Einsteiger-Paket für Anspruchsvolle
Das Pittsburgh Modular Foundation 3.1+ ist das größte angebotene System des amerikanischen Modulherstellers und im Gegensatz zu dem System 10.1 und den bald erscheinenden Lifeforms-Systemen basiert es nicht auf einer festverdrahteten Synthesizerstimme mit aufbrechbaren Verbindungen, sondern ist vollmodular. Im Endeffekt heißt das, dass jeder Sound gepatcht werden muss, aber auch dass man die einzelnen Module verschieben oder austauschen kann. Gerade die hier getestete Plus-Version mit ihren 104 TE Platz zum Erweitern dürfte deswegen für Anwender interessant sein, die planen, in die Tiefen des Modularwahns einzutauchen.
What’s in the box?
Das Foundation 3.1+ System wird im schicken hölzernen Move 208-Case geliefert, das sich dank Gummifüßen liegend auf dem Tisch aufstellen lässt. Mit zum Lieferumfang gehören das Netzteil, das erfreulicherweise nicht als Wandwarze ausgeführt ist, 18 gewebte Patchkabel der Firma Nazca sowie ein kleines auf die Raumfahrt bezogenes Geschenk, das Pittsburgh zu all seinen Modulen als nette Dreingabe dazulegt. Ein gedrucktes Handbuch ist nicht dabei, jedoch auf der Website zu finden. Gerade für Modulareinsteiger ist das Handbuch sehr zu empfehlen, da nicht nur Grundsätzliches zu den verschiedenen Signalen im Modularsystem und den einzelnen Modulen erläutert wird, sondern auch gleich eine Reihe an Patchbeispielen zu finden sind.
Die Zusammenstellung der Module ergibt an sich eine vollwertige Synthesizerstimme mit MIDI-Ansteuerung, wobei das System auch für duophones Spiel ausgelegt ist.
Hierfür ist das MIDI 3-Modul ausschlaggebend. Es bietet drei Performance Modi: monophon, duophon und einen Arpeggiator, wobei es für diese Modi auch einige Einstellmöglichkeiten gibt. So kann z.B. der Arpeggiator die gleiche Tonhöhenspannung an beiden CV-Ausgängen ausgeben, wobei an Gate-Ausgang 2 zufällige Gates ausgegeben werden. Das ist ein cleverer Trick, um Sequenzen nicht allzu starr wirken zu lassen.
Die beiden Waveforms-Oszillatoren bieten im Grunde alles, was man von einem Oszillator erwartet, gehen tief bis in den LFO-Bereich (0,14 Hz) und weisen außerdem Besonderheiten wie eine „Blade“ genannte Schwingungsform mit vielfältigen Modulationsmöglichkeiten und einen Suboszillator auf, der auf Pulsbreitenmodulation reagiert und sich so per CV ein- und ausschalten lässt.
Das LFO 2-Modul ist ein simpler Doppel-LFO, der bis in den Audiobereich reichen kann, das Toolbox-Modul vereint die nützlichen Werkzeuge Slew-Limiter, Noise, Sample & Hold und einen Spannungsinvertierer.
Es stehen zwei Mixer zur Verfügung, deren Kanäle sich als einzelne Abschwächer benutzen lassen, wobei einer der Mixer zwei Multiples zur Verfügung stellt. Auf den ersten Blick mag man sich fragen, wozu man zwei Mixer braucht, stellt aber in der Praxis oft fest, dass man einen für Audiosignale und den anderen für das Mischen von CVs nutzt.
Es stehen zwei Filter zur Verfügung: „LPG“, eine Mischung aus Low Pass Gate und Sallen-Key-Filter, wie es z.B. im Korg MS-20 zu finden ist und „Filter“, ein 12dB/Oktave state-variable Filter, das sich per Schalter zur Eigenschwingung bringen lässt.
Die beiden als „Envelope“ betitelten Module bieten doch einiges mehr als der Name erahnen lässt. Sie lassen sich, nach Vorbild des Serge Dual Universal Slope Generators als AD-Hüllkurven, ASR-Hüllkurven, LFOs und Slew-Limiter mit unabhängigen Zeiten für Anstiegs- und Abfallzeit betreiben. Die Attack- und Decay/Release-Kurven lassen sich zwischen logarithmischer und exponentieller Kennlinie überblenden.
Der Dual VCA ist, man mag es kaum glauben, ein dualer VCA. Besonders an ihm ist allerdings die Mischfunktion sowie die Tatsache, dass CV1 auf CV2 normalisiert ist, wenn in CV1 kein Kabel steckt.
Zuletzt gibt es noch ein Outputmodul, das sich sowohl in Mono als auch in Stereo betreiben lässt und einen Kopfhörerausgang aufweist, um die Nachbarn nicht um 3 Uhr morgens mit Harsh-Noise-Experimenten zu beglücken.
Anwendung
Auffällig ist, dass Pittsburgh Modular im Vergleich zu früheren Modulen die Optik etwas verändert hat. Auf die Oldschool-Beschriftungsgerät-Schriftart wurde, zumindest was die Parameter angeht, zugunsten eines aufgeräumteren Erscheinungsbilds verzichtet. Auch war z.B. im alten Oszillator-Modell eine Buchse direkt unter dem sehr großen Knopf angebracht, was die Bedienung erschwerte. Manchmal kann eine gute Optik eben hinderlich für die Bedienung sein. Schön, dass Pittsburgh in der Hinsicht dazugelernt hat.
Leider lässt sich das nicht von den mitgelieferten Kabel behaupten. Sie mögen zwar sehr edel daherkommen, sind aber eigentlich zu dick und daher etwas störend. Das ist zwar noch in Ordnung, solange die Hälfte des Cases leer ist und die Kabel im Niemandsland baumeln, wird aber doch eher frustrierend, wenn man dadurch schwerer an die Knöpfe kommt. Eurorack ist eben das kleinste Format im Modularsynthbereich. Zumal kommt dazu, dass 18 Kabel bei weitem nicht ausreichend sind, sobald ein Patch etwas komplexer wird. Man sollte also auf jeden Fall 10-20 Kabel dazukaufen, wenn man sich das Foundation 3.1 holt. Auch was die Multiples angeht, bin ich während der Testphase regelmäßig an die Grenzen gekommen und musste mich mit TipTop Audio Stackables behelfen.
Grundsätzlich ist die Funktionsvielfalt der Module hervorzuheben. So ziemlich jedes Modul kann je nach Bedarf unterschiedliche Rollen in einem Patch ausfüllen. Das macht das System sehr flexibel und vor allem sehr kurzweilig, da jedes Modul zu ungewöhnlichen Patchideen inspirieren kann. Mal benutzt man die Envelope als spannungsgesteuerten Slew-Generator, mal eins der Filter als Oszillator (gut für Bassdrums!), mal das LPG als Audio-VCA, dafür die zwei anderen VCAs für CVs etc.
Schade in dieser Hinsicht ist, dass das LFO-Modul sich nicht resetten und die Frequenz nicht spannungesteuern lässt. Klar kann man dafür einen der Oszillatoren oder eine Envelope nehmen, wenn man sich allerdings schon einen 2-Oszillator-Patch unter der Benutzung der beiden Envelopes gebaut hat, wird eben genau das vermisst. In einem System, in dem die Funktionsvielfalt so groß ist, fällt der doch sehr begrenzt einsetzbare LFO leider aus dem Rahmen. Zum Glück ist es ja ein Modularsystem und es steht jedem frei, den LFO auszutauschen oder durch ein anderes zu ergänzen. Die 381- Euro, die man sich spart, wenn man das Komplettsystem statt der Einzelkomponenten kauft (Kabel nicht mit eingerechnet), lassen sich da sehr praktisch wieder investieren.
Wie klingt es denn nun?
Analog zur Funktionsvielfalt bietet das System auch eine große Klangvielfalt. Von klassischer subtraktiver Synthese über typische Westcoast Oszillator-FM-Low Pass Gate Patches bis hin zu Drum- und Effektsounds lässt sich eine große Klangpalette abdecken. Die Oszillatoren bieten genug Modulationsmöglichkeiten, um einiges an Klangexperimenten zu verwirklichen, und die Blade Schwingungsform mit dazugehörigen Verbiegeoptionen kann auch das ein oder andere bisher nicht Gehörte an den Tag bringen.
Die beiden Filter unterscheiden sich mehr als ausreichend voneinander, um das Zusammenleben in einem Case zu rechtfertigen. Das LPG beherrscht das typische Weichmachen im Low Pass Gate-Modus bis hin zum MS-20-artigen Brüllen bei hoher Resonanz im Filter-Modus. Im Vergleich zu anderen mir bekannten Low Pass Gates reagiert er allerdings ziemlich schnell, so dass es nicht ausreicht, einen kurzen Trigger in den Frequency-CV Eingang oder dem Ping Input zu stecken, um das klassische LPG-Nachklingen zu erzeugen. Für mein Klangbeispiel habe ich sowohl eine etwas längere Hüllkurve in den Frequenzeingang, als auch einen Trigger aus der gleichen Envelope in den Ping-Input gepatcht. Dafür kann zum einen die Frequenz bis in den (tiefen) Audiobereich moduliert werden, zum anderen schließt das LPG richtig, im Gegensatz zu anderen Low Pass Gates, die immer ein bisschen Signal durchlassen.
Das state-variable-Filter klingt im normalen Modus phänomenal cremig und musikalisch. Es erinnert mich stark an das Filter im SEM. Hin und wieder musste ich aufgrund des tiefen Klangbilds prüfen, ob nicht doch irgendwo ein Delay oder Hall im Signalweg liegt. Man hört dies ganz gut im Notch-Filter Beispiel. Im Oszillator-Modus kann man von einem sauberen Sinus bis hin zu einer schmutzigeren sägezahnartigen Schwingungsform erzeugen, richtig interessant wird es aber, wenn man ein Signal in den Audioeingang steckt. Das Resultat ist ungewohnt und hat nichts mit Filterung zu tun, sondern eher mit Verzerrung des eingehenden Signals. Leider trackt das Filter nicht 1V/Okt im Oszillator-Modus, lässt sich also nicht tonal spielen. Alles in allem aber ein richtig gut klingendes Filter mit einigem unentdeckten Klangpotential.
Ich habe von Pittsburgh „nur“ den Synthblock 1, aber der Sound ist einfach Brachial gut! Ich liebe die Sachen von denen!!! :-)
@GEM-D Ist der Klang einer Synthbox bzw. eines Synthblock vergleichbar mit dem des getesteten Systems? Nicht im Detail aber von der Grundsubstanz her? Dann werde ich evtl. mein Modularsystem, das bis dato fast ausschließlich aus Doepfermodulen besteht, mal um so ein erschwingliches Pittsburgh-Teil erweitern.
Die Klangbeispiele gefallen mir ausgesprochen gut.
@gutzufuss ich finde die klingen gleich.
Vielleicht gibt es ja auf der Pittsburgh Webseite auch ein paar Soundbeispiele…?!
Würde ich mal checken.
@GEM-D Hier ist der Synthesizer Box
http://pittsburghmodular.com/synthesizer-box/
Meiner hiess noch Synth Block. Das war die alte Version mit weniger Funktionen.
@GEM-D Danke für deinen Kommentar. Dann hole ich mir in absehbarer Zeit wohl mal einen Pittsburgher ins Haus.
schöner testbericht mit anschaulichen(?) klangbeispielen. das macht alles tatsächlich lust auf mehr…wenns nicht so schweineteuer wäre – und das ist jetzt nicht als kritik zu sehen, der preis ist sicherlich gerechtfertigt, eher als frust an der ungerechten verteilung auf dieser welt…
2 dinge noch: woher kommt eigentlich diese abscheu gegenüber vollständigen hüllkurven? ist es in gewissen kreisen ( das problem tritt ja auch bei einigen fest verdrahteten zutage ) uncool, eine adsr zu verbauen? und wo ist das foto von dem goodie? ;)
@dilux Ich denke, der Grund dafür ist, dass viele der neueren Modularuser ihr System nicht per Keyboard ansteuern, wo die Länge des Gates wichtig ist. Wenn man mit Triggersignalen arbeitet ist kriegt man nicht den kompletten Verlauf einer ADSR hin: Der Trigger ist so kurz, dass man z.B. keine langen Attackzeiten einstellen kann. Außerdem haben sie Serge-DUSG-artigen Hüllkurven ja auch noch andere Funktionen wie Slew, etc. Aber ja, ich habe mir auch hin und wieder eine ADSR während des Tests gewünscht. Das wäre (neben einem LFO) eins der ersten Sachen, die ich da ergänzen/tauschen würde.
Schöner Test, mit guten Klangbeispielen. Danke dafür.
Ergänzen möchte ich noch, daß das Filter nicht nur state variable ist, sondern auch „normale“ LP, BP, HP Modi bietet.
Wer nicht soviel Geld ausgeben möchte, hier noch der Hinweis, dass es bei einem der größeren Händler zumindest im Versand noch das Vorgängersystem Foundation 3 gibt. Hat ein kleineres Case, also keine leeren Plätze mehr und ein einfacheres MIDI-CV Modul, sonst identisch. Kostet aber über 1000€ weniger als der hier vorgestellte 3.1+.
Ich habe meinen, aufgrund einer zu vernächlässigenden Macke im Gehäuse sogar für 1570€ bekommen. Da musste ich zugreifen – und bereue es nicht!
Im Verbund mit dem Dominion 1 ein Riesenspass.
Für etwas „breitere“ Finger, könnte der Abstand zwischen den Potis größer sein, aber aufgrund der vielen Funktionen der einzelnen Module (vom simpelLFO mal abgesehen) nicht anders machbar.
Anzumerken ist noch, das zumindest bei meinem Gerät die Kalibrierung der Oszillatoren mit 1V/Oktave nicht ganz genau ist, Sounds über mehrere Oktaven verstimmen sich zusehends. Könnte man wohl nachkalibrieren, aber ich habe mich noch nicht getraut da mit Werkzeug ranzugehen, da ich ein echter Grobmotoriker bin.
Grüße
@Pepper Das mit der 1V/Okt-Kalibrierung kann ich auch bestätigen, siehe meinen Test zum Oszillator.