Einmal 360 Grad zum Mithören bitte!
Dem neuen Zoom H3-VR ist es egal, wo oben, unten, links und rechts ist, Ambisonics-Audio macht es möglich. Das Verfahren ist zwar nicht neu, allerdings war die Aufzeichnung bislang recht aufwendig. Das macht der neue H3-VR anders, denn er hat alles an Bord, was man von der Aufnahme bis zur Nachbearbeitung benötigt und ergänzt zudem 360-Grad-Camcorder. Man kann ihn als Nachfolger des Zoom H2n bezeichnen, der mit seinen fünf Kapseln mit XY- und M/S-Stereophonie immerhin mit vier Kanälen zur räumlichen Weiterverarbeitung aufzeichnen kann.
Ambisonics wurde bereits in den 60er und 70er Jahren entwickelt und Mikrofone, wie das Sennheiser Ambio VR Mic oder das etwas günstigere Røde NT-SF1, knacken aktuell die 1.000-Euro-Marke. Mit einem Multitracker oder guten Mehrkanal-Audiointerface wird das Ganze somit recht kostspielig und aufwendig in der Handhabung. Mit dem Zoom H3-VR wird diese Technik jetzt nicht nur erschwinglich, sondern in einem handlichen Gerät greifbar. Da fragt man sich, warum es nicht direkt einen Q3-VR mit entsprechender Optik gibt, aber vielleicht wird das der nächste Streich.
Ob 360° allerdings tatsächlich die Zukunft oder auch wieder nur ein Trend sein wird, bleibt abzuwarten, immerhin trifft Zoom mit dem H3-VR den Zeitgeist. Die Mikrofonkapseln scheinen denen des Zoom H1n zu ähneln, weshalb nicht nur die Klangsignatur, sondern auch Griff- und Windempfindlichkeit vergleichbar sind und ich als Lektüre daher den Test zum Zoom H1n empfehle.
Wie funktioniert Ambisonics-Audio beim Zoom H3-VR?
Um die Vorzüge des Zoom H3-VR zu erkennen, muss man zunächst die dahinter stehende Technologie nachvollziehen. Zoom sieht das nicht anders und befasst sich im Handbuch zunächst mit Ambisonics-Audio. Zwar lässt sich mit dem Zoom H3-VR auch in Stereo oder binaural aufzeichnen, das ist jedoch nicht seine Kernkompetenz. Er zeichnet alles rundherum auf, wie man es von 360°-Videos kennt, im Prinzip eine Kugelcharakteristik mit Ortungsmöglichkeit. Wer sich mal mit Google Cartboard befasst hat, weiß um den zumeist statischen Ton, der sich bestenfalls bei der Kopfdrehung im Panorama verschiebt. Ambisonics löst das Problem und das Klangbild dreht sich synchron zum Bild in alle Richtungen mit, was auch für Raumreflexionen gilt.
Der Decoder muss allerdings die Räumlichkeit gut abbilden, was bei mehrkanaligen Lautsprechersystemen prinzipbedingt einfacher ist. Kopfhörer sind hingegen aufgrund des Headtrackings besser geeignet und werden primär mit VR-Headsets genutzt, da verwundert auch nicht, dass Google mit Spacial Audio in diese Technologie mit einsteigt. Als Zielgruppe sieht Zoom übrigens auch die Spiele-Entwicklung von VR-Titeln.
Schaut man sich die im Übrigen selektierten Mikrofonkapseln des Zoom H3 VR an, wird einem etwas schwindelig. Vier Kapseln zeigen in Richtung der Ecken und bilden ein Tetraeder, wobei sie in Summe sechs quasi XY-Paare bilden. Diese nehmen den Schall aus jeder Richtung wahr, so dass auch oberhalb und unterhalb der gesamte Frequenzgang eingefangen wird. Neben First Order Ambisonics (FOA) gibt es mit Higher Order Ambisonics (HOA) auch Systeme mit acht und mehr Mikrofonkapseln. Ein Beispiel ist das Zylia ZM-1, das kürzlich hier getestet wurde. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Audiorecorder kann man den Zoom H3-VR einfach im Raum aufstellen, denn das Tonmaterial lässt sich nicht nur für die Wiedergabe nutzen, sondern auch direkt beim Abmischen verarbeiten. So könnte man bei einer Live-Aufnahme das störende Publikum ausblenden und beim Applaus wieder einblenden oder den Fokus nachträglich verschieben.
Zum besseren Verständnis gehen wir an dieser Stelle einen Schritt zurück und betrachten die Mid/Side-Stereophonie des Zoom H2n. Dieser nutzt auf der Rückseite ein M/S-Mikrofon, bestehend aus drei Kapseln. Eine omnidirektionale in der Mitte und eine dazu quer angeordnete Acht, die aus zwei Kapseln besteht. Bei einer Acht sind diese gegenphasig verschaltet, weshalb der seitliche, darunter und darüber liegende Schall ausgeblendet wird. Es entsteht quasi ein akustisches Vakuum, das von der mittleren Kapsel bedient wird.
Mischt man diesen Mittenkanal mit den Seitenkanälen, entsteht aus dem Summen- und Differenzsignal das Stereobild durch Pegeldifferenzen, weshalb die Lautstärkeveränderung der Seitenkanäle auch die Stereobreite beeinflusst. Im Unterschied dazu entscheidet primär der Zeitlauf bei gewöhnlichen Stereoaufnahmen darüber, ob wir ein Schallereignis eher von links oder rechts wahrnehmen. Weil das bei der Intensitätsstereophonie anders ist, lassen sich diese Signale ohne störende Phaseneffekte auch als Mono zusammenführen. Ähnlich funktioniert auch die Stereoabbildung bei UKW, weshalb die Qualität beim Radio hören in Stereo und Mono gleich gut ist.
Bei Ambisonics wird das Prinzip der M/S-Stereophonie erweitert, weshalb es dazu voll kompatibel ist und man die verschiedenen Richtungen auch zur Stereoaufbereitung verwenden könnte. Um Zeitdifferenzen zu vermeiden, müssen auch hier die Kapseln möglichst dicht beieinander liegen. Die vier einzelnen Mikrofonkanäle beschreiben das Ambisonics A-Format, das in das B-Format konvertiert werden muss. Die Basis bildet der B-Kanal als Mono-Mix aller vier Kapseln, vergleichbar mit dem Mittenkanal. Die insgesamt drei Seitenkanäle enthalten die Richtungsinformationen X (links/rechts), Y (vorne/hinten) und Z (oben/unten) und bilden sich aus je einem Mikrofonpaar, das als Acht verschaltet wird. Diese Anordnung entspricht dem älteren Furse-Malham-Format (FuMa), das der Zoom H3-VR ebenso unterstützt, wie das inzwischen gebräuchlichere AmbiX-Format mit der ACN-Spurzuweisung W, Y, X und Z (Ambisonics Channel Notation 0 bis 3). Die Lautstärke des W-Kanals ist dabei entsprechend 3 dB höher (SN3D).
Weil es im Gegensatz zur gewöhnlichen Stereophonie keine feste Kanalzuordnung gibt, wird Ambisonics auf einem 9.1- oder gar 22.2-System gleichermaßen gut abgebildet, die Richtungsinformationen werden vom Decoder aufbereitet. Für Kopfhörer gilt allerdings, dass das Material auf ein binaurales Klangbild umgerechnet werden muss.
Die Klangqualität hängt somit von den Fähigkeiten des Decoders ab und dürfte tendenziell besser werden, wie man es von den unterschiedlichen Lösungen für Dolby Surround über Kopfhörer kennt. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass man Ambisonics-Audio nicht mit Dolby Atmos vergleichen kann, auch wenn dies ebenfalls ein räumliches, wenn auch proprietäres Format ist. Bei Dolby Atmos werden Schallereignisse anhand virtueller Koordinaten im Raum verteilt und es stehen dafür maximal 128 Kanäle zur Verfügung, auch hier muss der Decoder das Ausgangsmaterial entsprechend der Abhörsituation aufbereiten. Das kann man mit einer Stereoaufnahme mit vielen Mikrofonen vergleichen, deren Kanäle erst bei der Bearbeitung im Panorama verortet werden. Ambisonics ist hingegen ein reines Aufzeichnungsformat, bei dem die Rauminformationen unveränderbar eingefangen werden, wie bei einem herkömmlichen Audiorecorder.
Zur Bearbeitung von Ambisonics bedarf es spezieller Plugins und die DAW muss im Stande sein, vier Kanäle je Spur verarbeiten zu können. Das ist in der Regel der Fall, Reaper schafft mit 64 Kanälen je Spur sogar die Voraussetzungen für HOAC. Es würde an dieser Stelle jedoch den Rahmen sprengen, alle Möglichkeiten und Plugins zu beschreiben, auch Zoom bietet den kostenlosen Ambisonics-Player für Windows und Mac zur Nachbearbeitung an.
Hinweisen möchte ich an dieser Stelle jedoch auf die Waves 360° Ambisonics Tools, die sich mit zugehörigem Headtracking-System zum Monitoring und Nachbearbeiten ebenfalls anbieten. Im Internet finden sich genügend Beispiele und kostenlose Software, die sich auch in Videoschnittprogrammen nutzen lassen. Nach der eher trockenen Theorie gehen wir nun in die Praxis und schauen, was der Rekorder alles kann.
Ich hatte mal von Zoom so ein Handheld, H1 hieß der (glaube ich). Alles, was nicht im Abstand von einem Meter um die Kapseln herum aufgestellt war, verlor komplett an Ortungsschärfe und wurde geradezu „mono“ in der Wirkung. Selbiges befürchte ich bei diesem Gerätchen hier auch, es sei denn, die Entwickler haben die Kapseln grundlegend weiterentwickelt.
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Der H1 war seinerzeit ein günstiges Einstiegsgerät und sehr kompromissbehaftet. Zoom konnte es damals schon besser und der H3-VR ist damit nicht vergleichbar. Wenn schon, dann mit dem H1n, der klanglich dem H1 auch überlegen ist und sich dem H4n sehr nähert.
Das Marketing hat hier wieder einmal zuviel getan.
Ein Ambisonic Mikrofon ist ein Ambisonic Mikrofon. Punkt.
Es gibt nur dann eine hörbare Bewegung wenn auch das Mikrofon bewegt wurde!
Stereo oder Kunstkopf kann gar nicht gleichwertig funktionieren.
Ambisonic ist ein freies Audioobjekte-Format und die Software zu großen Teilen Freeware.
Im Gegensatz zur spurenbasierten Tonaufzeichnung werden hier Audioobjekte aufgezeichnet. Erst via Software werden diese Audioobjekte richtungs- und zeit bezogen oder auch frei im Raum verteilt. Das ist meist bei großen Filmproduktionen wie z.Bsp. IMAX der Fall. So sind im Kino/Heimkino 13 oder mehr Lautsprecher für die Wiedergabe im Einsatz. Damit lassen sich extreme Richtungsklänge nachbilden wie z.Bsp. ein Flugzeug über dem Kopf (Voice-of-God-Speaker sei dank).
Für Facebook Audio gibt es die kostenlose »Facebook FB360-SpatialWorkstation« zur Bearbeitung des Ambisonic-Formates.
Wer mehr zu dem Format wissen will, findet Vorträge zum Ambisonic-Format auf der Seite des «Schoeps« Kanals bei »YT«.
Wozu man dafür unterwegs eine App und Bluetooth braucht, erschliesst sich mir nicht.
Der Bauform des Mikrofons (das gilt auch für das Sennheiser Ambeo, RØDE – NT-SF1 etc.) ist ein Apfelsinen großer Sweetspot geschuldet.
Mir scheint der »ZOOM H3-VR Ambisonic Recorder« das bessere und flexiblere Gesamtpaket zu einen moderateren Preis zu sein.
Mich nervt an dem Recorder die schlechte Entkopplung der Mikrofone vom Recorder, das Steinzeit-Display und das Plastik-Stativgewinde. Der ZOOM WSU-1 Windschutz ist Pflicht.
Zum Transport eignet sich ein Objektivköcher.
Warum hat man das Ambisonic Mikrofon nicht als steckbare Mikrofonkapsel zum ZOOM H6 konzipiert? Da wäre das Display besser und der ZOOM F8 hat auch das volle Ambisonic Format an Bord.
PS.: Für den H2n gibt es das kostenlose 3D »Jump« Audioformat als Erweiterung.
Noch eine Anmerkung zum Test. Den Photos nach zu urteilen wurde die Mischung in einer Stereoumgebung gemacht. Bei 3D-Sound wohl nicht artgerecht.
Natürlich hat nicht jedes Tonstudio eine 3D-Suite, aber das verfälscht doch die Bewertung.
Mittlerweile scheint auch die Hardware der Software (Datenträger) weit enteilt. Was bei der Mischung alles passieren kann, hört man/frau im Zweifelsfalle (es fehlt an 3D!) nicht.
Eine gute Informationsquelle zu diesem Problem liefert GrobiTV auf »YT«. So gab es in 2018 nur wenige überzeugene Filme und Musikwerke, wo 3D-Sound sehr gut eingesetzt wurde.
»Jim Knopf« und das Kraftwerk 3D-Projekt von Tom Ammermann sei hier genannt.
Ein interressanter Einstieg in 3D ist immer noch Kunstkopf. Das »Roland CS-10EM« Kunstkopf-Mikrofon ist preislich sehr interessant und es braucht auch keine Software.
@Franz Walsch @Frank Walsch: Der H6 besitzt meines Wissens nicht die Möglichkeit, den Preamp-Gain global/kanalgekoppelt zu regeln, was die eigentlich schöne Idee eines aufsteckbaren Kapsels obsolet macht. Dieses Feature besitzt der F8 glücklicherweise.
Danke für den Hinweis.
Selbstverständlich wäre eine Kapsel nur mit einem entsprechenden Firmware Update realisierbar.
Beim ZOOM F8 (und »n«) werden bei Verwendung des Sennheiser AMBEO die Kanäle mithilfe eines Rauschgenerators z.Bsp. »Monacor CTG-1NOISE« einzeln eingepegelt.
Das zeigt Sennheiser sogar in Schulungsvideos so.
Wie das beim »RØDE – NT-SF1« gelöst ist, weiß ich nicht.
ZOOM hat gerade eine Wechsel-Mikrofonkapsel für den ZOOM H6 & H8 Recorder für Ambisonic vorgestellt »AMBISONIC MIC VRH-8«