Phase-Distortion und Sequencer
Shockwave von Kai Aras / Numerical Audio ist das neue monophone Phase Distortion-App für iOS und auch die erste App von Numerical Audio mit einem halbwegs wiedererkennbaren Namen. Aber lieber so als anderes herum. Was die Kreativtiät im Namensdesign zu wünschen übrig lässt, machen die Apps von Kai Aras im Klang wieder wett.
Der neue Synthie lockt zusätzlich mit semimodularem Design und Dual-Sequencer. Außerdem ist Shockwave nur auf den ersten Blick simpel und eröffnet bei genauerem Hinblicken ein ziemlich intelligentes wie ungewöhnliches Design. Shockwave arbeitet dabei als Standalone-App, IAA, Audiobus und AUv3.
Für eine umfassende Einführung in die Phase Distortion-Synthese den Grundlagen-Workshop von Kollege Holger Gerdes.
Als Einstieg in die PD-Synthese hier nun soviel als Zitat: „Als Yamaha zu Anfang der Achtziger die Frequenzmodulation (FM) entwickelte und mit dem DX7 einen Riesenerfolg hatte, zog Casio mit einem ebenfalls vollständig neuen Klangerzeugungsprinzip nach: der Phase Distortion (PD). Beide Synthesearten arbeiten rein digital, kommen ohne Filter aus und weisen Parallelen auf, […] Bei der Entwicklung wirkten Isao Tomita und Yukihiro Takahashi von Yellow Magic Orchestra mit.“
Die Klangerzeugung besteht erst einmal nur aus zwei identischen Oszillatoren. Deren Tonhöhe folgt einer von mehreren Quellen, neben der Noteneingabe über einer (MIDI-) Klaviatur auch über Sample & Hold oder auch frei schwingend, wobei die Tonhöhe dann über den Fine-Tuning-Parameter und die Oktavenlage bestimmt wird. Über den Fine-Parameter kann die Tonhöhe um +/- 700 Hz angepasst werden, wobei die Oszis im Freischwingmodus bis auf 0,5 Hz herunterkommen. Cool wäre es noch gewesen, wenn auch negative Hz-Werte, die ab Oktavenlage 0 sehr wohl einstellbar sind, auch verarbeitet würden, um Perioden länger als 1 Sekunde zu generieren.
An Schwingungsformen gibt es entsprechend der FM/PD-Syntheseart nur Sinus.
Der Regler mit den Schwingungsformen Sägezahn, Rechteck, Nadelimpuls, Resonance, Sync und Noise zeigt entsprechend das Ziel an, wohin der Sinus mit der Brightness-Kontrolle stufenlos übergeblendet werden kann. Brightness addiert dem Sinus nämlich so lange Sinus-Obertöne hinzu, bis daraus z. B. ein Rechteck wird.
Als Hüllkurven gibt es einfache ASR-Ausführungen für jeden Oszillator, wobei Attack hier mit „Rise“ bezeichnet wird und Release mit „Fall“. Außerdem ist der Sustain-Teil kein Regler, sondern kann nur zugeschaltet werden kann. Im Gegenzug für diese Einfachheit, lässt sich die Hüllkurve loopen und mit einer von acht Quellen auslösen. Die Trigger EOC und EOR bedeuten dabei „End of Cycle“ und „End of Release“, d. h. die Hüllkurve löst sich als eigener LFO selbst aus. Zudem gibt es noch die Optionen LFO1, Teiler, Wahrscheinlichkeit und Logik. Die letzen drei werden über das Utility-Modul gesteuert, dazu später mehr.
In der zentralen X-MOD-Sektion lassen sich die verschiedenen Arten von Cross-Modulation (Frequenz-, Puls-, Amplituden- und Ringmodulation) sowie Intensität und Verstimmungsgrad der Oszis zueinander einstellen.
Die Verstärkersektion bietet getrennte Lautstärke- und Panoramaeinstellungen für jeden Oszi und auch verschiedene Quellen der Verstärkerhüllkurve. Das können eine oder beide Hüllkurven sein oder für den linken und rechten Kanal je eine. Beim Gate fallen die Rise- und Fall-Zeiten weg.
Die zwei unabhängigen LFOs mit den vier subtraktiven Grundschwingungsformen sowie Sample & Hold schließen die Klangformung ab. Die LFOs können entweder BPM-synchron oder freischwingend sein, laufen dann aber nur bis 10 Hz. Das doch etwas arg wenig.
Das On-Screen-Keyboard verfügt über etliche Einstellmöglichkeiten wie Extraregler für Slide, Glide und Anschlagsstärke und verschiedene Layouts und Tonarten. Diese können über den Quantizer auch selbst erzeugt werden, stehen aber nur für die Modi „String“ und „Scale“ zur Verfügung. Auch die Tastengröße und der Klaviaturausschnitt lässt sich festlegen. Da Shockwave MPE-fähig ist, wie auch schon der Volt-Synthesizer vor ihm, ist man für fortgeschrittenes Tastenspiel nicht auf die interne Klaviatur angewiesen.
Doch Shockwave bietet noch mehr Möglichkeiten zur Notenerzeugung, was uns zum Note Generator, den Utility-Modulen und dem Sequencer bringt. Diese Seite lässt sich über die Tasten I und II in der Kopfleiste oder über ein Zwei-Finger-Wischen erreichen.
Das Utility-Modul stellt vier Werkzeuge zur Notensteuerung zur Verfügung. Zuerst wäre hier das Divide-Modul. Die Auswahl der Auslösequellen umfasst die Tastatur, die Hüllkurven und Sequencer, LFO1, Wahrscheinlichkeit oder Teiler. Des Weiteren wird hier bestimmt, wie viele Trigger-Vorkommnisse notwendig sind, um die nächste Note auszugeben.
Dem folgt das Chancenmodul mit derselben Triggerauswahl, nur dass hier der Divider statt der Wahrscheinlichkeit mit dabei ist. Der Wahrscheinlichkeitsfaktor ist zwischen 0 und 1 einstellbar.
Im Sample & Hold-Modul wird wieder zuerst Quelle des Triggers eingestellt, wie die Klaviatur, beide Sequencer sowie Divider, Wahrscheinlichkeit (Chance) und Logik. Die ausgelesenen und gehaltenen Quellwerte stammen von der Klaviatur oder den Sequenzen.
Das letzte Utility ist das Logik-Modul, das zwei Quellen (Key, SEQ1/2, Div, Prob) miteinander per logischem UND, ODER und EXKLUSIV-ODER verknüpft.
Die beiden Sequencer sind identisch aufgebaut mit je eigenen Clock-Teilern zwischen 1 und 16 und Schrittanzahlen zwischen 1 bis 8. Die zwei Sequencer können parallel als 2×8 Step laufen oder sequentiell als 1×16 Step. Die gemeinsame Clock-Rate folgt dabei den musikalischen Maßen von 4 Takten bis 1/32 Note sowie der gleichen Grundnote.
Die Notenhöhe der einzelnen Steps können in einem Notenumfang von einer Oktave eingestellt oder mit OFF abgeschaltet werden. Die effektive Notenhöhe wird dabei von der Oktavenlage der Oszillatoren festgelegt.
Die ganzen Komponenten laufen nun im Generator zusammen. Hier wird mit Trigger-Quelle (Clock, ENV1/2, LFO1, DIV, PROB) eingestellt, wann eine Note ausgelöst wird. Die Notenquelle kann von der Klaviatur, den beiden Sequencern, Hüllkurven und LFO1 herrühren.
Der Regler SHIFT SRC bietet für die Transponierung der Notenquelle zusätzliche Möglichkeiten, wie die Sequencer und das S&H. Für eine Transponierung der Notenquelle über die Klaviatur muss explizit der TRANSPose-Taster aktiviert werden.
Damit allein sind die Klangformungsmöglichkeiten schon sehr umfangreich, doch das wird noch mal getoppt, denn nahezu jeder Regler lässt sich mit 11 Parametern modulieren. Die Modulationsquellen umfassen die beide LFOs, Hüllkurven und Sequenzen, Oszillatoren sowie MIDI-Velocity, -Pressure, -Modwheel und Slide. Leider gehört der Lautstärkeregler nicht zu den Modulationszielen, ebenso wie auch LFO2 nicht als weitere Quelle für die Utility-Module zur Verfügung steht, sondern nur LFO1. Vielleicht fügen Numercial Audio das noch in einem Update dazu.
Um einen Parameter einer Modulierung zuzuweisen, muss dieser einfach gehalten oder mit dem ROUTE-Taster der Zuweisungsmodus aktiviert werden. Die Zuweisungen lassen sich auch auf der MOD-Seite übersichtlich einsehen, ändern und löschen. Als zusätzlichen Überblick kann mit dem X-Ray-Schalter die animierte Parametermodulation in der Hauptansicht eingeblendet werden und als ob das noch nicht genug wäre, lassen auch alle Regler, bis auf die Sequencer, MIDI-fizieren.
Shockwave kann aber MIDI-Befehle ausgeben, um einen anderen Synthesizer etc. anzusteuern.
Klanglich wird das ganze Paket abgerundet mit einem hochwertigen Delay- Reverb-Effekten, wie sie beide schon in Kai Aras ersten Apps RP-1 und RF-1 beeindruckten und wem die Ideen für Klänge ausgehen, kann auf den umfangreichen Randomizer zurückgreifen.
Was den Leistungshunger von Shockwave angeht, so zieht er auf meinem 2015er iPad Pro mit A9X eine Leistung von 30% bei einer Instanz. Aber der 4. Instanz steigt der CPU-Verbrauch dann auf 38%. Das ist nicht wenig, aber der Klang macht es wieder gut. Die Audioqualität von Shockwave ist entgegen seinem Namen sehr angenehm weich und rund, ohne dabei etwas an digitalem Druck und Klarheit einzubüßen. Bässe, Leads und Soundeffekte sind dabei wohl die Hauptdomäne von Shockwave. Für gute Pads fehlt es dann aber doch an der Mehrstimmigkeit und Vielschichtigkeit.
Mir wird im AppStore 10,99 angezeigt
@Tai Hallo gaffer,
ich hab den Test vor ca. 10. eingepflegt. Möglich, dass der niedrigere Preis einen Sale oder eine Korrektur darstellt.
Mit den kommenden Updates werden auch meine Kritikpunkte behoben werden.
M. :)
@Tai War wohl ein Neujahrs-Sale. Jetzt ist der Preis wieder 22€.
So ein klein wenig bin ich jetzt schon neidisch auf die iPad-Besitzer. Ich würde mir den Synth sofort kaufen, wenn es ihn denn als VST gäbe. Da würde ich auch 40 oder 50 EUR zahlen und nicht nur die lächerlichen EUR 21,99. Schade, dass das wohl nie der Fall sein wird.
Vielleicht noch als Info: Ich bin weder Apple-Hasser noch Apple-Fanboy. Ich sehe eindeutig die Vorteile eines Apple-Macs oder eines iPhones gegenüber Standard-PCs oder Android-Smartphone. Nur komme ich persönlich mit meinem PC eben bestens aus und sehe nicht, warum ich unbedingt das 2,5fache an Geld zahlen soll.
@Flowwater Hallo Henrik,
Keine Sorge, über Geschmack und Vorlieben lässt sich nicht streiten und Kritik ist, solange sie mit dem Thema zu tun hat, immer gerne gesehen. :)
Und entweder beißt man halt in den (sauren) Apfel oder nicht, dass muss jeder selbst entscheiden.
Dass Shockwave auf Desktop umgesetzt wird ist aber gar nicht mal soooo unwahrscheinlich. Kai hat schon einige seiner iOS-Apps als Desktop-Plugins umgesetzt. Aber als 1 bis 2 -Mann-Show geht sowas halt nicht von heute auf morgen.
Grüße,
M.
@Markus Schroeder Hallo Markus,
vielen Dank für die Info. Mein Kommentar ist ein vorsichtiger Hinweis darauf, dass es auch Leute gibt, die nicht mit dem iPad musizieren. Wobei sich bei einer 1 bis 2 Mann Show auch die Frage des Kopierschutzes stellt, der beim iPad und dem Kauf über den AppStore bei Apple wohl so einigermaßen gegeben ist.
Amazona.de wird ja sicherlich berichten, sollte es den Synth auch mal mit VST-Schnittstelle geben. Wie gesagt: Ich wäre sofort bereit, das Doppelte zu zahlen. :)
Nebenbei bemerkt: Hat der Kollege keine Website?
Viele Grüße,
Henrik
@Flowwater Die Homepage von iOS-Apps ist immer über die App-Store unter den Punkten
„Website des Entwicklers“ und „App-Support“ verlinkt. Wegen dem iOS-Ökosystem ist es daher meistens nicht notwendig eine explizite Webseite anzugeben. Hätte man in diesem Falle aber machen können.
Aber hier die Website von Kai Aras:
numericalaudio.com
@Markus Schroeder Ah, alles klar. Jetzt habe ich’s im AppStore auch gesehen. Trotzdem lieben Danke für den Link! :-)
@Flowwater @Henrik Fisch Es gibt Optionen, die nicht so abartige Löcher ins Portemonnaie reissen. iPad (Basisversion von 2019) gibts für knapp 300. Aber die Vorteile wie iPad einfach per Kabel an den Rechner anschliessen und wie einen externen Synth in Logic spielen, gibts nur unter macOS. Ich habe relativ viele Apps gekauft. Der Preisunterschied zur AU oder VST Version auf dem Desktop alleine hätte schon ein iPad finanziert. Und oft sind die Apps identisch, denke da an SugarBytes oder KORG.
@Tai Hm, hmm, hmmm, hmmmm … Du bringst mich ins Grübeln! :-)
@Flowwater Hey Hendrick, wo Du Apple ansprichst, gibts was dazu zu sagen:
Der Handel sagt, Apple Rechner sind Business Geräte.
Also für Grafiker, Musiker, oder Fotografen,
die mit dem Gerät Ihr Geld verdienen.
PC ist Consumer, also eher für Konsumenten von Medien usw.
Natürlich gibt es Berufsmäßig Leute, die einen PC nutzen
und Konsumenten, die, einfach weil sie es können, einen Mac kaufen.
Muss man auch nicht kritisieren.
(Phones und Tablets mal außen vor)
Wie gesagt, das sagt der Handel.
@Coin Hallo Coin,
danke für den Hinweis. Ich habe da eine etwas andere Einschätzung, als die, die der »Handel« so von sich gibt. Die entstand daraus, dass ich seit ca. 20 Jahren Software-Entwickler bin. Beim Apple Macintosh komme ich einfach nicht umhin zu bemerken, dass das zugrunde liegende Betriebssystem Unix ist. An das kommt man auch heran; Apple schottet das also nicht ab. Unix bringt wiederum einen ganzen Haufen Standard-Tools für Entwickler mit, von denen Windows nur träumt (wobei allerdings die »PowerShell« auch schon echt so einiges drauf hat). Aber da ich mich ganz gut mit Linux auskenne (schon beruflich bedingt), ist das Mac-System nicht gar so weit entfernt.
Beim iPhone sehe ich einfach, welche genialen Ideen Apple da in den Ring geworfen hat (und immer noch wirft) und wie sagenhaft schlecht das andere versuchen nachzumachen. Und die Geräte werden noch sehr lange mit Updates versorgt, wovon sich selbst Samsung mit ihren »Galaxy«-Geräten eine Scheibe abschneiden kann.
Für mich im Moment benötige ich das zwar nicht. Aber wenn ich es brauchen würde, wäre Apple die erste Wahl. :-)
@Flowwater Moin Hendrik, Sorry für das Offtopic. Nur eins noch.
Der Grund war, ich hatte bei einem Händler nachgefragt,
ob es die geilen Firewire Controller auch für PC gibt.
Nein sagten die, sowas gutes hat nur Apple.
Mit der Business / Consumer Erklärung.
(Lass das mal 10 Jahre her sein)
Ich fänds auch sehr geil, wenn Samsung da mal hinkommt,
wo Apple ist, was Musikapps angeht.
Die sind imho schon ziemlich genial.