High-Gain-Distortion-Pedal nach schwedischem Vorbild!
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Eins muss man dem vom aktiven Musiker zum Influencer konvertierten Ola Englund lassen, es vergeht gefühlt kein Monat, bei dem kein neues Solar Produkt auf dem Markt erscheint. Als Geschäftsführer der Firma Chug Express SL, welche ihren Sitz in Spanien hat und in der die Firma Solar Guitars aufgegangen ist, setzt Ola Englund neben seinen ebenfalls gefühlt täglichen Werbevideos auf eine konsequente Erweiterung des Portfolios, welches nun auch erstmals über die Entwicklung von Saiteninstrumenten hinaus gegangen ist. Zum Test liegt uns nun das High-Gain-Pedal Solar Guitars Chug vor, welches laut Werbebotschaft den High-Gain-Kanal eines Amps übernehmen soll.
Das Konzept des Solar Guitars Chug
Wie es sich für einen echten Influencer gehört, braucht auch Ola Englund einen markigen Spruch, welcher zu seinem Markenzeichen werden sollte. „Will it chug?“ – „Wird es tuckern?“ ist ein launiges Alleinstellungsmerkmal, mit dem O. E. verschiedene Gitarre-, Pedal-, Amp-, Cabinet-, Speaker-, und Mikrofon-Konstellationen in seinen Videos auf ihre klanglichen Fähigkeiten hin überprüft. So gesehen ist die Namensgebung des Pedals eine konsequente Fortführung seiner Wortschöpfung und Marketing-technisch ein sehr gelungener Schachzug.
Das Pedal an sich macht bereits in der beigefügten Beschreibung des Herstellers keinen Hehl aus seinem Einsatzgebiet. Die Konzeption zielt darauf ab, einen bereits bestehenden Amp um einen weiteren High-Gain-Kanal zu ergänzen, indem man den Solar Guitars Chug vor dem cleanen Kanal zum Einsatz bringt, oder aber man verwendet das Pedal als eigenständigen Preamp und versucht mittels einer Endstufen-, Cabinet- oder Speaker-Simulationslösung einen guten Sound zu erreichen.
Dabei bedient sich das Pedal einer umfangreichen 5-Band-Klangregelung mit separater Gain-Einspeisung der Höhen oder Bässe und eines intern verbauten Noise-Gate, welches dem zwangsweise erzeugten Rauschanteil Einhalt gebieten soll.
Die Konstruktion des Solar Guitars Chug
Das Solar Guitars Chug Pedal kommt in einer massiven Metallausführung daher, wobei vier versenkt angebrachte Inbusschrauben die obere Frontplatte auf der unteren Metallwanne fixieren. Das Pedal begnügt sich mit 100 mA Leistungsaufnahme und sollte daher mit nahezu jedem 9 V DC Netzteil zu betreiben sein. Ein Netzteil wird nicht mitgeliefert, der Batteriebetrieb ist nicht vorgesehen. Um das Pedal auch ohne Pedalboard betreiben zu können, liegen dem Pedal vier aufklebbare Gummifüße bei.
Dem Pedal liegt ein einfaches, viersprachiges Handbuch bei, bei dem Kollege Übersetzungsprogramm mit eckigen und nicht gerade praxisnahen Hauruck-Übersetzungen den englischen Originaltext ins Spanische, Französische und Deutsche übers Knie bricht. Vielleicht sollte man doch einmal einen Native-Speaker der lokalen Musikszene drüberschauen lassen und den an sich schon richtigen Text in eine musikerkompatible Ausführung übersetzen lassen. Die Außendarstellung freut sich.
Um die auftretenden Kabelverlängerungen zu egalisieren, verfügt das Solar Guitars Chug Pedal über einen gebufferten Bypass, welcher sich meines Erachtens gerade im High-Gain-Bereich als die sinnvollere Entscheidung entpuppt. Der „heilige Gral“ des True-Bypass mag im Blues-Bereich durch die Höhenbedämpfung ab 6 m Gesamtkabellänge und mehr noch seinen Sinn ergeben, aber im Normallfall möchte der Gitarrist möglichst wenig Höhen im Bypass-Betrieb verlieren. Wer auf ein nachgeschaltetes Buffer-Pedal verzichten möchte, hat mit einem Buffered-Bypass die Möglichkeit dazu. Achtung, immer darauf achten, in welcher Reihenfolge sich die Pedale auf dem Board befinden.
Für die Regelung aller Parameter stehen auf dem Solar Guitars Chug Pedal insgesamt 6 Doppelachsen-Potentiometer zur Verfügung, wobei jedoch bei zwei Regelbereichen (Middle und Gain) die beiden Achsen zu einem Regler zusammengefasst wurden. So kann man in der oberen Reihe zwischen fünf Frequenzbereichen (Depth, Bass, Middle, Treble, Presence) wählen, während der untere Bereich die Ausgangslautstärke, den Threshold des Noise-Gates, den Gain-Grad und die beiden Pegelsteuerungen für den Tief-, respektive Hochfrequenzbereich übernimmt.
Eine rot-grüne Kombinations-LED zeigt dabei zusätzlich optisch an, ob das Noise-Gate abhängig von der Threshold-Einstellung das anliegende Signal blockiert (rot) oder passieren lässt (grün). Leider hat insbesondere die grüne LED das Problem, dass man bereits bei etwas stärkerer Lichteinstrahlung nicht mehr erkennen kann, ob das Pedal eingeschaltet wurde oder nicht. Dies kann insbesondere bei Open-Airs im Tageslicht zu Problemen führen.
Das Verbauen eines Noise-Gates innerhalb eines High-Gain-Verzerrers ist meines Erachtens eine sehr sinnvolle Einrichtung, kommt man doch nicht umhin, ein separates Noise-Gate-Pedal zu erwerben, sofern man in der Spielpause nicht umgehend das Verzerrer-Pedal deaktivieren will. Merke, wenn auch das Zudrehen des Volume-Reglers der Gitarre nicht den gewünschten Effekt bringt, muss ein Noise-Gate in den Signalweg. Wer dann einmal versucht hat, den optimalen Threshold bei Verwendung des Volume-Reglers der Gitarre zu finden, weiß, wovon ich rede. Für einfaches An/Aus-Metal-Gekloppe ist dies allerdings nicht von Belang, hier läuft man lediglich Gefahr, dass ein ausklingender Akkord bei zu harter Einstellung abgewürgt wird.
Das Solar Guitars Chug Pedal in der Praxis
Bei aller Flexibilität der umfangreichen Klangregelung, in Sachen Praxistauglichkeit bieten die Doppelpotis gleich zweimal Anlass zur Kritik. Zum einen kann man die Reglerstellung „schwarze Punkte auf schwarzem Untergrund“ nur erkennen, wenn man das Pedal gegen das Licht dreht und sich anhand der Reflexionen der Vertiefungen ein ungefähres Bild macht. Nachregeln auf der Bühne? Nur nach Gehör!
Des Weiteren haben die Doppelpotis die unangenehme Eigenschaft, dass, wenn man zum Beispiel das innerenPoti bewegt, man das äußere Poti gleich mit verdreht und zwar ohne dass man es berührt. Das Gleiche gilt auch anders herum, äußeres Poti bewegt, inneres Poti mit verstellt. Das heißt im Klartext, man kann ein Poti der Doppelpotis nur separat verstellen, indem man die Achse des anderen Potis festhält. Eine Fummelarbeit sondergleichen. Vielleicht sind auch nur ein paar Befestigungsschrauben zu eng angezogen, aber ohne optische Kontrolle und garantierter Doppelaktion ist das Verwalten der Parameter wirklich absolut praxisfremd.
Interessant ist, dass das Solar Guitars Chug Pedal selbst bei voll aufgedrehtem Gain-Regler vergleichsweise wenig Nebengeräusche erzeugt. Das Noise-Gate hat so gesehen deutlich weniger zu tun, als bei verschiedenen Konkurrenzprodukten. Davon abgesehen arbeitet es jedoch sehr geschmackvoll, regelt weich ab und hinterlässt einen sehr guten Eindruck.
Klanglich könnte man den Eindruck gewinnen, das Solar Guitars Chug Pedal verfüge über 2 Bass- und 3 Höhenregler. Der Mittenregler setzt frequenztechnisch sehr weit oben an und würde bei anderen Pedalen vielleicht sogar noch als Höhenregler mit durchgehen. Dafür bietet das Pedal mit dem Presence-Regler einen Frequenzbereich an, bei dem die Beschreibung „Kettensäge“ noch weit untertrieben wäre. Überhaupt ist das Solar Guitars Chug Pedal sehr höhenlastig. Bei allen beigefügten Klangbeispielen befanden sich sich Treble- und Presence-Regler zwischen 8 und 9 Uhr, also fast komplett zugedreht. Wer also das klassische, skandinavische Kettensägenmassakergekratze sucht, ist hier genau an der richtigen Adresse.
Als Basis für die Klangbeispiele habe ich meinen besten „Pedal-Amp“, den Sound City Master 100, verwendet, welcher als Grundeinstellung einen sehr neutralen, ganz leicht angezerrten Sound generierte. Als Gitarre kam eine LP Standard von 2014, als Cabinet ein Marshall 412er mit Celestion G12 75T und zwei Shure SM57 zum Einsatz.
Dass das Solar Guitars Chug Pedal ausschließlich für High-Gain ausgelegt ist, erkennt man bereits an der Tatsache, dass selbst bei komplett zugedrehtem Gain-Regler wir uns im Bezug auf die Gain-Struktur schon fast im Lead-Bereich befinden. Über den Out-Regler kann man den Amp sehr schön boosten, allerdings verhagelt einem der hohe Zerranteil die typische Booster-Charakteristik ein wenig. Aber für diesen Bereich wurde das Pedal auch nicht geschaffen.
Generell „beißt“ das Pedal sehr stark im Grundsound, dessen Tendenz man aufgrund der starken Höhenausprägung auch nie ganz entfernen kann. Im Gegenzug kann man mit dem Pedal jedoch dem muffigsten Amp eine massive Höhenspritze verpassen. So lässt zum Beispiel ein Einkanaler-Amp, dessen cleaner Sound bewusst weich und höhenarm eingestellt wurde, mit dem Solar Guitars Chug Pedal massiv aufblasen und zu einem unabhängigen zweiten Kanal aufbauen. Alles in allem ist das Solar Guitars Chug Pedal ein sehr flexibler Metal-Verzerrer, der meines Erachtens noch ein paar kleine Kinderkrankheiten aufweist, die man aber mit vergleichsweise wenig Aufwand in der MKII Ausführung beheben kann.
Was britzelt denn da bei den Beispielen 4&5? Das passt ja so gar nicht zu der Verzerrung 🤔. Übersteuert bei der Aufnahme?
@harrymudd Ja, stimmt, das klingt etwas seltsam …
Aber auch davon abgesehen finde ich die Verzerrung in den Klangbeispielen eher anstrengend und wenig harmonisch. Gefällt mir gar nicht.
@uelef Geschmackssache. Kann man sicherlich mal irgendwo gebrauchen…💀
@harrymudd Nein, die Aufnahme ist nicht übersteuert, die Grundausrichtung des Pedals ist wie beschrieben sehr „sharp“ ausgelegt.
Muss jeder selber entscheiden, ob er diesen Sound mag. Einem eher dumpf klingenden Amp kann man damit gut „auf die Beine helfen“, aber vielen Usern wird das Pedal wahrscheinlich zu „kratzig“ klingen.
@Axel Ritt Bist Du Dir da sicher? Das klingt wirklich als wäre da noch ein digitales Übersteuern überlagert. Sogar bei Beispiel 1 mit ausgeschaltetem Pedal ist so eine unharmonisches Kratzen zu hören.
@OscSync Ich höre das digitale Übersteuern auch, das hat definitiv nichts mit dem Pedal zu tun.
@Jeanne das Pedal hängt vor einem 100 Watt Head, der für max. Klangausbeute bei Volllast ganz leicht in der Sattigung hängt.
@Axel Ritt Ich glaube wir meinen nicht das Gleiche. Ich weiß ganz gut, wie ein gesättigter Amp klingt und reagiert, und den Teil kann ich in den Beispielen auch wahrnehmen. Aber da ist noch etwas, so ein Sirren und Britzeln, in Bsp 5 kann man es ziemlich deutlich hören.
@OscSync das ist kein „unharmonisches Kratzen“ sondern eine leichte Übersteuerung des Sound City bei hartem Anschlag.
@Axel Ritt Also…ich habe mir eben bei Solar die Soundfiles angehört und die haben kein Britzeln…🙄
@harrymudd Ich bin z. Zt. auf Südamerika Tournee, wenn ich wieder zurück bin, höre ich mir die Files einmal an.
VG aus Buenos Aires
@Axel Ritt Viel Spaß👍
Welcher Übersetzungsprogrammkollege hat denn „tuckern“ für „chug“ ausgeworfen? :P
@Jeanne Alle bis hinauf zu DeepL. 😎