Ist das Kunst - oder kann das Klang?
Inhaltsverzeichnis
Bevor ich den Testbericht der Error Instruments Drums beginne, muss ich zunächst diese ungewöhnliche Firma mit Sitz in Amsterdam etwas näher beschreiben. Denn nur so kann man die Module und Instrumente einordnen – und eben das wird auch in die Bewertung einfließen.
Der Hersteller Error Instruments
Mastermind ist Paul Tas und wer seinem Instagram-Kanal (@errorinstruments) folgt, wird mit einer Vielzahl an Geräten konfrontiert, die den Begriff „Musikinstrument“ auf den ersten Blick nicht immer erfüllen. Auf der Website unter „About Error Instruments“ wird die ungewöhnliche Herangehensweise auch beschrieben. Alle Geräte sind Kleinserien, die handgelötet werden. Dabei kommen Bauteile aus alten 50er-Radios (kennt jemand noch die schönen farbigen Kondensatoren?) genauso wie aktuelle Microcontroller zum Einsatz. Ein Beispiel für ein unkonventionelles Eurorack-Modul ist der LOOPMAN – ein Tape-Looper.
Und das im wörtlichen Sinne. Als Speichermedium für den Loop kommt eine MC-Kassette zum Einsatz. Und so wird man ein um andere mal überrascht von den angebotenen Geräten und Modulen.
Die Person hinter den Error Instruments Drums
Da musste ich gar nicht lange nachforschen und es wurde schnell klar, dass Paul Tass nicht ausschließlich diese Instrumente herstellt – er ist vielmehr ein international tätiger Künstler, dessen Bilder und Skulpturen auch mal bei Christie’s unter den Hammer kommen. Auch Kooperationen mit Englands wohlhabendsten Künstler Damien Hirst sind in seinem Portfolio zu finden.
Hier ein Interview auf YouTube, in dem es auch um die Ideen hinter den Modulen geht.
Mit anderen Künstlern und Musiker betreibt er Workshops, die Hardware Hacking, Circuit Bending und das Zusammenbauen von Instrumenten zum Inhalt haben – und das weltweit. Außerdem sucht das Team der Error Academy um Paul Tas immer Verstärkung, auch Internships werden angeboten.
Die Testobjekte
Da es nun klar sein dürfte, dass es sich also nicht um eine „übliche“ Hardware-Schmiede handelt, werden wir uns nun drei Error Instruments Drum-Module mal näher ansehen. Diese drei sind dabei bei Weitem nicht die einzigen Drum-Module im Angebot von Error Instruments. Und sie sind wiederum auch nicht ausschließlich Drum-Module, da sie auch einen ununterbrochenen Audio-Ausgang bieten oder man sie mit einem anhaltendem Gate einfach laufen lassen kann.
Allen Modulen ist gemeinsam, dass es keine Frontplatte aus Metall gibt. Stattdessen sind es PCBs, die eine schwarze Maske haben und auf denen der Silk-Screen als Beschriftung dient und freie Metallflächen als dekoratives Element. Das macht die Module leichter als andere, was meistens mit „billig“ assoziiert wird. Man darf sich aber nicht vom Gewicht täuschen lassen, die Module sind handgelötet und einwandfrei verarbeitet. Die Potis sind jedoch nicht mit der Frontplatte verschraubt.
Error Instruments Drums Error Drum
Das Modul nimmt schlanke 6 HP im Eurorack in Anspruch und ist mit vier Buchsen und drei Potis (die für meinen Geschmack zu eng beieinander liegen) nicht gerade ein Enigma, was die Bedienung angeht. Dennoch ist in der Packung ein Anleitungsblatt beigelegt, dessen artsy Aufmachung an ein Horoskop erinnert. Mir gefällt es. Leider konnte ich aber keine PDF-Version der Anleitung auf der Website finden. Dort gibt es nur eine niedrig aufgelöste JPG-Version.
Grundlage der Synthese ist ein Dual-Voice-FM-Generator. Es gibt drei Eingänge: CV-Pitch, CV-Mix, TRIG-In und einen Audioausgang. Als Kontrolle stehen Pitch, Mix und Preset zur Verfügung. Also Trigger-Eingang befeuert, Audioausgang angeschlossen und los geht’s.
Was als erstes auffällt, ist die Tatsache, dass das Error Drum zwei unterschiedliche Phasen hat. Eine beim Aktivieren des Triggers und eine beim Loslassen. Diese beiden Phasen können durchaus sehr unterschiedlich klingen, man hat es quasi mit zwei Drumsounds auf einem Trigger zu tun. Wenn man das weiß, kann man das auch gewinnbringend in einem Pattern einsetzen. Dabei bewirkt der Mix-Regler, dass das Decay des Trigger-off-Sounds länger und dessen Klang dadurch mehr in den Vordergrund rückt, während der Pitch-Regler dabei die Tonhöhe beider Sounds beeinflusst.
Die eigentliche Klanggestaltung findet am Preset-Poti statt. Folgende Presets kann man am Error Drum finden:
- No Sound
- Analog Plomby
- Glitay Heads
- Base Kick
- Hats
- Diator Drum Mini
- Wood Blok
- Glitch Es
- Gray Noise
- No Sound
Wie diese klingen, hängt entscheidend von der Decay-Einstellung ab.
Was mir aber auffällt: Ich höre wesentlich weniger unterschiedliche Presets heraus als angegeben. Über einige Bereiche ändert sich einfach nur stetig die Modulationsintensität oder die Tonhöhe eines der FM-Generatoren. Außerdem konnte ich bei deaktiviertem Gate im Hintergrund immer die aktuelle Schwingungsform hören. Bei der Auswahl des Presets kam es dann zu klar hörbaren Audio-Spitzen – nicht ideal.
Was mir aber auch auffällt: Im Zusammenspiel mit dem Decay-Parameter gibt es eine Fülle interessanter Klänge zu entdecken. Wie in der Anleitung beschrieben, gibt es Sweetspots, die gefunden werden wollen. So unscheinbar mir das Error Drum am Anfang vorkam, so viel Spaß hatte ich damit.
Error Instruments Drums Chip Tune OSC / Drum
Machen wir weiter mit dem Chip-Tune-Modul von Error Instruments. Die Ausstattung ist nur ein wenig üppiger als die des Error Drums. Fünf Buchsen und vier Potis sind auf den 8 HP verteilt. Dabei haben die Potis mehr Abstand als auf den 6 HP des Error Drum und sind damit leichter zu bedienen.
Es gibt einen Trigger-In, einen CV-In für Pitch und einen für die Steuerung des X-Parameters. Dieser verändert das aktuelle Preset. Als Ausgänge stehen der Drum-Out und ein korrespondierender Oszillator-Out zur Verfügung. Der Drum-Out ist einfach der Oszillator hinter einem Gate, das durch den Trigger-Eingang geöffnet wird. Eigentlich sollte es Gate-In heißen, denn solang eine Steuerspannung anliegt, ist der Oszillator zu hören. Allerdings ist immer ein leichtes Release am Ende zu hören, so dass es nicht völlig abrupt aufhört; das wird wohl ein Verdienst des Vactrols sein, der hier verbaut ist und quasi als VCA dient. Möchte man komplexere Hüllkurven, so muss man die sich extern patchen.
Die Potis bedienen dann Pitch, Preset, X- und Y-Parameter, der ebenfalls die Ausgabe des Presets beeinflusst, jedoch nicht so stark wie der X-Parameter. Auch hier gilt – finde den Sweet-Spot. Denn der zugrundeliegende Oszillator ist alles andere als vorhersehbar. Einmal gefundene Einstellungen muss man schon genau dokumentieren, um sie wieder aufrufen zu können. Was allerdings an Arcade-und Chiptune-ähnlichen Sounds rauskommt, weiß zu gefallen. Der Error Instruments Drums Chip Tune überrascht in manchen Einstellungen mit sich ständig verändernden Klangabfolgen von tonalen zu rauschhaften Anteilen. Andere Einstellungen bieten sehr charakteristische digitale Mischungen aus Rauschen und tonalen Komponenten.
Error Instruments Drums Liquid Glitcher
Der Liquid Glitcher ist mit 16 HP das Größte der drei hier getesteten Module. Es bietet mit 8 CV-Ausgängen, 5 CV-Eingängen und 3 Audioausgängen auch die größte Konnektivität.
Im Prinzip besteht der Liquid Glitcher aus zwei unabhängigen Oszillatoren, deren Signale einzeln am Sub-Out oder gemischt am Wave-Out und am Drum-Out abgenommen werden können. Der Sub-Out generiert dabei ein Dreieck-ähnliches Signal, dessen Pitch über den CV-In gesteuert werden kann.
Dabei handelt es sich um eine grobe CV-Steuerung, die absolut nicht der V/Oktave-Kurve folgt. Die Pitch-CV Eingänge sind normalisiert, so dass ein Pitch-CV-Signal auf dem Wave-Out auch auf den Sub übertragen wird.
Gleiches gilt für die Pitch-Steuerung des Wave-Out. Was man allerdings zu hören bekommt (vermutlich wieder über die Trägheit der Vactrolsteuerung, von denen hier mehrere verbaut sind), sind Übergänge, wenn man verschiedene Tonhöhen anspielt.
Der Error Instruments Drums Liquid Glitcher klingt also erst interessant, wenn Bewegung ins Spiel gebracht wird – zu diesem Zwecke sind auch zwei LFOs mit an Bord. Beide geben eine Rechteckschwingung aus. Die eine geht bis ca. 100 Hz, der andere bis ca. 1.000 Hz. Ich schreibe bewusst „ca.“, denn am Ende des Regelwegs kippen die Rechtecke weg und werden zu einer Art leisen Dreieck-Schwingung.
Der Lebendigkeit tut das keinen Abbruch und auch ohne externe CV-Sequenzen erfreut einen der Liquid Glitcher mit sich ständig ändernden Klangeindrücken, die wieder sehr viel Rauschanteil, sehr viel Krachpotential haben.
Für den Drum-Ausgang gilt das Gleiche wie für den Chip Tune Drum. Hier ist ein Vactrol als VCA-Element im Einsatz, so dass man eine kleine Release-Fahne bekommt. Für komplexere Sachen braucht man externes Gear.
Über einen Clock-Eingang kann man die interne Clock übergehen, die für die Ansteuerung des Clock-Teilers zuständig ist. Dieser ist mit den Teilern 2, 4, 32, 128, 512 und 2048 logarithmisch ausgelegt und bietet entsprechende Möglichkeiten, Gate Eingänge auch von anderen Modulen zu steuern.
Karlheinz Stockhausen – Die 4 Kriterien der Elektronischen Musik
Zitat: Heutzutage ist für einen Komponisten jeder Klang potentiell musikalisches Material. Auch ein Klogeräusch. Es ist nur die Frage, in welchen Kontext er gesetzt wird, um als Klogeräusch einfach neutralisiert zu werden, und dann hören sie ihn gar nicht mehr als Klogeräusch. Und wenn die Assoziation noch vorhanden ist, dann muß er halt vermittelt werden, um sich in eine Musik, die einen weiteren realistischen Darstellungsrahmen hat als nur Oboe, Klavier, und, wie bei Messiaen vielleicht, Le merle noir zu integrieren.
In mehreren meiner Kompositionen aus den letzten Jahren wie TELEMUSIK, HYMNEN, KURZWELLEN kommt praktisch alles an assoziativen Klängen vor. Hier und da hört man überall neu hinzukommende Klangereignisse. Das Wesentliche ist heute: jeder Klang kann musikalisches Material sein.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm
Ich bin kein Freund von solchen sinnlosen grafischen Elementen auf den Frontplatten.
Ich sehe das Modularsystem als Werkzeug an und da stört mich das eher bei der Arbeit.
Schräg angebrachte, kaum lesbare Krickelkrackelschrift, Blumen, Wolken und Bienchen, braucht doch niemand, der schnell vorankommen will.
Auch das ganze bunte Zeugs ist sowas von Kindergarten.
Kein Handwerker würde sich Blümchen auf seinen Hammer kleben.
@Bernd-Michael Land Hallo Bernd-Michael, das ist der treffendste aller Kommentare seit Erfindung des EuroRack-Systems … und der unerträglichen Ver-UN-gestaltung der Frontplatten mit hirnlosem und deswegen den Nutzer verwirrendem Designmist.
Besser kann man’s nicht ausdrücken – und ich bin dennoch sicher, dass viele hinweisresistente Erfinder, Entwickler und Löter mit diesem Unsinn schlicht und einfach weitermachen und die Nutzer damit irritieren wollen.
Schönen Herbstanfang ins benachbarte Frankfurt!
@Bernd-Michael Land Ganz deiner Meinung. Das ist Kreavität aus Trigger einen Krach zu erzeugen???
Die kunterbunten Panels und Leds die durch PCB’S als Panel durchscheinen sind mir auch ein Dorn im Auge.
Ich habe schon in den 90ern Drumloops gemacht. mit Türschnallen und zuschlagen Türen. Jeder fragte mich von wo ich die tollen Sounds habe.
Off Topic: ich habe für einen Freund Erica synths Polivoks Filter gebaut. Panels sind frei zu nutzen.
Gerberfiles beim Chinesen hochladen 5 Muster Eur 6.- den 50 Stk. Preis kann sich jeder denken. Ein ordentliches Metal Panel hat einen anderen Preis.
@Bernd-Michael Land Voll Zustimmung. Wenn sie wenigstens immer 2 Frontplatten anbieten würden, eine für Pilzgourmets und eine für straight-a-heads.
@Bernd-Michael Land Lustig… ich kenne tatsächlich jemandes Hammer mit einer Blume darauf 😂
@Bernd-Michael Land Hallo Bernd,
ja es sind Werkzeuge aber was spricht dagegen das ein Werkzeug einen auch optisch ansprechen kann.
Ich mag zb das schlichte Design von MI und Tunefish Modular hat es in meinen Augen sogar noch veredelt indem es diese schöne Ornamente in Gold auf schwarze Frontblatten gedruckt hat. Aber jeder wie er es mag. Da ist die Eutorackwelt zum Glück sehr offen für jeden Geschmack ist was dabei.
mfg Ashatur
Auf jeden Fall kann das Design …weg!
Hallo T. Goldschmitz,
Herzlichen Dank für Dein Test Bericht! Teilweise interessant, teilweise nicht ganz meine Teetasche, not my cup of tea. ;-) diese Eurorack Module von Error Instruments. Man kann aber schon toll mit diese Eurorack Module herum experimentieren, davon bin ich überzeugt!
Übrigens ist das mit dem PCB Material als Frontplatte halb so schlimm finde ich. Eine „Großmarke“ wie Make Noise tut das ja auch und da meckert auch keiner ;-)
Das einzige was mir bei PCB Frontplatten nur etwas stört ist das die weniger dick sind als die meisten Aluminium Frontplatten und dabei ist es dann schade das die Eurorack-Reihe nicht komplett gleich-„flach“ sind, die Modul-Frontplatten, meine ich.
Ich sehe sogar ein Vorteil bei PCB Frontplatten, was Make Noise auch ausnützt, das man „semi-“ transparente Fläche im Frontplatte machen kann, das Licht durchlassend ist was visuell gut her kommt finde ich, mit LEDs unter der Frontplatte. Schaue Dir mal den Make Noise Telharmonic an, Super Beispiel! Auch ein Super Modul übrigens.
Nur meine 2 Cents, schönes Wochenende und viele Grüße, Garfield.
Jahre später auch von mir ein Dank für diese Tests, und auch insbesondere für die Klangbeispiele 🙂 endlich mal nicht nur Kameraton wie auf dem Kanal von error instruments selbst!
@Jeanne Bedankt!
Das geben die aber auch echt gut her. ich hätte eher Probleme Kammerton „A“ damit zu treffen, egal ob 440Hz oder 444 Hz ….
Ach so, ich lese gerade… KAMERAton 😴. Trotzdem, Aussage bleibt richtig.