Delay Plugin im 90er Design
Das Waves SuperTap ist ein sogenanntes Multi-Tap Delay Plugin, das in zwei Varianten ausgeliefert wird: als Ressourcen-schonende 2-Tap Version sowie als 6-Tap Version. Multi-Tap bedeutet, dass man die einzelnen „Echos“ zeitlich verteilen kann und sie so als rhythmisches Element in der Musik fungieren. Und bevor die Rotstifte gespitzt werden: Ja, mir sind die Unterschiede zwischen Echo und Delay klar, aber kennen Sie, verehrter Leser, die deutsche Bezeichnung für ein „Tap“? Um hier keine Verwirrung zu stiften, bleibe ich deshalb beim englischen Ausdruck und meine damit die einzelnen aus dem Ursprungssignal erzeugten Wiederholungen des Ausgangstons.
Waves SuperTap Delay: Erster Eindruck
Die Installation ist für einen „Waves-Neuling“ etwas umständlich, denn man muss zuerst das ziemlich umfangreiche „Waves Central“ auf dem Rechner installieren und kann von dort aus dann das gewünschte Plugin erwerben und installieren. Dazu braucht es aber wiederum einen Account bei Waves. Das mag bei manchen potenziellen Nutzern auf Widerwillen stoßen.
Deswegen für diese Nutzer hier eine kurze, rein subjektive Intervention:
Bitte finden Sie sich damit ab, im Jahr 2019 zu leben. Das wichtigste Gut für Unternehmen sind Kundendaten. Das ist bei praktisch allen verbreiteten Softwareprodukten so. Es gibt zwar noch vereinzelt Menschen, die Software frei verfügbar und ohne Registrierung zur Verfügung stellen – aber das sind Einzelkämpfer und diese Produkte sind meist nicht sehr langlebig. Sobald der Entwickler die Lust verliert, ist das Produkt irgendwann nicht mehr mit aktuellen Betriebssystemen oder DAWs kompatibel.
Sie laufen wahrscheinlich – so wie ich – den ganzen Tag mit einem ortbaren Gerät mit Mikrofonen, Kameras und diversen weiteren Sensoren herum – ihrem Smartphone. Da wird im Vergleich ein Plugin Hersteller, wie Waves, sicher NICHT mit Ihren Daten die Weltherrschaft erobern wollen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass Waves ein individuelles Nutzerprofil von ihnen erstellt und sie mit perfekt abgestimmter Werbung zuballert. Man will ihnen Newsletter und Angebote schicken, damit das Unternehmen mehr Umsatz macht. Nicht mehr – nicht weniger.
Wenn Sie aber Privatsphäre bevorzugen – was selbstverständlich respektiert werden muss – dann müssen sie im Jahre 2019 auf vielerlei Komfort und Kommunikation verzichten: Es ist Ihre Entscheidung.
Back to Topic:
Wenn man das Plugin nach der Installation öffnet, dann lächelt einen der Design-Charme der späten 90er Jahre an. Die Bedienelemente, das Layout, das Design – alles wirkt etwas altbacken. Man muss unwillkürlich an Eichenwandschränke, Lava-Lampen und Windows 95 denken. Kurzum: Ein aufgefrischtes Design und eine aktuelle GUI würden dem Waves SuperTap Delay guttun.
Dem Funktionsumfang tut dies aber keinen Abbruch. Besonders die 6-Tap Version erfüllt einem die meisten Wünsche, die man an ein Software-Delay haben kann. Die Bedienung folgt dabei dem weit verbreiteten „von links nach rechts“ Prinzip.
Waves SuperTap: Die Bedienung
Die meisten Funktionen des Waves SuperTap sind entweder Standard für ein Delay-Plugin oder zumindest selbsterklärend. In dem bekannten Waves Menü über der eigentlichen Bedienoberfläche kann man Presets abrufen, Einstellungen laden & speichern und verschiedene Setups vergleichen. Dann fällt einem natürlich oben links zuerst das Display auf, in dem die einzelnen Delay-Taps in einem virtuellen Raum dargestellt werden. Man kann diese Punkte mit der Maus greifen und nach Belieben verschieben – sehr gut gemacht und auch akustisch gut nachvollziehbar.
Tempo und TapPad im Waves SuperTap
Daneben dann die für viele wichtige Pad-Funktion, bei der man mit einem virtuellen Pad einen eigenen Rhythmus einspielen kann. Ein Feature, auf das immer mehr Hersteller leider verzichten, denn damit lassen sich sehr lebendige Delays zaubern. Ansonsten kann man, wie bei den meisten Delays üblich, natürlich auch das Tempo einstellen, das als BPM und in Millisekunden angezeigt wird.
Modulator
Dann findet man die Modulations-Sektion. Eigentlich ein sehr feines Feature, mit der man die Taps mit einem Modulationseffekt, ähnlich einem LFO bei einem Synthesizer, versehen kann. Mit anderen Worten: Wenn Depth auf 250 ms eingestellt ist (der Bereich reicht von 0 bis 500 ms) und das Delay eines bestimmten Abschnitts beträgt 700 ms, dann schwingt die Verzögerung zwischen maximal 950 ms bis minimal 450 ms. Der Effekt selber ist nicht sehr stark, aber dennoch hörbar. Sicher ein „Unique Selling Point“ des Waves SuperTap Plugins.
Dann darunter die eigentlichen Delay-Lines, individuell einstellbar in den Funktionen Gain und Rotate (Positionierung im virtuellen Raum). Bei den Delay-Reglern kann man auch das Grid in verschiedensten Stufen einstellen:
- Free
- Quarters
- Quarter Triplets
- Eighths
- Eighth triplets
- Sixteenths
Dadurch hat man sehr viel Kontrolle über die Taps und kann das Delay dem gewünschten Klangbild gut anpassen.
EQ und Filter im Waves SuperTap
Als weiteres Highlight kann man noch über jedes einzelne Tap einen EQ mit Filter legen. Dabei können verschiedene Filterkurven ausgewählt werden:
- Bell 1 (wider)
- Bell 2 (narrower)
- Hi Shelf
- Low Shelf
- High Pass (“Low cut”)
- Low Pass (“High cut”)
Es bedarf dazu schon etwas Fingerspitzengefühl, dieses Filter für jedes Tap so zu wählen, dass dies auch wirklich musikalische Information hinzufügt. Denn zunächst einmal hört man im Kontext des Liedes kaum heraus, ob jetzt das dritte Tap einen Low- oder Hi-Cut hat. Aber wer sich hier eine Zeit lang einfuchst, der kann schöne Ergebnisse erzielen – ähnlich wie bei der Modulation.
Feedback
Ein weiteres, interessantes Feature ist das Feedback, also der Effekt, dass das Delay mit jeder Wiederholung lauter und lauter wird. Diese Funktion kann auch „crazy“ laufen und in einer lauten Rückkopplung enden. Hier also eher vorsichtig mit den Werten umgehen. Die Funktion wird im Handbuch detailliert beschrieben. Übrigens kann man auf dieses Feedback auch einen EQ bzw. Filter anwenden, deasaber nur die Funktionen Low-Pass, Low-Shelf und Low-Decay anbietet.
Presets
Letztlich möchte ich noch kurz auf die Presets eingehen, die ich überwiegend für überflüssig halte, denn hier geht es überwiegend um „hey, schaut mal, was ich kann!“ Meist klingen diese Presets hallig und irgendwie over the top. Ich würde diese Voreinstellungen bestenfalls als Anfangspunkt für eine eigene Konfiguration verwenden.
Waves SuperTap: Der Klang
Hier möchte ich ein großes Lob aussprechen – das Waves SuperTap klingt wirklich sehr gut. Das Plugin ist sehr raumbetont und durch die diversen Modifikationen lassen sich tolle Effekte erzielen. Der Einsatz des Feedbacks hat mir am meisten gefallen: Da geht es pegelmäßig richtig ab und mit einem interessanten Grid kommt wirklich etwas Neues in den Song.
Im ersten Klangbeispiel habe ich eine einfache Sequenz auf dem Arturia MatrixBrute laufen lassen und mit dem SuperTap verfeinert. Toll, was das Plugin aus der Sequenz so macht.
Danach habe ich das Plugin auf die Kick und die Snare meines Arturia DrumBrute angewendet. Diesmal mit etwas wilderen Settings und auch das gibt dem zunächst klaren Rhythmus eine schöne Lebendigkeit.
Hi Jörg,
witzig der Test. Stimmt, das Super Tap macht einen guten Job, ist aber bei mir etwas in Vergessenheit geraten. Mal wieder anhören.
Das Design empfinde ich nicht als Minuspunkt. Man kennt es und es ist übersichtlich bedienbar. Wenn man sich die redesignten PlugIns von Waves anschaut bin ich froh, dass der Kelch am Super Tap bisher vorbei gegangen ist.
Hallo Jörg,
schöner Artikel. Mir gefiel die Bemerkung zur Datensammlung und Waves Central. Es ist (leider) so wie es ist und jeder kann sich ja frei entscheiden (manchmal aber auch nicht – zumindest aber hier).
Ich finde den Effekt auch interessant, wenngleich es höhenwertige Kandidaten gibt. Preislich ist das hier sicherlich höchst attraktiv (ist das der Angebotspreis oder der reguläre?). Das Design jedoch ist wie bei vielen VSTs von Waves leider völlig verbraucht und nicht mehr zeitgemäß. Eine Überholung würde vielen Plugins gut tun. Auch eine solche, die keine Geld kostet.
@Marco Korda Da bin ich auch einverstanden.
Wenn du mir allerdings aufzeigen könntest, wie man in der Software Entwicklung ein UI anpassen und modernisieren kann, ohne Geld in die Hand zu nehmen, wäre ich sehr interessiert ;-)
@sonicbits Das meine ich nicht. Die Produktpflege – sofern Sie kosmetischer Natur ist – sollte den User nichts oder nur wenig kosten. Die Update-Politik von Waves ist jedoch meines Wissens teilweise mit hohen Kosten verbunden („Update Plan“). Das muss so nicht sein, andere sind da kulanter.
Andererseits sind die Waves-Plugins in der Zwischenzeit sehr günstig geworden, wenn man die Aktionen mitmacht. Da sind viele schon für 29 Euro zu haben. Das ist wiederum unterpreisig. Aber einige Plugins sind seit Jahren auf dem selben Stand und daher auch kaum noch mehr wert als dieser aufgerufene Preis (finde ich). .
@sonicbits Crowdsourcing, das kennt man u.a. von Mediaplayern, die das Laden von Skins ermöglichen.
Man gibt ein Format vor, in dem jeder Skins erstellen kann, die die Beschreibung des Aussehens und z.B. Grafiken enthalten. Ob das nun was Aktuelles und Standardisiertes wie CSS ist, oder ob der Hersteller was Neues erfindet, ist ja egal. Dann kann man damit punkten, dass Nutzer Skins herunterladen können und schafft gleichzeitig eine Community.
Das schöne an Waves: Eine Installation und alle Plugins am Start. Leider sind DAW-eigene Plugins zu gut geworden. Gute einfache Multitaps sind allerdings nicht so häufig. Meine Favoriten von Waves sind der obige, das Renaissance-Verb, H-Delay und der gänzlich unschweinische Stereo-Imager. Schön das der Artikel an gute alte Plugins erinnert.
Rop Papen RP-Delay, ebenfalls 6 unabhängige Lines je mit MM-Filter, FX und Signalrouting und 4 Mod-Sequenzern. €49, aber dafür muss ich mich nicht mit Waves Central und WUP rumschlagen. So als Alternative.
@Markus Schroeder RP-Delay kann allerdings kein echtes Pingpong-Delay. Gut sind indes die Bandsättigungseffekte.
Mal eine blöde Frage: was soll der Unterschied zwischen Echo und Dalay sein?
@Trance-Ference Ein Delay ist eine erneute zeitversetzte Wiedergabe des gleichen Signals. Das kann in der Lautstärke gleich bleiben, immer lauter oder – die übliche Anwendung – immer leiser werden.
Im Gegensatz dazu verändert sich der Klang bei einem Echo. Und zwar mit jeder erneuten Wiedergabe stärker als zuvor. Bei einem natürlichen Echo findet bei jeder Reflektion gleichzeitig eine Diffusion statt, die den ursprünglichen Klang leiser und undeutlicher macht.
@Trance-Ference Mit Delay meint man oft die reine Verzögerungsfunktion. Mischt man das verzögerte Signal zum Original dazu oder füttert es sogar wieder zum Eingang, spricht man meist von Echo.
Auf die Unterscheidung sollte man nicht allzuviel geben. Mein erstes Digitalecho hatte „Digital Delay“ im Namen.
Ich war noch nie ein Fan von Waves Plugins. Entsprechend habe ich ein paar preisunabhängige Empfehlungen:
Sinevibes – Stream (49 €)
https://www.sinevibes.com/stream/
UVI – Relayer (129 €)
https://www.uvi.net/de/effects/relayer.html
Gute Alternativen sind immer ein Blick wert. :D
Ich kann an dem Design nichts Schlechtes Finden. Immer wieder werden für VSTs GUIs gefordert, die sich nicht an Hardware orientieren sondern softwaretypische Bedienelemente haben. Bei Supertap ist genau dies der Fall.
Wer Studio One besitzt sollte sich das Groove-Delay mal genauer angucken, und im Gegensatz zu Waves, kann man auch in 4K damit arbeiten! ;-)
Der Hersteller eines kommerziellen Plugins will Geld verdienen. Das ist vollkommen in Ordnung. Aber ob er sein Plugin weiterentwickelt und z.B. mit der nächsten Windows- oder MacOS-Inkompatibiliät wieder lauffähig macht, hängt von vielen Gründen ab. Man kann sich keinesfalls darauf verlassen. Es reicht schon ein Merger/Aufkauf von einem Unternehmen, das ein ähnliches Plugin anbietet. Das war’s dann. Wenn man Pech hat, kann man dann das bereits gekaufte Plugin nicht mehr auf einem neu installierten System zum Laufen bringen, selbst wenn es keinerlei Inkompatibilitäten gibt, weil man keinen Key bekommt.
Bei Open Source hat man immerhin den Quellcode und die Abwesenheit jeglicher absichtlich eingebauter Mechanismen, die die Nutzung sabotieren. Wenn das Binary auf einem neueren Betriebssystem nicht läuft, weil Bibliotheken oder Bitbreite nicht passen, dann kompiliert und linkt man es neu. Dazu muss man kein Programmierer sein und den Quellcode nicht verstehen. Man muss ihn nur haben. Klar können dabei Probleme auftreten, aber keine absichtlich eingebauten.
Selbstverständlich ist im Prinzip die Kombination von Kommerzialität (Nutzung gegen Geld) und die Bereitstellung des Quellcodes möglich. Aber der Hersteller hat nichts davon, und ausreichend viele Leute haben kein Problem mit unnötiger Installations- und Kontrollsoft- und -Hardware.
Es sieht nicht nur aus wie aus dem letzten Jahrtausend. Es IST. Fand es trotzdem auch immer gut, leicht bedienbar und funktionierte.