Synth! Das iPad entwickelt sich immer mehr zum 19″-Rack für die Westentasche.