Ebony or Ivory?
Kürzlich durfte ich den Prometheus, einen Equalizer im Pultec EQP-1A Stil, von Wes Audio testen und war sehr positiv überrascht. Der junge polnische Hersteller Wes Audio hat das bekannte API 500 Format aufgebohrt und daraus seine eigene ng500-Serie entwickelt. Dadurch ist es nun möglich, die analogen Series 500 Module des Unternehmens digital mit einem Plugin in der DAW zu steuern.
Neben dem erwähnten passiven EQ Prometheus und dem heute zu testenden Dione Bus Compressor ist mit dem Hyperion auch ein Stereo-4-Band parametrischer EQ, der einkanalige 1176-Stil Compressor Mimas und das Audiointerface und AD/DA Converter Calypso im ng500 Format erhältlich.
Überblick: das ng500 Format
Um die Module zu platzieren, bietet Wes Audio mit dem Titan ein eigenes Rack an, das 10 Slots bereithält. Dieses kann entweder über USB oder Ethernet mit dem Rechner verbunden werden und so die Software-Steuerung übernehmen. Natürlich können auch normale API 500 Module im Titan-Rack betrieben werden.
Auch für den entgegengesetzten Fall sind die ng500 Module gerüstet. Sollen sie in einem normalen API 500 Rack betrieben werden, bietet jede Wes Audio ng500 Einheit eine Mini-USB-Buchse, über die die Steuerung übernommen werden kann. Hier zeigt sich der Hersteller also offen und verzichtet auf ein proprietäres System. ng500 ist sogar als offenes System freigegeben, so dass auch andere Hersteller die Möglichkeiten nutzen können. Bisher scheint aber noch keine Firma auf den Zug aufgesprungen zu sein – schade.
Der SSL4000 Bus Compressor
Ganz offensichtlich hat sich Wes Audio von dem klassischen VCA-Kompressor aus den 80ern von Solid State Logic inspirieren lassen. So verbaut Wes Audio die so typischen THAT 2181 VCAs, das sogar in doppelter Ausführung. Zwei sitzen in der Signalkette, weitere zwei steuern den Sidechain-Regelverlauf.
Der Klassiker wird auch von SSL wieder angeboten und wurde HIER als 19“-Einheit erst kürzlich vom Kollegen Chris Pfeil besprochen. Diese Version schlägt mit ca. 3.500,- Euro zu Buche. Ebenso fertigt SSL ihren Klassiker auch für das API 500- und das hauseigene X-Rack-Format. Weitere Informationen dazu findet ihr ebenfalls in Chris‘ Test.
Unzählige Versionen des Geräts wurden im Laufe der Zeit schon angeboten, oft auch als DIY-Projekte oder in Kleinserie. In letzter Zeit machte Warm Audio mit seiner Interpretation von sich reden.
Auch als Software wird der Klassiker gern emuliert, hier bietet SSL selbst den Native Bus Compressor, Softube bietet für ihre Console 1 den lizenzierten Channelstrip SL 4000 E und auch die Großen des Geschäfts von Waves über UAD bis Native Instruments haben sich der Sache angenommen. Auch kleinere Hersteller, wie z. B. PSP Audioware, bieten ihre Version und selbst als Freeware/Donate-Version gibt es Angebote.
Dione – der Überblick
Überraschung beim Auspacken: Beim Dione Modul, das zwei Slots im Rack belegt, erstrahlt die Front nicht im üblichen Weiß, sondern kommt in schwarz und trägt als limitierte Sonderedition den Namenszusatz ECLIPSE. Weitere Veränderungen sind zunächst nicht ersichtlich.
So befindet sich ganz oben das typische VU-Meter, das von 0 – 20 dB die Kompression anzeigt. Darunter sitzen die stufenlosen Potis für THRESHOLD, MIX und MAKE UP. Ein weißer LED-Kranz zeigt die jeweilige Einstellung, dieser wird bei Bedienung heller und ist im Ruhezustand gedimmt. Statt des Kranzes lässt sich die Anzeige auch auf nur eine Status-LED reduzieren, die Umschaltung geschieht durch etwas längeres Drücken des Bypass-Buttons.
ATTACK und RELEASE sind darunter angeordnet. Attack bietet sechs Zugriffszeiten von 0,1 bis 30 ms, Release ist in fünf Stufen von 0,1 bis 1,2 Sekunden schaltbar und liefert zusätzlich eine programmabhängige Auto-Funktion.
Die Ratio wird mit einem Button in vier Stufen, 1,5:1, 2:1, 4:1 und 10:1 durchgeschaltet. Ebenso wird das interne Sidechain-Filter bedient, das neben 60, 90 und 150 Hz noch zwei nicht näher definierte Tilt-Einstellungen anbietet.
Zweifach schaltbar ist auch THD, die mit MED und HIGH 1 % bzw. 3 % harmonische Verzerrungen ins Signal einschleust. Über den Bypass-Druckschalter lässt sich der Kompressor aus dem Signalweg nehmen und mit A und B sind zwei verschiedene Einstellungen abrufbar und somit schnell verglichen.
Neben der Mini-USB-Buchse sitzen noch drei Status-LEDs. H-LINK zeigt die Verbindung mit dem Plugin an, DATA leuchtet bei der Zuspeisung eines Steuersignals über die USB-Leitung. H-SC signalisiert, dass der Kompressor über ein externes Signal aus der DAW getriggert wird.
Wie wir sehen, hat Wes Audio den Funktionsumfang des Klassikers deutlich erweitert. So ist die Möglichkeit der Parallelkompression im Original-Layout nicht vorgesehen, auch das interne Sidechain-Filter und die THD-Funktion sind Neuerungen. Und an die digitale Steuerung mit Aufzeichnung in der DAW war früher ebenfalls nicht zu denken.
Die Installation
Nachdem das Gerät im Rack sitzt, muss noch die Software auf den Rechner. Dies geschieht über einen Universal-Installer, der für alle ng500 Produkte der Firma gilt. Mit der Ausführung wird auch gleichzeitig die Firmware des Gerätes überprüft und ggf. aktualisiert. Beim Mac ist das simpel, hier wird direkt bei der Ausführung der Kompressor mit dem mitgelieferten USB-Kabel mit dem Rechner verbunden. Beim PC soll die Hardware erst ausgestöpselt bleiben, da hier erst ein entsprechender USB-Treiber installiert werden muss. Wenn alles soweit geklappt hat, steht nun eine beinahe 1:1 Kopie als Software zur Verfügung. Einige Unterschiede gibt es jedoch: So lässt die Software drei Presets zu und über den Eclipse-Knopf lassen sich die beiden Farbversionen auswählen.
Während mir bei der Hardware eigentlich die weiße Standardausführung besser gefällt, finde ich die schwarze Eclipse Version softwareseitig übersichtlicher.
Verwirrend ist, dass sich der Stereo Bus Compressor in der Software auch in einen M/S-Modus schalten lässt. Das scheint aber schlicht eine Übernahme aus den Stereo-EQs der Firma zu sein, die sich tatsächlich pro Kanal getrennt regeln lassen. Das funktioniert bei Dione nicht, das Gerät ist und bleibt ein Stereo-Kompressor, auch die Aufteilung in zwei Monogeräte geht nicht.
Die Praxis
Der originale SSL4000 Bus Compressor ist vor allem dafür berühmt, ohne großartige Färbung die Einzelspuren im Master kompakt zusammenzufügen. Auch im Drumbus wird er sehr gerne eingesetzt. Für diese beiden Anwendungen hat das Plugin auch schon ein paar Presets vorgesehen, wir starten aber bei der Default-Einstellung.
Im ersten Beispiel ist ein kleines Jazz-Ensemble zu hören, zunächst ohne den Bus Comp, dann mit einer recht dezenten Einstellung, die ca. 4 dB komprimiert.
Das macht Dione schon mal ganz prima, die einzelnen Instrumente spielen wie aus einem Guss und rücken gemeinsam nach vorn, das Klangbild wird durchsichtiger.
Dasselbe Spiel nun mit einer Bluesband. Als Ratio wähle ich diesmal den Maximalwert 10:1. Die Reduktion soll wieder ca. 4-5 dB betragen, der Sidechain eliminiert die Kompression unter 60 Hz.
Das vorab schon recht stark komprimierte Soundfile wird etwas luftiger und bietet sich nun leichter für weitere Bearbeitungen an. Durch den Sidechain und die minimale Parallelkompression kann sich hier die Bassdrum weiterhin schön entfalten, die Snare hingegen wird etwas weggedrückt. Aber schön zu sehen, dass der Kompressor nicht nur Spuren zusammenfügen, sondern auch wieder etwas voneinander separieren kann.
Nun nehme ich eine elektronische Aufnahme, die wie alle Beispiele auf einem Logic Sample beruht. Die Kompression fahre ich diesmal auf ca. 5 dB, Ratio 2:1, die tiefen Frequenzen lasse mich mit beim Sidechain-Filter bis 150 Hz, Hier bietet sich die Möglichkeit, die THD-Funktion mal zu testen, wir gehen mit HIGH gleich mal in die Vollen.
Das Signal wird etwas griffiger und nach vorne geholt, die Kick bleibt schön erhalten. Wieder schafft der SSL4000 Compressor das ohne nennenswerte Klangveränderung, trotzdem werden die Melodielinien schön griffig dargestellt.
Zum guten Schluss soll nun auch noch ein Drumbeat bearbeitet werden. Den setze ich wild aus verschiedenen Elementen zusammen.
Trotz recht starker Bearbeitung bleibt die Dynamik erhalten, der Attack wird sogar noch etwas hervorgehoben.
Dione arbeitet hier subtil und lässt das Gesamtbild einfach etwas stimmiger erscheinen.
Das ist auch der Gesamteindruck, Dione ist kein Klangfärber, sondern agiert immer als Feinzeichner, ohne die Charakteristik des Materials zu verfälschen.
Leider musste ich auf meine Plugins verzichten, nachdem ich dieses Gerät gekauft hatte … Sound und Handling sind grandios und haben meine SSL Plugins abgelöst.
@SickOfSound Wundert mich jetzt nicht wirklich.
Habe den von mir sehr geschätzten SSL Sound auch in diversen hochwertigen Emulationen (Softube, UAD u.a.) auf dem Rechner.
Aber was meine Hardware Preamp+ EQ im X-Rack Format macht ist eindeutig eine ganz andere Liga.
Gratuliere zum Kauf.