Klassischer Klassiker, ganz neu?
Das Warm Audio WA-Classic ist ein Großmembran-Kondensatormikrofon, das sich laut Produktbeschreibung an klassischen Mikrofonen orientiert, die zu großen Teilen die Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte geprägt haben. Wie zu erwarten wendet das US-amerikanische Unternehmen Warm Audio wieder seine Philosophie an: wenig Verschwendung an Ressourcen, effektive Konstruktion und qualitative Bausteine am wichtigen Platz.
Für die meisten, die sich bereits für Warm Audio Produkte interessieren, gibt es durchaus einen Grund sich zu wundern. Wenn man so die technischen Daten überfliegt, kommt man nicht daran vorbei, zu einem Mikro einen Vergleich zu ziehen, das sich bereits im Sortiment der Firma befindet. Hierzu gleich mehr im folgenden Test.
Lieferumfang
Für das Preissegment nicht üblich, wird das Warm Audio WA-Classic mit einem umfangreichen Zubehör ausgeliefert. Sicher aufbewahrt liegt das Mikrofon in einer Holzkiste, die jetzt nicht nach Handarbeit schreit, aber dennoch in ausreichend guter Qualität vor einem steht. Die Spinne war bei anderen Warm Audio Mikrofonen schon öfter mal in der Kritik, hier sieht man sofort, dass sich das Unternehmen wohl solche zu Herzen nimmt. Die neue Variante wirkt stabiler, besser verarbeitet und lässt somit die Kinderkrankheiten des Vorgängermodells hinter sich. Eine weitere, feste Mikrofonhalterung und Ersatzgummis liegen ebenfalls bei. Auch hier gibt es keinen Grund zur Beanstandung.
Der erste Eindruck: Das WA-Classic ist sehr solide und die Verarbeitung birgt keinen Makel. Das Mikrofon liegt schwer in der Hand und ist erst einmal über jeden Zweifel erhaben. Ich hatte schon öfter das Vergnügen, mit diversen Produkten von Warm Audio zu tun zu haben und war meist positiv überrascht. So ähnlich fügt es sich auch beim WA-Classic. Natürlich bis auf dieses Mysterium, dass dieses Mikro nicht neu ist, sondern bereits existiert. Komischerweise findet man es bisweilen auch nicht auf der Website von Warm Audio, dafür aber eins mit den gleichen Specs, nur mit etwas unterschiedlichem Erscheinungsbild und vor allem einem anderen Namen – nämlich WA-87.
Ach, da scheint es wohl rechtliche Probleme zu geben. Danke, das war’s. Wer mehr über das Mikro wissen möchte, kann gerne den sehr fundierten Bericht von meinem Kollegen Achim Bauer lesen, der das WA-87 im Jahr 2017 schon mal im Test hatte.
Ok, Spaß bei Seite. Ich beleuchte das Warm Audio WA-Classic ganz einfach von einer etwas anderen Seite. Dennoch ist es Fakt, dass es sich im Grunde um das gleiche Mikrofon handelt und sich nur etwas die Form und der Name verändert haben.
Die Spezifikationen
Vollständigkeitshalber führe ich die Specs dennoch kurz auf. Das Mikrofon bietet drei Richtercharakteristiken: Niere, Kugel und Acht. Es verfügt über eine „Custom made Warm Audio“-Kapsel, eine 100 % diskret aufgebaute Schaltung mit Fairchild FETs, Tantal, Polystyrol und WIMA-Folienkondensatoren. Bei solch hochwertigen Komponenten liegt auch meiner Meinung nach zu großen Teilen das Geheimnis von Warm Audio. Das Mikro verfügt über einen Low-Cut bei 80 Hz und einen Pad-Schalter, der um 10 dB absenkt. Der Grenzschalldruckpegel liegt bei 125/132 dB SPL (@1 kHz 1 kOhm 0,5 % THD, 0/-10 dB) und das Mikro bietet einen Frequenzverlauf von 20 – 20.000 Hz. Die Ausgangsimpedanz liegt bei 150 Ohm und wie meistens benötigt auch dieses Kondensator-Mikrofon 48 V Phantomspeisung. Der XLR-Anschluss ist vergoldet und das nickelfarbene Gehäuse ist aus Metall gefertigt.
Praxis
Haptisch befindet sich das WA-Classic auf einem hohen Niveau. Auch die Spinne und der feste Mikrohalter sind in der Praxis solide und gut in der Handhabe. Das WA-Classic orientiert sich eher an älteren Varianten der U-87 Generation. Leider hatte ich zum Vergleich nur ein relativ neues U-87Ai zur Hand. Dennoch wollte ich euch diesen Vergleich nicht vorenthalten.
Mein Fokus liegt bei der Aufnahme von Akustikgitarren. Hierbei bevorzuge ich die Niere, bei beiden Mikros. Ich finde, das genügt vollkommen, um sich einen Eindruck des Sounds beider Mikrofone zu machen. Hierfür habe ich auch einen Analyzer hinzugezogen, obwohl ich persönlich davon kein großer Freund bin. Meistens bevorzuge ich, mich auf mein Gehör, mein Gefühl und meine Erfahrung zu verlassen. Aber schaden kann es mit Sicherheit nicht.
Wie man sieht und hört, ähneln sich die beiden Mikrofone unweigerlich. Wenn auch das Warm Audio WA-Classic etwas mehr Biss in den Höhen hat, was wiederum mehr der klassischen Variante entspricht. Das WA-Classic besticht somit nicht nur in der Preis-Leistung, sondern auch im Charakter. Klar, es ist nicht unbewusst am Original angelehnt, aber es weist durchaus eine Eigenständigkeit auf. Und genau das ist ein Punkt, den ich an den Warm Audio Produkten schätze.