Tiefschwarz und doch bunt
Moog Model 15 iOS
von Moog
32,99 Euro
Nach dem hervorragend klingenden Filtertron und dem nicht minder gut klingnden, völlig Moog-untypischen Animoog mischen sich Moog nun persönlich in das Thema virtuell-analog ein. Mit dem Model 15 bieten sie eine Emulation des historischen Kompaktmodularsystems von 1973 an.
Die Module umfassen:
2x 902 Voltage Controlled Amplifier
1x 904A Voltage Controlled Low Pass Filter
1x 907A Fixed Filter Bank
2x 911 Envelope Generator
1x 921 Voltage Controlled Oscillator
1x 921A Oscillator
2x 921B Oscillator
1x 923 Random Noise/Filter
1x 995 Attenuator
1x CP15 Console Panel
Ich werde hier jetzt nicht auf die Eigenheiten und Möglichkeiten der Module des 15 eingehen, dazu gibt es im Netz genug Informationen, sondern mich auf die Eigenheiten der iOS-App konzentrieren.
Beginnen wir gleich mit der Kritik. So sehr die Oberfläche des Moog Model 15 iOS auch an den iPad-Touchscreen angepasst wurde, ist es doch gleichzeitig wieder ein Paradebeispiel dafür, warum 1:1 Übertragungen selten gut sind, auch wenn es in der anscheinenden Kleinigkeit liegt, dass die Patch-Punkte wesentlich kleiner hätten sein können, die Patchkabel viel dünner und dafür die Beschriftung der Bedienelemente gerne hätte doppelt so groß sein können. So mag das zwar hervorragende Zwei-Finger-Zoom so flüssig sein wie es will. Wenn man das Panel des Model 15 nicht auswendig kennt, wird das Zoomen vom Feature zur Notwendigkeit degradiert. Es kann auch auf ein Modul durch einfaches Doppeltippen gezoomt werden. Aber dieses ständige Rein- und Raus-Zoomen-müssen nervt mit der Zeit.
Wesentlich gelungener fiel hingegen das Verlegen der Patchkabel aus. Um nämlich über die Oberfläche des 15 zu scrollen, bedarf es zwei Finger. Dadurch wird zum ersten ein unbeabsichtigtes Verschieben der Darstellungsausschnitts verhindert und zum zweiten das Patchen vereinfacht. Man setzt also mit einem Finger ein Patchkabel von der Patch-Quelle. Liegt das Patch-Ziel außerhalb des Bildschirmausschnitts, kann man nun einfach mit einem zweiten Finger den Ausschnitt verschieben, da ja schon ein Finger auf dem Bildschirm ist. Einfach, aber genial und effektiv.
Es kann immer nur Kabel von einer Quelle zu einem Ziel verlegt werden. Dabei sucht sich die Benutzerführung eine von sechs Farben für das Kabel automatisch aus. Die Kabelfarbe lässt sich aber auch noch nachträglich durch Halten eines Patch-Punktes verändern. Ist einem das Live-Verlegen der Kabel nicht so angenehm, lässt sich das auch durch ein Doppeltippen auf die Quell- und Zielpunkte bewerkstelligen.
Auch an die Feineinstellungen von Reglern wurden gedacht. Durch Aufsetzen eines zweiten Fingers wird der Fein-Modus aktiviert und der Regler lässt sich wie gewohnt mit dem ersten Finger feinjustieren. Auch ein neue Touch-Idee, die Schule machen sollte.
Die große Neuerung des iOS-Apps gegenüber der Hardware sind die Audio- und MIDI-Bridge. Damit eröffnen sich im Kontakt mit der Außenwelt neue Möglichkeiten, die nicht nur als „Mehrwert‟ zu bezeichnen sind, sondern auch eine Innovation in der InterApp-Interaktion auf iOS.
Die beiden Brücken sind so quasi virtuelle MIDI-CV/Audiointerfaces, mit denen sich CV/Audiosignale an MIDI-Ziele schicken lassen und umgekehrt. Dafür stellt Moog Model 15 für die Verbindung mit der Außenwelt zwei Stereo- bzw. 4 Monokanäle und sechs MIDI-Ports zur Verfügung, die mit anderen Apps kommunizieren. Einen Oszillator zur MIDI-Steuerung zu verwenden ist kein Problem. Mit MIDI-Noten die CV-Modulationsrate in Moog Model 15 kontrollieren auch kein Problem. Allein die Möglichkeiten mit Audio- und MIDI-Bridge sind schon den Preis von Moog Model 15 wert. Die meisten Apps bleiben da bei der MIDI-fizierung der Parameter stecken, was natürlich auch hier angeboten wird – die komplette MIDI-fizierung, meine ich, nicht das Steckenbleiben. Diese Bridges würden auch anderen Synths z. B. dem Korg iMS-20 sehr gut stehen.
Das MIDI-Keyboard kennen wir schon vom Animoog und ist eigentlich kaum noch verbesserungsfähig. Es ist nicht nur ist zoombar, sondern die Position und Bewegung der Finger ist ebenfalls für expressive Parameteränderung nutzbar.
Der Arpeggiator sieht zwar rudimentär aus, ist aber eher ein kleiner 8-Step-Sequencer mit ordentlich Einstellmöglichkeiten, die man so nicht erwarten würde.
Ob das Model allerdings tatsächlich zum autarken Erlernen der Klangsynthese geeignet ist, wie es angepriesen wird, bezweifle ich aus heutiger Sicht allerdings doch.
Ich finde die Organisation der Module des Moog Model 15 zu durcheinander und fragmentiert, als dass es für Anfänger ohne Tutor einen großen lehrreichen Nutzen hätte. Das ist z. B. ein ARP 2600 von der Struktur her didaktisch wesentlich ergiebiger. In Apps ausgedrückt ist z. B. ein Modular von Pulse Code übersichtlicher, weil sich die Module für jeden beliebigen Klangsynthese-Workshop umarrangieren lassen, oder Lorentz von iceWorks, der mit seiner simplen, fixen Struktur, bei der man alles im Überblick hat. Er erinnert ja auch nicht umsonst an einen Arp 2600.
Der Moog Model 15 war eher zum Lehren, als zum Lernen gemacht.
Im Gegenzug wird der Moog Model 15 iOS aber auch gestandene Modular Pros (und jene, die sich dafür halten) lange zu beschäftigen wissen und ihnen wahrscheinlich noch das ein oder andere beibringen können. Insbesondere mit den Audio-Bridge- und MIDI-Bridge-Erweiterungen der App-Version. Model 15 – Ausbildung für Ausgebildete, definitiv!
Preset-User lässt das Moog Model 15 abblitzen. Es werden zwar ca. 150 Preset mitgeliefert, wer sich aber nicht mit den Synthesemöglichkeiten auseinandersetzen will, geht an dem Hauptgrund, sich dieser App anzuschaffen, komplett vorbei.
Hervorzuheben ist auch die Produktpflege der App. Moog Model 15 iOS kann als AudioUnit nach Belieben als Instrument und Effekt instanziiert werden und auch Audiobus wird tatkräftig unterstützt. Ich kann mich noch an Animoog und Filtertron Zeiten erinnern, in denen das nicht so war. Also noch mal extra Punkte dafür, dass Moog nicht nur dabei geblieben sind, sondern auch aktuell und relevant bleiben.
Schade das es sowas nicht für Android gibt.
Ich bin ja kein Apple-Fanboy aber bei den Musikapps sind die echt viel weiter.
@Emmbot Ich habe auch immer einen großen Bogen um Appe Hardware gemacht und neidisch auf die ganzen Apple-Musik-Apps geguckt. Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich dann all meinen Mut (und Geld…) genommen und mir ansatt eines neuen Android-Tablets, ein iPad Pro 12,9″ gekauft und bin immer noch total beeistert davon. Es fühlt sich sehr viel wertiger an als ein Android-Tablet aus Plastik und die Haptik, damit meine ich wie schnell die Apps auf das Berühren reagieren ist enorm (selbst noch nach einem Jahr und zig App-Installationen). Die Groovebox-Apps z.B. fühlen sich „fast“ wie richtige Hardware an. Selbst die Tasten der Bildschirmtastatur sind so groß wie bei einer ausgewachsenen Hardwarevariante. Ich würde mir jederzeit wieder ein iPad Pro kaufen, allerdings nur das große 12,9″ und bereue fast dies nicht schon früher getan zu haben.
@Emmbot Android hatte und hat weiterhin den Makel, dass die Latent einfach zu hoch ist. Kein Wunder, dass das in Sachen Audio-Apps nie so wirklich abgehoben ist. Zumal Musiker in der Regel auch ein iPhone, oder wenn iPad in der Tasche haben, von daher ist da bereits die Basis besser gegeben. Insgesamt scheint Apple einfach mehr daran zu liegen, Audio-Apps auf ihren Geräten zu unterstützen, als Google.
@chk Mich wundert das mit der Latenz bei Android/Chrome auch…
Und dass sich das Thema Google nicht langsam mal vornimmt und löst finde ich blöd.
Aber anscheinend scheint die Zielgruppe zu klein, als dass es einen bei den Android-/ChromeEntwicklern interessiert. Schade… die Hardware gäbe es bestimmt auch her.
@Emmbot Ja. Hab mir deshalb extra ein ipad geholt vor Jahren obwohl ich Android Smartphones verwende. Die latenz ist bei Android höher. Hab zwar schon vor ein paar Jahren gelesen es soll besser werden, aber das scheint bei Google keine Priorität zu haben.
@Numitron Hallo Numitron,
das Problem der Latenz könnte man ja umgehen, wenn man sich auf ein Modell konzentrierte. Dann bliebe immer noch das Problem des SDKs. Was ja der dickere Brocken ist. Und gibts dezeit nicht viel, JUCE würde mir einfallen. Allerdings programmierst du in JUCE dann immer noch viel zu Fuß. Google meint zwar MIDI via Google Chrome Extension sei der letzte geile Shice aber ob das Sinn macht steht auf einem anderen Blatt. Hinzukommt das Google für Android auch bald Geld von den HW Herstellern sehen möchte. Ich rubbel mal mein Windows Tablet. Herauskommt, wenn MS endlich seinen APIs für Audio, MIDI den letzten Schliff verleiht, kommen da interessante Apps raus. SDKs gibts, der Markt ist interessant.
ich hab vom moog model 15 durchaus etwas gelernt – nämlich, dass modular nix ist für mich.
insofern muss ich dem autoren widersprechen: auch preset-user (die mal ein paar potis drehen, ein patchkabel ziehen, einen eigenen sound speichern) haben spaß am model 15 und seinem wirklich hochwertigen sound.
Ach schade, sowas hätte ich gerne für Android….ich will keine Apple Sachen kaufen…beim Thema Music Apps kann Android aber leider einfach nicht mithalten.
Hätt ich gern als Desktop-PC-Variante! Immer diese Kopplung an die iOS nervt.
Ich finde das Ding klingt sehr gut. Bei hohen Resonanzen hört man aber leicht Aliasing oder so kommt mir vor.
„Sehr komplex“ als Minuspunkt finde ich komisch. Ein echter Model 15 wäre auch zu komplex? Ist ja recht simple, klassische subtraktive Synthese mit Patchpunkten.
Nach kurzer Eingewöhnungsphase hab‘ ich die Bedienung als sehr angenehm empfunden. Die meisten von uns sind ja geübte Displaywischer.
Auch die Tutorial-Idee finde ich spannend und durchaus erzieherisch wertvoll.
Nicht viel Übereinkunft mit dem Testbericht, aber darum gehts ja nicht =)
Ich finde die Model 15 App auch super. Vor allem, weil man damit auch 4-stimmig spielen kann. Trotzdem programmiere ich damit auffällig selten. Liegt evtl. am COTK Model 15, das ich auch besitze.
Dass die App sich gar nicht übel gegen den Hardware-Clon schlägt, kann man hier nachhören: https://synthblog.de/moog-modular-clones-im-vergleich/