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Vintage-Mikrofon: Electro-Voice RE20

Spezielle Technik gegen den Nahbesprechungseffekt

26. Mai 2019
Electro-Voice RE20 Mikrofon

Electro-Voice RE20 Mikrofon mit der optional erhältlichen und eigens für diese Serie gemachten Halterung

Bonnie Raitt, U2 und Brad Delp von Boston sollen es gemacht haben, Radiohead und Paul McCartney ebenfalls und Stevie Wonder hat sich vor allem in den 70ern darauf verlassen. Diese weltberühmten Stars haben das Electro-Voice RE20 für Gesangsaufnahmen benutzt, einen Klassiker unter den dynamischen Großmembranmikrofonen, der noch heute zum Standard von US-amerikanischen Radiosendern gehört. In Fachkreisen spricht man bei dieser visuellen Ausnahmeerscheinung vom „donkey dick“ und alle wissen sofort, was gemeint ist.

Im Rahmen unserer Vintage-Kategorie widme ich mich diesem Klassiker der Mikrofontechnik und kombiniere das mit einem kurzen Testbericht.

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Electro-Voice RE20 Mikrofon

So sieht es aus: das Electro-Voice RE20 Mikrofon

Und tatsächlich, die ungewöhnliche Form- und Farbgebung dieses Schallwandlers beflügelt durchaus die Fantasie. Wenngleich die Entwickler dieses Mikrofon-Klassikers garantiert keine Analogien zur Tierwelt beabsichtigt hatten, sondern vielmehr sehr innovative technische Forschungsarbeiten in das Electro-Voice RE20 haben einfließen lassen. Nach dem Motto „Form Follows Funktion“ ergab sich dann die besondere Ausführung des Gehäuses. Aber dazu werden wir später noch ausführlicher kommen.

Universell einsetzbar für Sprache, Gesang und Abnahme von Instrumenten

Electro-Voice RE20 Mikrofon

Electro-Voice RE20 ist DAS Mikrofon für Sprecher

Das Electro-Voice RE20 eignet sich hervorragend für den Gesang, die Sprachübertragung, wie beispielsweise von Moderatoren in besagten Radiosendern, aber auch zur Abnahme von akustischen Gitarren. Sogar Bassdrums, Kontrabässe, Amps jeglicher Couleur und Bläser können mit diesem Schallwandler prima abgenommen werden. Nicht zuletzt deshalb, weil das dynamische Tauchspulenmikrofon hohe Schalldrücke locker wegstecken kann.

Im auffälligen Gehäuse aus dickem Stahl ist das RE20 kein schlanker Recke, sondern eher ein kräftiger „donkey dick“ mit ordentlichen Abmessungen von 217 mm Länge und einem Durchmesser von 49 mm am Schaft. In Höhe der Kapsel legt der Durchmesser noch einmal zu und erreicht dort sogar 54 mm. Diese Abmessungen, die dadurch entstandene Formgebung und das Gewicht von immerhin 737 Gramm mögen sicherlich zum Spitznamen des Mikrofons beigetragen haben.

Electro-Voice RE20 Mikrofon

Hervorragend geeignet für die Abnahme des Kontrabasses

Electro-Voice RE20: Gut für Studio und Live

Mit einem Übertragungsspektrum von 45 Hz bis 18.000 Hz deckt das Mikrofon einen weiten Frequenzbereich ab. Dabei ist die Frequenzkurve nicht flach, sondern folgt einer konturierten Form. Am unteren Ende des kräftigen Gehäuses sitzt ein kleiner Schalter, mit dem sich der Low-Cut aktivieren lässt. Hier werden Frequenzen zwischen 100 Hz und 400 Hz um 4,5 dB abgesenkt. Das schafft Klarheit und Transparenz vor allem bei Sprache und Gesang. Damit elektronische Einstreuungen dem Sound nichts anhaben können, sorgt eine zusätzliche Humbucker-Spule im Gehäuse für störungsfreie Übertragung.

Electro-Voice RE20 Mikrofon

Ein kleiner Schalter aktiviert den Low Cut

Ausgeklügelte Technik für den Klang

Auffällig sind die vielfachen Öffnungen am Schaft, die man von typischen Richtmikrofonen kennt. Sie sind erforderlich, um dem Electro-Voice RE20 DIE klangliche Besonderheit zu verleihen. Der Hersteller nennt das Variable-D. Diese Funktion ermöglicht es, dass dieses Mikrofon praktisch keinen Nahbesprechungseffekt (Proximity Effect) hat.

Man kennt diesen Effekt von anderen Druckgradientenempfängern (eine Bauform von Tauchspulenmikrofonen). Befindet sich die Soundquelle sehr nah am Einsprechkorb hebt der Nahbesprechungseffekt tiefe Frequenzen deutlich hörbar an. Das kann gewünscht sein und gibt zum Beispiel Stimmen Fülle, ist aber in vielen Fällen auch störend, weil der natürliche Klang der Soundquelle durch diesen Effekt verfälscht wird und das Ergebnis obendrein schwammig werden kann.

Funktionsweise von Variable-D

Variable-D ist eine Technik, die schon Mitte der 50er Jahre von Electro-Voice entwickelt wurde, um den Proximity-Effekt von Kardioidmikrofonen zu reduzieren. Ursprünglich für Radiomoderatoren entwickelt, die bei ihrer Arbeit wegen unterschiedlicher Abstände zum Einsprechkorb einen konstanten Klang ohne Verfälschungen gut gebrauchen konnten, bietet Variable-D auch bei Einsätzen im Studio oder in Live-Umgebungen erhebliche Vorteile. Denn trotz sich verändernder Abstände (Variable Distance) zwischen Soundquelle und Kapsel bleib der Klang ziemlich identisch, also ohne Bassanhebungen oder Absenkungen (bei zunehmender Entfernung vom Mikrofon). Der nicht vorhandene Nahbesprechungseffekt ist übrigens eine Eigenschaft, die eine Besonderheit bei Mikrofonen mit Kugelcharakteristik ist.

Richtcharakteristik von Mikrofonen

Wie entsteht eigentlich die Richtcharakteristik? Die Richtcharakteristik von Mikrofonen wird dadurch erreicht, dass bei Druckgradientenempfängern ein Teil der Schallwellen von vorne und von hinten auf die Membran der Kapsel gelangen kann – mal ganz einfach ausgedrückt. Das ist natürlich ein recht komplizierter Vorgang, bei dem unter anderem auch akustische Laufzeitglieder eine wichtige Rolle spielen. Diese bewirken, dass die Schallwellen in unterschiedlichen Phasenlagen auf beiden Seiten der Membran anliegen. So entsteht einerseits die Richtcharakteristik des Mikrofons zum Beispiel als Niere, Superniere und so weiter, aber auch die als Nahbesprechungseffekt bekannte Eigenart.

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Electro-Voice RE20 Mikrofon

Electro-Voice RE20 Mikrofon auf einem gewöhnlichen Stativ – hinter den Schlitzen findet sich das „Geheimnis“ des besonderen Klangs

Um den Nahbesprechungseffekt bei gleichzeitigen Erhalt der Nierencharakteristik auszuschalten, haben sich die Entwickler beim Electro-Voice RE20 etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Unterhalb der Kapsel befindet sich im Mikrofongehäuse eine längere, röhrenförmige Resonanzkammer. Daran sind zwei kleinere Röhren (Tuned Ports) angebracht, die mit verschiedenen Öffnungen versehen sind. Über diese Öffnungen gelangen die auftreffenden Schallwellen nun in die Kammer hinter der Membran. Der Trick dabei: Tiefe Frequenzen mit langen Wellenlängen legen einen weiteren Weg zurück als hohe Frequenzen mit den kürzesten Wellenlängen. Die mittleren Frequenzen liegen hierbei in der Mitte. Dieses Konstrukt aus großer Kapsel und Variable-D-Technik ist in Kombination ziemlich groß, sodass sich daraus die vorher genannten Abmessungen des Mikrofons ergeben.

Viele Öffnungen im Gehäuse

Bleiben noch die zweimal acht schlitzförmigen Öffnungen am Schaft. Sie sind notwendig, um den Schallwellen die Wege in die Tuned Ports im Innern des Gehäuses überhaupt zu ermöglichen. Von daher sollten diese Schlitze auf keinen Fall zugehalten oder verdeckt werden.

Nebenbei gesagt: Das Electro-Voice RE20 ist auch kein Handheld-Mikrofon, es gehört schon allein wegen des Gewichtes und der Variable-D-Funktion auf ein Stativ oder in die optional erhältliche Spinne. Eine passende normale Stativhalterung (mit Adapter) wird natürlich mitgeliefert, denn kaum eine andere Klemme kann dieses Mikrofon sicher aufnehmen. Zum Lieferumfang gehört zudem ein exklusives Transportcase mit Trageriemen.

Electro-Voice RE20 Mikrofon

Ein hervorragendes Case gehört zum Lieferumfang

Shockmount Halterung als Zubehör

Um das Mikrofon ganz sicher vom Stativ zu entkoppeln, bietet sich der Einsatz einer Spinne an. Unter der Bezeichnung Electro-Voice 309A RE-Serie ist ein passendes Shockmount-System erhältlich. Mit dieser Halterung lässt sich das Electro-Voice RE20 Mikrofon für den Einsatz am Arbeitsplatz oder in der Tonkabine wahlweise auch Overhead montieren.

Electro-Voice RE20 Mikrofon

Sanft und sicher gebettet liegt das Electro-Voice RE20 im Case

Soundvergleich und Messungen

Beim Sprach- und Gesangstest fällt die geringe Anfälligkeit für Popp-Geräusche auf. Der integrierte Popp-Schutz leistet also gute Arbeit. Zugute kommt dieser Unempfindlichkeit im Innern des Einsprechkorbs sicher auch der verhältnismäßig große Abstand zwischen Kapsel und Korb. Die Transienten werden trotz großformatiger Kapsel (recht viel bewegte Masse) gut abgebildet. Dafür sorgt eine Spule aus leichtem Aluminium.

In den unteren Frequenzbereichen spielt die Variable-D-Technik ihre Vorteile aus. Der von Tauchspulenmikrofonen bekannte Nahbesprechungseffekt wird ja schließlich hier ausgeschaltet, was die Wiedergabe der tiefen Frequenzbereiche sehr sauber, aufgeräumt, konturiert und knackig werden lässt. Wie vom Hersteller versprochen bleibt der Sound (natürlich nicht die Lautstärke) auch bei unterschiedlicher Distanz zur Kapsel identisch. Diese Eigenschaften bringen gute Ergebnisse bei der Abnahme von Bassdrums und Bassgitarren, die dadurch unverfälscht klingen. Auch Posaunen mit hohen Schalldrücken dürften sich über den natürlichen Klang freuen.

In den oberen Frequenzbereichen ist das Electro-Voice RE20 im direkten Vergleich etwas schwächer als zum Beispiel das Shure SM58. Dennoch ist gerade durch diese nicht überbetonten Höhen das Gesamtbild des RE20 recht stimmig.

In diesem YouTube Video sind das EV RE20 und das EV RE320 im Einsatz zu sehen.

Rosa Rauschen und die Frequenzkurven

Die Messungen mit Arta und Rosa Rauschen geben weiteren Aufschluss. Hier muss natürlich berücksichtigt werden, dass die verwendeten Studiomonitore natürlich nicht 100 Prozent linear arbeiten und die Nahbereichs-Messungen in einem normalen Raum stattfinden. Aber für einen direkten Vergleich der unterschiedlichen Ergebnisse anhand der ermittelten Frequenzkurven reicht es auf jeden Fall. Das Smoothing ist hier auf 1/1 Oktave gesetzt, damit sich weiche Kurven ergeben um die unterschiedlichen Tendenzen besser aufzuzeigen.

Electro-Voice-RE20

Abbildung 1 zeigt die Frequenzkurve des Electro-Voice RE20 ohne Low-Cut – der Bereich der hohen Frequenzen ist nicht besonders ausgeprägt

Electro-Voice-RE20

Abbildung 2 zeigt die Frequenzkurve des Electro-Voice RE20 mit aktiviertem Low-Cut – hier ist ein sanfter Eingriff zu erkennen

Abbildung 3 zeigt die Frequenzkurve eines Shure SM58 – deutliche Anhebungen um den Bereich 4.500 Hz sind gut zu erkennen

Electro-Voice-RE20

Abbildung 4 zeigt die Frequenzkurve des Electro-Voice RE20 ohne Low-Cut und die Frequenzkurve des Shure SM58 (schwächere Linie) zum direkten Vergleich in einem Diagramm

 

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Fazit

Das Electro-Voice RE20 Mikrofon zählt zu den Klassikern. Trotz großformatiger Kapsel ist dieses dynamische Mikrofon schnell in der Ansprache, was gut für die Wiedergabe der Transienten ist. Durch seine spezielle Variable-D-Funktion – die allerdings auch andere Mikrofone von Electro-Voice in petto haben (wie das EV RE320 im Video) – ist der Nahbesprechungseffekt praktisch eliminiert. Das führt zu einer sehr guten und straffen Wiedergabe der unteren Frequenzbereiche und macht den Einsprechabstand weniger kritisch. Sollen die tiefen Frequenzen noch weiter abgeschwächt werden, lässt sich ein Low-Cut aktivieren. Hohe Schallpegel können dem Mikrofon wenig anhaben. Daher eignet es sich gut für die Abnahme von Bläsern oder Bassdrums. Das Mikrofon ist recht groß und schwer und steckt wegen seiner stabilen Bauart allerhand weg. In Fachkreisen hat es Kultcharakter und gehört zur Grundausstattung vieler Beschaller. Mir gefällt der saubere Klang, aber auch die optische Erscheinung, die sich deutlich von anderen dynamischen Mikrofonen abhebt.

Plus

  • dynamisches Großmembranmikrofon
  • schnelle Ansprache
  • Variable-D-Technik
  • guter Klang
  • robuste Bauweise
  • gutes Case wird mitgeliefert
  • eigenständige Erscheinung

Preis

  • Aktuelle Ladenpreise:
  • Electro-Voice RE20, 527,- Euro
  • Electro-Voice 309A RE-Serie Shockmount, 139,- Euro
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