Allrounder für Recording und Mix?
Die Ankündigung, dass ehemalige AKG-Mitarbeiter eine eigene Firma aufziehen, um so quasi zurück zu den alten Wurzeln zu gelangen und um neue High-End-Mikrofone in Österreich zu entwickeln, hat auf der Frankfurter Musikmesse 2019, auf der sich Austrian Audio erstmals der Öffentlichkeit präsentiere, für großes Aufsehen gesorgt. Mittlerweile sind die ersten Mikrofone des Herstellers im Handel erhältlich, die Tests zu OC18 und OC818 (im Vergleich mit dem AKG C414) findet ihr bereits auf AMAZONA.de. Wie vom Hersteller angekündigt, widmet man sich auch der Entwicklung von Kopfhörern und das erste Modell, der Hi-X55, liegt uns heute zum Test vor.
Auftritt des Studiokopfhörers
Modern, schick und farblich dezent in Schwarz/Grau gehalten – so präsentiert sich der erste Kopfhörer von Austrian Audio. Der Hi-X55 wird in Österreich gefertigt und macht nicht nur auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck. Ein Mix aus Metall- und Kunststoffteilen hat der Hersteller für Rahmenkonstruktion und Ohrmuscheln gewählt.
Die Verarbeitung ist tadellos, das haptische Gefühl sehr gut. Hier hält man offensichtlich einen Kopfhörer in seinen Händen, der neben dem avisierten Tonstudio-Einsatz auch „on the road“ bestehen sollte. Der Kopfbügel besteht aus einem flachen gebogenen Metallstück, das seitlich über Kunststoffhalterungen weitergeführt wird. An dieser Stelle lässt sich die Größe des Kopfhörers anpassen. Dank des Kunstleders, das Austrian Audio unterhalb des Kopfbügels angebracht hat, sitzt der Hi-X55 sehr weich auf dem Kopf auf. Der Tragekomfort ist insgesamt sehr hoch, so dass auch längere Sessions kein Problem darstellen. Dazu sitzt der Kopfhörer mit angenehmem Anpressdruck auf.
Die beiden Ohrmuscheln sind durch drehbare Halterungen am Kopfbügel befestigt und lassen sich um jeweils 90 Grad einklappen. Zusätzlich lassen sie sich auch nach innen einklappen, so dass der Kopfhörer beim Transport bzw. der Aufbewahrung wenig Platz benötigt.
Die Ohrmuscheln sind oval geformt und verleihen dem Hi-X55 zwar einen wuchtigen Auftritt, gewichtstechnisch sieht es da aber ganz anders aus. 305 g (ohne Kabel) bringt der Hi-X55 auf die Waage und damit liegt er im guten Mittelfeld der geschlossenen Studiokopfhörer. Wie der Kopfbügel, sind auch die Ohrmuscheln mit Kunstleder ausgekleidet, dieses fällt ebenfalls sehr weich und angenehm aus.
Lieferumfang des Studiokopfhörers
Zum Lieferumfang des Austrian Audio Hi-X55 gehört ein 3 m langes, gerades Kabel mit vergoldeten Steckern. Am Kopfhörer wird dies per 2,5 mm Mini-Klinkenstecker befestigt. Mit Hilfe einer kleinen Drehung arretiert man den Stecker und das Kabel sitzt bombenfest. Am anderen Ende des Kabels haben die Österreicher einen klassischen 3,5 mm Klinkenstecker verbaut, ein vergoldeter und schraubbarer Adapter auf 6,3 mm Klinke liegt bei.
Ansonsten gibt Austrian Audio dem Hi-X55 eine Softtasche für Transport und Aufbewahrung, einen Aufkleber sowie einen kompakten Quick-Start-Guide auf den Weg. Hierin erklärt der Hersteller kurz und bündig, wie das Kabel am Kopfhörer befestigt, wie die Ohrpolster ausgetauscht und wie der beiliegende Klettverschluss, der außen an der Verpackung des Kopfhörers angebracht ist, als praktischer Kabelbinder genutzt werden kann.
Technik des Hi-X55
Da der Hi-X55 der erste Kopfhörer aus dem Hause Austrian Audio ist, wurde natürlich alles neu entwickelt. Wie viel Wissen und Know-how aus alten AKG-Zeiten darin steckt, kann man nur mutmaßen, aber einige Einflüsse wird es sicherlich geben.
Der Kopfhörer wartet zunächst einmal mit einer sehr geringen Impedanz von 25 Ohm auf. In Zeiten von Smartphones und Tablets scheint das keine Verwunderung zu sein, auf diesen Zug sind in der jüngsten einige Hersteller aufgesprungen, da stellt auch Austrian Audio keine Ausnahme dar. Die Empfindlichkeit des Hi-X55 liegt bei satten 118 dB, den Frequenzbereich gibt der Hersteller mit 5 bis 28.000 Hz an. Der Klirrfaktor wird mit <0,1 % (@1 kHz) angegeben.
Wie klingt der Kopfhörer?
Während des Tests muss sich der Kopfhörer an verschiedenen Abspielgeräten beweisen, auch stilistisch kommt von klassischen Orchestern, über Electro, Hip Hop, Rock und Pop alles vor. Als Abspielgeräte kommen der Kopfhörerausgang einer RME HDSP-Karte, ein Mackie 1604 Pult, der SPL Phonitor Mini und ein iPhone SE zum Einsatz.
Aufgrund der geschlossenen Bauweise eignet sich der Hi-X55 zunächst einmal für den Bereich des Recordings. Entgegen offener oder halboffener Kopfhörer, die relativ viel Signal nach außen hin abgegeben, fällt die Abschottung beim Hi-X55 sowohl nach außen hin, als auch von äußeren Geräuschen nach innen hin, sehr gut aus. Der Hi-X55 dichtet sehr gut ab, so dass scharfgeschaltete Mikrofone um den Kopfhörer herum nichts von Playbacks oder ähnlichem mitbekommen sollten. Zu den unterschiedlichen Varianten von Studiokopfhörern, hier ein Auszug aus unserem großen Vergleichstest Studiokopfhörer meines Kollegen Sigi Schöbel:
Was ist die offene, halboffene und geschlossene Bauweise?
Ein OFFENER Kopfhörer hat auf der Außenseite keine Abschottung der Schallwellen, es dringt also alles ungedämpft nach außen. Der Vorteil ist, dass sich das Klangbild extrem luftig und frei entwickeln und eine hervorragende Räumlichkeit vermittelt werden kann. Allerdings sind diese Kopfhörer nur am Mischpult zum Mischen oder Mastern geeignet, als Monitorhörer für die Musiker taugen sie nicht, da der austretende Schall allzu deutlich von den Mikrofonen wieder aufgenommen wird.
Vorteilhaft ist im Regieraum hingegen, dass man sich bei aufgesetztem Hörer noch unterhalten kann, im Gegenschluss dringen aber auch wieder unerwünschte Außengeräusche in den Hörer ein (wenn die Musiker miteinander reden etc.). Akustisch gesehen ist ein offener Kopfhörer leichter zu beherrschen als die geschlossenen Typen, da man hier mit weniger Reflexionen der Muscheln zu kämpfen hat. Darüber hinaus ist der Bassbereich bei offenen Typen tendenziell eher schlank und man schwitzt beim längeren Tragen nicht so sehr um die Ohren herum, da die warme Luft ungehindert austreten kann.
Der GESCHLOSSENE Kopfhörer ist exzellent für die Studioräume geeignet, da hier der Schall nur sehr mäßig nach außen tritt und somit kein großes Problem für Aufnahmen mit Mikrofonen darstellt. Man kann sie in Aufnahmesituationen relativ laut machen, was gerade Musiker im Rock-Bereich durchaus zu schätzen wissen. Der Bassbereich kommt meist druckvoll, bei billigen Kopfhörern dieser Bauart führt das dann gerne zu Matsch und Mulm.
Für das Monitoring im Live- und DJ-Bereich ist dieser Typ die einzig vernünftige Wahl, denn ein geschlossener Hörer lässt nicht nur die Geräusche von innen nach außen wenig durchdringen, er isoliert auch in Gegenrichtung vernünftig. Nachteilig ist der Wärmestau um die Ohren herum (zumindest bei ohrumschließenden Typen) und manche mögen den „Voll-auf-die-Ohren“-Effekt nicht so gerne, denn geschlossene Kopfhörer klingen prinzipiell sehr direkt und wenig zurückhaltend.
Der HALBOFFENE Kopfhörer versucht beide Bauweisen in ihren Vorteilen zu verbinden: mehr Bass als beim offenen Typen, aber ein überzeugenderes Panoramagefüge gegenüber dem geschlossenen System. Durch die verhaltenere Isolation kann man sich auch bei aufgesetztem Hörer noch einigermaßen unterhalten, als Monitorhörer für die Musiker sind sie aber nur bedingt geeignet (zumindest bei offenen Mikrofonen), es dringt doch noch eine Menge Sound nach draußen.
Zurück zum Hi-X55: Wie bereits beschrieben, bietet der Austrian Audio Kopfhörer einen hohen Tragekomfort und kann dementsprechend auch bei längeren Aufnahme- und Hör-Sessions eingesetzt werden.
Den Klang des ersten Austrian Audio Kopfhörers würde ich mit gut bis sehr gut bezeichnen, wobei die Kritikpunkte je nach Einsatzgebiet unterschiedlich gewichtet werden sollten. Der Bassbereich wirkt grundsätzlich sehr aufgeräumt und entgegen dem kürzlich getesteten Sennheiser HD25 Light reagiert der Hi-X55 auch sehr gut auf schnelle Akzente wie knackige Kickdrums.
Auch der Höhenbereich kann beim Hi-X55 überzeugen. Er wird keineswegs scharf, bildet mit einer passenden Brillanz ab und kritische Stellen, wie beispielsweise überbetonte S-Laute, werden passend abgebildet und können entsprechend korrigiert werden.
Etwas weniger stark empfinde ich den Austrian Audio Kopfhörer dagegen im Mittenbereich. Vor allem frequenzähnliche Instrumente schafft er nicht immer adäquat auseinander zu sortieren und meiner Meinung nach überbetont er gewisse Frequenzen im Mittenbereich auch leicht.
Insgesamt bildet der Kopfhörer sehr dynamisch ab, so dass Lautstärkeunterschiede sehr gut wahrgenommen und beurteilt werden können. Auch der Raumeindruck, sei es bei Verschiebung von Signalen auf der Stereobühne als auch im Nah-/Fernbereich ist beim Hi-X55 sehr gut.
Die Voraussetzungen als sehr guter Partner im Bereich Recording sind damit geschaffen, hierfür kann man den Hi-X55 uneingeschränkt empfehlen. Die hohe Abdichtung nach außen hin unterstützt dies natürlich noch weiter. Für die Bereiche Mix und Mastering ist der Kopfhörer dagegen nur eingeschränkt zu empfehlen.
Danke für den ausführlichen Test. Eine dumme Frage: Gibt es ergonomisch gute Kopfhörer für Brillenträger?
@Findus Sehr gute Frage – der Unterschied ist drastisch. Ich glaube eher der Brillenbügel muß anders geformt werden. Im Augenblick muß ich den Bügel immer über den Kopfhörer positionieren, so das das Glas fast 45° nach vorne kippt…
Hab keinen Bock auf Kontaktlinsen…LG StereJo
@Findus Ich hab als brillenträger mit den Audio technica m50x kein Problem.
@Numitron Wie kann das sein?
Normalerweise ist der Brillenbügel unter dem Kopfhörerpolster. Da gibt es einen kleinen Spalt. So ist der Bassbereich entscheidend schwächer abgebildet…
@StereJo Ah, dachte es geht rein um den tragekomfort.
Ohne brille hab ich es noch gar nicht probiert.
@StereJo Meine Bügel sind um 1mm dick, früher eher noch weniger (Titandraht), da lehne ich mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass sich die Polster meines DT-990 und HFi-580 komplett darum schließen, zumal sich die Bügel auch etwas in die Haut legen.