AMAZONA.de-Autor Matthias Steinwachs: 10 Alben, die mir viel bedeuten
Ich bin Jahrgang 1960. Was – als ich Anfang der 70er begann, meine eigenen Platten zu kaufen – bedeutete: Stundenlanges Kramen in Plattengeschäften und beim Verkäufer betteln, die neuen Scheiben mal Probehören zu dürfen, kein Streaming, keine Tipps per Internet, dafür stundenlang mit dem Kassettenrecorder und einem Mikro vor dem Radio gehockt, gehofft, dass der Moderator nicht in die letzten Takte quatscht und eifrig Titel und Interpreten notiert. Ich habe die Geburt unzähliger neuer Musikstile miterleben dürfen, für neue Platten gespart und dann die Geschäfte danach abgeklappert („habt ihr die neue von ELP schon da?“). Synthesizer waren exotisch, auf wenige bekannte Marken beschränkt und begannen gerade erst, die U-Musik zu erobern.
Mit 14 spielte ich zum ersten Mal in einer Band, selten lange, Bands und Musikstile wechselten im Jahresrhythmus. Jazz, Punk, Pop, Fusion, Funk, Deutschrock – ich habe da kaum was ausgelassen. Mein Ehrgeiz war nie sonderlich groß; wo andere von der großen Musikkarriere träumten und vom Plattenvertrag, spielte ich mit den Bands die Bühnen im überschaubaren Umkreis der Homebase rauf und wollte nur Spaß haben. Als ich dann für zehn Jahre nach Berlin ging, war Schluss mit der Livemucke; stattdessen widmete ich mich in den nächsten rund 15 Jahren (nebenher) der Musik für Videogames. Nachfolgend die zehn Alben, die für mich in der ganzen Zeit eine besondere Bedeutung hatten; zum einen, weil sie mich musikalisch inspirierten und meinen weiteren Weg beeinflussten. Oder einfach, weil ich mit ihnen ein besonderes Erlebnis verbinde. Manchmal auch beides.
Beatles – Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band
– Aufbruch zu neuen Ufern –
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Die Frage, der sich in den 60er- und 70er-Jahren jeder Musikrezipient früher oder später stellen musste – nämlich „Stones oder Beatles“ – war für mich schon früh klar: Beatles natürlich. Erstmals bewusst gehört hatte ich die im zarten Alter von 8 oder 9 Jahren bei meinem Cousin Manfred. Der war mein großes Vorbild: einige Jahre älter, hatte lange Haare, einen Kellerraum mit Wasserpfeife, Matratzen auf dem Boden und Unmengen von Platten. Die Sgt. Pepper fiel meinem kindlichen Gemüt vermutlich erst mal nur wegen des irren Covers auf, aber auch die Musik zog mich schon damals magisch an. Ich quengelte so lange, bis mir meine Eltern ein Beatles-Album kauften: Rubber Soul. Vermutlich fanden sie das weniger bedrohlich als das Cover von Sgt. Pepper. Nach und nach brachte ich mir die Griffe der Songs auf der Gitarre meines Bruders bei, weitere Beatles-Platten folgten. Darunter auch endlich irgendwann Sgt. Pepper. Eine Platte, die in vielerlei Hinsicht Maßstäbe gesetzt hat und bis heute ein Jahrhundertalbum ist. Die Beatles begleiteten mich durch die späte Kindheit und meine Jugend, auch mein Sohn infizierte sich früh mit dem Beatlesfieber – und noch heute läuft bei jedem Familienessen eisern unsere Beatles-Playlist.
Emerson, Lake & Palmer – Pictures at an Exhibition
– Der Meister des Moog –
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Anfang der 70er Jahre brachte unser damaliger Musiklehrer einen Synthesizer mit in den Unterricht – einen EMS Synthi AKS im Koffergehäuse. So was hatte ich bis dahin nie aus der Nähe gesehen und mir war sofort klar: Das will ich auch haben. Da das mit 2 Mark Taschengeld aber noch was dauern würde, bastelte ich mir erst einmal aus meinen Fischertechnik-Elektronikbausteinen einen Sinus-Tongenerator, gespielt mit Vaters zerlegter Melodika, an deren Tasten ich Kontakte lötete (was er gar nicht komisch fand). Mein Cousin erklärte mir dann mitleidig, dass – wenn ich mal einen richtig geilen Synthie hören wollte – ich mir mal Emerson, Lake & Palmer anhören müsse. Der Emerson würde keinen EMS Koffersynthie spielen, sondern einen fetten Moog. Moog, wow – davon hatte ich schon gelesen. Also ab in den nächsten Plattenladen und „Pictures at an Exhibition“ – das gerade erschienen war – blind gekauft. Geflasht von den wilden Synthie-Spielereien und der Art, wie kraftvoll er seine Hammond malträtierte, lief die Platte wochenlang im Dauereinsatz bei mir. Auch wenn es lange nicht das beste Album von ELP ist (das ist für mich klar das Dreier-Live-Album „Welcome back my friends to the show that never ends“ von 1974, eins der besten Live-Alben überhaupt), war es doch der Beginn einer langen ELP-Liebe und vor allem auch mein Einstieg in die wunderbare Welt der Synthesizer. Es dauerte allerdings noch bis 1979, bis ich mir meinen ersten Moog kaufen konnte: einen Moog Prodigy. Der gerade hier neben mir steht und immer noch funktioniert, auch wenn er eine Weile braucht, bis er in Stimmung ist.
Chick Corea – Return to Forever
– Die Leichtigkeit des Rhodes –
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Mein Weg zu Chick Corea führte über Miles Davis und sein bahnbrechendes Album „Bitches Brew“, ein Klassiker des Jazz Rock/Fusion, das tatsächlich Anfang 1973 Jahre mal Gegenstand des Musikunterrichts an meiner damaligen Schule war. Während meine Mitschüler – allesamt eher bodenständige Fans von Slade, Sweet, Gary Glitter oder Pink Floyd (The Dark Side of the Moon war da gerade erschienen) – von der in ihren Ohren „schrägen Musik“ sichtlich gelangweilt waren, war ich fasziniert und wollte mehr. Also Album gekauft, und anschließend nach und nach auch einige der darauf vertretenen Musiker – die Credits auf den Platten waren damals mangels Internet stets eine Quelle für neue musikalische Erfahrungen. Darunter war auch Chick Corea, der im Jahr zuvor das Album „Return to Forever“ veröffentlicht hatte – das dann auch zum Namensgeber seiner neuen Formation wurde. Diese Leichtigkeit, dieser Mix aus Jazz, Rock, Funk und Latin und vor allem: Das mal glockige, mal phaserig-wabernde Fender Rhodes – ich war hin und weg! Das war mein Sound! Ein Jahr später hatte ich meine Eltern so weit, dass sie mir ein Fender Rhodes Mark I kauften, das mich viele Jahre in diversen Bands begleitet hat, bis ich es – der wohl größte Fehler meines Musikerlebens – Anfang der 90er Jahre verkauft habe. Falls jemand mal ein ziemlich abgerocktes Rhodes mit dem aufgesprühten Schriftzug „This Machine Kills“ auf der Rückseite sieht, bitte melden, danke. Als ich 1979 dann mein Lehramtsstudium (Musik, Sport) begann, wo wir alle zum Studienbeginn etwas vorspielen mussten, schleppte ich mein Rhodes mit und gab – als Exot unter all den Mozart-Beethoven-Chopin-Klassikdarbietungen – eine vereinfachte Fassung von „Crystal Silence“ von der „Return to Forever“ zum Besten. Geschichte am Rande dazu: Zu der Zeit versuchten wir uns auch mit meiner damals aktuellen Band an „La Fiesta“ von Chick Corea. Als wir uns über den Basslauf nicht einig waren (Noten gab es keine), schrieb ich Chick Corea kurzerhand einen Brief nach Los Angeles (auch E-Mails gab es noch nicht) und er antwortete tatsächlich. In den folgenden Jahren wechselten dann noch einige Briefe über den Atlantik – „Love, Chick“, endeten seine Briefe stets. Die „Return to Forever“ höre ich heute noch immer wieder, und ab und zu klimpere ich auch noch „Crystal Silence“. Nur leider nicht auf meinem Rhodes.
Kraftwerk – Autobahn
– Die ersten Elektro-Popper –
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Wie schon erwähnt: Ich war damals (in jungen Jahren) durchaus Synthesizern und der elektronischen Musik zugetan, konnte aber den frühen Platten von Klaus Schulze (wie „Cyborg“) oder Tangerine Dream (wie etwa „Alpha Centauri“) nicht viel abgewinnen. Das war mir zu viel elitärer Elfenbeinturm, zu viel Experiment und selbstverliebte Klangspielereien. Vermutlich war ich aber auch einfach nur zu jung dafür. Und dann kam 1974 Kraftwerk mit der Autobahn – das erste Elektropop-Album, (fast) ohne den Akustik-Ballast der Vorgänger, elektronisch, aber melodisch, dazu dieser eingängige, simple Text. Das war damals alles neu und außergewöhnlich, auch wenn das heute vielleicht für jüngere Ohren beliebig und simpel klingen mag. Und zugegeben, mit den anderen Tracks auf der Platte – die teilweise noch in der alten Kraftwerk-Tradition verhaftet waren – hatte ich es dann nicht so, aber der Song „Autobahn“ war der Startschuss in eine neue Musikwelt für mich. Zwar gefielen mir die nachfolgenden Kraftwerk-Platten wie Radioaktivität, Trans Europa Express oder die Mensch-Maschine noch besser, weil sie in sich stimmiger und runder sind, aber keine hatte jemals wieder eine solche Signalwirkung auf mich wie die Autobahn. Und auch das gehört zu meiner Kraftwerk-Autobahn-Erinnerung: Als mein Schwiegervater (inzwischen 86) vor einigen Jahren wie jedes Wochenende bei uns zur Bundesliga auf Sky auftauchte und er das zufällig herumliegende Autobahn-Album sah, meinte er „Ah, Kraftwerk – ja, kenne ich auch.“ Was mir etwas seltsam erschien, da er eigentlich eher so der Hildegard-Knef-Typ ist. Auf Nachfrage, wann er denn jetzt Kraftwerk höre, erklärte er: „Nein, hören nicht. Aber die hatten früher ihr Studio gleich um die Ecke und waren immer wieder mal bei mir im Laden, Fahrräder kaufen. Sehr nette Jungs. Gibt’s die eigentlich noch?“ Ja Franz, die gibt es irgendwie immer noch. Zum Glück.
Herbie Hancock – Secrets/ Man Child
– Der Helfer auf dem Deich –
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Sommer 1976. Ich war mit zwei Freunden mit dem Rad unterwegs, von Düsseldorf aus an die niederländische Küste, Richtung Bergen aan Zee (wo wir mit Klassenkameraden verabredet waren), dann weiter rauf nach Ameland. Mein Rad: Ein altes NSU-Rad aus den 40er-Jahren, von meinem Großvater geerbt, ohne Gangschaltung und gefühlt 50 Kilo schwer. Hinten auf dem Gepäckträger Zelt und Schlafsack, in den Satteltaschen die allernotwendigsten Klamotten, im Brustbeutel 300 Gulden – das musste für zwei Wochen reichen. Und vorne auf dem dafür extra angebrachten Gepäckträger ein kleiner Kassetten-Recorder, natürlich Mono. Irgendwann abends erreichten wir Lelystad am Ijsselmeer, rund 90 Kilometer vor unserem ersten Zielort. Am nächsten Nachmittag waren wir in Bergen verabredet, also: weiterfahren. Im Dunkeln ging es dann über den rund 35 Kilometer langen Damm im Ijsselmeer Richtung Enkhuizen, dann über Land nach Bergen. Und damit wir wach blieben, lief auf meinem Rad der Kasi auf Anschlag: Auf Seite A Herbie Hancocks „Secrets“, auf Seite B sein Album „Man Child“. Passte gerade so drauf. Alle 45 Minuten anhalten und Kassette umdrehen, alle paar Stunden die Batterien wechseln. Und Herbie hielt uns mit seinen beiden guten Laune-Funk-Jazz-Rock-Fusion-Scheiben munter. Keine anstrengenden Endlos-Soli (wie noch bei den beiden Vorgängern „Head Hunters“ und „Thrust“), kein Elektro-Gedöns wie in späteren Jahren, sondern allerbester grooviger Fahrstuhl-Funk, der auch beim zehnten Durchhören nicht nervt, unterbrochen von einigen schönen ruhigeren Nummern. Bestes Doping für die Ohren. Ich bin mir sicher: Ohne Herbie wären wir nicht rechtzeitig angekommen.
Tom Waits – Blue Valentine
– Der Literat mit der Lispelstimme –
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Tom Waits. Der Mann mit der melancholisch knötternden und stets lispelnden Reibeisenstimme, der aussieht, als würde er in einem Pappkarton unter der Brücke wohnen, Bühnenautor, Schauspieler, eigenwilliger Songschreiber und einer der größten Lyriker der Musikgeschichte. Auf den ich – shame on me – so richtig erst Ende der 80er Jahre gestoßen war. Ich arbeitete damals bei SFB 2 (Sender Freies Berlin) als Producer und hatte abends dann auch die Aufgabe, die Musik aufzulegen. (Ja, damals wurde die noch nicht aus dem Rechner abgeschossen, damals kam alles noch von Vinyl und CD). Und eines Abends war dann auch das Album Blue Valentine von Tom Waits mit in der Kiste aus der Musikredaktion. Schon die ersten Takte von seiner Version von „Somewhere“ hatten mich damals umgehauen. Wie viel man doch aus so wenig Stimme machen kann! Als mein absoluter Lieblings-Song entpuppte sich dann jedoch (nachdem ich die Platte natürlich gekauft hatte) „Kentucky Avenue“, der wohl schönste Song über die Magie von Kindheit und Kindheits-Freundschaften ever. Ich bekomme noch heute zuverlässig eine Gänsehaut, wenn ich es höre. Große Literatur (unbedingt den Songtext lesen), vorgetragen mit einer Stimme zum Niederknien, die unter die Haut geht.
DAF – Alles ist Gut
– Düsseldorfer Elektro-Punker –
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Düsseldorf war in den 70er und 80er Jahren eine musikalische Hochburg. Bands wie Kraftwerk, Neu!, Die Krupps, Liasions Dangereuses, Rheingold, Der Plan, Propaganda, Belefegore und auch DAF (Deutsch Amerikanische Freundschaft) kamen aus „meiner“ Stadt. Ja, und auch die Toten Hosen, ich weiß. Ich spielte damals in einer Punkband in Düsseldorf (in der zum Schluss übrigens wiederum Claudia Brücken sang, die danach dann zu Propaganda wechselte – siehe oben). Da unser Sänger „Sid“ (der eigentlich Jörg hieß), kein eigenes Mikro hatte, gab ich ihm meins – im Tausch auf Zeit gegen seine Punkjacke (handbemalt mit Captain Future auf dem Rücken) und eine Platte von DAF: eben die „Alles ist gut“ (1981 erschienen). Die rücksichtslose Energie in „Der Mussolini“, die fetten Synthie-Sequenzen in „Alle gegen Alle“, der Offbeat (und der Text) in „Als wär‘s das letzte Mal“, der hingerotzte Gesang von Gabi Delgado – das war inspirierende Synthie-Musik ganz nach meinem Geschmack, die einfach zeitlos war und ist und die ich noch heute höre, wenn ich mal Power-Nachschub brauche. Spätestens, nachdem ich DAF dann auch noch live im Ratinger Hof (für die Jüngeren und Nicht-Punks: Das war damals DIE Punkkneipe in Deutschland) erlebt hatte, war ich DAF-Fan auf Lebenszeit. Als unsere Band dann irgendwann auseinanderging, bekam ich mein Mikro und Sid-Jörg seine Jacke und eine arg abgenudelte LP zurück. Und das DAF-Konzertplakat aus dem Ratinger Hof hängt heute noch bei mir an der Wand.
Level 42 – Level 42
– Turn it on, whenever you can –
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Viele Platten, auf die ich in meinem Leben gestoßen bin, haben etwas mit den Bands zu tun, in denen ich gespielt habe. So auch Level 42. „Welcher Keyboarder hat Bock, mit uns kompromisslos abzufunken?“ – las ich auf einem Aushang bei meinem Musikhändler. Unsere Punkband hatte sich gerade aufgelöst, warum also nicht mal Funk? „Geht in Richtung Level 42“ verriet mir Gitarrist Roger beim ersten Anruf, „zieh Dir das mal rein“. Funk – ja, kannte ich. Earth, Wind & Fire, Herbie Hancock, Brecker Brothers (deren „Heavy Metal Be-Bop” von 1978 eigentlich auch hier mit auf die Liste gehört), Tower of Power, Kool & The Gang – lief alles schon bei mir. Level 42 traf dann aber einen besonderen Nerv bei mir: Mark Kings wilder Bass, die heftig synkopierten Keyboard-Licks, die zum Teil etwas abenteuerlichen Harmonieverläufe, die aus dem Jazz kamen, darüber die eingängigen Melodien – faszinierend. An der Scheibe hab ich mich dann monatelang abgearbeitet, um den vertrackten rhythmischen Spielereien und fingerbrechenden Breaks unserer Band (die bezeichnenderweise dann „Slow Five“ hieß, obwohl daran gar nichts Slow war) gewachsen zu sein. Durch diese Platte habe ich viel in Bezug auf rhythmisches Keyboardspiel gelernt. Ein bleibendes Andenken an diese Zeit: bis heute höre ich links zehn Prozent schlechter als rechts, nachdem ich zwei Jahre lang im Proberaum wohl zu nah an Volkers Bassbox stand, der seinen Bass gekonnt im Mark-King-Style mit einem abgeklebten Daumen bearbeitete. Anspieltipps: „43“, „Almost there“ und natürlich „Turn it on“ – dessen Anfang frappierend an “Spinning Wheel” von Blood, Sweat & Tears erinnert.
Vangelis – Blade Runner
– Allerfeinste Synthie-Filmmusik („I’ve seen things…“) –
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Herbst 1982. Mein Lehramtsstudium dümpelte auf den letzten Metern unentschlossen vor sich hin, weil ich wusste: wenn ich erst mal das Examen machen würde, wäre ich vermutlich für immer in der Schulmühle gefangen. Weshalb ich dann wohl auch öfter im Kino als in der Uni anzutreffen war. Blade Runner im Cinema in der Düsseldorfer Altstadt war eine Art Erweckungserlebnis in Sachen Filmmusik. Bis dahin hatte ich die eher als eine selbstverständliche Hintergrundberieselung empfunden, nichts, worüber ich mir groß Gedanken gemacht hätte. Die Musik von Vangelis – in der der Yamaha CS-80 dominierte – machte mir klar, welche Kraft ein Soundtrack haben kann, wie sehr er Bilder verstärkt und Emotionen weckt und aus einem guten Film einen sehr guten machen kann. Ich kaufte mir den Soundtrack, auch andere LPs von Vangelis, dazu die damals eher raren Filmmusik-Compilations – John Williams, Ennio Morricone oder Jerry Goldsmith. Heute mit Internet kein Problem, aber damals absolute Nischenprodukte, nach denen man in den Plattenabteilungen lange suchen musste. Vangelis und sein Blade Runner-Soundtrack pflanzten mir die Idee in den Kopf: Das will ich später auch machen. Dass es am Ende dann „nur“ für ein paar Jahre in der Videospielbranche gereicht hat, wo ich einige Dutzend Games vertont habe: auch gut. Danke Vangelis für den Tipp, dass Filmmusik mehr ist als Hintergrund-Berieselung.
Steve Reich – Sextet / Six Marimbas
– Wie ein plätschernder Bach –
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Auf die Minimal Music war ich erstmals – wie so viele – durch Philip Glass‘ Koyaanisquatsi gekommen, den ich 1982 im Kino gesehen hatte (ich war, wie schon eben erwähnt, zu dieser Zeit viel im Kino). Die Musik fand ich schon beeindruckend, aber eigentlich eher als Begleitmusik zum Film, und „Minimal Music“ war mir da auch kein Begriff. Anfang der 90er Jahre – ich hatte da meinen ersten PC, einen 386er SX mit einer 20 MB Festplatte – stieß ich auf ein kleines exotisches Musikprogramm für Windows 3.1 (der Name ist mir leider entfallen), mit dem man selber ein wenig mit Minimal Music experimentieren konnte. Was mich wieder an Philip Glass erinnerte und auf Steve Reich brachte. Seine „Six Marimbas“ eröffneten mir ganz neue Klangwelten, losgelöst von den Fesseln der Klassik oder Romantik, frei von alten Formbegriffen. Die repetitiven Muster, die kaum wahrnehmbaren Verschiebungen, der melodisch-harmonische Minimalismus, der sich stetig verändernde Polyrhythmus – das hat bis heute etwas Hypnotisierendes und zutiefst Entspannendes. Wie ein munter fließender Bach. Der auch heute noch öfter mal durch mein Arbeitszimmer plätschert und mir zeigt: Manchmal ist weniger wirklich mehr.
Meinen Glückwunsch an die Redaktion und großen Dank an denjenigen, der die Idee zu dieser grandiosen Reihe hatte. Ich habe selten so viel Spaß an einer amazona Artikel Serie gehabt wie an dieser, klasse!
Ja, Frank, geht mir genau so. Dazu fasziniert es mich, wenn bei 10 Alben 2, 3 dabei sind, die mir selbst sehr gefallen und gleichzeitig welche, mit denen ich gar nichts anfangen kann. War früher anders, vielleicht haben sich einige Schubladen aufgelöst.
Hoch interessante Serie, auch wenn bislang immer sehr wenig für mich dabei war. Es gibt kaum etwas schöneres als Blicke über den eigenen musikalischen Tellerrand.
In diesem Fall gab es sogar 3!Treffer!!!
Nice!
Ich bin neugierig – welches sind die drei?
@m.steinwachs Also ganz klar DAF, Herbie und Kraftwerk.
Allerdings kann ich Level42 und Steve R. auch was abgewinnen.
LG
Bei mir sind es auch rekordmäßige 3: Level 42, Chck Corea und Herbie Hancock.
Noch nie etwas anfangen konnte ich mit ELP, Kraftwerk und Vangelis (der Soundtrack zu Bladerunner ist natürlich genial, aber nur für sich, ohne den Film, finde ich ihn langweilig).
Mir macht die Serie auch sehr viel Spaß, einfach um zu verfolgen, wie unterschiedlich der Musikgeschmack halbwegs Gleichaltriger ist. Trotzdem sind auch für mich immer ein paar Alben dabei, die ich auch gut finde.
Hier ist es definitiv die Level 42-Platte (was für ein geiles Cover!), die auch bei mir bei den Top 10 dabei wäre und im Autokassettenplayer zusammen mit der Pursuit of Accidents endlos lief.
Sergeant Pepper ist für mich eine Platte, die als Gesamtkunstwerk irgendwie außerhalb jeglicher Wertung steht.
Sehr schöne Auswahl, sind auch einige von meinen Favoriten drauf…
Als ich mir „damals“ die Chick Corea – Return to forever gekauft hatte, war ich zunächst total enttäuscht, da ich Fusion-Mucke à la Mahavishnu erwartet hatte… heute höre ich die Platte viel lieber als die späteren Return to forever-Alben.
Level 42 habe ich vor kurzem erst so wirklich entdeckt… finde die aber hauptsächlich live klasse, die Studioaufnahmen – soweit ich sie kenne – klingen mir doch etwas zu brav… so ein bisschen das Deep-Purple-Syndrom.
Ich bin ein ähnlicher Jahrgang wie der Autor und komme aber vom Schlagzeug und habe erst später recht viel mit Keyboards/Klavier live gespielt. Bei mir steht auch Sergeant Pepper als erstes Highlight, dann kamen jedoch andere mich beindruckende LPs (Santana, Yes, Magma [frz.] u.a.) . Als bemerkenswert sehe ich dann aber die Parallele in der Studentenzeit mit der Entdeckung der E-Musik von Steve Reich. Bei mir war´s „Drumming“. Ich habe dann sogar bei einem großen „Drumming“-Projekt mitgemacht, allerdings nicht sehr lange, weil ich als Rock- und Jazzdrummer echte Schwierigkeiten hatte, beim Trommeln nicht zu grooven, was für das Stück zwingend notwendig ist. Dennoch habe ich parallel zu meiner anderen Musik auch bei vielen E-Musikprojekten mitgemacht (und mache es immer noch), nicht zuletzt, weil man da deutlich besser verdient und auch eine bessere GEMA-Ausschüttung bekommt. Danke Steve!!
Bin ebenfalls Bj. 1960; Chick Corea, Billy Cobham & Keith Jarret waren mein Zugang zum Jazz. All-time-favorites wären auch Herbie Hancock, Miroslav Vitous, John McLaughlin, Trilok Gurtu & Klaus Doldinger’s Passport…
@Son of MooG Ja, Klaus Doldingers Passport hatte ich auch in der engeren Wahl. Besonders früher oft und gerne gehört (auch live), aber auch heute krame ich die CDs gerne immer mal wieder raus. Eine davon (Ataraxia) sogar mit persönlicher Widmung signiert. Und auch gibts natürlich eine Geschichte dahinter: Klaus Doldinger war lange Jahre der Schirmherr der Düsseldorfer Jazz Rally, deren Pressesprecher wiederum mein Schwager war/ist. Jedes Jahr wurde das übliche Pressefoto mit Musikern, Schirmherr und OB der Stadt auf dem Burgplatz gestellt, und jedes Jahr hatte Klaus Doldinger kein Saxofon für das Foto dabei. Weshalb mein Schwager zuverlässig eine Stunde vor dem Termin mit dem Satz „Ich brauche dringend Euer Saxofon für Klaus“ bei uns auftauchte. So ist das Altsax meiner Frau jahrelang auf den offiziellen Fotos mit Klaus Doldinger zu sehen – und er gab dann irgendwann meinem Schwager besagte CD für mich mit, aus Dank für das ewigen Saxofon-Ausleihen :-)
@m.steinwachs In irgendwelchen Blasinstrument- Foren wird dann bestimmt darüber spekuliert warum Doldinger ausgerechnet in Düsseldorf nie sein sonst übliches Saxofon verwendet hat.
Wir kennen jetzt die Wahrheit ;-)
Großartig! Danke!
Lachen musste ich über das Erlebnis Deines Schwiegervaters. So klein ist die Welt!
Mit Vangelis ging es mir – wie bestimmt vielen hier – ähnlich. Ich hatte mir Jahrelang den Kopf zerbrochen, wieso der so komplett anders klang als ich mit meiner MS-10/MS-20-Combo ;-) Bis ich dann irgendwann herausfand, dass es, abgesehen vom Matterhorn-Hall, an Polypressure und Touchstrip seines CS-80 lag. Seither habe ich gefühlt zwei Dutzend Keyboards mit Poly-Aftertouch ausprobiert, aber Vangelis ist immer noch mein Charlton Heston der Musik und unerreicht. Schade, dass er so durchgeknallte Interviews gibt.
Hast Dich übrigens gut gehalten, wenn das Bild kein Photoshop-Fake ist!
@Tyrell: fantastische Serie!
Schöne und facettenreiche Auswahl, und schön geschrieben!
@OscSync Vielen Dank :-)
Klasse Auswahl, danke für die Story! Mit Ausnahme von der Beatles (die habe ich, obwohl grad mal zwei Jahre jünger als Du, aus irgendwelchen Gründen nie verstanden oder gar gemocht… und nein, die Stones auch nicht) ist mir die gesamte Palette nah wie selten eine. Auch die Sache mit der cineastischen Alternative zum sauber getakteten (Lehramt-) Studienabschluss kommt mir sehr bekannt vor… ;)
Sehr schöne Liste – da lacht mein Herz !
Haha, mit dem schwarzen Bomber von NSU durch Holland fahren , und dann noch einen Vorrat an Batterien mitschleppen, das nennt man wohl Prioritäten setzen …
Krass. Ich habe DAF damals in Berlin im Metropol gesehen und war völlig fasziniert von ihrem riesigen Mehrfach-Tapedeck. Jeder Song hatte seine eigene Cassette und als sie dann den Mussolini als Zugabe noch einmal spielen sollten musste erst die Cassette zurück gespult werden. Das dauerte dann etwas.
War aber sehr geil.
Wow, ein Briefwechsel mit Chick Corea, ich bin tief beeindruckt!
Was mich die ganze Reihe über, bei der ich ja auch teilgenommen habe, verfolgt:
Wir sehen alle inzwischen besser, gesunder und geerdeter aus.
Das gibt doch Hoffnung auf die letzten Dekaden.