Von Darth Vader bis Micky Mouse!
Bei der Bezeichnung Vocal Prozessor denken die meisten User wohl an eine Hardware Lösung, bei der ein Musiker mehr oder minder seine handwerklichen Schwächen zu kompensieren versucht oder aber Musikereinlagen vortäuscht, die von der Besetzung her nicht vorhanden sind. Gerade im Bereich der Einzelkünstler sind zum Beispiel die beliebten Harmony Vocals ein fester Bestandteil der Performance und sorgen beim Konsumenten während der Performance immer wieder für entzückte Gesichter. Was aber, wenn ein Prozessor primär seiner Funktion als Effektgerät (hier geht’s im übrigen zur unserer großen Übersicht „Effektgeräte für Sänger/innen“) nachgeht und den musikalischen Einsatz in die zweite Reihe verbannt? Der Zoom V3 ist ein solcher Prozessor und legt seine Prioritäten auf einen etwas anderen Einsatzbereich als den, den der erste Eindruck vermittelt.
Das Konzept des Zoom V3
Egal wie technisch ausgereift und klanglich fortgeschritten sich ein Tool heutzutage präsentiert, es gibt gerade im Live-Bereich immer noch die Liga der „verschämten“ Tools, die zwar nahezu jeder Künstler ab einem gewissen Leistungsdruck nutzt, die aber zumeist verschämt in einem Rack oder aber auf dem Floorboard verschwinden, auf dass der Zuhörer möglich nicht mitbekommt, was alles synthetisch vorgetäuscht wird. Nachdem sich das System „MacBook / Hardware Player am Drumset“ zwecks abspielen der Backingtracks leider als Standard etabliert hat und vom Zuschauer mittlerweile schon als technische Notwendigkeit interpretiert wird, befinden sich neben Produkten wie Telepromter auch gerne Vokalprozessoren in diesem Fokus und werden, wenn möglich, so unauffällig, wie es nur geht, eingesetzt.
Zoom geht mit seinem V3 hier einen völlig anderen Weg, nicht nur, was die Zielgruppe betrifft, sondern auch, was die Präsentation des Produktes angeht. Ähnlich wie das Floorboard eines Gitarristen befindet sich in dem Produkt eine Zusammenstellung der beliebtesten Vokal-Effekte, wobei die Betonung auf dem Wort „Effekte“ liegt und die Veränderung der menschlichen Stimme den primären Einsatzbereich des Zoom V3 darstellt. Im Gegensatz zu der oben beschriebene „Scham-Hardware“ handelt es sich hierbei um eine bewusst plakativ herbeigeführte Verfremdung der Stimme, um mittels bekannter Effekte im Bereich Podcasting, Streaming, DJ- oder auch anderweitiger Performance das Effektgerät an sich zu einem Leistungsträger der Darbietung zu machen.
Wie ist der Zoom V3 aufgebaut?
Das aus Kunststoff gefertigte Gehäuse ist mit den Abmessungen (B x T x H) 190 mm x 150 mm x 50 mm und einem Gewicht von 590 Gramm sehr handlich und bietet mit seinen 4 Gummifüssen auch auf einem Glastisch eine ordentliche Rutschfestigkeit. Das Produkt ist sauber verarbeitet und für den primären Einsatz als Desktop-Gerät nicht übermässig massiv in seiner Haptik. Betrieben wird das in China gefertigte Produkt mit 4 mitgelieferten AA-Batterien oder aber mit einem separat zu erwerbenden 9V Netzteil. Zum Lieferumfang gehören ansonsten noch 4 Bedienungsanleitungen in verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch).
Die Oberfläche des Zoom V3 wird von 18 großen, weißen Softtouch-Tasten dominiert, die bei Aktivierung rot aufleuchten. Die 16 Effekte sind in ihrer Intensität durch einen Endlos-Regler unterhalb der Tasten editierbar. Bevor die Effekte ihre Wirkung entfalten können, kann man das Eingangssignal durch 3 Standard-Effekte in Form von Kompressor, Delay und Reverb vor- bzw. nachbereiten, wobei die Editierbarkeit aufgrund der eingeschränkten Bearbeitungsmöglichkeiten (nur ein Regler pro Effektanteil) nur rudimentär vorhanden ist.
Welche Effekte bietet der Zoom V3?
HARMONY: Der Effekt erzeugt automatisch Harmoniestimmen auf Basis der mit einem auf der linken Seite angebrachten Drehregler eingestellten Tonart. Die Tonart muss fest gewählt werden, eine automatische Akkorderkennung über MIDI oder einem anliegenden Gitarrensignal ist nicht möglich!
TALK BOX: Erzeugt einen Talkbox-Effekt, der die Tonhöhe in der Skala der gewählten Tonart korrigiert. Die TALK-BOX-Tonhöhenkorrektur folgt einer Skala mit Blue Notes und fügt Dur-Tonleitern eine Terz und natürlichen Molltonleitern eine Quint hinzu.
VOCODER: Dieser Effekt orientiert sich ebenfalls an der Tonhöhe der Skala der gewählten Tonart und korrigiert das Signal mit der entsprechend angedeuteten Trägerfrequenz eines Vocoders.
PITCH CORRECT KEY: Dadurch wird die Tonhöhe in der Skala der gewählten Tonart im Bereich zwischen einer dezenten Tonhöhenkorrektur bis hin zum „Cher-Effekt“ hin modelliert.
OCTAVE: Hier wird die Stimme um eine Oktave nach unten/oben gedoppelt.
UNISON: Dopplungseffekt einer mehrfach identisch eingesungenen Passage
WHISTLE: Gibt das anliegende Signal als Pfeifen wieder
PITCH CORRECT CHROMATIC: Siehe Pitch Correct Key, aber basierend auf einer chromatischen Tonleiter
DISTORTION: selbsterklärend
TELEPHONE: ebenfalls selbsterklärend
BEAT BOX: soll mehr Dampf bei Human Beat Box Darbietungen erzeugen
DEEP: Erzeugt durch eine Absenkung der Tonhöhe einen „Böse-Buben“-Sound aus den amerikanischen Standard-Actionfilmen
ROBOT: Vintage Roboter Soundeffekt
CHILD: Durch Formantenänderung lässt sich eine Kinderstimme erzeugen
FORMANT CHARACTER: Veränderung der Formanten der Stimme ohne Tonhöhenänderung, reine Klangfärbung
Durch die Taste EFFECT OFF lassen sich sämtliche Effekte deaktivieren, das Gerät leitet das Signal ohne Bearbeitung weiter.
Die Anschlüsse des Zoom V3
Der Zoom V3 ist rein auf Mikrofonbetrieb als Eingangssignal ausgelegt und besitzt daher auch nur eine nicht verriegelbare XLR-Eingangsbuchse, die über einen Schalter bei Bedarf auch 48V Phantomspeisung abgeben kann. Es kann über Miniklinke allerdings noch ein AUX-Signal eingespeist werden. Über einen USB-Port können zwecks Speisung eines Mobile Devices 5V DC abgegeben werden, was sehr praktisch für den Live Einsatz ist. Als Outputs kommen 2 TRS-Buchsen für R / L sowie ein regelbarer Miniklinke-Kopfhörerausgang zum Einsatz . Ansonsten sorgt ein Kensington Lock für etwas Diebstahlschutz, ein Connection IN erlaubt die Steuerung per Fußschalter, und eine Netzteilbuchse plus On/Off-Schalter runden das Bild ab.
Um den Zoom V3 für den Live Betrieb optimal nutzen zu können, gibt es mit den Zoom Halterungen HRM-7 und HRM-11 zwei Ausführungen, um das Produkt an einem Mikrofonstativ fixieren zu können. Die nötige Verschraubungsöffnung befindet sich ebenfalls auf der Rückseite des Gehäuses, oberhalb der beiden TRS-Ausgangsbuchsen.
Einsatz des Vocal Prozessors
Fangen wir zunächst einmal mit einem Manko des V3 an, dem Ausgangspegel. Losgelöst von der Effektqualität an sich, gibt es keine Möglichkeit, den Gesamtpegel in der Summe und die einzelnen Effekte separat in ihrer Lautstärke zu regeln. Wenngleich man den Summen-Ausgangspegel meistens noch am Verstärker per Gain-Justierung ausgleichen kann, so haben die einzelnen Effekte untereinander zum Teil sehr große Pegelunterschiede am Ausgang. So quäkt der Telephone-Effekt zum Beispiel schon ohne Normalisierung sehr ordentlich am 0 dB-Bereich herum aus den Speakern, während zum Beispiel der Whistle Effekt nur einen Bruchteil des Pegels bietet.
Losgelöst von der Performance-Einschränkung ist damit leider auch kein On-The-Fly Nachregeln möglich, was meines Erachtens eine Einschränkung der Performance bedeutet. Bei den beigefügten Soundbeispielen ist dies nicht zu hören, da alle Pegel normalisiert wurden.
Auf der Haben-Seite hingegen flutet umgehend das Wort „Spielzeug“ im besten Sinne meinen Kopf. Der Zoom V3 regt in der Tat zum Spielen an sich an und kann seinen Teil zu einer unterhaltsamen Performance beisteuern. Dass dabei die Effekte einen guten Durchschnitt, aber keine überragende Performance bieten, ist als völlig nebensächlich zu betrachten, da der Effekt an sich überzeugt und gerade bei einer Live Performance genau die Emotionen beim Hörer hervor ruft, die der Künstler transportieren möchte.
Viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang die einfache und übersichtliche Haptik des Geräts, welche nicht unnötig von der Performance ablenkt und zum Beispiel durch eine kleine Menüführung zu viel Konzentration in Anspruch nimmt. Inwieweit es vielleicht hilfreich wäre, die unterschiedlichen Effekte in Gruppen mit unterschiedlichen LEDs zu unterteilen, bleibt dahingestellt, aber das hat Zoom bestimmt schon für die MKII Version auf dem Schirm. So muss man sich entweder den Platz seines anvisierten Effektes merken, oder aber noch über gute Augen für das Lesen der Schrift verfügen.
Unter dem Strich muss man dem Zoom V3 einen großen Fun-Faktor bescheinigen, der in vielen Situation für den nötigen Unterhaltungswert sorgen wird. Auch für den rein musikalischen Betrieb, zum Beispiel im Harmony Betrieb, wird das Produkt für viele Einsatzmöglichkeiten durchaus ausreichen. Nur für anspruchsvolle Steuerungen bzgl. Key Changes würde ich auf Produkte mit MIDI-Verwaltungen oder Chordanalyse zurück greifen.
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Schade das man nicht mehr Parameter der Effekte einstellen kann.
Leider kein Midi für Melodien und Chords…
@8-VOICE Ist mir auch völlig unverständlich, dass ein Hersteller ohne Not darauf verzichtet. Mein zehn Jahre altes Voicelive Touch hatte schon MIDI und die Generation danach von TC Helicon zusätzlich noch Room sense, also automatische Harmonieerkennung über Mikro.
Selbst Roland hat dazu gelernt und dem VT-4 MIDI spendiert.
Einen Vocalisten ohne MIDI würde ich mir als Keyboarder niemals kaufen.
@Archivicious Aber ich glaube, dasselbe habe ich beim Test vom Zoom V6 auch schon geschrieben:-)
Hm, mit meiner Vorliebe für (auch und gerade spontane) Vokaleffekte gehörte ich eigentlich mitten in die Zielgruppe für dieses Kistchen – zumal ich leichte und übersichtliche Bedienungen schätze (dies nicht nur live). Aber gerade die Sounds wollen mir nicht gefallen. Also noch weniger als die typischen der mir seit je schon zu quietschigen oder grobkörnigen Konkurrenz. Und Pegel nicht regeln können bei dazu so starken Schwankungen der Outputs, das geht gar nicht.
Irgendwie erscheinen mir diese Dinger alle mehr oder weniger als Notbehelf und Hauruck-Maschinen konzipiert. Sind die Prozessoren heutzutage nicht längst gut genug zum Generieren studiotauglicher Zweit- und Drittstimmen in Echtzeit, über kinderleichte Bedienung und das zum Spottpreis? ;-) (Kleiner Scherz. Aber man wird doch noch träumen dürfen, hihi!)
@Eibensang Genau, kann man die Pegeln nicht regeln tu ich mich ekeln….. :-)
Mal im ernst: Bei meinem uralten TC Helicon VoicePrism+ (~2001) sind die Pegelsteller für „Input“, „Lead“, „Harmony“ und „Effekt“ mit das wichtigste, was ich beim Live-Einsatz anzupassen hatte.
Im Studio kann man Pegel noch eher im Nachhinein anpassen, aber der Zoom drängt ja eher ins Rampenlicht….
Danke für den Artikel, der ist gut dieses Gerät leider nicht so. Unten 2 Potis mehr, welche Efekte und Pegel steuern dazu noch MIDI und dann wird da was draus.