Letzter Teil der großen Conny Plank Reportage
Inhaltsverzeichnis
Conny Plank: 1978 – 1983 (DAF, HipHop, NDW)
Zurück noch einmal zu den gerade schon erwähnten DAF, der „Deutsch-Amerikanischen Freundschaft“, die – wie schon einige andere Bands und Musiker, die bei Plank produzierten, aus Düsseldorf kamen. Die hatten bereits 1979 eine erste LP aufgenommen, allerdings rein instrumental, ohne ihren Sänger Gabi Delgado. Im März 1980 quartierten sie sich dann für sechs Wochen auf dem Plank’schen Hof ein, um „Die Kleinen und die Bösen“ aufzunehmen. In dieser Zeit verliebte sich Robert Görl nicht nur in Annie Lennox, sondern wurde auch der typische DAF-Sound geschaffen, mit den knalligen Drums, den Sequenzerlinien (ihr erinnert euch sicher, dass Robert Görl Connys ARP Odyssey Synthesizer liebte und ihn ausgiebig einsetzte) und dem monotonen Sprechgesang. „Conny hatte eine Vision von uns, der hat gesehen, da kann man was draus machen. Conny hat uns geschliffen. Im Grunde war Conny unser großer Mäzen, und bei ihm lief dann auch wirklich was (…) In unsere Kompositionen hat er sich nie eingemischt, aber man kann sagen, er hat uns kutschiert“ (Robert Görl, ElektriCity S 279).
Nach „Die Kleinen und die Bösen“ produzierten DAF auch ihre nächsten drei Alben „Alles ist Gut“ (Dez 80/Jan 81), „Gold und Liebe“ (Aug/Sep 81) und „Für immer“ (Mai 82) bei Plank; anschließend löste sich DAF dann erst einmal auf. Robert Görl machte übrigens bei Plank dann noch eine halbjährige Grundausbildung: „Wir wollten unsere Platten ja eigentlich selbst produzieren, konnten das aber nicht. Wir wussten gar nicht, welche Knöpfe man drücken musste. Deshalb habe ich zu Conny gesagt „Zeig mir das! Ich will das lernen, will selbst wissen, wie man was macht“ Und er hat gesagt „Prima, kannst bei mir eine Ausbildung machen“. So habe ich für ein halbes Jahr bei ihm gelernt. Alles, was ich über Musikproduktion weiß, habe ich von ihm. Wie nehme ich ein Schlagzeug auf, wie stellt man einen Kompressor ein und so weiter“
Auch aus Publicity-Gründen war Plank wichtig für DAF: Gerade in England war der durch seine Arbeit mit Ultravox inzwischen eine große Nummer geworden. Aus dieser Berühmtheit resultierte dann auch die Zusammenarbeit mit der britischen Rockband Killing Joke. Die hatten ihr erstes Album noch selber produziert, wandten sich mit ihrem zweiten, „What’s this For…!“ an Conny Plank, der die Ecken und Kanten aus dem typischen tanzbaren Metal-Stil der Band schliff. Eine bleibende Erfahrung für den Gitarristen der Band, Kevin „Geordie“ Walker: “Plank told me that my guitar reminded him of being small during the war. When they played classical music on the radio, if you turned it up full, that was the sound I made, that dissonance. It was the best compliment I’ve ever had.”. Es folgten dann mit “Revelations” (1982) und “Ha! Killing Joke Live” (1982) noch zwei weitere Alben mit Planks Beteiligung.
Der zu der Zeit aufkeimenden Neuen Deutschen Welle hat sich Plank, offen für alles wie er nun mal war, auch nicht verschlossen. Die Humpe-Schwestern produzierten mit „Ideal“ das Album „Der Ernst des Lebens“ (das sich über 300.000 Mal verkaufte und auch den Hit „Eiszeit“ enthielt), und auch bei Joachim Witt, der Fred Banana Combo oder Rheingold hatte er seine Finger im Spiel. In einem Interview mit dem Ox-Fanzine erzählt Bodo Staiger: „Einen ersten unmittelbaren Einfluss auf die Musik von uns hatte er nicht, da ich die Songs der ersten drei Alben in Düsseldorf, zuerst in der Klangwerkstatt, dann im eigenen Studio aufgenommen habe. Aber bei der Nachbearbeitung und dem Mix in Connys Studio, da wurde oft noch mal geschraubt und gedreht, zum Beispiel ist der charakteristische Synthie-Knaller von „Dreiklangs-Dimensionen“ durch ihn hinzugekommen.“
Und auch mit dem internationalen HipHop machte Conny Plank in dieser Zeit seine ersten Erfahrungen. Ja, man kann wohl sagen, dass Plank tatsächlich auch einer der Geburtshelfer dieses Genre war, denn immerhin produzierte er 1983 das erste Album („Whodini“) der New Yorker Hip-Hop-eFunk Band Whodini, die ja wiederum als Pioniere dieses Genres gelten. Für die der Trip von New York nach Wolperath anfangs für Irritationen sorgte – zwei Jungs, gerade mal 18 Jahre alt, die zuvor New York noch nie verlassen hatten. „Wo zum Teufel waren wir da? Ich meine, da wir sonst niemand da draußen!“ erzählen sie lachend Connys Sohn Stephan in der Doku „Conny Plank – mein Vater der Klangvisionär“. “Ich meine wir sehen das heute als selbstverständlich an, da HipHop etabliert ist, aber damals mussten wir ihn erfinden, den Sound erfinden, er musste den Sound buchstäblich formen“, erzählen Jalil Hutchins und John Fletcher weiter und unterstreichen damit Conny Planks Rolle für ihre Entwicklung.
„Er konnte sich einfühlen. Ich hatte zum Beispiel Probleme mit dem Backing. Ich mochte es, wenn wir im Park spielten. Nur niemand konnte so aufnehmen. Aber dein Vater schon. Er hielt mich auf und fragte mich „Was ist los?“. Ich sagte, ich mag es wirklich, wenn wir im Park spielen. Da fühlt man sich frei. Dein Vater hat das so angenommen und hat dann Lautsprecher hinter uns auf der Rückseite des Studios aufgestellt. Er hat den Sound im Studio so perfekt ausbalanciert, bis ich mich von hinten hören konnte. Ich musste keine Kopfhörer mehr aufsetzen. Ich konnte arbeiten, als wäre ich im Park. Das hat mich gerührt. Niemand hat sich jemals diese Zeit für mich genommen.“ (Jalil Hutchins)
Release | Recorded | Interpret | Albumtitel | Planks Rolle |
1980 | Mrz 80 | DAF | Die Kleinen und die Bösen | Eng, ReMix |
1980 | Rheingold | Rheingold | Mix | |
1981 | Dez 80 – Jan 81 | DAF | Alles ist gut | Prod |
1981 | Aug – Sep 81 | DAF | Gold und Liebe | Prod, Cover Art |
1981 | Ideal | Der Ernst des Lebens | Prod, Mix | |
1982 | Mai 82 | DAF | Für immer | Prod |
1982 | Joachim Witt | Edelweiß | ||
1982 | Fred Banana Combo | Fred Banana Combo III | ? | |
1983 | Whodini | Whodini | Prod, Eng, Mix |
1978 – 1983: No limits
Stilistisch kannte Plank in dieser Phase keine Limits. Er produzierte zwei Alben der Kölner Mundart-Rocker der Zeltinger Band („De Plaat im Roxy & Bunker live“,1979, und „Schleimig“ (1980)), betreute weiterhin die elektronischen Ambient und Krautrock-Produktionen seiner Weggefährten Roedelius („Durch die Wüste“ (1978), „Selbstportrait“ (1979), Michael Rother („Sterntaler“ (1978), „Katzenmusik“ (1979)) und Cluster („Großes Wasser“ (1979)), versorgte auch Holger Czukay und Kraan weiterhin mit seinen Diensten und schreckte selbst vor den Bläck Fööss nicht zurück, die 1980 bei ihm ihr Album „D’r Ring Erop D’r Rhing Eraf“ (Übersetzt für die Nicht-Rheinländer: „Den Rhein rauf und runter“) produzierten, mit dem Schlager „Indianer Kriesche Nit“. (Indianer weinen nicht). Schon seltsam. Aber nun gut, 1977 hatte er auch schon eine LP mit Zupfgeigenhansel gemacht („Volkslieder 2“), stilistische Einordnungen waren für Plank immer unerheblich.
1982 produzierte die Post-Punk Band „Tank of Danzig“ ihr Album „Not Trendy“ bei Conny Plank im Studio (der bereits 1980 ihre Debütsingle „Security Idiots“ seinerseits produziert hatte), Herbert Grönemeyer nutzte Connys Studio (mit Dave Hutchins an den Reglern) 1980 für sein zweites Studioalbum „Zwo“, er mischte (ebenfalls 1980) die „Stahlwerksynfonie“ von „Die Krupps“ ab ( zu einem Sonderpreis, weil er zuvor mit Ultravox gut verdient und immer ein Herz für mittellose Künstler hatte), die Holger Czukay zuvor in seinem Inner Space Studio aufgenommen hatte und tauchte schließlich auch Gianna Nannini das erste Mal in Wolperath auf (die später zu einer guten Freundin wurde), um 1982 ihre LP „Latin Lover“ aufzunehmen. Und die ihren späteren Erfolg einzig Conny Plank zuschrieb: „Conny hat sich auf jede Produktion persönlich eingelassen. Sie zu etwas einzigartigen gemacht. Ich wurde einzigartig durch Conny Plank.“ So kam Nannini bis zu Planks Tod jedes Jahr wieder nach Wolperath, um Jahr für Jahr ein weiteres Album aufzunehmen: „Puzzle“ (1984), „Tutto Live“ (1985), „Profumo“ () und „Maschi e altri“ (1987). Auf „Profumo“ befindet sich auch der Hit „Bello e impossibile“ – den vermutlich die wenigsten mit Conny Plank in Verbindung gebracht hätten.
Conny Planks Produktionsliste 1978-1983
Release | Recorded | Interpret | Albumtitel | Planks Rolle |
1978 | Jun 77 | Eno Moebius Roedelius | After The Heat | Prod, Eng |
1978 | Sep – Nov 77 | Michael Rother | Sterntaler | Prod, Eng |
1978 | Mrz 78 | Brian Eno | Ambient 1: Music for Airports | Eng |
1978 | Mai 05 | Can | Out of Reach | Mix |
1978 | Jul-Sep 78 | Roedelius | Durch die Wüste | Prod, Eng, Gtr, Synth, Voc |
1978 | Kraan | Flyday | Prod, Eng, Mix | |
1978 | Liliental | Liliental | Prod, Eng, Synth, Voc, Gtr | |
1978 | 1977 | Eileen | Streetmark | Eng |
1978 | Michael Hoenig | Departure from the… | Mix | |
1979 | 22.02.1979 | Zeltinger Band | De Plaat im Roxy | |
1979 | SBB | Welcome | Eng | |
1979 | Mrz – Jul 79 | Michael Rother | Katzenmusik | Prod, Eng |
1979 | Sep 79 | Moebius / Plank | Rastakraut Pasta | Prod, Synth |
1979 | Cluster | Großes Wasser | Prod | |
1979 | 73-79 | Roedelius | Selbstportrait | Guitar, Percussion |
1980 | Clannad | Crann Ull | Eng | |
1980 | The Meteors | Hunger | ? | |
1980 | Mar – Nov 79 | Kraan | Tournee | Eng, Mix, Prod |
1980 | Les Vampyrettes | Biomutanten (Single) | Composer, Artist | |
1980 | Phantom Band | Phantom Band | Mix | |
1980 | Holger Czukay | Movies | Advisor | |
1980 | Sept – Dez 80 | Zeltinger Band | Schleimig | |
1980 | Aug 80 | Bläck Fööss | D’r Ring erop – D’r Ring eraf | Prod |
1980 | Herbert Grönemeyer | Zwo | [David Hutchins] | |
1980 | Die Krupps | Stahlwerksynfonie | Mix | |
1981 | Jul 81 | Moebius / Plank | Material | Prod |
1981 | 1981 | Phew | Phew | Prod, Eng, Edit, Music |
1981 | Killing Joke | What’s THIS For | Prod | |
1982 | 81/82 | Killing Joke | Revelations | Prod, Audio Production |
1982 | Gianna Nannini | Latin Lover | Prod, Eng, Synth, Arrang. | |
1982 | 1982 | Moebius/Plank/Neumeier | Zero Set | Comp, Perform, Prod |
1982 | Aug 82 | Killing Joke | Ha: Killing Joke Live | Prod |
1982 | The Meteors | Stormy Seas | ? | |
1982 | Sep 81 | Moebius & Beerbohm | Strange Music | MixEng |
1982 | Apr – Jul 82 | Kowalski | Schlagende Wetter | Prod |
1982 | Holger Czukay | Peak of Normal | Violin | |
1982 | Kraan | Nachtfahrt | Prod, Eng, Mix | |
1982 | Tank of Danzig | Trendy | ||
1983 | Moebius / Plank / Thompson | Ludwigs Law | Prod | |
1983 | Apri-Jun 83 | Hunters & Collectors | The Fireman’s Curse | Prod |
1983 | A Flock of Seagulls | Listen | ? | |
1983 | Arno Steffen | Schlager | Prod, Voc |
Conny Plank als Mensch: Ein Puzzle
Conny Plank war eine recht imposante Erscheinung, schon wegen seiner Körpergröße. Äußerlichkeiten waren ihm anscheinend egal. So schrieb die TAZ 2013 anlässlich seines 25jährigen Todestages „Auf dem Cover der 4-CD-Box blickt einen der vor gut 25 Jahren verstorbene Studiozauberer an mit seinem Vollbart und einer irren Frisur, die eine gewagte Kreuzung aus Prinz-Eisenherz-Topfdeckel-Schnitt und Vokuhila ist.“ Was die Sache vermutlich recht genau trifft. Gianna Nannini erzählte: „Conny war da und er sah wie ein großer Junge aus. Nicht wie ein Mann, ein Produzent. Sondern wie ein großer Junge. Viel Spaß, viel Groove, mir fiel auf, dass er sich bewegt wie ich.“ Ein Junge, der recht genau wusste, was er wollte, und durchaus auch mal grantig werden konnte, ansonsten aber wohl ein sehr ruhiger Zeitgenosse war. „Ruhig, aber nicht schüchtern, sondern ruhig und selbstbewusst. Er wusste, wer er ist und was er machte“ (Kranemann) Er habe etwas ganz Zartes an sich gehabt, sei eine feine Seele gewesen, stellte Annette Humpe fest. Er war jemand, „der sich nie in den Vordergrund geschoben hat, sich nie profilieren wollte“ (Michael Rother). Einen „Pfiffikus“, nannte ihn Roedelius mal, einen „Mensch mit einem liebevollen Herzen.“ Und „Er war ein ganz einfacher Mann, der ziemlich demütig war.“ (Moebius) Wobei sich seine Einstellung auch auf seine Arbeit übertrug: „Er war ja auch gesellschaftlich und politisch eher kritisch, links, ein Linksliberaler. Deswegen fand er auch Weiterentwicklung immer gut“ (Hans Lampe) „Er war ein Hippie, der die Maschinen liebte“ (Gianna Nannini).
Anekdoten zu Conny Plank
Als David Bowie 1976 in Köln war (er arbeitete zu dieser Zeit mit Brian Eno zusammen an „Low“), fuhr er die 35 Kilometer nach Wolperath, um – wohl auf Anraten von Brian Eno – mit Conny Plank eine Zusammenarbeit zu vereinbaren, er brauchte neue Impulse. Und war dann ziemlich konsterniert, als Plank ihm mitteilte, dass er gerade leider keine Zeit für den Weltstar habe. Hintergrund war wohl der damals extreme Drogenkonsum von Bowie. Mit Drogen hatte Plank an sich keine Probleme (im Gegenteil – es gibt Berichte von Musikern, die Planks „großes Lungenvolumen“ bewunderten, und sein Sohn sagte einmal „Ich wusste recht früh, dass es Zigaretten gibt, die anders riechen“)), hatte aber eine Grenze: „Keine Toilettendrogen“ war die Devise on Planks Studio. Gegen die Bowie zu der Zeit ganz offensichtlich verstieß. Der fuhr dann zurück nach Berlin und produzierte sein Album „Heroes“ später mit Eno (dem „Meisterschüler“ von Plank).
Bowie war nicht die einzige Musikgröße, die sich bei Plank einen Korb holte. Bono fragte bei ihm vor Ort am Küchentisch an, ob er „The Joshua Tree“ mit U2 produzieren wolle. Plank bat sich Bedenkzeit aus, lehnte dann aber ab. Er könne mit diesem Sänger nicht arbeiten, ließ er verlauten. Angeblich war Conny Plank nach dem Besuch von U2 mit seiner Familie beim Lorelei-Festival, wo Bono dann auf der Bühne vorschnell öffentlich seinen „neuen Produzenten Conny Plank im Publikum“ begrüßte, ohne dessen Entscheidung abgewartet zu haben. Plank verließ das Gelände und redete von da an kein Wort mehr mit Bono. Ob das tatsächlich so passiert ist, kann man heute nicht mehr sagen. Plank selber erzählt die Geschichte so: „Ich hab die Cars abgelehnt, ich hab U2 abgelehnt, einfach weil ich nicht damit zurechtkam. Ich hab mit dem Herrn Bono gesprochen und dann hab ich mich am Kopf gekratzt und hab gedacht – welches Bewusstsein muss ich da übertragen? Weil – ich funktioniere eigentlich am besten als Medium, also eigentlich ein Medium zwischen Künstler und (Ton)Band. Wo ich das verstehe, was passiert und mit meinem Verständnis versuche, zurecht zu rücken.“
Überhaupt behandelte er Musiker, von denen er nichts hielt, recht schroff; den gefeierten Jean-Michel Jarre zum Beispiel nannte er mal „einen Lügner am Synthesizer.“
Die letzten Jahre (1984 – 1987)
In den letzten vier Jahren seines Lebens setzt Conny Plank – bis auf einige Ausnahmen, auf die ich gleich noch zu sprechen komme – in erster Linie die erfolgreiche Arbeit mit Künstlern fort, mit denen er schon in den Jahren davor gearbeitet hatte. So produziert er vier weitere Laben mit Gianna Nannini (die mittlerweile auch das Kochen auf dem Hof übernahm, und dabei angeblich ständig nach Hause telefonierte, um sich Pasta-Rezepte durchgeben zu lassen), je zwei mit Ultravox, den Eurythmics und Holger Czukay. Er nimmt als Musiker zusammen mit Eno, Moebius und Roedelius die bereits erwähnten „Begegnungen I“ und „Begegnungen II“ auf, und mit Moebius alleine das Album „En Route“ und half seinem Freund Klaus Dinger (den Erfinder des Motorik-Beats) bei der Fertigstellung des Albums „Neondian“.
Das war ursprünglich als viertes Album von La Düsseldorf geplant gewesen, doch gab es nach dem Ausstieg zweier Bandmitglieder (Thomas Dinger und Hans Lampe) Rechtsstreitigkeiten um den Namen. Die Basistracks waren bereits 1983 in den Zeeland Studios aufgenommen worden; später schmiss Klaus Dinger alle Gesangsspuren seines Bruders wieder raus, war aber mit dem Ergebnis so unzufrieden, dass er damit zu Conny Plank ging, um sich helfen zu lassen. „Ich muss sagen, Conny war sehr freundlich zu mir, nachdem er seit „Viva“ sehr wütend auf mich war, weil ich ihn verlassen hatte. Er hat mich von Anfang an akzeptiert, um mir zu helfen, und daraus ist „Néondian“ geworden“, sagte Dinger später in einem Interview. Mit ihrem Erstling, den Plank produziert hatte, hatte die Band Geld genug gehabt, um sich ein eigenes Studio einzurichten, in dem La Düsseldorf-Mitglied Hans Lampe – ehemaliger Assistent von Plank – die folgenden Platten produzierte. Was Conny Plank gar nicht witzig fand. Trotzdem aber half er Dinger dann – gutmütig wie er war – bei der Fertigstellung von „Neondian“, die mit Hilfe einiger Gastmusiker wie Bodo Staiger und Charly Terstappen realisiert wurde (und sich so schlecht verkaufte, dass die Plattenfirma nach eine Woche die Produktion wieder einstellte. Weshalb die Scheibe heute eine echte Rarität ist).
1984 kamen Catherine Ringer und Fréderic Chichin von Paris nach Köln, heute besser bekannt unter ihrem Bandnamen „Les Rita Mitsouko“, ein französisches Avantgarde-Pop-Duo mit großen Ambitionen. Und um die musikalisch umzusetzen, wollten sie nicht irgendeinen Produzenten, sondern Conny Plank für ihre Debütalbum. Das nahmen sie dann zum Teil im eigenen Studio in Paris auf, zum Teil bei Plank in Wolperath. Der den beiden – die damals noch einfach „Rita Mitsouko“ hießen, ohne das „Les“ – dann erst einmal ein wenig die Flügel stutzte: „Versuch nicht zu clever zu sein. Sonst wird es zu viel für den Sound. Das hat er uns immer gesagt.“ (Fred Chichin). Die Single-Auskopplung „Marcia Baila“ blieb 29 Wochen in den französischen Charts, kletterte dort bis auf Platz 2 und verkaufte sich gut 800.000 Mal. Der Musik-Express wählte den Titel in seiner Liste der besten Arbeiten von Conny Plank auf Platz 5 (nach Autobahn (Kraftwerk), HalloGallo (Neu!), By This River (Brian Eno) und Vienna (Ultravox)). Ein Titel, von dem kaum jemand vermuten würde, dass auch da Conny Plank dran beteiligt war:
Ebenfalls 1984 produzierte Conny Plank das zweite Album von Belfegore, eine Gothic-Punk-Dark-Wave-Band aus Düsseldorf, gegründet von Michael David Clauss (KFC, Nichts). Das erste Album hatte Clauss noch im Inner Space Studio von Can aufgenommen, für das zweite, „Belefegore“, sollte es Conny Plank sein, der in den Credits auch mit „Emulator II“ genannt wird; abgemischt wurde das Album dann aber in New York. Die Kritiken waren extrem unterschiedlich: „Besser als Motörhead“ urteilte Creem Metal aus den USA, während es Olaf Karmik im SPEX „einen Haufen Scheiße“ nannte, „eine Düstermännerkapelle mit drittklassigem Songmaterial, einfallslosen Arrangements und üblicher schwammiger Conny Plank-Produktion“
Avantgarde-Pop aus Frankreich, Dark Wave aus Düsseldorf, Neue Deutsche Welle, Italo-Pop (Gianna Nannini), Synth Pop (Ultravox, A Flock of Seagulls), Krautrock (Holger Czukay), die eigenen Ambient/Electronic-Produktionen mit Eno/Moebius/Roedelius – in den letzten Jahren seines Schaffens war Plank mehr denn je offen für alles. So auch für die australische Rockband „Hunters & Collectors“ mit Frontmann Mark Seymour, mit denen er ihre Alben drei (The Fireman’s Curse, 1983) und vier (The Jaws of Life, 1984) produzierte, beide noch erkennbar unter dem Einfluss des Plankschen Krautrocks. Keines der beiden Alben schaffte es in die australischen Top 50; ihr erstes Top Ten Album produzierten sie dann zwei Jahre später (Human Frailty) – ohne Conny Plank.
Größte stilistische Überraschung war dann aber nicht die Produktion mit der englischen Gothic-Rock-Band „Play Dead“ (Company of Justice, Juli – Dezember 1985), und auch nicht die „Bollock Brothers“, deren rockiges Album „Prophecies of Nostradamus“ er 1987 abmischte (aufgenommen wurde es in der Klangwerkstatt in Düsseldorf), sondern fraglos Heinz Rudolf Kunze. Der kehrte 1985 seiner Liedermacher /Singer/Songwriter-Vergangenheit den Rücken und produzierte bei und mit Conny Plank sein allseits bekanntes Album „Dein ist mein ganzes Herz“, aus dem die gleichnamige Single stammt. Die dann tatsächlich auch die Spitze der deutschen Airplay-Hitparade (und Platz acht der deutschen Charts) eroberte. Plank habe „mit seinen Einfällen und seiner Motivationsgabe erheblich zur Atmosphäre des Albums“ beigetragen, schreiben Ingo Grabowsky/Martin Lücke in „Die 100 Schlager des Jahrhunderts“. „Dein ist mein ganzes Herz, du bist mein Reim auf Schmerz“ und Conny Plank – wer den Artikel hier komplett gelesen hat, den dürfte auch das eigentlich nicht mehr wundern. Die Goldene Schallplatte, die Kunze für die Single-Auskopplung bekam, hätte Plank übrigens auch gern auf sein Gästeklo gehängt; trotz mehrfacher Nachfragen und Bitten wollte Kunze die aber nicht rausrücken.
Im Herbst 1986 war Plank – wie schon erwähnt – für das Goethe-Institut sechs Wochen lang in Südamerika unterwegs, um mit Dieter Moebius und Arno Steffen einige Konzerte zu veranstalten. Dort soll er das erste Mal bemerkt haben, dass mit ihm gesundheitlich etwas nicht stimmte. Was er ignorierte. Carmen Knoebel (Betreiberin des Ratinger Hof in Düsseldorf), die eine gute Freundin der Familie war, berichtete, dass Planks Lebensgefährtin Christa Fast es geschafft habe, Conny nach der Rückkehr aus Südamerika innerhalb eines Jahres durch Umstellung auf makrobiotische Kost und viel Ruhe „auf eine richtig gute Schiene“ zu bringen. Conny habe sich anschließend wieder gut gefühlt und die Arbeit vermisst. So sehr, dass er im März 1987 die Eurythmics, die seit Juni 86 ihre Revenge-Tour rund um die Welt absolvierten, zu fünf Konzerten in Japan begleitete, um sie dort live zu recorden. Ein „Wahnsinnstrip“, meinte Knoebel, der ihn wohl so geschwächt habe, dass der Krebs wieder ausgebrochen sei. Im November 1987 erhielt er – der Zeit seines Lebens ein starker Raucher war – die Diagnose „Kehlkopfkrebs im Endstadium“.
Im Oktober 1987 hatte Plank seine letzte Produktion gestartet: Heiner Pudelko (Ex-Interzone) kam mit seiner Managerin Annette Humpe, um sein erstes Solo-Album „Mein Schatz“ aufzunehmen. Conny Plank sollte die Fertigstellung nicht mehr erleben. Er starb an einem Sonntag im Winter 1987. Es war der 5. Dezember, Conny Plank wurde 47 Jahre alt. „Manche Menschen gehen zu früh von dieser Welt und hinterlassen eine riesige Lücke, die nicht wieder gefüllt werden kann. Ich wünschte, er wäre immer noch da“, schrieb Annie Lennox.
Conny Planks Produktionsliste 1984-1985
Release | Recorded | Interpret | Albumtitel | Planks Rolle |
1984 | Holger Czukay | Der Osten ist rot | Synth, Emulator | |
1984 | Les Rita Mitsouko | Rita Mitsouko | Prod, Eng, Overdubs | |
1984 | Gianna Nannini | Puzzle | Prod, Eng, Synth | |
1984 | Hunters & Collectors | The Jaws of Life | MixProd | |
1984 | Eno Moebius Roedelius Plank | Begegnungen | Prod, Synth, Composer | |
1984 | Ultravox | The Collection | Prod, Eng | |
1984 | The Tourists | Should Have Been Greatest Hits | Prod | |
1985 | Jul-Dez 85 | Play Dead | Company of Justice | Prod |
1985 | Okt 85 | Heinz Rudolf Kunze | Dein ist mein ganzes Herz | ? |
1985 | Klaus Dinger | Neondian | Prod | |
1985 | Humpe Humpe | Humpe Humpe | Prod | |
1985 | Eno Moebius Roedelius Plank | Begegnungen II | Prod, Synth, Composer | |
1985 | Gianna Nannini | Tutto Live | Prod, Synth | |
1985 | Cluster & Eno | Old Land | Prod | |
1986 | Jul 86 | Eurythmics | Revenge | |
1986 | Moebius / Plank | En Route | Prod | |
1986 | Gianna Nannini | Profumo | Prod, Mix, Synth, Comp | |
1986 | Ultravox | U-Vox | Prod, Eng | |
1987 | Jan-Mai 87 | Eurythmics | Savage | ?? |
1987 | Gianna Nannini | Maschi e altri | Prod, Comp? | |
1987 | The Bollock Brothers | The Prophecies of Nostradamus | ? | |
1987 | Holger Czukay | Rome Remains Rome | Synth, Emulator | |
1988 | ab Okt 87 | Pudelko | Mein Schatz | ? |
Was danach geschah
Das Studio in Wolperath wurde von Christa Fast und Connys Sohn Stephan weitergeführt. Durch die Veränderungen im Musikgeschäft und Christas Krankheit (sie starb im Juni 2006) waren sie gezwungen, das Studio zu schließen. „Connys Studio steht zum Verkauf“, titelte der Kölner Stadtanzeiger im April 2007. Da hatte die Technik schon längst neue Besitzer gefunden. Sein berühmtes handgefertigtes 56-Kanal-Mischpult kaufte der englische Produzent David M. Allen (The Cure, Depeche Mode) zusammen mit Mark Ralph, der es in Einzelteilen und gut verpackt nach England transportieren ließ. „Mein Therapeut ist sehr glücklich. Ich habe jetzt eine zweite Hypothek auf meinem Haus in Spanien. Es ist einfach eine Dummheit. Aber wir sind hier, um Dummheiten zu machen“, erzählt er, während seine Mitarbeiter das Studio zerlegen. Das Pult wurde restauriert und war danach noch sieben Jahre im Studio von Mark Ralph im Einsatz, der damit Alben von Hot Chip, Franz Ferdinand, Filthy Dukes und einigen mehr produzierte. Als Ralph dann in ein anderes Studio umzog, überließ er David Allen das Pult. Inzwischen steht es in London im Studio 7 von Laurence Loveless.
Im Herbst 2008 begann Stephan Plank zusammen mit den Kölner Musikproduzenten Michael und Tim Dierks, das Studio noch einmal zu renovieren, um es wieder auferstehen zu lassen, doch der Versuch scheiterte. 2009 wurde der gesamte Bauernhof abgerissen, heute stehen dort neu errichtete Einfamilienhäuser. Der bumerangförmige Esstisch aus der Küche, an dem sich täglich um 16 Uhr alle Musiker und Familienmitglieder zum gemeinsamen Essen versammelten, wurde – wie auch das legendäre Gäste-WC – dem Rock- und Pop-Museum Gronau vermacht.
Ein beeindruckender Mensch.
„….Jean-Michel Jarre zum Beispiel nannte er mal „einen Lügner am Synthesizer.“…“
Conny Plank hat mich posthum zum lachen gebracht.
Wahnsinnige Persönlichkeit. Früher dachte ich, außer DAF und Eno wäre nichts für mich dabei.
Höre ich aber genauer hin, entdecke ich selbst in schlageresken Produktionen seine Handschrift auf die eine oder andere Weise. Selbst die Kunze Nummer wird unter genauer Betrachtung zum Meisterwerk. Wie die Vocalspuren zum Ende des Titels lansam ausfaden…. Schlager? Irgendwie nicht.
Grandios.
Einzig Whodini als Hiphop Pioniere zu betiteln wirkt schräg. Aber völlig egal.
Sehr schöner 3-Teiler.
Danke
Der Satz über Whodini ist vielleicht nicht schön formuliert. Aber es gibt zwei Referenzen die zum Hip Hip Hop und Electro führen. Kraftwerk und das Label von Whodini, Jive Records. Hier waren Whodini die erste „Crew“ des Labels. Später folgten, DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince, E-40, A Tribe Called Quest, KRS-One und 2pac. Whodini waren insofern Pioniere, dass sie E Gitarre, Synths einbrachten. Auf der anderen Seite stehen dann Arthur Baker, Rick Rubin und Sylvia Robinson. Allerdings würde ich eher sagen, Conny Planks Einfluss auf wenigsten drei Generationen britischer Musiker war größer, als der im Hip Hop.
Moin Tob,
Will Smith in einem Satz mit Shakur find ich noch schräger😆
Grundsätzlich hast du recht und ich gelobe feierlich mir diese pingelige
Nörgelei unter so wundervollen Artikeln abzugewöhnen.
Muss ja garnicht.
Schräg ist eher Jive als Label. Den Sprung von Whodini hinzu Backstreet Boys, NSYNC und Britney Spears muss man erstmal hinbekommen. ;-)
*freu* Gleich einen Tee machen und genüsslich lesen. 🤩
Jepp… Immer noch (m)ein großes Vorbild.
Hat sich nach diesen Artikeln wieder bestätigt!
Tolle Artikelserie.
Allerdings muss ich sagen, dass ich diese Musik sowas von nicht vermisst habe.
Gottseidank sind die 80er Jahre vorbei. Es gab natürlich auch gute Musik, aber eher nicht von Conny Plank. Meine Meinung natürlich nur.
Mann, ich kann das gar nicht richtig in Worte fassen…
Ich versuche es…
Ok, zuerst einmal:
DANKE!! für diesen dreiteiligen Beitrag!
Er war zu keiner Sekunde lang- sondern extrem kurzweilig.
Ich bin Baujahr ’73 und mache seit 1991 Musik, vorwiegend elektronisch.
Bin aber vom Hörgeschmack nicht festgelegt.
Wenn mir etwas gefällt, dann ist es egal, ob es Electro, House oder Techno ist, mächtige Gitarren drin sind oder mich sogar ein Hit von Heinz Rudolf Kunze anträllert.
Ich hatte aber von Conny Plank – und jetzt steinigt mich bitte nicht – 0% Ahnung!
Aber diese Infos über all sein Schaffen, seine Hingabe, seine Art, Musik zu machen,
sich mit den Künstlern und denen, die es durch ihn erst wurden, auseinander zu setzen,
ist schon der Wahnsinn…
Diese Geschichte über seinen Werdegang, sein Einsatz der Technik und seine Ideen zur Soundmanipulation, und das zu dieser Zeit(!),
lesen sich angesichts der damals sehr limitierten Möglichkeiten so,
als wäre der Mann dennoch seiner Zeit um Jahre voraus gewesen…
Ich bin fast 50 und da wo er schon war, werde ich wahrscheinlich niemals sein.
Es ist jammerschade, dass so ein begnadeter Mensch schon so früh gehen musste… :-(((
GENAUSO ging es mir beim Lesen (oder besser: verschlingen) der dreiteiligen Reihe über diesen sehr interessanten Mann.
…Bj 1969 ;-)
Tolle Artikelserie über einen bemerkenswerten Künstler. Mir war vorher nicht klar wie vielseitig interessiert und offen für Neues dieser Mann war. Vielen Dank.
sich zu beschränken bedeutet beschränkt zu sein
Offen für Neues kann nie schaden.
Vielen lieben DANK für dieses wunderbare Portrait!
Besten Dank für diesen hervorragenden Dreiteiler über einen faszinierenden Menschen.
Wenn Du mal ein Buch schreibst, meine Bestellung hast Du schon…
Grandios was dieser Mann alles gemacht und geleistet hat und wie wenige außerhalb der Musikerkreise von Ihm wissen. Sehr Schade. Aber Hut ab.
Vielen Dank für diesen wunderbaren Dreiteiler.
Verlost doch mal ne Zeitreise in die 80er, ums meet&greet kümmern wir uns selber