FM-Synthese in allen Varianten
Hier ein Überblick zu allen Teilen unserer Serie über Klangsynthese:
- Teil 1: Synthesen im Überblick
- Teil 2: Subtraktive Synthese
- Teil 3: Additive Synthese
- Teil 4: FM-Synthese und Phasen-Frequenzmodulation
- Teil 5: Was ist ein Vocoder
- Teil 6: Was ist Granularsynthese?
- Teil 7: Was ist eine Talkbox
Synthesizer Wissen Teil 4:
Was ist FM-Synthese?
Nicht weniger als sechs verschiedene Arten der FM sind im Laufe der Zeit entwickelt worden und kommen in den verschiedensten Synthesizern zum Einsatz, von analogen Modularsystemen der 60er über die FM-Synthese der Yamaha DX-Serie bis zu digitalen Software-Synths von heute.
Sie unterscheiden sich beträchtlich, und bei vielen Synthesizern wird dieses Feature etwas stiefmütterlich behandelt und ist schlecht dokumentiert. Dieser Artikel beschreibt alle Varianten dieser ebenso vielgestaltigen wie schwer beherrschbaren Form der Klangerzeugung, nicht nur die FM-Synthese à la Yamaha DX7, die zwar als „die“ FM schlechthin angesehen wird, aber streng genommen gar keine ist, und gibt Antworten auf folgende Fragen:
- Warum klingt FM bei analogen/virtuell-analogen Synths nicht wie bei einem DX7?
- Warum klingt FM bei Analogsynth X ganz anders als bei Analogsynth Y?
- Wie funktionieren die verschiedenen FM-Varianten?
- Wie findet man heraus, welche Variante in einem Synth eingebaut ist?
- Wie kann man die verschiedenen Varianten sinnvoll für das Sounddesign einsetzen?
FM-Synthese ist bekannt für metallische, glockige Sounds. Berühmt geworden ist das „DX7-Rhodes“, das das Fender Rhodes E-Piano sehr gut in allen Schattierungen imitiert.
Solche Klänge können unharmonische Obertöne beinhalten, also solche, die nicht in einem ganzzahligen Verhältnis zum Grundton stehen und mehr oder weniger dissonant sind. Man kann sie durch Verstimmen mehrerer Oszis gegeneinander erzeugen, was wenig effektiv ist, oder eben mit FM, die das mit nur zwei Oszis sozusagen spielend erledigt. Aber je nach Synth gibt es ganz unterschiedliche Resultate. Manchmal sind fast keine dissonanzfreien Klänge möglich, manchmal klingt es zwar metallisch, aber nicht dissonant. Das hängt weniger von der verwendeten Technik ab als vielmehr von der Art und Weise, wie die Modulation durchgeführt wird.
Eines haben alle Methoden der FM gemeinsam:
Bei FM moduliert ein Oszillator (Modulator) die Frequenz eines anderen Oszis (Carrier), was natürlich auch mit mehreren in unterschiedlichen Verschaltungen (Algorithmen) möglich ist.
Dabei entstehen neue Frequenzen bzw. Obertöne. Die Berechnung dieser sogenannten Seitenbänder ist ohne solides Mathe-Leistungskurswissen kaum nachzuvollziehen, und da das für musikalische Zwecke auch nicht erforderlich ist, werde ich hier nur das für das Verständnis Notwendige erwähnen und eher die praktische Seite beleuchten.
Bei der Nomenklatur gibt es munteren Wildwuchs. Deshalb erstmal eine Begriffsklärung, die hier verwendeten Kürzel in Klammern:
Lineare FM (linFM)
Bei vielen Synthesizern findet man lineare FM, dabei wird mit Audiofrequenzen die Tonhöhe in Hertz moduliert. Die niederfrequenten Modulationen durch Keyboard, LFO usw. erfolgen aber wie üblich logarithmisch in Oktaven. Es gibt drei verschiedene Unterarten der linFM.
Logarithmische bzw. exponentielle FM, Pitch-Modulation (logFM)
Bei einigen Synths wird die FM mit Audiofrequenzen auf dieselbe Weise wie die niederfrequenten Modulationen logarithmisch in Oktaven betrieben. Bei logFM gibt es zwei Unterarten.
Yamaha FM-Synthese, Phasenmodulation (phsFM)
FM à la Yamaha ist eigentlich keine Frequenz-, sondern genauer gesagt Phasenmodulation. Dabei handelt es sich um eine Variante der FM, die unter bestimmten Bedingungen die gleichen Ergebnisse hervorbringt wie lineare FM.
Synchronisierte FM (sncFM)
Dabei wird FM mit Oszillatorsynchronisation kombiniert. Der modulierte Oszi wird gleichzeitig vom modulierenden gesynct, das eliminiert die unharmonischen Obertöne, die bei FM reichlichst entstehen können.
Komplexe FM
Hier werden mehr als zwei Oszillatoren verwendet, die Verschaltung kann dabei seriell (ein Oszi moduliert den nächsten) oder parallel sein (mehrere modulieren einen, einer moduliert mehrere). Das geht auch gemischt, je nach Anzahl der verfügbaren Oszis und Modulationsrouten sind mehr oder weniger Algorithmen möglich. Beim DX7 z.B. sind 32 verschiedene fest vorgegeben.
Crossmodulation
Manchmal findet man den Begriff „Crossmodulation“, der auch für FM benutzt wird, wahrscheinlich um die FM mit Audiofrequenzen von der niederfrequenten FM durch LFOs, Hüllkurven etc. zu unterscheiden. Eigentlich ist das aber ein Algorithmus, bei dem sich zwei Oszillatoren gegenseitig in der Frequenz modulieren, mit sehr chaotischen Resultaten. Fest eingebaut findet man sie in keinem Synth, meist handelt es sich dann um lineare FM.
Auch weitere phantasiereiche Bezeichnungen sind zu finden, beim Prophet 5 läuft die FM unter „Poly Mod“.
Analog-FM
Damit ist die lineare oder logarithmische FM gemeint in Abgrenzung zur Phasenmodulation.
Ring- und Amplitudenmodulation (RM und AM)
Ringmodulation gehört zu den Amplitudenmodulationsverfahren wie auch die AM selbst. Da sie ähnliche Klänge erzeugen können wie FM, werde ich sie hier kurz mit besprechen.
Zum Mitmachen habe ich ein NI-Reaktor-Instrument zurechtgebastelt mit allen grundlegenden FM-Varianten, den FMulator. Ansonsten gibt es zahlreiche Freeware-Synths, die die eine oder andere FM-Variante implementiert haben.
Ein paar Grundlagen und Probleme zur FM-Synthese
Der Zusammenhang zwischen Frequenz und Tonhöhe ist ein logarithmischer, pro Oktave verdoppelt sich die Frequenz. Darauf basieren praktisch alle Tonleitern der Welt, egal ob europäisch, arabisch oder balinesisch.
Die Töne zwischen den Oktavabständen werden in der westlichen Welt bekanntlich in 12 Halbtonschritte unterteilt, meistens wird dazu die sogenannte gleichstufige Stimmung benutzt. Dabei ist die das Frequenzverhältnis von einem Halbton zum nächsten gerundet 1:1,06.
Genauer ist: Eins zu zwölfte Wurzel aus Zwei.
Diese Wurzel ist auch die Wurzel einiger Probleme, auf die man bei der FM stößt. Die gerundete 1,06 ist nämlich eine irrationale Zahl, d.h. sie hört hinter dem Komma nicht auf, sondern setzt sich endlos fort: 1,0594630943592952645618252949463 …
Man kann ihren exakten Wert also nicht bestimmen. Den bräuchte man aber für saubere FM, vor allem sind die Resultate sehr abhängig von der genauen Stimmung der Oszillatoren.
In der Digitaltechnik muss man mit Rundungsfehlern leben, da die endlose Reihe der Nachkommastellen von den Prozessoren irgendwo abgeschnitten werden muss.
In der Analogtechnik hat man das Problem, dass die Oszis eigentlich linear sind (Hz/Volt) und die Tonhöhensteuerung durch einen Logarithmierer laufen muss, der sehr empfindlich auf Schwankungen von Temperatur, Versorgungsspannung usw. reagiert und dessen Istwert vom Sollwert mehr oder weniger abweicht.
Die gleichstufige Stimmung führt noch zu einem anderen Stolperstein: Die Intervalle sind nicht schwebungsfrei, wenn man bei FM einfach einen Oszi z.B. fünf Halbtöne höher stellt, ist das harmonische Verhältnis nicht exakt und man muss mit Fine Tune nachjustieren. Oft erweisen sich digitale Regler als zu grob gerastert, analoge muss man mit Fingerspitzen betätigen.
Deshalb sind bei phsFM-Synths wie dem DX7 die Oszis in reinen Obertonintervallen schaltbar.
Auch die Amplituden der Oszillatorsignale spielen eine Rolle, da ihre Werte Frequenzen steuern. Sind sie chromatisch nicht gleichmäßig, erhält man unsaubere Resultate, und für bestimmte Zwecke muss man sie mit den irrationalen 1,06 verrechnen, was zu Rundungsfehlern führt.
Die verwendeten Kurvenformen haben ebenfalls einen starken Einfluss auf das Ergebnis, und digital wie analog weichen sie von mathematisch exakten ab und ändern sich mit der Tonhöhe.
Bei manchen Synths wird für FM eine einzige Kurvenform abgezweigt, z.B. Rechteck, bei anderen ist es die gewählte. Das ist sowohl meistens nicht eindeutig deklariert als auch für filigranes FM-Geschraube eigentlich zu einschränkend.
Und bei Rechteck kommt nun noch ein Problem hinzu: Bei Pulsbreitenmodulation wird es asymmetrisch, und es entstehen Gleichstromanteile, die sich störend auswirken können und dann ausgefiltert werden müssen, was bei analogen Synths wieder neue Probleme macht, manchmal sogar bei virtuell-analogen. Sie werden analog wie digital oft mit einem Hochpassfilter eliminiert, das aber träge reagiert. Amplitudenverschiebungen des Modulatorsignals bei Tastenanschlag und/oder Kurvenformmodulation und damit einhergehende Seitenband-Verstimmungen beim Carrier sind die Folge. In anderen Fällen ist es besser, den Gleichstrom im Signal zu behalten, was aber nicht immer geschieht.
Je nach FM-Variante machen sich mehr oder weniger Störfaktoren bemerkbar. Die phsFM von Yamaha umgeht die Probleme auf sehr elegante Weise, vereint fast alle Vorteile der anderen Varianten und ist sowohl einfach berechenbar als auch sehr vielfältig und problemlos bei der Klanggestaltung, dafür hat sie einen kleinen Schönheitsfehler. Aber zunächst zu den Anfängen der FM.
Die Echte: Lineare FM (linFM)
Die ersten FM-Oszillatoren dürften wohl sogenannte Wobbelgeneratoren gewesen sein, bei denen sich die Frequenz linear mit einer Spannung oder einem anderen Oszillatorsignal steuern ließ. Aus solchen Laborgeräten entstanden in den 60ern die ersten in Hertz skalierten und mit einem vorgeschalteten Logarithmierer für musikalische Tonhöhensteuerung in Halbtönen ausgestatteten Synthesizer-Oszillatoren. Sie haben also zwei verschiedene FM-Eingänge, einen linearen und einen logarithmischen. Das ist bei analogen Schaltungen auch heute noch so, und z.B. das Oszillatormodul A-111 von Doepfer verfügt über beide Eingänge.
Das linFM-Feature war deshalb von Anfang an vorhanden. Bei einigen modularen Synthesizern der 60er und 70er war linFM möglich und wurde auch in spätere analoge polyphone Synths eingebaut. Heute findet man sie in digitalen von Access, Waldorf, Clavia usw. und in vielen Software-Synths, sie ist die am häufigsten verwendete FM-Variante. Aufgrund eines prinzipiellen Problems gibt es aber verschiedene Unterarten.
Dazu ein wenig Mathe. Ich vereinfache hier mal aus Gründen der Anschaulichkeit sehr stark, die Götter der Zahlen mögen mir verzeihen. Für mein Rechenbeispiel bei allen Varianten gilt: Frequenzdifferenzen bei Modulator und Carrier sowie die Phasenverschiebungen usw. werden nicht berücksichtigt, der Modulator hat als Kurvenform ein ideales 50:50-Rechteck, der Carrier einen Sinus.
Ein Oszillatorsignal ist bipolar, schwingt also zwischen einem positiven und einem negativen Wert.
Wählt man die Modulationsintensität so, dass sich +-200 Hz ergeben, erhält man eine obere und eine untere Frequenz:
440 Hz +/- 200 Hz = 640 und 240 Hz
Das Problem der linFM ist die Modulationsintensität. Wenn man stärker moduliert, wird die untere Frequenz negativ:
440 Hz +/- 600 Hz = 1040 und -160 Hz
Da es in der Praxis keine negativen Frequenzen gibt, muss die Modulation also bei 0 entweder begrenzt (klangtechnisch nicht sehr sinnvoll) oder nach oben „reflektiert“ werden, wobei es zur Invertierung der Carrier-Kurvenform kommt (genauer gesagt, eine Umkehrung, sie wird an der Vertikalachse gespiegelt).
Um halbwegs obertonreiche Wellen zu erzeugen, ist das zwingend notwendig.
440 Hz +/- 600Hz = 1040 und reflektierte 160 Hz mit Invertierung
Das nenne ich mal +/-linFM:
Dass die eigentlich negativen Frequenzen in den positiven Bereich reflektiert werden, kann man hören, wenn der Modulator mit wenigen Hz schwingt und man die Modulationsintensität von Null aus langsam erhöht. Die untere Spitze des modulierenden Dreiecks wird ab einer bestimmten Modulationstiefe nach oben geklappt:
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Bei manchen Synths wird das Modulatorsignal aber stattdessen in den positiven Bereich verschoben, es schwingt zwischen Null und einem positiven Wert. Das bezeichne ich dann als +linFM:
Die Modulation wird dann nur nach oben durchgeführt. Das hat Vor- und Nachteile, führt vor allem aber zu völlig anderen Klängen als +/-linFM mit Reflektion, da nur in eine Richtung Seitenbänder erzeugt werden (das ist jetzt auch wieder vereinfacht):
Ich vermute mal den Grund für diese Maßnahme darin, dass die Reflektion nicht mit jeder analogen Oszillatorschaltung ohne weiteres möglich ist. Ein anderer könnte sein, dass es eine einfache Methode ist, ohne zusätzlichen Aufwand schräge Effekt-Sounds und Ringmodulator-ähnliche Klänge zu erzeugen. Mit +/-linFM geht das nicht so gut, und ein Satz Ringmodulatoren bei einem analogen Polysynth hätte ordentlich zu Buche geschlagen. +linFM ist aber auch in vielen virtuell-analogen neueren Datums zu finden, obwohl man sie zu Recht als widerspenstigste Variante bezeichnen kann.
Es gibt also mehrere Unterarten der linFM, zum einen +/-linFM mit in den positiven Bereich reflektierten Frequenzen und zum anderen +linFM mit nur positiv modulierten Frequenzen, jeweils mit ganz unterschiedlichen klanglichen Eigenheiten. Bei analogen wie virtuell-analogen Synths wird mal eine, mal die andere Variante verwendet. Die Variante mit an der Nullinie begrenzter FM kommt meines Wissens nach nie zum Einsatz, da sie klanglich unergiebig ist, aber es gibt eine noch dritte, die ein Problem der +/-linFM kompensiert, die log+/-linFM. Dazu weiter unten.
Variante Eins: +linFM
Experimentiert man mit +linFM herum, stellt man schnell fest, dass sie meist sehr unharmonische Klänge hervorbringt. Mit Mühe kann man auf einer bestimmten Tonhöhe halbwegs Schwebungsfreiheit einstellen, aber einen Halbton daneben gibt es schon wieder heftige Dissonanzen. Das liegt an der nicht musikalisch skalierten Modulation:
440 Hz + 0 Hz und + 440 Hz = 440Hz und 880Hz
Man erhält die ursprüngliche Tonhöhe und plus eine Oktave. Das ist harmonisch und schwebungsfrei. Spielt man nun einen Halbton höher, wird immer noch mit plus 440 Hz moduliert, aber die Frequenzen von Modulator und Carrier sind um den Faktor 1,06 höher:
466,16 + 0 Hz und + 440 Hz = 466,16 Hz und 906,16 Hz
Die durch die FM erzeugten 906,4 Hz landen irgendwo zwischen den Halbtönen, stehen nicht mehr in harmonischem Verhältnis zum den 466,4 Hz und erzeugen Dissonanzen.
Dazu kommt noch etwas: Eigentlich müsste man den Grundton während der negativen Hälfte des modulierenden Rechtecks (die ja in diesem Fall den Wert 0 hat, also nicht moduliert) sauber durchhören, aber stattdessen scheint auch da die Frequenz zu variieren. Das liegt daran, dass die zwei Frequenzen ja von einem Oszillator hervorgebracht werden, der schnell zwischen beiden wechseln muss. Je nach Frequenz des oberen Seitenbandes ergeben sich Phasenverschiebungen bei dem unteren. Phasenverschiebung ist nun auch eine Art der Frequenzmodulation, und so entsteht eine quasi-Frequenzverschiebung während der negativen Rechteckeckhälfte, die weitere Dissonanzen verursacht. Dazu kommt die Beeinflussung der Phasen durch die Modulatorfrequenz. Das macht die Berechnung viel komplizierter als ich sie dargestellt habe. Hier ein Soundbeispiel, bei dem die Modulationsintensität verändert und das obere Seitenband ausgeblendet wird, man hört also nur das eigentlich unmodulierte mit den Phasenverschiebungen. Die Wellenlänge ist konstant:
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Ein arges Problem der +linFM ist dann also auch die Modulation der Modulationsintensität (bei analogen Synths geschieht sie meistens eingangseitig beim Carrier, bei ausgewiesenen FM-Synths ausgangsseitig beim Modulator): Wenn man das Modulatorsignal mit einer Hüllkurve amplitudenmoduliert, um wie bei phsFM den Obertongehalt zu beeinflussen, erzeugt man nur totalen Wellensalat, aber nicht eine Änderung der Klangfarbe.
Mit harmonischen Klängen hat das nun gar nichts mehr zu tun und hört sich eher nach Kurzwellenstörungen an. Als Effekt sehr brauchbar, aber im konventionellen Sinne musikalisch ist es nicht.
Um spielbare Klänge herzustellen, verwendet man am besten obertonarme Kurvenformen wie Sinus oder Dreieck bei Carrier und Modulator und dosiert die Modulation sorgfältig. Dann kann man sehr schön metallische Sounds erzeugen, die bei jedem Halbton anders klingen. Für elektronische Percussion ist das gut geeignet. Glocken, Gongs und ähnliches sowie mit etwas zugemischtem Rauschen im Modulatorsignal auch Beckenklänge lassen sich so imitieren. Eine Modulation der Modulationsintensität führt man am Besten mit einer sehr kurzen Hüllkurve durch, um Anschlaggeräusche zu erhalten.
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Die Gesamtstimmung ist hier mehr oder weniger Geschmackssache, da man praktisch immer einen dissonanten Klang erhält. Stimmt man den Modulator wesentlich höher als den Carrier, erhält man psychoakustisch gesehen sauberere Ergebnisse, da schnelle Schwebungen zu Obertönen werden.
Natürlich sind auch die anderen Resultate der +linFM brauchbar, für Experimentelles und Scifi-Effekte sind sie eine wahre Goldgrube, was wohl auch der Grund ist, warum sie in vielen Synths implementiert ist. Und einen kleinen Vorteil bietet sie bei sncFM, siehe entsprechendes Kapitel.
Komplexe +linFM:
Ob bei seriellen oder parallelen Algorithmen, das Chaos wird noch chaotischer. Für Effektsounds einfach klasse!
Erkennungsmerkmal der +linFM:
Bei jedem Halbton andere Dissonanzen.
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Variante Zwei: +/-linFM
Die +/-linFM klingt völlig anders. Eigentlich würde man hier noch wildere Frequenzgemische vermuten, da ja nach unten und oben moduliert wird, aber das Gegenteil ist der Fall. Es hört sich sehr nach phsFM an wie bei einem DX7.
Wie schon beschrieben, wird die Frequenz des Carriers nach unten und oben moduliert, und an der Nullgrenze werden die eigentlich negativen unteren Seitenbänder nach oben reflektiert, wobei es dann zur Phasenumkehr kommt:
440 Hz +/- 600Hz = 1040 und reflektierte 160 Hz mit Invertierung der Kurvenform
Die Klänge sind hier schwebungs- und dissonanzfrei bei allen Tonhöhen und Modulationsintensitäten, wenn Modulator und Carrier in (reinen) einfachen Intervallen gestimmt sind. Genaugenommen hat man immer noch Dissonanzen, aber da sie sich als stehende Wellen innerhalb eines Schwingungsdurchlaufs befinden, nimmt man sie als Klangfarbe mit metallischem Charakter wahr.
Für das Sounddesign ist +/-linFM eine echte Bereicherung, man kann sehr komplexe und mit analogen Synths sehr „digitale“ Wellen erzeugen, man findet sie auch in vielen virtuell-analogen.
Voraussetzung für die Schwebungsfreiheit ist allerdings eine exakt symmetrische Modulator-Kurvenform, bei asymmetrischen wie moduliertem Rechteck funktioniert das nur mit Gleichstromfilterung. Deshalb ist komplexe +/-linFM nur eingeschränkt möglich, da bei seriellen Algorithmen Gleichstromanteile entstehen, die durch Hochpassfilterung nur zeitverzögert ausgefiltert werden können. Theoretisch kann man sie auch anders herausrechnen, aber der Aufwand dürfte unverhältnismäßig hoch sein.
Bei einfacher +/-linFM sind im Gegensatz zur +linFM aber alle Kurvenformen bei Modulator und Carrier problemlos einsetzbar. Die Tonhöhe bleibt konstant.
Ist der Modulator höher gestimmt als der Carrier, erhält man reichlich hohe Obertöne, andersherum komplexe Wellen, die in den tiefen Oktaven gut zur Geltung kommen.
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Die Glockenklänge mit unharmonischen Obertönen kann man damit allerdings nur erzeugen, wenn man das Intervall von Carrier und Modulator auf einen dissonanten Wert stellt, und es ist nicht so vielschichtig wie bei +linFM. Man kann natürlich mehr als zwei Oszillatoren verwenden, aber das gilt so für den einfachen Modulator-Carrier-Algorithmus.
Diese Variante der FM kommt der phsFM sehr nahe und ist auch so in vielen Synths implementiert, vor allem in solchen jüngeren Datums.
Die Modulation der Modulationsintensität führt tatsächlich nur zu einer Klangveränderung und nicht zu chaotischen Dissonanzen, so dass man die Obertöne gut dosieren kann. Die Klangfarbe ändert sich jedoch mit der gespielten Tonhöhe, da ja in Hz und nicht in Oktaven moduliert wird. Der Klang wird also in den oberen Lagen immer dumpfer. Das ist bei natürlichen Instrumenten auch so und kommt dem Hörempfinden entgegen, aber der Unterschied zwischen tiefen und hohen Tönen ist sehr groß. Das ist einer der Unterschiede zur phsFM. Ein anderer macht sich bei nicht-Sinus-Kurvenformen bemerkbar, dazu mehr im Kapitel zur phsFM.
Wenn man die Möglichkeit hat, kann man natürlich die Modulationsintensität mit einem Key Scaling versehen und den abnehmenden Obertongehalt etwas kompensieren.
Komplexe +/-linFM:
Bei parallelen Algorithmen funktioniert es ähnlich wie bei phsFM, siehe dort.
Bei seriellen aber entstehen unerwünschte Seitenandverschiebungen, wenn der Gleichstrom nicht ausgefiltert wird, da die Modulator-Kurvenformen nicht mehr symmetrisch sind.
Erkennungsmerkmal der +/-linFM:
Der Klang ist nicht dissonant bei einfachen Intervallen und die Modulationsintensität beeinflusst nur den Obertongehalt, der aber mit der Tonhöhe abnimmt.
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Variante Drei: log+/-linFM
Man kann bei jedem Halbtonschritt die Modulationsintensität mit 1,06 multiplizieren, um eine chromatisch konstante Wellenform und damit Klangfarbe zu erhalten. Es wird dann immer noch linear moduliert, die Seitenbänder sind also in Hz immer noch quasi-symmetrisch zur Carrier-Frequenz, entfernen sich aber mit zunehmender Tonhöhe von ihr, so dass das Frequenzverhältnis von Note und Seitenbändern gleich bleibt.
Das nenne ich mal logarithmierte +/-linFM. Sie entspricht weitgehend der phsFM wie bei einem DX7, ist aber mit dem Problem der digitalen Rundungsfehler bzw. analogen Störungsanfälligkeit behaftet. Diese Ungenauigkeiten machen sich in Form von Schwebungen bemerkbar.
Abgesehen davon verhält sie sich wie +/-linFM und ist die am weitesten entwickelte Form der „analog“-FM.
Hier ein Soundbeispiel aus dem Access Virus B, diesmal mit Sinus bei Modulator und Carrier, da das Rechteck zu „analog“ ist und schwebungsfreie Sounds damit nicht herzustellen sind. Mit Sinus geht es auch nur fast, bei der letzten Note hört man es.
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Der Virus B beherrscht übrigens auch +logFM im Modus „posTri“, der allerdings nicht Dreieck (Triangle), sondern Sägezahn verwendet.
Komplexe log+/-linFM: Wie bei +/-linFM.
Erkennungsmerkmal der log+/-linFM:
Der Klang ist bei einfachen Intervallen nicht dissonant, und die Modulationsintensität beeinflusst nur den Obertongehalt, der auch unabhängig von der Tonhöhe ist.
Um sie von phsFM zu unterscheiden, stellt man den Modulator mit Dreieck auf LFO-Frequenzen. Hört man eine dreieckigförmige Tonhöhenmodulation, ist es log+/-linFM, hört man dagegen eine Rechteckmodulation, handelt es sich um phsFM (Erklärung siehe Kapitel Phasenmodulation).
Die nächste denkbare Variante wäre log+linFM, die aber schon eine rein logarithmische und deshalb +logFM ist.
Die Wahre: Logarithmische FM (logFM)
Bei logFM wird das Modulationssignal so logarithmiert, so dass in Oktaven statt Hertz moduliert wird. In modularen Systemen mischt man den Modulator einfach mit in den Tonhöhen-Steuerungseingang des Carriers, der mit einer Logarithmierschaltung versehen ist.
Die Ausgänge des Modulators sollte bei dieser Variante nicht gleichstromgefiltert sein, das kann bei asymmetrischen Kurvenformen zu Amplitudenverschiebungen und damit zu Verstimmungen und Dissonanzen beim Carrier führen.
Diese Methode hat folgende Vorteile:
Erstens ist das erzeugte Spektrum der Seitenbänder nicht mehr von der Tonhöhe abhängig, da immer ein bestimmtes Tonhöhen- und nicht Frequenzverhältnis eingestellt wird, die Modulationsintensität wird durch die Logarithmierung automatisch mit der Tonhöhe erhöht. Der Klang bleibt also konstant.
Zweitens kann die minimale Frequenz nicht mehr kleiner als Null werden. Egal, wieweit man nach unten moduliert, die Frequenz wird immer nur halbiert pro Modulationsintensitäts-Oktave. Dadurch erhält man auch Seitenbänder, die deutlich unter der eigentlichen Carriertonhöhe liegen. Aber auch logFM kann man + oder +/- betreiben wie die linFM, es gibt also zwei Varianten.
Variante Vier: +logFM
Hier werden wie bei +linFM nur in eine Richtung Seitenbänder erzeugt:
440 Hz + 0 Hz und + 440 Hz = 440Hz und 880Hz, Originaltonhöhe und + 1 Oktave.
Die Ergebnisse von +logFM und +/-logFM sind ähnlich. Hier ist es aber viel einfacher, Schwebungsfreiheit herzustellen, einfache Intervalle muss man weniger nachtunen. Bei dissonanten Wellen erhält eine etwas einfachere Obertonstruktur als bei +/-logFM, ohne die Seitenbänder, die tiefer als der Grundton des Carriers liegen. Dafür sind alle Kurvenformen bei Carrier und Modulator verwendbar und sorgen für eine Vielfalt anderer Art.
Insgesamt liegt die +logFM klanglich irgendwo zwischen Ringmodulation und phsFM, hört sich recht sauber an und ist sowohl für Effekt- als auch für spielbare Sounds gut geeignet. Sie ist sozusagen logFM „light“ und einfacher in der Handhabung als die +/-logFM.
Man findet sie z.B. beim Prophet 5, bei modularen Synths ist sie einfach zu verwirklichen, indem man eine Gleichspannung zum Modulator-Signal addiert.
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Variante Fünf: +/-logFM
Hier wird bipolar moduliert, dass sich eine Tonhöhenmodulation in plus/minus x Halbtönen ergibt, in Hz wird also asymmetrisch moduliert. Beispiel:
440Hz +440Hz und -220Hz = 880Hz und 220Hz, plus und minus eine Oktave
Durch die asymmetrische Modulation in Hertz und nicht stattfindende Kurvenform-Invertierung ergeben sich aber nun im Gegensatz zur +/-linFM wilde Phasenschiebereien, die schwebungsfreien Wellen liegen teilweise sehr weit neben den einfachen Intervallen.
Hier gilt wieder: Obertonarme Kurvenformen sind als Ausgangsmaterial vorzuziehen, zumindestens beim Carrier.
Die +/-logFM ist bei akkurater Feinstimmung eine sehr ergiebige Quelle für metallische, glockige und sphärische Klänge sowie komplexe Wellen, die sich trotz der Dissonanzen sehr homogen anhören und viel natürlicher klingen als bei den anderen FM-Varianten. Für gezieltes Arbeiten mit unharmonischen Obertönen ist +/-logFM die am besten geeignete Methode.
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Für beide Varianten gilt:
Wenn man erstmal eine schwebungsfreie Modulationsintensität gefunden hat, bleibt sie über weite Bereiche der Tastatur erhalten. Hier macht sich aber wieder die Unberechenbarkeit der irrationalen Wurzel bei digitalen Synths bemerkbar, bei analogen sind es die unvermeidlichen Stimmungsschwankungen, und multipliziert wird das Ganze durch sonstige Faktoren wie variierende Kurvenform usw., sogar die Sample-Rate kann bei digitalen dazwischenfunken. Insbesondere Sägezahn ist etwas problematisch wegen der zahlreichen hochfrequenten Seitenbänder und der analog wie digital fast nie gegebenen Kurvenformkonstanz.
Die Störungsgrößen vervielfachen sich also mit der gespielten Tonhöhe und führen in den oberen Oktaven fast immer zu Schwebungen bzw. Dissonanzen.
Aufgrund der Phasenverschiebungen muss man auch die Gesamtstimmung beachten und ggf. nachjustieren, und zwar am besten beim Carrier. Dann ist Schwebungsfreiheit gleichbedeutend mit korrekter Stimmung. In disharmonischen Modulationsbereichen ist es mehr oder weniger eine Geschmacksfrage, wie man stimmt, da gilt es, eine „harmonische Dissonanz“ zu finden.
Stimmt man den Modulator höher als den Carrier, erhält man metallische, andersherum komplexe Wellen, die gut in den tiefen Oktaven zur Geltung kommen.
Bei Modulationsintensitäten, die harmonisch einfache Tonhöhenverhältnisse ergeben, erhält man auch harmonische Klänge, meistens muss man allerdings mehr oder weniger feintunen. Der dissonante Bereich zwischen diesen „Sweet Spots“ enthält sehr gut klingende metallische Sounds.
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Die Modulation der Modulationsintensität erzeugt aber Frequenzverschiebungen bei den Seitenbändern mit Dissonanzen und nicht nur Klangveränderungen. Man könnte man eine Ähnlichkeit von logFM und phsFM vermuten, die aber durch Phasensprünge/-verschiebungen zunichte gemacht wird. Das ist jedoch zugleich die Stärke von logFM, die erzeugten Spektren lassen sich mit phsFM so nicht herstellen, und Änderungen der Modulationsintensität hören sich durchaus interessant an und sind gut einsetzbar beim Sounddesign.
Auf den frühen Alben von Klaus Schulze hört man viele logFM-Sounds, die sich anhören wie ein „Weltraum-Staubsauger“ und exzellente Glöckchen. Ich habe lange gerätselt, wie der Altmeister der Klangteppichverleger diese Klänge hinbekommen hat: im Prinzip mit serieller logFM, also mehreren Oszillatoren hintereinander, bei denen einer den nächsten frequenzmoduliert und der letzte in der Kette den Sound liefert.
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Komplexe logFM:
Parallele und serielle Algorithmen erzeugen sehr komplexe Frequenzgemische, die aber stimmungsmäßig schnell entgleisen.
Erkennungsmerkmal der logFM:
Der Klang kann dissonant sein, bleibt aber über den ganzen Tonhöhenbereich gleich, ideale Kurvenformen vorausgesetzt. Nur Schwebungen verdoppeln sich pro Oktave wie ohne FM auch üblich.
Der Unterschied zwischen +/- und +logFM ist etwas schwer herauszuhören, nur ein Blick auf Wellenformdarstellung bzw. Oszilloskop schafft Klarheit. Mit Rechteck als Modulator bleibt die untere Frequenz bei +logFM gleich der des Grundtons, bei +/-logFM sinkt sie.
Die Richtige: Yamaha FM-Synthese bzw. Phasenmodulation (phsFM)
Versucht man einen FM-Synthesizer zu konstruieren, steht man vor kniffligen Problemen. Ziel ist es, folgende Bedingungen erfüllen:
- Der durch die FM erzeugte Klang soll über den ganzen Tonhöhenbereich gleich bleiben.
- Eine Änderung der Modulationsintensität soll nur den Obertongehalt beeinflussen und keine Dissonanzen verursachen.
- Es soll keine Phasenverschiebungen geben, die Dissonanzen und Verstimmungen verursachen.
- Die Modulator-Kurvenform soll auch bei Asymmetrie keine Dissonanzen verursachen, damit komplexe FM möglich ist.
- Das Ganze soll einfach berechenbar sein und keine Rundungsfehler beinhalten.
Die Phasenverschiebungen der meisten Varianten sind praktisch nicht in den Griff zu kriegen. Am geeignetsten wäre log+/-linFM, die aber Bedingung 4. und 5. sowie 3. bei komplexer FM nicht erfüllt. Die nötige Gleichstromfilterung macht analogtechnisch Schwierigkeiten, und die nötige Logarithmierung des Modulatorsignals ist digital rechenintensiv und enthält Rundungsfehler. Analog ist sie ebenfalls aufwändig und außerdem zu störanfällig.
Das Ganze ist also ungefähr so machbar wie die Quadratur des Kreises. Wie ist Yamaha damals bei der Konstruktion des DX7 die Lösung dieser Probleme gelungen?
Variante Sechs: phsFM
Phasenmodulation (phsFM oder auch PM) ist ein Verfahren aus der Rundfunktechnik, das eigentlich schon lange bekannt war, aber von dem Computermusiker und Wissenschaftler Prof. Dr. John Chowning 1967 an der Stanford University als Tonerzeugungsverfahren weiterentwickelt wurde. Die Patentabteilung der Universität bot die phsFM-Synthese amerikanischen Firmen an, aber keine erkannte ihr Potential. Dann wurde die Yamaha-Vertretung in den USA kontaktiert, die einen jungen Ingenieur namens Kazukiyo Ishimura beauftragte. Er durchschaute schnell die Grundlagen der phsFM, bekam in Japan eine Entwicklungsabteilung, Yamaha kaufte die Patente, und der Rest ist Geschichte: 1983 kam der DX7 heraus und verdrängte die analogen Synths vom Markt, viele US-Firmen wie Moog, Sequential Circuits und Oberheim gingen Pleite. Ishimura wurde Präsident von Yamaha.
Es gibt nun mehrere Wege, phsFM zu erläutern. Einer findet sich in meinem Artikel zur Phase Distortion. Noch einfacher kann man es folgendermaßen sagen:
Der Clou ist, dass nicht die Frequenz des Carriers moduliert wird, sondern (linear) seine „Abspielgeschwindigkeit“, indem der Phasenwert der Carrier-Kurvenform kontinuierlich moduliert wird. Das führt zu einer Frequenzmodulation, und umgekehrt kann man auch jede FM auch als eine Art Phasenmodulation betrachten.
Ist das Modulatorsignal ansteigend, wird der Carrier also beschleunigt, ist es absinkend, wird er gebremst. An der Nullgrenze wird er sozusagen in den Rückwärtsgang geschaltet und die Seitenbänder nach oben reflektiert, mit Invertierung der Kurvenform.
PhsFM hat folgende Vorteile:
- Der Klang bleibt über den ganzen Tonhöhenbereich konstant, auch ohne Logarithmierung des Modulatorpegels. Die Modulationsintensität wird automatisch an die Tonhöhe angepasst, und das untere Seitenband wird an der Nullgrenze automatisch in den positiven Bereich reflektiert.
- Die Änderung der Modulationsintensität führt nicht zu Dissonanzen, sondern nur zu Klangfarbenänderungen.
- Es treten keine störenden Phasenverschiebungen oder Verstimmungen auf.
- Asymmetrische Kurvenformen verursachen keine Dissonanzen, Gleichstromfilterung ist unnötig. Dadurch ist komplexe FM ohne Störungen möglich.
- Die Berechnung der Wellen beinhaltet keine Logarithmierungen mit Rundungsfehlern.
Und das Ganze ohne großen Aufwand, digital lässt es sich sozusagen mit Heimwerkermitteln bewerkstelligen. Aus Sicht eines Technikers schlichtweg ein Geniestreich!
Vor 30 Jahren war es natürlich ein wenig kniffliger, aber selbst die damaligen Prozessoren konnten phsFM immerhin 16-stimmig mit 6 Oszis pro Stimme wie beim DX7 betreiben und noch einen Haufen Hüllkurven etc. für die Steuerung bereitstellen – für einen viel kleineren Betrag, als man damals für einen 8-stimmigen Analogsynth mit 2 Oszis pro Stimme hinblättern musste.
Und noch einen Vorteil hat phsFM: Die Selbst-Modulation eines Oszillators (Feedback) führt hier zu Obertonanreicherung, die gut funktioniert und bis hin zu digitalem Rauschen reicht. Auch bei komplexer FM funktioniert das wie gewünscht. Bei lin- und logFM bewirkt Feedback nur eine Verstimmung bzw. Chaos.
Allerdings gibt es einen kleinen, aber entscheidenden Schönheitsfehler:
Verwendet man Sinus, entspricht das klangliche Resultat der phsFM dem der log+/-linFM. Bei anderen Kurvenformen ist das aber nicht mehr der Fall, und mit Rechteck oder Sägezahn beim Modulator erhält man für FM recht untypische Wellen.
Das kann man bei einem phsFM-Synth hörbar nachvollziehen, indem man den Modulator auf LFO-Frequenzen stellt. Ein DX7 hat nur Sinus, aber die späteren wie SY77/99 bieten auch andere Kurvenformen.
Da die Abspielgeschwindigkeit durch die Steigung des Modulatorsignals moduliert wird und ein Rechteck sozusagen aus zwei konstanten Werten besteht, wird auch nicht moduliert – nur kurze Phasensprünge an den senkrechten Flanken werden hörbar. Bei einem Sägezahn wird die Frequenz gleichbleibend nach unten oder oben verschoben (je nachdem, ob er ansteigend oder abfallend ist), mit ebensolchen Phasensprüngen. Ein Dreieck hingegen führt zu einer Rechteckmodulation. Nur ein Sinus ergibt auch eine Sinusförmige FM.
Bei höheren Modulatorfrequenzen ergibt sich mit Sägezahn ein Sync-ähnlicher Klang, mit Rechteck wird die Carrier-Kurvenform sozusagen gehäckselt. Rechteck und Sägezahn finden Verwendung in phsFM-Synths wie Native Instruments FM8, bei diesem aber mit abgeschrägten Flanken, wodurch sie zusätzliche Obertöne erzeugen:
Sieht man eine Kurvenform als mathematische Funktion an, so ist ihre 1. Ableitung (Differential), die ihre Steigung angibt, also die eigentlich wirksame Frequenzmodulation bei phsFM:
Bei Nicht-Sinus-Modulation erzeugt phsFM also andere Klänge als die lin/logFM-Verfahren, und bei der Wahl der sinnvoll anwendbaren Modulator-Kurvenformen ist man etwas eingeschränkt, es sei denn, man hat spezielle zur Verfügung, wie sie in einigen FM-Synths (z.B. Yamaha TX-Serie) zu finden sind.
Von diesem Schönheitsfehler abgesehen ist phsFM aber die eleganteste Variante der FM, es werden saubere Klänge erzeugt, und man kann sehr gezielt arbeiten. Dissonante erzielt man durch Verstimmen der Oszis gegeneinander, allerdings nicht die vielschichtigen anderer FM-Verfahren, die einen ganz eigenen Klangkosmos bereitstellen und deswegen durchaus gleichberechtigt neben der phsFM stehen.
Gute phsFM-Sounds zu programmieren ist nicht einfach. Ungeschlagener Meister dieser Disziplin ist wohl Brian Eno, der den DX7 in vielen seiner Stücke verwendet. Leider hat er seine Sounds nicht veröffentlicht und hütet sie wie die Queen ihre Kronjuwelen … aber ein paar Daumenregeln und Tipps gibt es:
- Mehrere schwache Modulationen ergeben nuanciertere Klänge (bei seriell- und parallel-Algorithmus) als eine starke
- Je mehr Obertöne die verwendeten Kurvenformen haben, desto weniger sollte man modulieren
- Stimmt man die Modulatoren in komplexeren Intervallen, z.B. einem Dur- oder Moll-Akkord, erzielt man weniger metallische, analog-ähnlichere Klänge
- Feedback entspricht einer Reihe serieller phsFM-Operatoren und ermöglicht sehr obertonreiche Klänge
- Offset in Hz ermöglicht chromatisch gleichbleibende Schwebungen. Stellt man Offset bei Modulatoren ein, erhält man Klangfarbenänderungen
- Ein Modulator mit festgesetzter Frequenz (FIX) im Algorithmus ergibt interessante Obertöne, wenn er deutlich höher gestimmt ist als die anderen und nur leicht ins Spiel gebracht wird
- Stellt man den Carrier auf FIX (am besten mit hoher Frequenz), erhält man Klänge, die bei jedem Halbton anders klingen, ähnlich wie bei +linFM. Je nachdem, wie man das in den Algorithmus mit einbettet, kann man sehr interessante Sounds zusammenschrauben
Die phsFM ermöglicht durch ihr Funktionsprinzip noch andere Synthesearten:
- Stellt man den Carrier auf LFO-Frequenzen, ergibt sich eine Art Waveshaping, die zu analog-ähnlichen, für FM ganz untypischen Wellen führt.
- Steht der Carrier auf 0 Hz, ähnelt die Phase Modulation der Phase Distortion à la Casio – leider ohne die speziellen Modulator-Kurvenformen, die die Casio-CZ Synthesizer bereitstellen.
- Auch einfache additive Synthese ist möglich, wenn man die Oszis in Obertonreihe stimmt und ohne FM zusammenmischt.
Alles weitere zum Thema phsFM-Synthese würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, dazu gibt es auch bereits erstklassige Literatur und zahlreiche Seiten im www.
Erkennungsmerkmale der phsFM:
Die Modulationsintensität beeinflusst nur den Obertongehalt, und der Klang bleibt über den ganzen Tonhöhenbereich konstant. Bei Modulatorfrequenzen von wenigen Hertz sind Rechteck und Sägezahn fast ohne Wirkung.
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Synchronisierte FM (sncFM)
Manche Synths bieten die Möglichkeit gleichzeitiger FM und Synchronisation. Das ermöglicht ganz andere, sehr interessante Klänge. Sowohl mit linFM als auch mit logFM kann man so dissonanzfrei sehr obertonreiches Material erzeugen. Am geeignetsten hat sich dabei die +linFM erwiesen, da sie den Modulationsbereich optimal nutzt. Die +logFM ist fast genauso gut, aber die Obertöne sind etwas anders verteilt und nicht ganz so gefällig (rein subjektiv beurteilt).
Dazu muss allerdings der Modulator den Carrier syncen und modulieren. Wenn der Carrier den Modulator synct, gibt es ganz schräges Zeugs – diesen entscheidenden Unterschied findet man z.B. bei Roland Jupiter 6 (beide Möglichkeiten) und Jupiter 8 (nur Carrier-Modulator-Sync), weshalb der etwas später gebaute 6er in dieser Hinsicht eindeutig vorzuziehen ist!
Die Dissonanzen werden durch die Synchronisation eliminiert, Intervall der Oszis und Modulationsintensität verursachen nur Klangfarbenänderungen, und auch für FM problematische, obertonreiche Kurvenformen sind prima einsetzbar.
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Es ergibt sich eine breite Palette an Klangfarben. Verwendet man Sägezahn bei Carrier und Modulator, ergeben sich Cembalo-ähnliche Klänge. Sinus und ähnliche erzeugen ganz eigene Spektren, nur ein wenig Sync-Gebritzel trübt den Spaß. Auf jeden Fall sind die Klänge sehr ausdrucksstark und lassen sich zudem gut mit modulieren, hier beeinflussen die FM-Intensität und die Carrierfrequenz den Obertongehalt, ohne Dissonanzen zu verursachen.
Crossmodulation
Hierbei verschaltet man zwei oder mehr Oszillatoren so, dass sie sich gegenseitig frequenzmodulieren und schraubt an Stimmung und Modulationsintensitäten. Zwischen ein paar Inseln der Stabilität liegt man ein Meer an Chaos. Vorhersagbar ist da nichts mehr, aber es macht einen Heidenspaß!
Der Begriff Chaos ist hier wirklich gerechtfertigt, zumindest bei analogen Synths ist ähnlich wie bei deren Grenzbereich zur Filter-Oszillation die mathematische Berechnung nur noch mit Hilfe der Chaostheorie möglich.
Amplituden- und Ringmodulation (AM und RM)
Sie sind viel einfachere Verfahren und keine FM, hier werden die Amplitudenwerte der Oszillatorsignale in einer Verstärkerstufe miteinander multipliziert. Aber die Resultate sind vergleichbar, sowohl harmonische wie unharmonische Obertöne können erzeugt werden, hier aber nur durch Verstimmen der Oszis gegeneinander.
Bei RM sind beide Signale bipolar und es kommt zu Phasenumkehr, wenn eines der beiden negativ ist. Bei AM bleibt ein Signal im positiven Bereich, moduliert das andere also nur in der Lautstärke.
Der Modulator ist bei dieser Grafik der Oszi, dessen Signal bei AM positiv ist.
Gemeinsam ist beiden Verfahren, dass das Ausgangssignal 0 ist, wenn einer der beiden Oszis stumm ist. Es ist also nicht möglich, den Obertongehalt durch die Modulationsintensität zu ändern, man moduliert dann nur den Gesamtpegel. Das kann man aber bei entsprechender Ausstattung (modulare Synths), und zwar durch Zumischen oder einem Crossfading mit einem Festwert von 1 eines der Signale.
Die Seitenbänder sind einfacher zu berechnen, es werden Summen und Differenzen der Teilton- Frequenzen (nach Fourier) der beiden Signale gebildet. Die Spektren der AM sind nicht ganz so komplex wie die der RM, aber für einige Zwecke ist das gar nicht schlecht, z.B. um Samples zu verfremden.
In der Praxis gilt das gleiche wie bei lin/logFM, die besten Ergebnisse erzielt man mit obertonarmen Kurvenformen und mit reinen Intervallen erhält man nur harmonische Obertöne.
Stimmt man einen Oszi viel höher als den anderen, können dissonante Intervalle sehr schöne Glockensounds erzeugen.
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Die Klangfarben sind subtil anders als bei den FM-Verfahren, und allgemein ist RM etwas bedienerfreundlicher. Auf jeden Fall ist sie eine Bereicherung für jeden Synth, und schon die ersten Modularsysteme waren damit ausgestattet, allerdings nur die Oberklasse, da ein analoger Ringmodulator damals eine sehr aufwändige Schaltung war. Erst etwas später kamen RM-Chips auf den Markt. Digital dagegen ist eine Multiplikation fast lachhaft einfach, aber wie so oft haben die analogen Module durch ihre Nichtlinearitäten klanglich mehr Charakter.
Ringmodulatoren findet man in vielen Synths, Amplitudenmodulation dagegen ist ausgesprochen selten. Es gibt auch nur einen ausgewiesenen digitalen AM-Synthesizer, den Kawai K1.
Modular-Analog lässt sie sich aber mit jedem VCA betreiben, der Modulationssignale mit Audiofrequenzen akzeptiert.
Das ist ein sehr guter Artikel, der als Standardwerk gelten kann. Vorschlag: Einen Teil 2 machen und auf das sehr wesentliche Thema Hüllkurven eingehen, das gerade hier von besonderer Bedeutung ist. Eine mit den verschiedenen Tonerzeugungen geschaffenen Wellenform bzw. Klang ist eins, die Formung mit der sich daran anschließenden Hüllkurve die sicherlich ebenso wichtige. Der Aspekt, dass Carrier und Modulator unterschiedliche Hüllkurven erhalten, um den zeitlichen Verlauf musikalisch interessant zu gestalten etwa. Stichwort Kontrolle über das Obertonverhalten als dynamische Komponente. Das steht im Kontext mit dem Keyboard Level Scaling. Dazu zählt dann auch die Dynamisierung mittels Velocity sowie Controller. All das zusammen betrachtet erklärt dann auch, wieso FM so genial ist, ganz gleich, mit welcher Synthese man arbeitet. Dem Leser bietet sich die Option, es dann einmal richtig begriffen zu haben, und dann überall schnell und zielgerichtet anwenden zu können.
Danke! Ja genau, die Klangformung mittels Hüllkurven, LFOs, Controller etc macht die FM so interessant, zumal man neben den Amplituden auch noch die Tonhöhen als lohnende Modulationsziele hat. Das ist mal was anderes als die ewigen Filtersweeps…
Man muss zwar viel rumschrauben, bis alles stimmt, aber manchmal sind gute FM-Sounds überraschend einfach. Die „Schulze-Sounds“ im Kapitel logFM haben nur eine Modulator-Hüllkurve, den Rest besorgt ein wenig gezieltes Detune.
Über das weitere Sounddesign kann man natürlich ganze Bücher vollschreiben, es gibt ja schon einiges zum Thema Yamaha-FM. Leider ist das meistens entweder recht mathematisch oder es behandelt nur die grundlegenden Funktionen, die Profi-Tipps muss man mühsam suchen… aber man kann eine Menge herausfinden, indem man DX/SY- oder FM8-Sounds unter die Lupe nimmt. Auf jeden Fall ist das effektiver als seitenweise Besselfunktionen durchzurechnen ;-)
Ja, schliesse mich dem an. Einen 2.Teil genau dazu würde ich sehr begrüssen!
Es kommt selten vor, dass ich mir einen Artikel „bookmarke“, aber in diesem Falle ist es Pflicht. Ich kann mich Klaus‘ Worten nur anschliessen. Wirklich sehr gut !
Vielleicht noch ein kurzes Demo, das zu 100% aus FM Sounds besteht und aus KORG’s OASYS stammt:
http://blog.petermmahr.com/2007/10/09/and-one-more-mod-7-demo/
Peter
Ja danke, war auch so zum Nachschlagen gedacht. Man findet sonst nicht viel Erhellendes im www zu diesem Thema. Das musste ich alles im Forschungs-Reaktor nachbauen… aber nebenbei habe ich mir mal wieder einen feinen Synth gebastelt, den es so noch nicht auf dem Markt gibt :)
Dein FM-Demo: Fein getönt! Das zeigt mal wieder, was so alles mit FM möglich ist.
Ich hätte auch gern noch mehr Soundbeispiele beigefügt, aber 20 ist die Obergrenze für einen Artikel…
Danke für deinen super Artikel. Schön wäre nochmal vielleicht eine zusammenfassende Tabelle welcher Synth welchen Typ von FM beherrscht. Wenn man mehr als nur Brot- und Butter Sounds machen will kommt man an FM nicht vorbei, egal ob analog oder digital.
@TZTH Ich hatte eine Tabelle angedacht, aber es mangelt mir ein wenig an einem repräsentativem Synthesizer-Park… und wenn man ein Gerät nicht unter den Fingern hat, ist es fast unmöglich, die FM-Variante zu bestimmen.
Immerhin kann ich die im Text erwähnten nochmal auflisten:
Roland Jupiter 6/8 +linFM
Access Virus B log+/-linFM
Waldorf Blofeld +/-linFM
Yamaha DX und SY-Reihe phsFM
Prophet V +logFM
Die alten Moogs arbeiten dito mit +logFM, wenn ich das richtig sehe, und die VA von Yamaha mit +/-linFM. Oft bleiben die Firmen bei einer Variante.
Softsynths:
FM7 und 8 phsFM
U-He Ace +linFM
Manchmal ist es ganz schön knifflig. Der NI Absynth hat einen phsFM-Algorithmus, bei dem aber nur die Frequenz des Carriers und die Amplitude des Modulators geändert werden kann, sehr abgespeckte phs-FM also.
In den Bedienungsanleitungen steht meist nur angedeutet etwas von „DX7-like Sounds“. Es ist wirklich schade, daß das FM-Feature immer so als „Gimmick“ abgehandelt wird!
Kongratulation für diesen instruktiven Artikel
Gratuliere zu dieser Arbeit. Gut geschrieben. FM beschäftigt mich auch seit Erscheinen des DX7. Hatte ihn schon am ersten Tag der Auslieferung :). Er hat es nicht verdient, als E-Piano oder Bass Surrogat in die Geschichte einzugehen, da geht deutlich mehr. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass diese Synthese besser als andere ist. Aber eben auf Augenhöhe mit den anderen Varianten.
toller artikel. danke!
Wow! Ich entdecke diesen Artikel hier leider erst 10 Jahre nach dem Erscheinen. Aber ich bin sehr begeistert. Ich wusste nicht, dass es so viele FM-Arten gibt und welche Probleme man mit der einen oder andern Variante hat. Solche „Grundlagen“-Artikel finde ich wirklich spannend. Vielen Dank.
Ich liebe diesen ausführlichen und intensiven Artikel über FM- bzw. phsFM-Modulation und schaue immer wieder hinein. Obwohl ich das meiste mittlerweile verstehe, ist dieser Artikel mein Nachschlagewerk schlechthin. Ich kann immer wieder vergessenes wieder auffrischen.
Danke Holger, ich habe viel gelernt. Leider gibt es schon seit vielen Jahren keinen Beitrag mehr von dir :(