E-Piano Klassiker auf Draht
Es ist eine oft bemühte Frage – welche drei Instrumente würden Sie gerne auf die einsame Insel mitnehmen. Natürlich den Minimoog Model D. Gibt es auf der einsamen Insel überhaupt Strom? Was nutzt mir der Minimoog ohne Pult, Verstärker und Boxen? Ein Klavier wäre auch toll. Wer trägt das Klavier mit mir auf die Insel?
Inhaltsverzeichnis
Nein, das Yamaha CP-70 wäre keine Lösung für die einsame Insel, obwohl es auch ohne Strom rein akustisch seinen Dienst verrichtet. Auch vom Transport her wäre das Yamaha CP-70 zwar besser als jedes andere Klavier, aber alleine – Stichwort „einsame Insel“ – konnte man es nicht tragen, zu Zweit aber sehr wohl – und das ohne Gurte oder ähnliche Hilsmitteln.

Seitenansicht des CP-70 mit dem über das Tastaturcase herausragenden schlanken Resonanzkörper. Das Markante Aluminiumprofil bildet die Trennfuge der beiden Cases. Der Arretierverschluss ist auf diesem Bild offen.
Yamaha CP-70 – ein neuer Ansatz
Der Bedarf für ein Stage Piano war absolut gegeben. Das rein elektrische Yamaha CP-30 aus dieser Zeit arbeitete wie damals üblich noch mit Frequenzteilern, die Sampling-Technologie, die sich später durchsetzen sollte, kämpfte mit zu geringer Speicherkapazität und langen Ladezeiten. Elektromechanische Geräte wie Fender Rhodes oder Wurlitzer arbeiteten mit Tonabnehmern, es wurden Klangstäbe oder Klangzungen angeschlagen und in Schwingung versetzt. Das war verstärkbar und somit im Bandkontext nutzbar und hatte seine eigene Klangästhetik, aber vom Klang eines Klaviers war das alles weit entfernt. Naheliegend daher das Konzept, ein möglichst kompaktes und transportables Klavier mit Verstärkung zu bauen.
CP-70 E-Piano – Reduktion als Konzept
Yamaha hatte dafür vielfältige Expertise an Bord – als Klavierbauer, als Hersteller von Piezo-Gitarren-Pickups und von Musikelektronik im Allgemeinen. Die Ingenieure von Yamaha hatten die geniale Idee, den Klangkörper und die Tastatur in zwei voneinander getrennte Cases zu verbauen. Das untere Case, an dem auch die verchromten Standfüße angeschraubt werden, ist mit der Tastatur und der Hammermechanik ausgestattet. An drei massiven Scharnieren wird der zweite Case mit der bespannten Harfe und dem zweiten Teil der Dämpfungsmechanik eingehängt, gekippt und arretiert.
Die Harfe wurde für das Yamaha CP-70 im Vergleich zu einem Yamaha Stutzflügel stark modifiziert. Um Platz und Gewicht zu sparen, wurden alle Seiten verkürzt und im Baßbereich deutlich stärker angewinkelt aufgezogen.

Die Harfe ist entsprechend klassischer Klavierbautechnik ein Druckgußelement, die Bassaiten sind deutlich schräg aufgezogen und sehr kurz, um Platz und Gewicht zu sparen
Das ermöglicht auch die charakteristische symmetrische Form des Gehäuses. Für das Yamaha CP-70 wurden eigene Saiten entwickelt, die wesentlich zum drahtigen Klangcharakter des Instruments beitragen. Im Bass ist auf den ersten 15 Tasten jeweils nur eine Saite aufgezogen, in weiterer Folge sind stets zwei Saiten pro Taste aufgezogen, bei einem herkömmlichen Klavier sind es bis zu drei Saiten. Erfreulich ist, dass die Saiten seit einigen Jahren wieder hergestellt werden.
CP-70 Stage Piano – Gitarre oder Klavier?
Somit ist der mechanisch-akustische Teil eines Klavieres von Yamaha auf geniale Weise roadtauglich umgesetzt worden. Bleibt ein weiteres Problem im Touralltag, die Mikrofonierung und damit einhergehende Probleme im Bandkontext. Hier haben die Yamaha Ingenieure nochmals unkonventionell gedacht und dem Yamaha CP-70 für JEDE Taste einen Piezo-Tonabnehmer spendiert, im CP-70 sind also tatsächlich 73 Tonabnehmer verbaut, man könnte das CP-70 aber auch als Gitarre mit 73 Saiten bezeichnen.
Im Case sind je zwei Ausgänge (XLR und Klinke, 6,3 mm) verbaut, die aber nicht in Stereo arbeiten, sondern 2-mal das idente Monosignal liefern. Die einzelnen Pickups sind also nicht im Panorama verteilt, das Signal kann aber immerhin auf links und rechts gepant werden und liefert einen schönen breiten Grundklang .
Das Signal wird nach den Pickups intern verstärkt und durch eine Klangereglung mit Reglern für die Anhebung oder Absenkung von Bass-, Mitten- und Höhenfrequenzen geführt. Ein Tremolo, das in Frequenz und Intensität regelbar ist, kann zugeschaltet werden. Schließlich befinden sich auch noch zwei Patch-Punkte zum Einschleifen externer Effekte am Bedienfeld über der Tastatur, die dazu einladen, das Signal mit Effekten aller Art zu bearbeiten. Vom subtilen Boss CE-1 Chorus, der beim Yamaha CP-70 die Sonne aufgehen lässt, bis zu deftigen Verzerrerpedalen ist hier alles möglich – das macht das CP-70 so vielseitig einsetzbar.
Yamaha CP-70 – Modelle und Historie
Das erste Modell wurde 1976 ausgeliefert und kostete damals 4.000,- USD und hatte noch leichte Probleme „in tune“ zu bleiben. Das Yamaha CP-70B , das wie das Yamaha CP-80 ab 1978 ausgeliefert wurde, hatte keine Tuning-Probleme mehr. Nachfolger waren das Yamaha CP-70 D und Yamaha CP-80D, die sich vor allem durch den mehrbandigen graphischen Equalizer von den Vorgängern unterschieden. 1985 schob Yamaha noch das Yamaha CP-70M und das Yamaha CP-80M nach, die einen MIDI-Ausgang aufzuweisen hatten. Mittlerweile hatte sich die Digitaltechnik aber weiter entwickelt und ermöglichte die Umsetzung wesentlich kompakterer Stage-Pianos. Die Technik des Yamaha CP-70 war nicht mehr konkurrenzfähig und die Produktion wurde eingestellt.
Yamaha CP-70 Stage Piano – wer hat’s gespielt?
Damit wären wir auch schon in der Kategorie – und wer hat’s gespielt – angelangt. Die Liste ist lang und prominent. Viele natürlich live als Klavierersatz. Da wären Keith Emerson, Billy Joel, Elton John, George Duke, Alicia Keys und viele andere Tastengötter:innen anzuführen.
Benny Anderson von ABBA spielte live ein weißes Yamaha CP-70. Auch im Studio wurde das CP-70 in den 80ern intensiv eingesetzt. Der obertonreiche Charakter des Klanges war für markante Riffs in Pop-Produktionen wie geschaffen. Das charakteristische Intro des MTV Release-Hits „Video killed the Radio Star“ von den Bugles stammt von einem CP-70, bei „Purple Rain“ von Prince, bei Tears for Fears „Working Hour“, Billy Joels „All for Leyna“ und Peter Gabriels „Red Rain“ ist das CP-70 prominent im Arrangement zu hören. Tony Banks von Genesis setzte das CP-70 intensiv live und im Studio ein. Phil Collins komponierte viele seiner großen Hits auf dem CP-70.
2005 setzte die englische Gruppe „Keane“ das CP-70 intensiv ein und machte es zum zentralen Bestandteil der Arrangements, Songs wie „Everybodyˋs Changing“ oder „Somewhere only we know“ stürmten die Charts.
Yamaha CP-70 – das Original und die Alternativen
Keane waren für mich auch die Auslöser, mich auf die Suche nach einem Yamaha CP-70 zu machen. Die vielseitige Art, wie Keyboarder Tim Rice-Oxley das Instrument einsetzt, hat mich begeistert. Ein gut erhaltenes Yamaha CP-70 zu ergattern, braucht Geduld, Glück und mittlerweile auch einen gut gefüllten Geldbeutel, Preise von 3.000,- bis 5.000,- Euro je nach Zustand werden aufgerufen, seltene Exemplare ohne Bühneneinsatz und somit ohne Gebrauchsspuren gehen auch noch darüber. Da das CP-70 leiser ist als ein herkömmliches akustisches Piano, ist es auch ein sehr gutes Piano für den akustisch nicht optimierten Privathaushalt, zudem ist die Tastatur für mein Empfinden wirklich ausgezeichnet zu spielen.
Den vollen Charakter, die Lebendigkeit und die Möglichkeiten, dieses Instrument durch alle möglichen und unmöglichen Effekte zu jagen, das bietet NUR ein CP-70. Gerade im Studio ist es schon ein tolles Instrument. Live würden heutzutage nur Enthusiasten ein CP-70 auf die Bühne schleppen. Schonender für die Bandscheiben sind Workstations der Anbieter Yamaha, Korg, Roland, Kurzweil und Co., die alle in der Regel CP-70 Samples im ROM abgelegt haben, die den Anforderungen für den Live-Betrieb genügen. Wenn man im Studio den charakteristischen Sound eines CP-70 in sein Arrangement einbinden möchte, gibt es ebenfalls einige Alternativen. Da wäre einmal der EMU Vintage Keys, wie der Name sagt, selbst schon vintage. Der schon erwähnte Tim Rice-Oxley von Keane hat gleich mehrere Vintage Keys als Ersatz und Dopplung für sein CP-70 im Live-Rack. Der Vintage Keys klingt für die Kürze der Samples überraschend authentisch. Wer es detaillierter möchte, greift zu Software. Spectrasonics Keyscape beinhaltet ein hochqualitativ gesampeltes CP-70 samt Nachbearbeitung und Effekten. UVI bietet mit dem EGP ein hervorragend aufgenommenes CP-70 an, das zusätzlich auch noch mikrofoniert wurde. Mikrofonierung und Pickups lassen sich hier frei mischen, was das Instrument in feinen Nuancen anpassbar macht.
Wäre es denkbar, dass sich Yamaha an eine Neuauflage wagt? Nein. Ein Instrument das derart aufwändig hergestellt und handwerklich so präzise verarbeitet ist, lässt sich heute nicht mehr kostendeckend herstellen. Die Neuauflagen und Nachbauten der Fender Rhodes Pianos zeigen ja auf, wohin preislich die Reise gehen würde.
Dank der heute vorliegenden hochqualitativen Sample-Librarys kommerzieller Anbieter kann aber jeder den unverkennbaren Klang eines CP-70 für kleines Geld in sein Arrangement einbauen.
Wer mehr will, muss sich auf die Suche bei den einschlägigen Plattformen begeben und Geduld mitbringen.
Fantastisch! Vielen Dank für den schönen Artikel!
Cool! Meine CP 70 Favoriten sind New Years Day U2, Alive & Kicking Simple Minds, Steppin Out Joe Jackson, Feels Like Heaven Fiction Fatory. Peter Gabriels CP 70 Phase ist auch gesetzt.
Toller Artikel. Als Genesis und Peter Gabriel Fan gehört der CP70 zu meinen musikalischen Grundnahrungsmitteln. Und auch Simple Minds (Mick MacNeil) ist nicht zu vergessen.
Inzwischen gibt es gute Software – Lösungen, die beiden im Artikel angesprochenen EPG und Keyscape sind klasse. Außer diesen habe ich noch das CP70 von Hollowsun (Kontakt) in Verwendung, kann ich auch uneingeschränkt empfehlen.
Wer 70 / 80er – Musik mag kommt am CP70 eigentlich nicht vorbei😀.
P.S. Allen ein schönes und erfolgreiches 2023!
@Jens Barth Nicht zu vergessen, dass auch Pianoteq eine CP-80/70-Simulation als kostenlose(!) Erweiterung enthält.
@og_penson Ja, stimmt! Die habe ich auch, aber die anderen genannten klingen besser. Das liegt auch daran, daß der Equalizer bei Pianoteq für einen CP70 nicht wirklich zu gebrauchen ist. In Sachen Klavier lasse ich aber auf Pianoteq nichts kommen, da ist es meine Allzweckwaffe.
@og_penson Das wollte ich auch sagen. Samples sind vielleicht noch authentischer, mir genügt diese tolle Dreingabe völllig, um den CP70 Vibe zu erzeugen. 😎
Schöner Artikel, ich verbinde das Instrument immer mit Tony Banks und Peter Gabriel, das war schon sehr prägend.
Erinnere mich an Konzerte um 1980, die hatten fast alle CP70 mit Prophet5 am Start. So, als wäre das eine Grundausrüstung für einen Tastenspieler.
@Tai Heute auf drei Sat Peter Gabriel live in Athen mit CP-70 und Prophet 5 darauf, Treffer!
In meiner Firma Synthesizerstudio Bonn diente das CP-70 lediglich als Ständer für den Prophet-5, daneben eine weiße Vase mit einer roten Rose und ein Foto, Format 10 x 14 cm, in einem Flexiglasaufsteller vom Bundespräsidenten. Angeschlossen war es nicht und als mein Mitarbeiter Norbert zu mir ins Büro kam und berichtete, dass gerade eine Gruppe cowboybestiefelter Besucher das CP-70 mit Boogie-Woogie (oder wie das heißt) malträtierten, dabei mit den Füßen aufstampften und meinten, Synthesizer seien nichts, habe ich mich entschlossen, das CP-70 dem nächstenbesten Interessenten zum Einkaufspreis zu überlassen. Weg damit
@Dirk Matten Fight Rockism!
…Yeah!
Vielen Dank für den tollen Artikel. Zum CP-70 ist bislang nicht viel veröffentlicht, deshalb bin ich dankbar, dass man hier eine wirklich super recherchierte Story findet. Ich selbst bin Eigner eines CP-70 und jage es durch einen Reußenzehn Piano Verstärker. Erste Sahne ist der Sound und es ist für mich einfach das perfekte Instrument zum improvisieren, der warme und füllige Klangcharakter ist sehr inspirierend, so dass mir Songideen leichter von der Hand gehen als z. B. von einer Workstation.
@Obie69 Danke, das kann ich nur bestätigen. Es ist inspirierender am CP-70 zu spielen als mit den noch so aufwändigst produzierten Kontakt Libraries. Abgesehen davon das es einfach Spaß macht, das CP – 70 durch alle möglichen und unmöglichen Effekte zu jagen.
Sehr schöner Artikel! Nicht vergessen sollte man aber auch nicht das recht seltene CP60m, quasi die Upright Version des CP70. Steht bei mir im Studio und wird sehr gern bespielt.
@k-langwerkstatt Danke für den Hinweis. Kannte das Instrument nicht. Klingt gemäß Youtube Videos eindeutig wie ein CP -70. Ist das Teil auch zerlegbar und in Cases Verbaut?
@toneup Das ist in einem Stück. Die Tastatur kann man zum Transport einklappen. Sauschwer, das Ding. Glücklicherweise wird es nur noch im Studio benutzt. Gruß Stefan
Vielen Dank. Da werden akustische Erinnerungen wach. Und das noch im alten Jahr.
Gab eine qualitativ sehr gute, aber eher weniger bekannte Alternative: Kawai EP308
Klang ähnlich, hatte ein paar Vor-und Nachteile gegenüber dem Yamaha.
Besaß ich ein paar Jahre.Leider zu lange her, als das ich noch Konkretes drüber wüßte.
@justme Da kann ich aushelfen. Das EP308 gab es nur als 88er Version und klingt ein wenig drahtiger als das CP80. Man hat 3 Presets, ich glaube da wird die Saite an unterschiedlichen Positionen abgenommen. Ich hatte Ende 2018 das Vergnügen mit gleich 2 dieser E-Grands, die klangen unterschiedlich, was wohl an den Saiten liegt. Neben dem Tremolo Effekt hat es noch einen Brilliance Regler. Es gibt noch das 608 und 708 als Pendants zum CP60.
Vielen Dank! Prominent ist das CP-70 (oder eines seiner Verwandten) zu hören auf der Ballade „Jraaduss“ von BAP sowie auf Police: „Does Everyone Stare?“
https://www.youtube.com/watch?v=t4B2b6BA2uE
https://www.youtube.com/watch?v=btjIoBotLAA
Vielen Dank für die schöne Hommage an das CP-70. Neben dem Sound und dem Spielgefühl für mich das schönste an ihm: Es erhöht enorm die physische Präsenz als Keyboarder. Kann kein Nordstage bieten. Ich fühle mich jedenfalls immer wie ein Kapitän hinter seinem Steuerrad. Wenn man es allerdings in einem Proberaum mit großen Temperaturschwankungen stehen hat, sollte man sich in die Geheimnisse des Klavierstimmens einlernen. Sehr hilfreich ist dann folgende Software: https://www.dirksprojects.nl/
Neben den genannten Simulationen kann ich auch noch die von xlnaudio empfehlen. Klingt erstmal relativ unspektakulär, das macht das Original aufgenommen über den Ausgang aber auch.
Ersatzteile bekommt man hier: https://www.ep-service.nl/ Aber das werden die stolzen Besitzer sicherlich wissen. Ich gebe meins nicht mehr her…
Aber hallo, wie die Zeit vergeht ……
hatte so ein teil auch mal Mitte der 80er……wurde per Bahnspedition von Sueddeutschland in 2 Riesencases Ins Ruhrgebiet geliefert , was ca. Ein Drittel des sehr günstigen Preises ausmachte ….
Damals hab ich im 3 . Stock mit enger Treppe gewohnt. Mit Hilfe alles 6 Leute aus meiner Band haben wir es raufgewuchtet….komme nur bei dem Gedanken daran schon wieder ins schwitzen….
Aber zum zuhause üben – natürlich nur unverstärkt in der Mietwohnung – war es einfach geil !
Später , als wir alle das schleppen satt hatten, hab ich es ausgetauscht gegen ein Kawai EP 608, das konnte man eben auch nur zu zweit etwas besser transportieren.
Heute ärgere ich mich , das ich beides vor Jahren viel zu billig verkauft habe….